Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Das würde mir eine große Freude bereiten, ja klar.

Gut. - Wenn wir jetzt festgestellt haben, dass das theoretische Konstrukt so ist, dann müssen wir uns das noch einmal genauer anschauen. Das ist ja bereits in den Jahren 2014 und 2015 gemacht worden. Können Sie mir bitte den positiven Effekt nennen, den diese Gesetzesänderung nach sich gezogen hat?

- Ein positiver Effekt konnte nicht eintreten. Das habe ich in meiner Rede eben deutlich gemacht. Es gibt innerhalb des Arbeitgeberlagers durchaus unterschiedliche Interessen. Die einen sehen ein, dass es Sinn macht, die Leute ordentlich zu bezahlen, Qualität darüber hinzubekommen, dass sie den Leuten Sicherheit geben und damit eine Arbeitnehmerschaft generieren, die sich mit dem Unternehmen verbunden fühlt. Andere setzen doch eher darauf, den Lohn so weit zu drücken, dass man auch aus diesem Bereich noch Profit ziehen kann. Das führt dazu, dass die Arbeitgebervertreter einer solchen Erklärung nicht immer zustimmen können. Das führt zu den Verwerfungen in den einzelnen Branchen, die gerade durch diese Initiative aus NRW verhindert werden sollen, der Ihre Landesregierung zum Glück - das habe ich eben auch positiv erwähnt - zugestimmt hat.

(Beifall Wolfgang Baasch [SPD])

Genau das wollen wir verändern, und das wollen wir auch gemeinsam verändern.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Meine Damen und Herren, ein bisschen Redezeit habe ich noch, deshalb möchte ich auf Herrn Kalinka eingehen, der mich eben angesprochen hat. Er hat gefragt: Wie steht eigentlich der SSW zum Antrag von CDU, Grünen und FDP? - Ich kann Ihnen sagen: Der Antrag kam relativ spät. Deswegen habe ich mein Manuskript, das ich bereits fertig hatte,

nur kurz ergänzt und ein paar lobende Worte an die Landesregierung gerichtet. Aber es wird Sie nicht überraschen, dass wir dem zustimmen werden. Wir werden auch Ihrem Antrag zustimmen. Wenn es zwei Anträge gibt, die gut sind, dann stimmen wir auch für zwei Anträge. Da sind wir relativ flexibel.

(Heiterkeit)

Ich möchte Ihnen aber auch sagen, warum: Sie haben recht, Herr Kalinka, dass natürlich erst einmal Daten und Fakten ermittelt werden müssen. Die sind von Branche zu Branche durchaus unterschiedlich, und sie sind in der gesamten Bundesrepublik unterschiedlich, weil es auch im Bereich der Allgemeinverbindlicherklärung durchaus Unterschiede in den Bundesländern gibt. Insofern ist es vernünftig, bundesweit zu schauen, wie die Lage aussieht.

Das Zweite ist aber - das ist das Entscheidende, das ist auch das, was den Weg für diesen NRW-Antrag eröffnet hat -: Wir müssen nach Wegen suchen, wie wir das hinbekommen. Darüber sind wir uns hoffentlich einig. Wir müssen den Leuten, die hier arbeiten, vernünftige Rahmenbedingungen geben, innerhalb derer sie sich sicher fühlen.

Deshalb habe ich vorhin gesagt, dass es für uns gesellschaftspolitisch eine bestimmte Bedeutung hat. Die Leute leben in immer größer Unsicherheit, sie können nicht mehr die nächsten 20 oder 30 Jahre planen. Das ist für einen Menschen, vor allem wenn er prekär beschäftigt ist, wenn er schwierige Bedingungen, hat eine Riesenherausforderung. Diesen Menschen müssen wir als Politik helfen, denen müssen wir mehr Sicherheit geben. Wenn wir das nicht tun, dann wandern die ab zu Extremisten. Das ist für die Gesellschaft nicht gut.

Vor dem Hintergrund ist es richtig, dass wir das machen. Die Arbeitnehmer sind immer noch die wichtigsten Stützen dieser Gesellschaft, die haben unsere gemeinsame Unterstützung verdient. Deshalb werden wir beiden Anträgen zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall SSW, Werner Kalinka [CDU], Wolf- gang Baasch [SPD] und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft ist untrennbar verbunden, dass eine funktionierende Sozialpartnerschaft existiert, dass Tarifautonomie funktioniert und dass es auch eine Tarifbindung gibt. Das hat in der Vergangenheit die Bundesrepublik Deutschland und seine Wirtschaft starkgemacht. Deshalb darf man sehr wohl mit Sorge betrachten, dass Tarifbindungen dieser Art in Deutschland abnehmen.

Es ist allen daran gelegen, Tarifbindung als etwas zu betrachten, das nicht nur im Hinblick auf Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmerrechte, sondern durchaus auch über gleichberechtigte Wettbewerbsbedingungen für beteiligte Unternehmen einen Wert hat. Der Appell geht deshalb an alle, dieses Instrumentarium des Tarifvertrages zukünftig nicht geringzuschätzen, sondern eher wertzuschätzen und mehr in Anspruch zu nehmen.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und SSW)

Ich sage als liberaler Wirtschaftsminister in dieser Jamaika-Regierung durchaus: Das ist ein besonderer Appell an die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in diesem Land. Das ist ein Appell an sie, ernst zu nehmen, dass diese Sozialgemeinschaft aus einem partnerschaftlichen Miteinander von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern der Erfolgsfaktor ist und in der Zukunft sein kann. Denn so manche Debatte, die wir hier führen, führen wir vor dem Hintergrund einer veränderten gesellschaftlichen Realität, die eigentlich von der Arbeitgeberseite noch stärker die Tarifbindung fordert, weil der Fachkräftemangel und die Veränderung des Arbeitsmarktes in einen Nachfragemarkt auch für die Arbeitgeberseite sehr wohl zum Nachdenken darüber führen sollte, dass man das Instrument des flächendeckenden Tarifvertrages wieder positiv für sich entdeckt. Ich sage das ausdrücklich so, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das ein richtiger Weg ist.

Es ist aber auch nicht zu leugnen, dass die Tarifbindung darunter leidet, dass die Gewerkschaften ihre Mobilisierungsfähigkeit nicht mehr in dem Maße wie früher entwickeln konnten. Sonst wäre es an bestimmten Stellen möglich, dass Firmentarifverträge und Haustarifverträge das ersetzen, was man gegebenenfalls durch Flächentarifverträge nicht erreichen konnte. Auch da gilt es zu sagen: Leute, es stärkt wechselseitig den Verbund in einer sozialen Marktwirtschaft, wenn beide Seiten stark sind, also

(Lars Harms)

starke Arbeitgeber, die sich zu Tarifbindungen bekennen, auf starke Gewerkschaften treffen, deren Mobilisierungsgrad auch einigermaßen gut ist.

Wir sehen also, dass das ein diffiziles Feld ist, auf dem allerdings auch eines gilt - damit bin ich bei dem, was Kollege Richert an einer Stelle vorhin im Kern ausgeführt hat -: Die Tarifautonomie bedeutet Autonomie, und Autonomie heißt, frei entscheiden zu dürfen, ob und wie ich Koalitionen bilde und ob ich Tarifverträge abschließe. Deshalb ist dieses verfassungsrechtliche Gut des Artikels 9 Grundgesetz so sensibel. Die negative Koalitionsfreiheit, also das Nicht-Schließen-Müssen von Gemeinschaften oder das nicht Nicht-Beitreten-Müssen zu Gemeinschaften - in der Tat gibt es dazu umfangreiche Ausführungen in großen Rechtsgutachten -, führt dazu, dass man mit Eingriffen in diesem Bereich sehr schnell an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit steht.

Man muss also als Gesetzgeber sorgsam agieren und kann sich nicht einfach hinstellen und sagen: Jetzt ist der Staat gefordert, jetzt übernehmen wir das einmal alles! Wir übernehmen zum Beispiel das war übrigens der Ursprungsantrag von Berlin, Brandenburg und anderen im Bundesrat - das Thema Allgemeinverbindlicherklärung auch dann, wenn nur ein Tarifpartner das beantragt! - Das hat mit Sozialpartnerschaft nichts mehr zu tun, sondern das ist ein einseitiges Überstülpen eines existierenden Tarifvertrages auf alle. Das ist keine Sozialpartnerschaft.

Deshalb haben wir als Landesregierung ganz explizit gesagt: Das werden wir nicht unterstützen. Aber dass wir über Instrumentarien nachdenken, wie eine Allgemeinverbindlicherklärung besser erreicht werden kann, das ist allen Schweiß der Edlen wert. Denn in der Tat: Wenn beide Sozialpartner nach Aushandeln eines Tarifvertrages gemeinsam zu der Überzeugung kommen, dass das Ausweiten dieses Tarifvertrages auf die gesamte Fläche oder die gesamte Region richtig ist, machen wir etwas sehr Vernünftiges.

(Beifall Hans-Jörn Arp [CDU], Johannes Callsen [CDU] und Werner Kalinka [CDU])

Deshalb ist das Schauen darauf, welche Möglichkeiten dazu geschaffen werden können, genau der richtige Weg.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Lassen Sie mich das - obwohl das nicht zu meinem Ressort gehört - beispielsweise für den Bereich der Pflege darstellen. Die Alternativen, die im Bereich

der Pflege diskutiert werden, zeigen sehr deutlich, worauf das hinausläuft. Entweder man schafft Tarifverträge, die man für allgemeinverbindlich erklärt, oder man redet über Mindestlöhne. Beim Mindestlohn gibt es überhaupt keine Beteiligung der Tarifparteien, deshalb ist es mir sehr viel lieber, über Allgemeinverbindlicherklärungen und die Erleichterung dabei nachzudenken. Allerdings muss dies unter der strikten Wahrung - das steht im NRW-Antrag explizit drin - des Prinzips erfolgen, indem wir dafür sorgen, dass es um eine Sozialpartnerschaft geht, das heißt, es muss schon eine Einigung geben.

Kollege Harms, an dieser Stelle sei nur noch einmal gesagt - da war so viel mit Automatismen und Dingen, über die man nachdenken kann -: Das ist fair, man kann über diese Vorschläge nachdenken. Aber man muss dann auch gucken, wie viele man durch die geschlossenen Tarifverträge erreichen kann und wie viele von der Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden sollen. Wenn es nur noch eine kleine Minderheit ist, für die es einen Tarifvertrag gibt, und es zu einem Automatismus kommt, sind die dann aus dem heraus, was die Sozialpartnerschaft eigentlich ausmacht, nämlich gemeinsam zu Lösungen zu kommen.

Das Ganze ist komplex und nicht so einfach mit einem Federstreich getan. Man kann sich nicht einfach hinstellen und sagen: Jetzt machen wir alles allgemeinverbindlich. Das sind alles Eingriffe in Koalitionsfreiheiten, die nicht so einfach sind. Wir alle haben ein Interesse. Ich erspare mir jetzt die kontroversen Diskussionen zum Vergaberecht in Schleswig-Holstein, weil diese Diskussion geführt ist. Sie werden erleben, dass wir in Schleswig-Holstein nicht weniger tarifliche Bindung oder schlechtere Arbeitsbedingungen haben - ganz im Gegenteil. Es muss uns darum gehen, mit den Tarifparteien darüber nachzudenken, wie wir zu einer Stärkung des Systems insgesamt kommen. Deshalb haben wir im Bundesrat dieser Initiative gern zugestimmt. Wir wollen aktiv eine Rolle einnehmen, dazu beizutragen, dass diese Stärkung erzeugt werden kann. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Der Minister hat die Redezeit um gut 2 Minuten erweitert. Diese stünde jetzt allen anderen Fraktionen zur Verfügung. Ich sehe jedoch nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird, denn weitere Wortmel

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

dungen liegen mir nicht vor. Ich schließe somit die Beratung.

Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen.

Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/1500 (neu), abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag gegen die Stimmen von SPD und SSW mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, CDU, AfD und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein abgelehnt.

Ich lasse dann über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1558, abstimmen. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? Damit ist der Antrag mit den Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, FDP, CDU, AfD und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein gegen die Stimmen der SPD angenommen.

(Beifall Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Kennzeichnungspflicht für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben einführen

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1503

Einsatzkräfte umfassend stärken

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1559 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Somit eröffne ich die Aussprache.

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn es um das Thema E-Mobilität geht, ist hier im Landtag bei allen anderen Fraktionen regelmäßig ein harmonischer Gleichklang festzustellen. Es geht meist um die Fortschreibung der Landesstrategie Elektromobilität und die angeblich rosigen Aussichten für diese ökologisch und ökono

misch fragwürdige Technik. Man konnte der Presse entnehmen, dass die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau von Kalben, gerade ein brandneues EMobil für sich bestellt hat, 5 m lang, 2 m breit, satte 408 PS stark. Ich als überzeugter und langjähriger Autofahrer behaupte, dass der ökologische Fußabdruck dieses Straßenkreuzers deutlich größer ist als jedes Auto, das ich bisher gefahren habe.

(Beifall Jörg Nobis [AfD])

Das war nur eine Seitenbemerkung.