Begriff Muttersprache, vielen Dank für den Hinweis, Herr Habersaat. Wenn man sich einmal mehr Gedanken über diesen Begriff macht, kann man nur zu der Erkenntnis kommen: Die Beherrschung der Sprache der Mutter - und natürlich des Vaters - ist elementar wichtig, um sich selbst mitteilen zu können, aber auch, um komplizierte Sachverhalte genau auf den Punkt ausdrücken zu können. Sie ist das klang bereits an - deswegen wichtig, weil man, wenn man eine Sprache sicher beherrscht, dann auch Deutsch gut erlernen kann.
Die Verantwortung für die Erteilung muttersprachlichen Unterrichts liegt in Schleswig-Holstein, wie wir gehört haben, bei den Konsulaten, die auch die Lehrer schicken. Obwohl der Unterricht zumeist in den Räumen unserer staatlichen Schulen stattfindet, wird er nicht von der Schulaufsicht kontrolliert. Ich brauche an dieser Stelle nicht auf die Einzelheiten der damaligen Diskussion einzugehen. Sie alle erinnern sich an die Schlagzeile: Sitzt Erdogan mit im Klassenzimmer? - Festzuhalten bleibt, dass es letztlich in unserer Verantwortung liegt, was und welche Inhalte in den Räumen gelehrt werden.
Darüber hätte man sich auch in der Vergangenheit schon schlaumachen können, wenn man es denn gewollt hätte, denn auch wenn der Unterricht nicht unter die landeshoheitliche Schulaufsicht fällt, gilt für die Schulleitungen selbstverständlich das Hausrecht. Hospitationen wären somit jederzeit rechtlich möglich gewesen. Die Sprachbarrieren klammere ich einmal aus, aber man hätte es regeln können.
Die Frage, wie solche Hospitationen geregelt werden können, war ja auch Gegenstand des Gespräches von Bildungsministerin Prien mit dem türkischen Generalkonsul vor eineinhalb Jahren. Der Bildungsausschuss wurde seinerzeit umfassend über das Gespräch informiert, das heißt: über den Stand der Dinge Ende 2017. Wir sind gespannt, was sich seitdem auf diesem Feld getan hat.
Wir sind gespannt, welche Fragen gelöst werden konnten. Zu welchen Ergebnissen ist man jetzt in der Frage regelmäßiger Unterrichtshospitationen gekommen? Wurden die Jahrespläne für den Unterricht inzwischen geprüft? Herrscht Klarheit über die Qualifikation der eingesetzten Lehrkräfte? Nicht zuletzt: Wurden die Unterrichtsmaterialien wirklich im Einzelnen überprüft? - Das war damals nicht Inhalt des Berichts der Ministerin im Bildungsausschuss, ist für uns aber ganz entscheidend
wichtig: Wurde aufgeklärt, ob beim muttersprachlichen Unterricht auch die DITIB beteiligt war oder sogar noch ist?
Die Bildungsministerin berichtete seinerzeit von der durchaus konstruktiven Atmosphäre beim Gespräch mit dem Generalkonsul. Das kann man sicherlich als gutes Zeichen werten. Dennoch gilt natürlich: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
In diesem Zusammenhang komme ich auf den Antrag der Regierungskoalition. In Punkt 1 fordern Sie umfassende Transparenz durch stärkere Nutzung des Hospitationsrechts. - Ja, da gehen wir mit. In Punkt 2 fordern Sie, den Bedarf der am meisten nachgefragten Fremdsprachen festzustellen. - Das hätte man längst machen können. In Punkt 3 fordern Sie, Lehrkräfte insbesondere in der türkischen Sprache aus-, fort- und weiterzubilden. - Bei diesem Punkte gehe ich nicht mehr mit, im Gegenteil. Das Fremdsprachenangebot - zumindest, wenn es sich um eine regulär erteilte Fremdsprache handelt sollte wahlweise die alten Sprachen Griechisch und Latein umfassen und dann die Weltsprachen Spanisch, Englisch und Französisch oder auch die Sprache unseres Nachbarlandes Dänemark. Alle weiteren Sprachen können allenfalls im Rahmen einer Wahlpflicht-AG oder als Zusatzunterricht erteilt werden. Es wurden die Probleme schon beschrieben, die entstehen, wenn man in der jetzigen Lage des Lehrermangels darauf setzt, dass Lehrkräfte in Türkisch ausgebildet werden.
Wir konstatieren, dass dieser Weg direkt eine ganze Reihe an anderen Fragen aufwerfen würde: Soll durch den Konsulatsunterricht tatsächlich langfristig eigenes Lehrangebot überflüssig gemacht werden? Wenn ja, in welchen Sprachen und in welchen Sprachen nicht? Trägt es zur Integration bei, wenn gegebenenfalls Schüler mit der Muttersprache Türkisch auf bestimmte Schulstandorte fokussieren würden? Nicht zuletzt: Ist es überhaupt Aufgabe des Landes, Schulunterricht in der Sprache der Herkunftsländer von Menschen mit Migrationshintergrund inklusive Landeskunde anzubieten, wie es im Antrag heißt?
Weil wir gerade die letztgenannten Fragen mit Nein beantworten, lehnen wir den Antrag der CDU in der heute vorliegenden Form ab. Es wird davon gesprochen, herkunftssprachlichen Unterricht neu aufzustellen. Tatsächlich werden bislang meiner Einschätzung nach längst bekannte Probleme nur ansatzweise gelöst. Dafür werden aber eine Menge an neuen Herausforderungen und Baustellen geschaffen. Der Förderung muttersprachlichen Unterrichts ist damit kein Gefallen getan.
Wir werden hier dem Antrag der SPD zustimmen, da wir über Ihre Fragen hinaus auch noch einige Fragen haben, und wir hoffen, dass darüber im Ausschuss zu gegebener Zeit Bericht erstattet werden kann.
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Mai sind wir mit unserer Fraktion nach Helsinki gereist. Ausgangspunkt unserer Reise war es, die finnische Sprachenpolitik aus Sicht einer Minderheit kennenzulernen und zu erfahren, wie diese im täglichen Leben umgesetzt wird, zum Beispiel im Bildungssystem.
Finnland hat zwei Amtssprachen - Finnisch und Schwedisch. Daher gibt es neben den finnischen Schulen auch schwedische. In den Gebieten in Finnland, in denen die samische Minderheit traditionell wohnt, müssen die Kommunen auch für Unterricht in samischer Sprache sorgen. Außerdem wird auch Roma und anderen Minderheiten Unterricht in ihren Sprachen erteilt und finnische Gebärdensprache gelehrt. Insgesamt werden im finnischen Schulsystem mehr als 50 Sprachen gelehrt nicht flächendeckend, sondern dort, wo Bedarf angemeldet wird. Mehrere tausend Schülerinnen und Schüler lernen so neben Finnisch und Schwedisch auch Russisch, Arabisch, Estnisch oder beispielsweise Somali oder kurdische Sprachen: ein absolutes Vorbild für den herkunftssprachlichen Unterricht.
Als SSW haben wir uns schon früher kritisch zum Konsulatsunterricht geäußert, denn zuständig für sowohl Lehrkräfte als auch Unterrichtsinhalt sind das liegt im Namen - die Konsulate. In fünf Sprachen wird bei uns zurzeit Konsulatsunterricht angeboten, in vier wird dieser auch angenommen.
Im Sprachunterricht sollte es um Sprachen- und Landeskunde gehen. Leider wird immer wieder befürchtet, dass einige Lehrpläne das so nicht erfüllen und dass auch religiöse und nationalistische Inhalte verbreitet werden. Deswegen finden wir es richtig, das Hospitationsrecht im Unterricht nicht nur zu ha
Uns gefällt daher der Ansatz, den Bedarf an Sprachunterricht in den Herkunftssprachen an den allgemeinbildenden Schulen zu ermitteln, um sich hier einen grundlegenden Überblick zu verschaffen, mit der Perspektive, den herkunftssprachlichen Unterricht in staatlicher Verantwortung einzuführen, denn auf lange Sicht sollten wir vom Konsulatsunterricht wegkommen.
Das ist möglich. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat es uns gezeigt. Schon im Schuljahr 2016/2017 unterrichteten dort 551 landesbedienstete Lehrkräfte 50.070 Schülerinnen und Schüler in 18 Sprachen. In den Klassen haben wir es mit ganz unterschiedlichen Sprachniveaus zu tun: mit Kindern im doppelten Erstsprachenerwerb, mit Kindern mit Deutsch als Erst-, Zweit- oder Drittsprache.
Zur nordischen Sprachpolitik gehört es, dass die Muttersprache und nationale Minderheitensprachen bewahrt und ihr Erlernen unterstützt werden, und daran möchten wir uns orientieren, denn mit dem Erwerb der Herkunftssprache als Zweitsprache oder der Vertiefung der Erstsprache geht eben mehr einher als der rein sprachliche Zugewinn: Zugang zu Kultur, Literatur und Medien, zu Traditionen und Geschichte. Da rennen Sie bei uns als Partei der dänischen und friesischen Minderheit offene Türen ein.
Uns geht es - das haben Sie sicher schon oft gehört - um die Integration und nicht um die Assimilation. Wir wollen nicht, dass unsere Schülerinnen und Schüler ihre Kultur und die ihrer Eltern oder Großeltern aufgeben müssen. Wir gehen davon aus: Je besser ein Kind seine Muttersprache spricht, desto einfacher fällt ihm auch das Erlernen der Zweitsprache. Wir wissen, dass Mehrsprachigkeit für kognitive Vorteile sorgt und womöglich sogar Alzheimer vorbeugen kann.
Mehrsprachigkeit ist nichts, was Kinder überfordert. Im Gegenteil, sie ist gut für die Lernfähigkeit und wirkt sich so positiv auf die Gesamtleistung im Unterricht aus. Wo wir die Möglichkeit haben, sollten wir sie fördern. Deshalb stimmen wir sowohl dem Antrag von Grünen, CDU und FDP als auch dem der SPD zu. Ich freue mich auf eine gute Diskussion.
Für die Landesregierung hat die Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Karin Prien das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Unsere Bildungssprache an den öffentlichen Schulen ist Deutsch. An den dänischen Schulen ist es Dänisch, und gute Deutschkenntnisse sind die Voraussetzung für einen erfolgreichen Schulabschluss, den Einstieg in das Berufsleben und eine gelingende Integration. Deshalb müssen wir dafür Sorge tragen, dass alle Schülerinnen und Schüler über möglichst gute Deutschkenntnisse verfügen. Das ist uns allen gemeinsam wichtig, und dafür tun wir viel.
Aber neben guten Kenntnissen der Bildungssprache Deutsch und der Sprache, in der die Bildungsinhalte vermittelt werden, ist Zweisprachigkeit im Zeitalter der Globalisierung grundsätzlich eine Bereicherung. Wer von Kindesbeinen an zweisprachig aufwächst, kann einen großen Startvorteil haben. Jedem leuchtet das natürlich sofort ein, wenn es um Englisch, Französisch oder Dänisch geht, aber das gilt genauso für Arabisch, Türkisch oder Farsi.
Junge Menschen, die in zwei Sprachen und Kulturen zu Hause sind, dienen Deutschland als Brückenbauer, nicht zuletzt auch aus der Perspektive von Deutschland als einer Exportnation. Erlauben Sie mir zu sagen: Ich selbst bin zweisprachig aufgewachsen, Deutsch/Niederländisch, und ich profitiere noch heute davon. Auch deshalb ist es mir wichtig, dass junge Menschen ihre Mehrsprachigkeit als Gewinn betrachten - für sich und für unsere Gesellschaft.
Herkunftssprachlicher Unterricht erleichtert zudem die Integration. Wer seine Herkunftssprache nachhaltig und gut erlernt, festigt die eigene Sprachkompetenz und lernt schneller Deutsch. Das belegen viele Studien. Ich will deshalb auch mit Blick auf den heutigen Vortrag der AfD hier feststellen, herkunftssprachlicher Unterricht eine wichtige und, ja, auch staatliche Bildungsaufgabe ist.
Bildung ist nach unserem Grundgesetz eine öffentliche Angelegenheit und damit Sache des Staates. Es ist daher unser Ziel - und ich habe es heute so verstanden, dass es unser gemeinsames Ziel ist, zumindest betrifft das den größten Teil des Hauses -, eine so wichtige Bildungsaufgabe wie den herkunftssprachlichen Unterricht an öffentlichen Schulen unter staatlicher Aufsicht zu erfüllen. Das ist nicht nur Teil unserer Verantwortung, sondern auch Teil unserer Wertschätzung für die Herkunfts- und Muttersprachen und auch für die Kultur der Herkunftsländer. Darauf haben Sie zu Recht hingewiesen, Herr Habersaat.
In diesem Jahr ermitteln wir deshalb den genauen Bedarf für diese Sprachen. Auch hier ist es wichtig zu differenzieren. Wir haben in unserer Schulstatistik gewisse Hinweise auf die familiäre Verkehrssprache der Schülerinnen und Schüler, aber die korrespondiert eben nicht eins zu eins mit dem tatsächlichen Bedarf, in dieser Sprache unterrichtet zu werden. Deshalb machen wir die entsprechende große und aufwendige Abfrage an den Schulen. Auf Grundlage dieser Abfrage werden wir das Angebot an herkunftssprachlichem Unterricht sukzessive ausbauen.
Herr Habersaat, lassen Sie mich dazu zumindest sagen: Natürlich ist man in Hamburg und Berlin weiter, aber das liegt auch daran, dass der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund dort bei ungefähr die 50 % liegt. Wir liegen in Schleswig-Holstein bei 9 %. Das ist natürlich schon eine andere Situation. Deshalb müssen Sie mit sich selbst auch nicht so streng ins Gericht gehen, was die Vergangenheit angeht.
Im laufenden Schuljahr bieten wir außerdem an zwei Pilotschulen herkunftssprachlichen Unterricht in staatlicher Verantwortung an. Es ist darauf hingewiesen worden: Die Theodor-Storm-Schule in KielWellingdorf und die Gotthard-Kühl-Schule in Lübeck-St. Lorenz bieten den türkischen - staatlichen - herkunftssprachlichen Unterricht in ersten Lerngruppen an. Die vorgesehenen Themen orientieren sich an der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und sollen ihnen ein differenziertes Bild der Türkei in ihrer ganzen Vielfalt vermitteln.
Inhaltlich liefern Lehrpläne aus anderen Bundesländern wertvolle Anhaltspunkte. Insofern profitieren wir von den Vorerfahrungen etwa aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Wir werden auf der Grundla
ge der Erfahrungen an diesen Pilotschulen gemeinsam mit unserem IQSH für Schleswig-Holstein eine curriculare Grundlage schaffen.
Ich möchte an dieser Stelle den beiden Schulen, insbesondere den beteiligten Lehrkräften, für ihr Engagement ausdrücklich danken