Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit etwa zehn Jahren gehöre ich diesem Haus an und beschäftige mich mit Verkehrspolitik. Das Thema Fehmarnbelt-Querung wird heute nicht zum ersten Mal in diesem Haus beraten. Ich habe hier in vielen Reden - in vielen, vielen Reden - die Bedenken, die meine Fraktion gegenüber diesem Großprojekt hat, dargestellt.
Meine Damen und Herren, mir ist auch klar, dass es uns in Koalitionen bei manchen Themen - und gerade bei der Fehmarnbelt-Querung - immer sehr, sehr schwergefallen ist, Kompromisse einzugehen. Wir wissen aber auch - am Dienstag hat sich das gejährt -, dass vor elf Jahren der Staatsvertrag unterzeichnet worden ist.
Das ist ein Staatsvertrag zwischen zwei Ländern, nämlich zwischen Deutschland und Dänemark. Es ist kein Staatsvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und dem Staat Dänemark. Deshalb haben wir immer gesagt - das haben wir in Koalitionsverträgen auch mitgetragen -, dass die notwendigen Maßnahmen, die im Auftrag des Bundes durchgeführt werden müssen, auch durchzuführen sind. Ich sage hier aber ganz deutlich: Wir als Grüne müssen jetzt Probleme lösen, die wir selbst nicht verursacht haben. Trotzdem stellen wir uns dieser Aufgabe.
Deshalb haben wir auch in dieser Koalition unterschrieben, dass wir alles dafür tun werden, dass Maßnahmen gefunden werden, um die negativen Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger zu vermeiden. Es geht darum, dass die Erschütterungen so gering wie möglich gehalten werden. Unser Auftrag ist es, politisch zu handeln, zu verhandeln und vermittelnde Gespräche mit der Bundesregierung zu führen.
Ich persönlich habe mich über den Beschluss des Bundestags 18/7365 besonders gefreut, in dem ein übergesetzlicher Schutz für die Anwohnerinnen und Anwohner vorgesehen wurde.
Ich habe in der Wirtschaftsausschusssitzung kurz vor Weihnachten in Ostholstein selbst erleben dürfen, wie schwer es war - wie wirklich schwer es war -, in den Kommunen vor Ort einen Kompromiss zu finden, um ein Akzeptanzpapier zu unterschreiben. Meine Damen und Herren, die Millionenforderungen waren um ein Vielfaches höher. Alle, die ihre Unterschrift auf das Akzeptanzpapier raufgesetzt haben, haben das mit schweren, schweren Gewissensbissen getan. Sie haben gesagt: Es fällt uns sehr schwer!
Es gab eine Gemeinde, der fiel das besonders schwer, nämlich die Gemeinde Bad Schwartau. Wenn man sich anschaut, wie die Trasse in dieser Gemeinde durch ihren Kurort führt, stellt man fest: Die Menschen dort sind die Hauptbetroffenen.
Durch diese Bahnlinie werden Grundstücke, Häuser, Familien getrennt. Dann kann man nachvollziehen - dafür habe ich auch ein gewisses Verständnis -, dass diese Gemeinde sagt: Es muss hier bei uns besonders auf den Lärmschutz geachtet werden! Dabei geht es gar nicht so sehr um den Lärmschutz, sondern um den Erschütterungsschutz. Da werden Eigentumsverhältnisse, möglicherweise auch Häuser bedroht. Deshalb kann ich nachvollziehen, dass sie sich am Ende schwergetan hat, dem zuzustimmen. Die Gemeindevertretung hat zum Schluss nicht zugestimmt. Das kann ich auch nachvollziehen.
Was ich aber nicht nachvollziehen kann, ist, dass die Bundesregierung dieses als Argument nutzt und zwar in einer unvorstellbar fiesen Art und Weise - und sagt: „Ja, Freunde, ihr habt doch überhaupt kein Akzeptanzpapier, es gibt doch keine Akzeptanz vor Ort, deshalb gibt es jetzt nichts!“
Meine Damen und Herren, das war die Botschaft des Bundesverkehrsministers Scheuer vor den Sommerferien.
In all den Jahren der Fehmarnbelt-Debatten habe ich mir nicht vorstellen können, dass es so schlimm kommt. Das ist selbst in meinen Vorstellungen nicht vorgekommen. Wenn man sich das dann noch einmal anschaut - vielleicht müsste man das noch einmal evaluieren; Sie, Herr Kollege Vogt, haben davon gesprochen, dass das ein Schlag ins Gesicht des Dialogforums gewesen sei -, dann muss man sagen: Es ist ein Schlag ins Gesicht der Bürgerinnen und Bürger des Landes Schleswig-Holstein, das ist ein Schlag ins Gesicht des Bundeslandes SchleswigHolstein.
Wir haben nicht umsonst in unserer Verfassung stehen, dass wir in gemeinsamer Verantwortung darauf achten müssen, dass es eine Gleichheit der Lebensverhältnisse gibt. Schauen Sie sich einmal an, was in zehn Jahren durch die Amtsausübung einer Regionalpartei in Bayern an übergesetzlichen und sonstigen Maßnahmen in Verkehrsinfrastrukturprojekten getätigt worden ist. Ich würde das gern einmal evaluieren. Das würde ich gern machen. Dann werden Sie feststellen, dass wir hier eine Unverhältnismäßigkeit haben. Diese Unverantwortlichkeit treibt mir die Zornesröte ins Gesicht, meine Damen und Herren. Einem Bundesland in Deutschland zu sagen: „Weil ihr da oben an der Grenze seid, bekommt ihr jetzt Nullkommanichts für Umwelt
Da brauchen wir jetzt nicht anzufangen und zu fragen, wer hat was wie gesagt. Vielmehr ist mein Appell - der geht auch an den Herrn Ministerpräsidenten, der über Frau Merkel Regierungsverantwortung in Berlin hat; der geht auch an den Kollegen Stegner, der Regierungsverantwortung sogar im Finanzministerium hat -: Wir müssen mit allen Mitteln dafür sorgen, dass wir das vermeiden. Es darf für Schleswig-Holstein beim Lärmschutz und auch nicht beim Umweltschutz an der Strecke keine Nulllösung geben. Das muss die oberste Maxime sein.
Ich habe einmal den Vorschlag der SPD nachgerechnet. 250 Millionen € aus Landesmitteln, das sind mehr als alle GVFG-Mittel, die wir für fünf Jahre haben. Das ist ein Schluck zu viel aus der Pulle.
Ich komme zum Schluss. - Meine Damen und Herren, ich hoffe sehr, dass dieser Kelch an uns vorübergeht. Eine Nulllösung ist keine Option für Schleswig-Holstein. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste, hoffentlich aus Ostholstein! Die feste Fehmarnbelt-Querung ist ein bedeutendes europäisches Verkehrsprojekt, das nicht nur unseren skandinavischen Nachbarn nützt, sondern auch Schwung nach Schleswig-Holstein bringt, im Tourismus, im Handel, in der Wirtschaft und natürlich auch im Verkehr. Dass dieser Schwung nicht spur- und geräuschlos durch unser Land ziehen wird, ist klar.
Ich wohne selbst in Ostholstein und kann von meinem Grundstück aus nicht nur die Ostsee sehen, sondern auch die A 1, die Bahnstrecke Lübeck-Fehmarn und viele Hochspannungsmasten. Genau in diesem Korridor soll die neue zweigleisige Strecke gebaut werden, um die Hinterlandanbindung an die Beltquerung sicherzustellen.
Das bringt für zahlreiche Gemeinden in Ostholstein, von Fehmarn bis Bad Schwartau, erhebliche Beeinträchtigungen mit sich, und dazu haben sich die Gemeinden auch geäußert. Das Dialogforum hat die Einwendungen und unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten aus meiner Sicht in vorbildlicher Weise zusammengebracht und moderiert. Viele Bedenken konnten ausgeräumt werden, viele Kompromisse wurden erzielt. Allerdings wurde in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses in Großenbrode letztes Jahr deutlich, dass es auch Gemeinden gibt, die sich keinen Kompromiss vorstellen können.
Wirtschaftsminister Dr. Buchholz hat in einer anderen Sitzung des Ausschusses vor den Folgen einer kompromisslosen Haltung in dieser Frage gewarnt. Wenn zum Beispiel die Stadt Bad Schwartau auf einen 7 m tiefen - vielleicht aus verständlichen Gründen - statt auf einen 3,20 m tiefen Trog durch die Stadt besteht, den die Bahn anbietet, kann es passieren, dass die Stadt am Ende mit leeren Händen dasteht. Denn die Kosten für den einen Trog betragen 72 Millionen und für den anderen 290 Millionen €.
Leider hat der Bundesverkehrsminister diese Einwendungen offenbar zum Anlass genommen, alle erzielten Kompromisse und Ergebnisse vom Tisch zu wischen. Er sagt jetzt: Wir machen überhaupt keine übergesetzlichen Schutzmaßnahmen, was Lärm und Erschütterung betrifft. Das ist ein Schock für alle Bürger in Ostholstein und Stormarn. Es klingt im Moment so, als wäre alles umsonst gewesen.
Der Bundesverkehrsminister hat damit ein Problem für sich geschaffen, denn das letzte Wort hat der Bundestag, und der hat 2016 - wir haben es gerade gehört - befürwortet, dass übergesetzliche Lärmschutzmaßnahmen angewendet werden, wenn vorher eine umfangreiche und transparente Bürgerbeteiligung durchgeführt wird, in der Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Genau das ist in den letzten Jahren ja passiert, sehr erfolgreich, wie ich finde.
Eine Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss, die die Stadt Schwartau betreibt, ist nicht sinnvoll. Sinnvoll ist aus unserer Sicht dagegen, in dieser Situation an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags zu appellieren, sich für übergesetzliche Schutzmaßnahmen einzusetzen. Natürlich werden auch wir unsere nicht gerade kleine Fraktion in Berlin noch einmal auffordern, sich für die Bürger in Ostholstein und Stormarn einzusetzen. Unsere beiden schleswig-holsteinischen Abgeordneten kommen aus genau diesen beiden Kreisen und haben dafür ein offenes Ohr.
Wenn der Bundesverkehrsminister jetzt argumentiert, dass alles zu teuer werde, muss man sagen: Die ganze Hinterlandanbindung wird furchtbar teuer, viel teurer als angenommen. Die letzten Schätzungen liegen bei 2,8 Milliarden € statt wie ursprünglich geplant bei 1,7 Milliarden €. Da dürfen die übergesetzlichen Lärmschutzmaßnahmen nicht hinten runterfallen.
Dafür werden sich auch unsere Abgeordneten in Berlin einsetzen. Insofern können wir den Antrag der Jamaika-Fraktionen mittragen. Wir setzen auf die Kraft unseres höchsten Parlaments. Den SPDAntrag können wir nicht mittragen, weil er an der Realität völlig vorbeigeht; eine Kostenbeteiligung des Landes ist einfach nicht zu machen und unrealistisch. Ich hoffe, dass sich die SPD bis zur Abstimmung noch eines Besseren besinnt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die größten Bedenken gegen die feste Fehmarnbelt-Querung betreffen den Lärm. Eisenbahnzüge und insbesondere der Güterverkehr verursachen erheblichen Lärm. Die Eisenbahn ist eine nicht zu unterschätzende Umweltbelastung, vor allem auf hochfrequentierten Strecken. Dort greift der sogenannte übergesetzliche Lärmschutz, wenn klar genannte Bedingungen erfüllt sind, wie zum Beispiel die, dass die Strecke Teil des Verkehrskorridors des transeuropäischen Verkehrsnetzes ist.
Das ist die Fehmarnbelt-Querung, im Übrigen genauso wie die Strecke im Rheintal, und der Bundestag hat das 2016 entsprechend entschieden. Da für
die Fehmarnbelt-Querung die gleichen Bedingungen gelten, greift auch hier der übergesetzliche Lärmschutz - das sollte man zumindest meinen. Das Projekt ist genauso zu behandeln wie andere Projekte, und die Strecke bekommt so viel Lärmschutzmaßnahmen, wie es ökonomisch zu vertreten ist.
Das Dialogforum hat sich darauf verlassen und entsprechende Maßnahmen entwickelt. Auch die haben sich eine Rübe gemacht. Wir haben die Menschen vor Ort aufgefordert, sich einzubringen. Viele, auch die, die das Projekt kritisch sehen, haben sich eingebracht, und die kriegen jetzt von der Bundesebene einen vor den Kopf gestoßen, nach dem Motto: Es ist ja schön, dass ihr euch eine Rübe gemacht habt, aber ihr kriegt trotzdem keinen Lärmschutz. - So kann man mit Bürgerinnen und Bürgern nicht umgehen.
Meine Damen und Herren, es gab Zusagen. Doch Verkehrsminister Scheuer will sich an diese Zusagen nicht mehr richtig erinnern, zumindest will er nichts mehr davon wissen.
Er hat in seiner Vorlage an den Verkehrsausschuss den übergesetzlichen Lärmschutz unter den Tisch fallen lassen. Das ist ein klarer Verstoß gegen den Bundestagsbeschluss und eine Riesenenttäuschung für Schleswig-Holstein. Deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Kolleginnen und Kollegen im Bundestag darauf aufmerksam machen, dass sie gerade an der Nase herumgeführt werden: Die eigene Regierung macht nicht das, was der Bundestag beschlossen hat.