Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt SPD und FDP)

Das hat viel mit der Europäischen Union zu tun und auch mit der Art, wie die Europäische Union funktioniert. Aber natürlich dürfen wir nicht stehen bleiben. Wir Grüne treten auch dafür ein, die Europäische Union besser zu machen.

Wenn man möchte, dass Menschen zur Wahl gehen, dann ist es auch wichtig, deutlich zu machen, dass es Auswahl gibt. Damit will ich sagen, dass es zwischen den demokratischen Parteien sehr große Unterschiede gibt, die auch bei den Europawahlen zur Abstimmung stehen, zum Beispiel bei der Frage, ob

(Bernd Heinemann)

wir nur über die Klimakrise reden oder ob wir endlich handeln.

Wollen wir durch mehr Naturschutz und weniger Pestizide das Artensterben beenden? Wollen wir eine Europäische Union, die Armut aktiv bekämpft und allen Europäerinnen und Europäern zum Beispiel das Recht auf eine Krankenversicherung garantiert? Wollen wir uns um die knapp 40 % Jugendlichen in südeuropäischen Staaten kümmern, die zurzeit in der Arbeitslosigkeit festhängen? Wollen wir Google, Amazon und Co. die Kontrolle über unsere Daten entziehen und dafür sorgen, dass sie faire Steuern zahlen? Wollen wir konsequent für Menschenrechte einstehen und europäische Seenotrettung im Mittelmeer unterstützen, oder lassen wir alles so, wie es jetzt ist?

Es geht um viele große Fragen. Es gibt sehr unterschiedliche Angebote - mit über 40 Parteien bei den Wahlen in Deutschland sollte für jeden etwas dabei sein.

Es geht aber nicht nur um die großen, sondern auch um eine ganze Reihe kleinerer Fragen, die für unser Land eine große Bedeutung haben - die Kollegen sind darauf schon eingegangen -: Sei es Verbraucherschutz - die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern, was man symbolisch besonders beim Thema Abschaffung der Roaming-Gebühren feststellen kann -; sei es bei konkretem Naturschutz, wo es oft die EU war, die dafür gesorgt hat, dass Naturschutzgesetzgebung, Naturschutz vor Ort durchgesetzt und nicht andere Interessen über Naturschutz gestellt wurden; sei es der Umfang der Fördermittel. Hartmut Hamerich hat es erwähnt: In diesen Tagen kann man in der Landespresse lesen, wo mit EU-Fördermitteln ganz unterschiedliche Bereiche in Schleswig-Holstein gefördert werden, wie Mehrgenerationenhäuser, Breitbandausbau, das Museum Haithabu oder Projekte zur klimafreundlichen Mobilität.

In Schleswig-Holstein steckt mehr EU, als man im Alltag annimmt. Das ist nicht selbstverständlich; das hängt von politischen Mehrheiten ab - politischen Mehrheiten, die am 26. Mai 2019 zur Wahl stehen.

Zur Europäischen Union muss gehören, dass wir die EU für mehr Menschen erlebbar machen. Ich bin dem SSW für den Aufschlag mit dem ERASMUS-Antrag sehr dankbar, denn ERASMUS ist das Herzstück für eine schon jetzt erlebbare Europäische Union und Austausch in ganz vielen Bereichen.

Auch wir Grüne glauben, dass die ERASMUS-Programme ausgeweitet werden sollten. Wir wollen das, was für Studierende schon seit sehr vielen Jahren sehr gut funktioniert, auch für Auszubildende und Berufstätige noch viel stärker verankern. Damit ist - darauf ist schon eingegangen worden - schon begonnen worden. Der Antrag des SSW ist eine gute Grundlage, um über diese Fragen im Ausschuss im Europaausschuss, vielleicht auch im Bildungsausschuss - konkret zu sprechen und zu überlegen, wie wir es schaffen können, in der Europäischen Union am Schluss einen Finanzrahmen zu bekommen, der uns das ermöglicht.

Zur Wahrheit gehört: Wer mehr Austausch will, muss bereit sein, die Europäische Union so auszustatten, dass Austausch finanziert werden kann. Ich freue mich auf die Debatte im Ausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP, SSW und vereinzelt SPD)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Stephan Holowaty das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mein Dank gilt zunächst allen pro-europäischen Fraktionen dieses Hauses für die gemeinsame Resolution. Wir senden für die Europawahl ein ganz starkes Signal in das Land.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU und SSW)

Bei allen Unterschieden in Sachfragen sind wir uns beim Einsatz für ein gemeinsames Europa einig.

Meine Damen und Herren, viele Menschen in Europa - auch in unserem Land - nehmen Frieden, offene Grenzen, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit mittlerweile als so selbstverständlich wahr, dass sie ihnen kaum noch einen echten Wert zurechnen. Doch diese Werte sind in Gefahr: ob dänische Wildschweinzäune, österreichische Grenzkontrollen; in Polen, Ungarn und Rumänien erleben wir derzeit das Aushöhlen des Rechtsstaats, der Meinungsfreiheit und auch zunehmende Korruption.

Europa muss wieder eine Wertegemeinschaft werden, mit gemeinsamer Verfassung und solider Durchsetzungsfähigkeit.

(Beifall FDP)

(Rasmus Andresen)

Wir brauchen innovative Reformen, um Europa für die Menschen Stück für Stück besser zu machen.

Deutschland war Ende der 90er-Jahre der kranke Mann Europas. Die Arbeitsmarktreformen, Hartz IV, haben eines bewirkt: Unser Arbeitsmarkt sucht heute händeringend qualifizierte Arbeitnehmer. Andere Länder haben den Reformbedarf schlicht ignoriert. Solidarität darf aber in Europa keine Einbahnstraße sein. Wer Hilfe erwartet, muss dafür sorgen, dass er die Hilfe selbst nicht benötigt. Reformbedarf haben wir an vielen Stellen.

(Beifall FDP)

In der Flüchtlingsfrage müssen wir Ländern wie Italien und Griechenland helfen. Die gerechte Verteilung von Flüchtlingen in Europa bleibt eine wichtige Aufgabe, die nicht an nur wenigen Staaten hängen bleiben darf. Gerade wir in Schleswig-Holstein haben dabei über alle Parteigrenzen hinweg sehr viel getan.

Im Mittelmeer sind allein im letzten Jahr über 2.000 Menschen umgekommen. Länder wie Italien sind genauso hilf- wie herzlos, kriminalisieren private Rettungsmissionen und blockieren beispielsweise diejenigen der Bundesmarine.

(Beifall FDP)

Die Schiffe der Bundesmarine haben im Mittelmeer allein in den letzten vier Jahren über 22.000 Menschen aus Seenot gerettet.

(Beifall FDP und Bernd Heinemann [SPD])

Wir brauchen daher kurzfristig eine europäische Grenzpolizei, Frontex, die unsere Außengrenzen sicherer macht, kontrolliert und regelt, aber auch die Seenotrettung wirkungsvoll koordiniert und durchführt.

(Beifall FDP)

Im Mittelmeer dürfen keine Menschen mehr sterben. Das muss unser europäischer Ansatz sein.

(Beifall FDP, SPD und SSW)

Klimaschutz ist unbestreitbar eine der großen Herausforderungen, die Europa nur gemeinsam bewältigen kann. Europa ist für rund 20 % der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Wir sehen also: Alleine können wir nicht viel ausrichten, aber wir können Vorbild sein.

Wenn es Europa gelingt, ohne Einschränkung der persönlichen Lebensweisen, ohne Bevormundung, ohne Einschränkung von Freiheitsrechten zu zeigen, wie Klimaschutz effektiv und erfolgreich um

gesetzt werden soll und kann, wird dies eine Vorbildfunktion für andere Regionen der Welt, wie zum Beispiel die USA, haben können.

(Beifall FDP)

Wer aber nur die Kosten für Lebensmittel, Mobilität oder auch Wohnen mit CO2-Steuern in die Höhe treibt, der wählt genau das Rezept, das die praktische Akzeptanz von Klimaschutz beschädigt.

(Beifall)

Der richtige Weg ist ein konsequenter Ausbau der CO2-Bepreisung über den Zertifikatehandel, auch mit einer sozialen Kompensation bei anderen Steuern und Abgaben.

(Beifall FDP)

Wir brauchen aber auch - das ist mir sehr wichtig intelligente Gesetze; denn nur so, über Technologieoffenheit, gibt es nachhaltigen, effektiven Klimaschutz.

Meine Damen und Herren, Konflikte auf dieser Welt betreffen auch uns, unsere Sicherheit und unseren Wohlstand. Es geht uns etwas an, dass Russland mit seiner aggressiven Politik in Polen, den baltischen und nordischen Staaten für Angst sorgt. Es geht uns etwas an, wenn China seine militärische und wirtschaftliche Hegemonialpolitik weiter vorantreibt. Es geht uns etwas an, wenn sich die USA unter Trump aus der transatlantischen Partnerschaft zurückziehen. Europa muss seine Sicherheit zunehmend in die eigenen Hände nehmen. Das braucht Anstrengungen bei der gemeinsamen Verteidigung. Wir brauchen keinen gemeinsamen Flugzeugträger, aber die Fähigkeiten zu verhindern, dass man uns unter Druck setzen kann.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Wir brauchen die politischen und militärischen Mittel, zum Beispiel einen europäischen Außenminister.

Ein letzter Punkt, der mir besonders wichtig ist: Europa muss wieder ein Europa der Chancen werden. Die Menschen müssen wissen, dass Europa ihnen die Türen aufmacht, sodass sie ihr Leben so leben können, wie sie es gern möchten. Eine Jugendarbeitslosigkeit von 40 % in einigen Regionen Europas ist für uns in einem Kulturkreis wie Europa schlicht nicht akzeptabel.

(Beifall FDP)

Wir wollen Erasmus+ deshalb stärken und damit die berufliche Ausbildung in Europa massiv vorantreiben. Das Europa der Wirtschaft und des Wohl

(Stephan Holowaty)

stands ist kein veraltetes Modell längst vergangener Zeiten, sondern aktuell wie eh und je. Nur wenn Europa jedem Chancen für sein Leben bietet, werden wir die großen Zukunftsaufgaben gemeinsam meistern können.

Ich bitte Sie daher: Gehen Sie als Bürgerinnen und Bürger Schleswig-Holsteins zur Wahl! Wählen Sie ein geeintes Europa; stimmen Sie für ein geeintes Europa, ohne das die großen Zukunftsaufgaben nicht gelöst werden können! Lassen Sie sich nicht von Populisten von links oder rechts verführen! Europa hat noch viel vor sich. Wählen Sie nicht ein Europa der Mauern und Zäune, sondern wählen Sie am 26. Mai 2019 ein weltoffenes Europa der Chancen! - Herzlichen Dank.