Protokoll der Sitzung vom 28.08.2019

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Frau Kollegin von Kalben noch etwas sagen; deshalb habe ich mich noch mal gemeldet: So einfach können Sie sich das nicht machen. Dass die AfD dies kritisiert, spricht nicht für Ihren Gesetzentwurf; das, was die AfD da gemacht hat, ist vielmehr außerhalb jeglicher Betrachtungsweise. Kein Demokrat hier im Haus will damit etwas zu tun haben. Man konnte daran übrigens auch gut sehen, dass man einen deutschen Pass haben kann und trotzdem überhaupt nicht integriert ist - zum Beispiel in die Werteordnung der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das konnte man daran deutlich merken.

Aber ich habe inzwischen gelernt, dass Jamaika sich ständig dafür lobt, wie konstruktiv es doch ist, über Dissense zu reden. Das ist ja in Ordnung bei allen möglichen Resolutionen. Sie legen aber ein Gesetz vor, in dem buchstäblich nichts drinsteht. Der Kollege Koch veranstaltet hier Klamauk über die Frage, wann Frau Midyatli redet oder ob sie vielleicht nicht redet. Frau Midyatli hat in ihrem Dreiminutenbeitrag mehr Konkretes gesagt als sämtliche Koalitionsredner zusammen, was dieses Gesetz angeht - um das einmal ganz deutlich zu sagen.

(Beifall SPD - Volker Schnurrbusch [AfD]: Das stimmt allerdings!)

Ich will das einmal ganz deutlich sagen.

Zweitens, Frau Kollegin von Kalben: Es ist nicht ungewöhnlich, dass man Gesetze in der Anhörung verbessert.

(Dr. Frank Brodehl)

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das ist ja auch nicht die Frage! Immer langsam!)

Das ist nicht ungewöhnlich. Aber es sollte in der ersten Lesung zumindest deutlich werden, was die Koalition will; das ist doch ein Minimum dessen, was man erwarten kann. Nichts davon steht da drin; nichts steht drin!

Der Kollege Rossa polemisiert gegen die SPD, obwohl es die SPD gewesen ist, die die Mittel auf Bundesebene beschafft hat, damit in SchleswigHolstein das möglich war, was wir hier gemacht haben. Aber wo sind denn die eigenen Punkte? Außer Ihren Dissensen, die Sie rhetorisch verkleistert haben, ist doch hier nichts gewesen. Wenn Sie etwas Konkretes wollen, lesen Sie den Beitrag nach, den Frau Midyatli hier gehalten hat. Das war das einzig Konkrete in diesem Haus.

(Unruhe)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Ja, gerne.

Herr Dr. Stegner, Sie sind jetzt - das kann ich ja verstehen - ein bisschen angefasst, wenn man die SPD kritisiert.

- Überhaupt nicht.

(Heiterkeit - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Daran ist er gewöhnt!)

- Das ist ja auch gleich. Ich meine es aber sehr ernst: Finden Sie denn es in Ordnung, was die Bundesregierung da macht? Halten Sie die drastische Kürzung der Integrationsmittel für gerechtfertigt, wenn Sie die SPD hier nun verteidigen?

Ich halte es, ehrlich gesagt, für skandalös, was auch Ihr Bundesfinanzminister da mitmacht. Deswegen erwarte ich schon, dass Sie dies als designierter SPD-Bundesvorsitzender schärfer kritisieren und jetzt nicht so darüber hinweggehen und so tun, als sei das überhaupt kein Thema.

- Nein, ich gehe darüber überhaupt nicht hinweg. Ich habe mich übrigens - das ist sogar nachlesbar öffentlich dazu geäußert, dass ich erwarte, dass die

Kommunen die Gelder kriegen und dass das fortgesetzt wird. Meine Erwartung ist, dass dies im parlamentarischen Prozess am Ende herauskommt.

Aber so einfach und so billig, wie es Herr Rossa hier getan hat, kann man es sich nicht machen. Wir haben gestritten. Übrigens haben wir, Herr Kollege Koch, gerade mit Ihren Leute darüber gestritten; jeden Euro, der in die Kommunen gekommen ist, mussten wir Ihnen abringen. Das kam nicht von Frau Merkel, sondern das ist von den Sozialdemokraten gekommen.

Sie haben recht, die Kommunen haben Anspruch darauf, dass die Gelder weitergezahlt werden. Darüber wird verhandelt. Wir sind dafür, dass sie das bekommen, damit sie weitermachen können, weil Integrationsarbeit in diesem Land notwendig ist.

Trotzdem erwarte ich von der Regierungskoalition nicht nur, Herr Kollege Vogt, dass die Kohle dabei ist, sondern auch, dass man substanziell etwas vorlegt, was dies rechtfertigt.

Ich bin eher bei Frau Midyatli, wenn sie sagt, sie meine, man schaffe das mit einem solchen Gesetz gar nicht. Aber die anderen Dinge, die da genannt worden sind, die man in Gesetzen ändern könnte angefangen beim UKSH -, das haben andere doch auch geschafft. In Baden-Württemberg ist es, glaube ich, Schwarz-Grün gewesen, wenn mich nicht alles täuscht; vielleicht ist das aber auch schon unter der Vorgängerregierung gemacht worden.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Grün-Schwarz!)

Jedenfalls kann man das tun.

Dass nichts davon auftaucht, dass Sie uns hier einen so blamabel dünnen Gesetzentwurf vorlegen, ist für dieses wichtige Thema einfach schwach. Das halte ich Ihnen hier vor, und mit dieser Kritik müssen Sie schon leben.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Vogt?

Sehr gerne.

Herr Dr. Stegner, Frau Midyatli hat ja gesagt, dass sie kein Gesetz haben möchte, weil das irgendwie nicht sinnvoll sei. Dann hat sie gesagt, Baden

(Dr. Ralf Stegner)

Württemberg habe ein Integrationsgesetz, das quasi als Artikelgesetz ausgestaltet ist.

(Serpil Midyatli [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)

- Das finden Sie gut.

(Serpil Midyatli [SPD]: Ich habe es nicht ge- sagt!)

Das ist ja auch ein Weg, über den man sprechen kann. Ich bin auf die Vorschläge sehr gespannt. Sie haben ja einen zum UKSH gemacht. Ich bin auf die Vorschläge der SPDFraktion sehr gespannt. Ich muss nämlich ganz ehrlich sagen: Das, was wir nach all den Jahren vorgefunden haben, war relativ dürftig.

Noch einmal: Die Hauptverantwortung bei der Finanzierung trägt der Bund. Da machen Sie sich jetzt vom Feld. Ich denke schon das habe ich jetzt so rausgehört -, wenn Sie demnächst Bundesvorsitzender der SPD werden, dann werden diese Kürzungen zurückgenommen. Das ist eine gute Nachricht für das Land; insofern hat sich die heutige Debatte schon gelohnt.

- Wissen Sie, Ihr Spott interessiert mich gar nicht. Der Punkt ist der, dass unsere Mitglieder das schon entscheiden werden; da brauchen wir nicht den Rat von anderen, was dann am Ende herauskommt.

Ich will Ihnen eines sagen: Erstens teile ich die Haltung von Frau Midyatli, dass wir kein Einzelgesetz brauchen, sondern bei all den Dingen etwas machen müssen, die sie angesprochen hat.

Zweitens. Zu sagen, wir hätten Ihnen Dürftiges hinterlassen, ist eine wirkliche Frechheit. Diese Koalition hat in der letzten Legislaturperiode mehr für Integration getan als irgendeine andere Koalition in der Bundesrepublik Deutschland. Das sage ich Ihnen mit dem, was hier stattgefunden hat - mit den Mitteln, die wir eingesetzt haben, und mit dem, was da drinsteckt; das will ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Beifall SPD, SSW und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Kritik können Sie sich an den Hut stecken. Vielen Dank.

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

(Unruhe - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Das ist unser Thema! - Zurufe SPD und FDP - Zuruf CDU: Die nächste Bewerbungsrede!)

Ich habe nichts vorbereitet. Da müssen Sie jetzt durch. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe verbliebene Gäste! Dieser Gesetzentwurf - es klang schon an - ist nicht nur ungenau, unfertig und voller Allgemeinplätze, er ist auch realitätsfern. Bei der mantraartigen Betonung der sogenannten interkulturellen Öffnung fragt man sich irgendwann, wer hier integriert werden soll: die Zuwanderer in die Mehrheitsgesellschaft, oder die Mehrheitsgesellschaft - wir Deutsche - in ein multikulturelles Utopia.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Oh nein!)

In § 6 des Gesetzentwurfs wird einmal mehr die Mär von den großen Potenzialen der Migranten für den Arbeitsmarkt als qualifizierte Fachkräfte wiederholt. Doch durch Wiederholung wird diese Aussage nicht richtiger, Herr Wirtschaftsminister.

Zuerst sind da die mangelnden Deutschkenntnisse. In den ersten drei Quartalen 2018 scheiterten immer noch die Hälfte aller Kursteilnehmer am abschließenden Sprachtest. Hinzu kommt, dass der Großteil der jetzt schon in Arbeit befindlichen Zugewanderten aus den Hauptherkunftsländern ohne Schuloder Berufsabschluss ist. Genaue Zahlen können Sie der Antwort auf unsere entsprechende Kleine Anfrage entnehmen.

Die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit machen ein weiteres Problem deutlich: Gerade einmal 7,7 % der arbeitslosen männlichen Flüchtlinge haben im April einen Ausbildungsplatz oder einen Arbeitsplatz - dies zumeist im Niedriglohnsektor gefunden. Noch schlechter sieht es aber bei den weiblichen Flüchtlingen aus. Hier sind es nur 1,4 %. Eine Studie des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung führt diese Diskrepanz darauf zurück, dass in vielen Flüchtlingsfamilien - Achtung! - traditionelle Rollenbilder herrschen und daher Frauen nicht in die Arbeitswelt vorstoßen.

Wenn das zutrifft, fallen also Zehntausende von Flüchtlingen für den Arbeitsmarkt glatt aus. Da nützt auch ein neues Gesetz nichts; denn Traditionen erweisen sich in den meisten Kulturen als sehr beständig.