Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

dass das funktioniert und dass die Quoren niedrig sind.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich bin auch ein bisschen stolz darauf, dass es in unserem Land als politische Kultur funktioniert, dass Menschen in der Frage, was in die Verfassung gehört, eine andere Auffassung haben als vielleicht wir hier im Parlament, und dafür Unterschriften sammeln. Das hat meinen hohen Respekt, und das finde ich richtig. In der Frage, was dann am Ende in der Verfassung steht - da werden Sie mir recht geben -, ist entscheidend, dass wir hier eine verfassunggebende Mehrheit haben. Wenn wir diese in diesem Haus nicht haben, kann eine Volksinitiative, die zu einem Volksbegehren wird, eine verfassungsändernde Kraft gewinnen. Meine Damen und Herren, das ist Demokratie pur, und ich finde das richtig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt CDU)

Wir reden hier aber nicht über die Volksinitiative als Ganzes, sondern über die dahinterliegende Erwartung dieser 40.000 Menschen. Wahrscheinlich erleben Sie das auch: Die Leute sagen, der Staat soll sich darum kümmern, dass es bezahlbare Wohnungen gibt. Das kann ich gut verstehen, aber auch das werden Sie gelesen haben -: In der letzten Woche gab es eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das die Wirkung von politischem Handeln in der Wohnungsbaupolitik untersucht hat. Diese Wissenschaftler kommen zu der Erkenntnis: Je stärker sich die Politik in den Mietwohnungsmarkt einmischt, desto schlechter kann das letztlich für Mieterinnen und Mieter sein. - So die Aussage. Das Ansteigen von Regulierungsintensität führt nämlich zu einer Gleichgewichtsstörung zwischen Miet- und Eigentumswohnungen. Das ist wissenschaftlich untersucht worden. Häufig geht dies zu Ungunsten der Mieterinnen und Mieter aus.

Diesen Aspekt müssen wir auch bedenken, wenn wir nach staatlichen Regulierungen rufen. Es gibt eben verschiedene Ansätze, dieses Thema aufzugreifen. Ich sage aber ganz bewusst dazu: Sie stellen sich hier hin und tun so, als hätten Sie die Weisheit mit Löffeln gefressen. Wenn es so wäre, dass die eine oder die andere Partei die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte, dann hätten wir schon eine Lösung.

Sie haben in diesem Land selbst lange Zeit regiert, hatten Verantwortung und konnten die Verfassung beeinflussen. Übrigens habe ich während der letz

ten Verfassungsdebatte von Ihrer Fraktion nicht gehört, dass das Thema bezahlbares Wohnen Ihr besonders Anliegen gewesen wäre, Herr Dr. Stegner.

Ich sage, wir brauchen keine Hahnenkämpfe. Für mich ist wichtig, dass Sie, meine Damen und Herren von der Initiative, es bereits geschafft haben, mit Ihrem Engagement Rückenwind für das Thema bezahlbares Wohnen zu schaffen. Sie haben schon einmal einen Erfolg erreicht, und ich danke Ihnen herzlich dafür.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich darf auch sagen: Wenn wir diese Volksinitiative heute in namentlicher Abstimmung ablehnen, dann lehnen wir auf keinen Fall, und das möchte ich für meine Fraktion in aller Deutlichkeit sagen, die berechtigten Forderungen nach bezahlbarem Wohnraum ab. Das ist ganz klar zu sagen. Ganz im Gegenteil, meine Fraktion wird alles tun, was sie kann.

Wir haben übrigens zu der Frage der Volksinitiative keine Regelung im Koalitionsvertrag. Wir haben keine Vereinbarung getroffen, dass wir dies gemeinsam regeln. Deshalb ist es tatsächlich so, dass wir beim Thema Wohnraum an den Instrumenten arbeiten. Das muss zeitnah geschehen. Das muss in Ernsthaftigkeit geschehen, und das muss auch mit Blick darauf geschehen, dass wir Wohnungspolitik in diesem Land für die Menschen sichtbar umsetzen.

Ich sage auch: Sie haben weitere Instrumente der direkten Demokratie in der Hand. Das finde ich richtig. Darauf bin ich als Schleswig-Holsteiner stolz. Sie können mit Ihren politischen Initiativen weitermachen hin zu einem Volksbegehren. Ich bin jetzt zehn Jahre in diesem Haus. Als Politiker sage ich Ihnen: Manchmal muss man dicke Bretter bohren, bevor man ein politisches Anliegen umsetzen kann. Sie haben hier meine Unterstützung und auch - ich sage das ausdrücklich - die meiner Partei. Es ist ein dickes Brett, dieses Anliegen in die Verfassung zu bekommen. Wie gesagt, auch wenn wir heute nicht zustimmen, werden wir politisch für das gemeinsame Anliegen, das hinter dieser Initiative steht, mit allem Engagement in diesem Land weiter streiten. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, begrüßen Sie mit mir gemeinsam auf der Besuchertribüne des Schles

(Dr. Andreas Tietze)

wig-Holsteinischen Landtages Bürgerinnen und Bürger der Stadt Flensburg. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jan Marcus Rossa das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ja schon stark, was uns die SPD-Vertreterin hier präsentiert hat. Ich wundere mich schon ein bisschen über Ihre Ausführungen. Sie vergessen, dass wir vor diesem Tagesordnungspunkt die Novellierung der Landesbauordnung diskutiert haben, die die Jamaika-Koalition auf den Weg gebracht hat und nicht eine SPD-geführte Regierung. Das wäre ja möglich gewesen. Sie hätten das Problem auf dem Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein, das nicht erst mit den Wahlen im Mai 2017 begonnen hat, lösen können. Sie hätten Vorsorge treffen können. Das haben Sie alles nicht getan,

(Beifall FDP und CDU)

und die Art und Weise der Belehrung ist beschämend, Frau Ünsal, insbesondere, weil Sie lange Verantwortung für dieses Thema getragen haben.

Ich sage Ihnen darüber hinaus: Wir haben volles Verständnis, und wir unterstützen auch das Kernanliegen der Volksinitiative, dass bezahlbarer Wohnraum in Schleswig-Holstein eines der wichtigsten Themen ist, die diese Politik zu lösen hat. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.

(Bernd Heinemann [SPD]: Doch, gibt es!)

- Bei mir nicht. Herr Heinemann, wenn es bei Ihnen einen Zweifel gibt, dann ist das schön. Das erklärt auch, warum Sie mit wohlfeilen Programmsätzen besser leben können als mit konkreten Maßnahmen. Wir wollen konkrete Maßnahmen, und das haben wir heute hier schon durch die Novellierung der Landesbauordnung bewiesen.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Kernanliegen der Volksinitiative, angemessenen Wohnraum für alle Menschen in diesem Land zu gewährleisten, ist unter allen Gesichtspunkten nachvollziehbar und unterstützenswert. Ich glaube, darin herrscht Einigkeit. Die Politik muss dafür sorgen, dass für jeden Menschen in diesem Land ausreichender und angemessener Wohnraum zur Verfügung steht. Da das Wohnen ohne jeden Zweifel zu den Grundbedürfnissen eines Menschen gehört, ist

es auch richtig, dass Mieter besonderen Schutz in unserem Rechtsstaat genießen.

Die Frage ist und bleibt aber, ob eine Verfassung das richtig Instrumentarium ist, um dieses berechtigte Anliegen zu befördern, und genau hier haben wir eben eine andere Auffassung als die Volksinitiative, und wir zeigen auch, wie es anders möglich ist, dem Bedürfnis nach angemessenem Wohnraum in diesem Land Rechnung zu tragen.

(Beifall FDP und CDU)

Ich darf darauf hinweisen, dass ohne ausdrückliche Regelungen in der Landesverfassung, wie von der Volksinitiative gefordert, der Staat verpflichtet ist, das Wohnen für jeden Menschen in diesem Land zu gewährleisten. Das ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Grundgesetz.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Die Garantie der Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip sind die Grundlage dafür, dass wir Wohnraum für jedermann schaffen und gewährleisten müssen.

Ich bin daher der Auffassung, dass die Volksinitiative hier etwas regeln will, was in Deutschland und auch in Schleswig-Holstein längst geregelt und sogar verfassungsrechtlich abgesichert ist.

Es stellt sich die Frage, ob es ein besonderes Bedürfnis gibt, einen Aspekt, der bereits eine Regelung erfahren hat, noch einmal mit einem neuen Wortlaut zu regeln. Dieses Bedürfnis vermag ich nicht zu erkennen. Einen konkreten Beitrag zur Lösung der Probleme auf dem Wohnungsmarkt in Schleswig-Holstein würde eine Verfassungsänderung jedenfalls nicht bringen.

Ich denke auch nicht, dass die Menschen in unserem Land weitere Bekenntnisse von uns erwarten. Wir sind uns doch alle einig, dass wir Wohnraum brauchen. Darum sollten wir nicht so tun, als wäre das hier strittig. Es bedarf konkreter Maßnahmen und keiner Programmsätze, auch keiner verfassungsrechtlichen, meine Damen und Herren.

Die heutige Debatte zur Landesbauordnung ist ein gutes Beispiel dafür, wie gesetzliche Regelungen helfen können, die Voraussetzungen für den Wohnungsbau zu verbessern. Wir werden auch weiterhin den sozialen Wohnungsbau in unserem Land fördern und begrüßen ausdrücklich Initiativen von Städten und Gemeinden in diesem Land, wenn sie Neubauvorhaben davon abhängig machen, dass ein nicht zu geringer Anteil der neu zu schaffenden

(Vizepräsidentin Annabell Krämer)

Wohnungen einer Sozialbindung unterworfen ist. Das unterstützen wir ausdrücklich.

Eine Verfassungsänderung aber bliebe hingegen wirkungslos und weit hinter unseren Zielen zurück. Sie würde keinen einzigen Quadratmeter Wohnraum schaffen. Deshalb haben wir uns dazu entschieden - nach intensiver Diskussion -, den Gesetzentwurf der Volksinitiative abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Wir von der AfD treten seit unserem Bestehen für direkte Demokratie ein. Gerade Bürger- und Volksinitiativen sind Ausdruck des Wunsches nach eben dieser direkten demokratischen Beteiligung. Das Ansinnen der Volksinitiative begrüßen wir allein schon deshalb. Aber auch das dahinterstehende Ziel verfolgen wir grundsätzlich. Ein Zitat - mit Ihrer Erlaubnis -:

„Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung dieses Wohnraums besonders für Menschen mit geringem Einkommen sowie die Bildung von Wohnungseigentum.“

Stimmen Sie zu, dass dieser Satz auch gut Platz finden würde in der Landesverfassung? Meine Damen und Herren, dieses Zitat legten wir in unserem Antrag vom Juli 2018, mit dem wir forderten, das Recht für angemessenen Wohnraum in die Landesverfassung aufzunehmen, dar. Dieser Antrag wurde hier im Haus von allen anderen Parteien abgelehnt. Diese Chance wurde hier verpasst.

Ja, wir stimmen Ihrem Ansinnen zu, aber nicht im Detail. Das ist wichtig, wenn es um die verfasste Staatszielbestimmung geht. Nach dem Sozialstaatsprinzip - Herr Rossa hat das dankbarerweise vorstellt - ist der Staat verpflichtet, menschenwürdige Lebensbedingungen für alle Menschen zu gewährleisten. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt sich, dass dazu auch das Recht des Menschen auf angemessenen Wohnraum gehören soll.

Der im Sozialstaatsprinzip dargelegte Auftrag an den Staat, für ausreichenden Wohnraum zu sorgen, kann grundsätzlich durch ein Staatsziel, das Recht

auf Wohnen, konkretisiert werden, indem die Sorge für verfügbaren Wohnraum als Staatsauftrag formuliert wird.

Durch eine Verankerung in der Landesverfassung würde dadurch das Staatsziel definiert, dafür Sorge zu tragen, dass den Lebensumständen angemessene Wohnsituationen allen Menschen gewährleistet werden. Eine solche Verpflichtung kann durchaus positive Effekte auf die Wohnungsmarktpolitik haben und dazu beitragen, dass insbesondere in den Ballungsräumen ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum mit der Schaffung neuer Wohnräume behoben werden kann.

Bis hierhin hat der vorliegende Gesetzentwurf noch immer unsere Zustimmung. Der Gesetzentwurf will aber ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht auf eine Wohnung garantieren, welches wesentlich über die bereits existierende sozialstaatliche Garantie eines Existenzminimums hinausgeht und Forderungen aufstellt, die uns schlicht zu weit gehen. Hier soll nicht nur der Staat in die Pflicht genommen werden; vielmehr soll in massiver Weise in das Recht auf Eigentum von Haus- und Wohnungseigentümern, wie im Grundgesetz verankert, eingegriffen werden. Das ginge nur auf Grundlage eines Gesetzes. Für uns ist nicht ersichtlich, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Räumung einer Wohnung erfolgen soll, wenn damit Ersatzwohnraum zur Verfügung stehen soll.

Für das Mietrecht hat Schleswig-Holstein keine Gesetzgebungszuständigkeit. Hier steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über das Bürgerliche Gesetzbuch - es ist im Mietrecht geregelt - zu. Dieser hat von seiner Kompetenz abschließend Gebrauch gemacht. Deshalb kann das Land keine mietrechtlichen Regelungen treffen, schon gar nicht über die Landesverfassung.

Neben den juristisch zu betrachtenden Aspekten, die uns eine Zustimmung nicht ermöglichen, kommen aber tatsächlich auch ganz pragmatische Betrachtungen zum Tragen. Die in der Landesverfassung verbrieften Staatsziele führen nicht automatisch dazu, dass individuell einklagbare Ansprüche entstehen. In der Landesverfassung werden Aufgaben des Staates formuliert und Schutzrechte von Bürgern normiert. Die Landesverfassung ist der falsche Ort für ein derart weitreichendes Ansinnen, wie es der Gesetzentwurf der Bürgerinitiative vorsieht.