Protokoll der Sitzung vom 28.08.2019

Aber ein Blick in die anderen Bundesländer hätte hier auch mal geholfen. Am besten gefällt mir die Lösung von Baden-Württemberg. Der dortige Gesetzgeber hat nämlich genau das gemacht, was ich für richtig gut halte. Dort hat man kein Landesintegrationsgesetz verabschiedet, sondern hat dies als Querschnittsaufgabe betrachtet. Deshalb hat man das Schulgesetz geändert, man hat das Hochschulgesetz geändert, und man hat das Justizvollzugsgesetz geändert.

Das sind alles Maßnahmen und Punkte, die man machen kann, damit Integration tatsächlich gelingen kann.

(Beifall SPD und SSW)

Darüber hinaus gibt es Punkte, die sich nicht so spektakulär anhören und auch nicht viel Geld kosten. Man kann zum Beispiel das UKSH, bei dem das Land Arbeitgeber ist, bitten, die Prüfung für die Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse der Ärztinnen und Ärzte abzunehmen. Das UKSH ist bisher - ich nehme an, aufgrund der Baumaßnahmen - nicht in der Lage, den Ärztinnen und Ärzten diese Prüfung abzunehmen. Sie müssen in andere Bundesländer fahren und dort ihre Prüfung ablegen, damit sie bei uns in Schleswig-Holstein arbeiten können. Das sind alles Maßnahmen, und das kann man organisieren.

Sehr verehrte Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich freue mich sehr auf die Debatte und bin sehr gespannt. Ich schlage vor, wir nehmen nicht das Gesetz als Grundlage für die Anhörung, sondern leiten einen großen Beteiligungsprozess ein, bei dem alle ihre Ideen einbringen können.

Frau Kollegin -

Dann machen wir ein gemeinsames tolles Querschnittsgesetz für dieses Land, für die Menschen in Schleswig-Holstein. - Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Schade, der Ministerpräsident geht gerade.

Wir müssen Migranten „auf die im Rahmen ihres Gastrechtes unabdingbare Achtung der Leitkultur der Grundwerte … verpflichten und ihnen dazu eigene Integrationsanstrengung“ abverlangen.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: AfD oder CDU?)

- AfD oder CDU? - Ratequiz. Nein, es war die CDU. Das ist auch ein Zitat aus dem eben von Herrn Koch erwähnten Gesetzesentwurf der CDU vom 4. Oktober 2016, fast drei Jahre her. Es ist unglaublich, aber wahr, es war dieselbe CDU, die heute hier den mit dunkelgrüner Tinte geschriebenen Gesetzentwurf zur Integration und Teilhabe vorlegt.

(Lars Harms [SSW]: Man braucht euch gar nicht!)

Herr Günther hat damals die Plenarrede dazu gehalten. Mittlerweile wird es dem letzten verbliebenen konservativen Wähler klar, wofür die CDU eigentlich noch steht oder auch nicht mehr steht. Von Ihrer damals propagierten Leitkultur ist ja nichts mehr übriggeblieben, nichts, gar nichts, Herr Koch.

Ganz offensichtlich ist der vorgelegte Gesetzentwurf aus Jamaika mal wieder der kleinste gemeinsame grüne Nenner, auf den Sie sich haben einigen können.

(Beifall AfD)

Herr Günther, mittlerweile weiß es das ganze Land. Sie haben Ihre Wähler schon als CDU-Spitzenkandidat am laufenden Band verraten und verkauft: von Abständen bei Windkraftanlagen bis zur Migration und Integration. Wer den Versprechen des damaligen Spitzenkandidaten Günther Glauben schenkte noch einmal: Leitkultur, Autobahn A 20 bauen, Abstandsregelung bei Windkraftanlagen, nur um ein paar Stichworte zu nennen -, wurde kalt vom Linksschwenk der CDU erwischt.

Der vorgelegte Gesetzentwurf trägt nur eine grüne Handschrift. Ich muss es Ihnen leider so deutlich sagen, Herr Koch. Sie haben sich erneut über den Tisch ziehen lassen. Ich sage es deutlich: Nicht nur

(Serpil Midyatli)

in Sachsen, sondern auch bei uns im Norden haben dies die Wähler erkannt.

(Zuruf CDU: Ist das so?)

Die CDU ist ein Wegbereiter rot-rot-grüner Politik in Deutschland. Im Jahr 2016 haben Sie sich damit noch gebrüstet, viele Formulierungen aus dem Bayrischen Integrationsgesetz übernommen zu haben. Aber legen Sie einmal, Herr Koch, das Bayrische Integrationsgesetz, das ja nun Wirklichkeit geworden ist, neben den heutigen Entwurf. Da liegen Welten zwischen. Kein Wort davon, den Migranten Integrationsbemühungen abzuverlangen. Kein Wort von der Achtung der Leitkultur, keine Sanktionen für Integrationsverweigerer, und die gibt es ja auch. Die Grünen haben sich mal wieder durchgesetzt. Gratulation, Frau von Kalben. Aber dass so ein Integrationsgesetz von der schleswig-holsteinischen CDU mitgetragen wird, ist hier und heute der eigentliche Skandal. Wir bleiben dabei: Der deutsche Pass kann nur der Abschluss einer gelungenen Integration sein und nicht irgendein Baustein. - Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eka von Kalben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, das größte Lob, das wir als Jamaika-Koalition für dieses Gesetz bekommen haben, ist die Kritik der AfD. Wir haben uns an manchen Stellen - da spinne ich die Gedanken von Frau Touré weiter natürlich schwergetan haben - das ist gar keine Frage -, in den Begrifflichkeiten und in den anderen Dingen zueinanderzukommen, und wir hatten als Grüne am Ende das Gefühl, wir hätten den einen oder anderen Punkt gerne noch aufgenommen; denn das Gesetz ist mitnichten mit dunkelgrüner Schrift geschrieben, es ist ein ganz klares JamaikaIntegrations- und Teilhabegesetz.

(Jörg Nobis [AfD]: Sie haben sich doch durchgesetzt!)

Wie Frau Touré bereits sagte: Wir hätten ein Teilhabegesetz gemacht, und wir hätten viele andere Teile nicht aufgenommen. Das Bekenntnis, das Lars Harms kritisiert hat, hätten wir in unser Gesetz nicht aufgenommen, aber wir haben an dieser Stelle, und das finde ich auch das Gute, sehr intensiv miteinander gesprochen, einander zugehört und die

gegenseitige Meinung respektiert. Das war nicht einfach, und wir haben wahrscheinlich Diskussionen, die in der Gesellschaft geführt werden, im kleinen Kreise auch geführt.

Genau wegen Ihrer Kritik, meine Herren von der AfD, ist es wertvoll, dass wir diesen Prozess durchlebt haben. Daher ist es auch gut, dass wir miteinander ins Gespräch kommen, hier eine gesellschaftliche Mehrheit finden und nicht dafür sorgen, dass sich ein Lager in eine Ecke begibt, in der keiner sein will.

Ich danke allen, die an diesem Gesetz mitgewirkt haben. Ich meine auch, und da gebe ich Frau Midyatli Recht, dass wir in den Anhörungen, in der Diskussion, die jetzt zu dem Gesetz kommt, auch diejenigen vertreten, die das betrifft. Vielleicht müssen wir noch überlegen, an welcher Stelle noch etwas ergänzt werden kann. Es ist ja nicht ausgeschlossen, dass man ein Integrations- und Teilhabegesetz hat und an einer klugen Stelle, an der wir uns alle einig sind, noch weitere Querschnittsgesetze ändert. Das kann man ergänzen. Das eine schließt das andere überhaupt nicht aus. Insofern ist es meiner Meinung nach ein guter Tag für Schleswig-Holstein und ein guter Tag für die Integration in diesem Land. Die Mehrheit dieses Hauses will genau das. Wir wollen integrieren und nicht ausgrenzen. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Das Wort für einen weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

(Tobias Koch [CDU]: Der Landesvorsitzen- de!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Landesvorsitz einer Partei hat ja zurzeit nur eine Partei richtig zu tun, das ist die SPD.

(Lachen FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dennys Bornhöft [FDP]: Haben Sie die Zeitung heute noch nicht gelesen?)

Herr Stegner, Sie sind auf Platz drei. Nirgendwo wird Ihnen so doll die Daumen gedrückt, dass Sie das Rennen machen, wie in der AfD.

Eben wurde es angesprochen. Ich habe vor anderthalb Jahren an der damaligen Auftaktveranstaltung

(Jörg Nobis)

teilgenommen, und genau das wurde gesagt: Möglichst viele Leute sollten einbezogen werden, und es sollte ein Austausch erfolgen. - Jetzt, nach anderthalb Jahren, ist es nicht wirklich etwas geworden. Von einem großen gesamtgesellschaftlichen Beteiligungsprozess habe ich recht wenig mitbekommen, und ich hätte mich sehr, sehr gerne daran beteiligt; denn wir als AfD-Fraktion haben etwas zu sagen.

Eins ist heute schon deutlich geworden: Es geht in der jetzigen Debatte nicht um explizite Maßnahmen, wie wir die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund verändern können, sondern es geht darum, wie wir denken sollen. Es geht darum, dass Visionen entwickelt werden sollen. Das kann ich als Politiker machen. Wenn ich aber diese Visionen als ein Staatsziel festschreibe - das haben Sie getan, das haben Sie geäußert -, dann wird es für mich tatsächlich ganz grenzwertig. Sie haben sich geäußert, Sie wünschen sich als Fernziel, dass in ein paar Jahren niemand mehr fragt, woher jemand kommt, welchen Migrationshintergrund er hat. Das ist legitim. Aber mein Empfinden bei Ihrer Rede damals war, dass es überhaupt anstößig ist, dass ich jemanden frage, woher er denn kommt, wenn er nicht von hier ist. Es ist überhaupt nicht anstößig. Es unterstellt eine latente Ausländerfeindlichkeit, es unterstellt, dass immer, wenn Integration nicht funktioniert hat, die Gesellschaft daran schuld ist.

Dass das nicht so ist, beweist die Zahl, die eben schon genannt wurde. Ein Viertel der Menschen, die in diesem Land leben, hat einen Migrationshintergrund. Es sind circa 20 Millionen Menschen. Der absolute Großteil von ihnen hat sich ohne Integrationsgesetz hier integriert und konnte es auch. Das sind dieselben Menschen, die heute auch manchmal fragen - sie kommen sogar zur AfD -: Was ist denn mit diesem Land los? - Da kommen jetzt auf einmal Leute, und unter den Leuten, die jetzt kommen, sind Leute, bei denen man immer „bitte, bitte, bitte“ sagen muss. - Es gibt die Pflicht, und es gibt auch den Willen zur Integration. Beides muss vorhanden sein.

Ich gucke noch mal in mein Manuskript.

(Unruhe)

Bei genauem Hinsehen entpuppt sich der Gesetzentwurf der Landesregierung also letztlich als Anleitung zum betreuten Denken. Die Gesellschaft muss das gut finden; wir müssen vorbehaltlos für die Integration sein. Aber es ist eben nicht Aufgabe des Staates, so etwas vorzuschreiben.

Aber all diejenigen, die das gut finden, können ja gleich die Hand heben und zustimmen. Wir für uns legen Wert darauf, dass wir in der Diskussion, auch in den Ausschüssen, genau darüber sprechen, ob man so etwas gesellschaftlich akzeptieren muss oder eben auch nicht. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall AfD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Frau Kollegin von Kalben noch etwas sagen; deshalb habe ich mich noch mal gemeldet: So einfach können Sie sich das nicht machen. Dass die AfD dies kritisiert, spricht nicht für Ihren Gesetzentwurf; das, was die AfD da gemacht hat, ist vielmehr außerhalb jeglicher Betrachtungsweise. Kein Demokrat hier im Haus will damit etwas zu tun haben. Man konnte daran übrigens auch gut sehen, dass man einen deutschen Pass haben kann und trotzdem überhaupt nicht integriert ist - zum Beispiel in die Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland.