Neben den juristisch zu betrachtenden Aspekten, die uns eine Zustimmung nicht ermöglichen, kommen aber tatsächlich auch ganz pragmatische Betrachtungen zum Tragen. Die in der Landesverfassung verbrieften Staatsziele führen nicht automatisch dazu, dass individuell einklagbare Ansprüche entstehen. In der Landesverfassung werden Aufgaben des Staates formuliert und Schutzrechte von Bürgern normiert. Die Landesverfassung ist der falsche Ort für ein derart weitreichendes Ansinnen, wie es der Gesetzentwurf der Bürgerinitiative vorsieht.
Der AfD-Fraktion ist das zu weitreichend. Deshalb lehnen auch wir den Gesetzentwurf ab. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir brauchen angemessenen und bezahlbaren Wohnraum für alle Bevölkerungsgruppen. Das fordere ich nicht zum ersten Mal und werde es wohl auch nicht zum letzten Mal tun. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist prekär. Das wissen wir alle. Dennoch hat es die Politik bis zum heutigen Tage nicht geschafft, wirklich wirksame Maßnahmen in die Wege zu leiten. Nur deshalb gibt es doch diese Volksinitiative, deren Anliegen wir vom SSW zu 100 % unterstützen.
Die Menschen in unserem Land erwarten von uns klare Signale und pragmatische Lösungen, damit sich der Wohnungsmarkt endlich wieder entspannt. Wir vom SSW hätten gern intensiver über die Gesetzesvorlage diskutiert, aber leider wollten sich die Regierungsfraktionen ja nicht mit den Initiatoren an einen Tisch setzen. Stattdessen wurde der Entwurf mit der Begründung abgebügelt, dass eine Ergänzung der Landesverfassung keine unmittelbaren Auswirkungen habe.
Der eine oder andere wird sich ja gegebenenfalls an meine vorherigen Reden zu diesem Thema erinnern, in denen ich ebenfalls konstatiert habe, dass den Menschen mit konkreten Maßnahmen viel eher geholfen ist als mit einer bloßen Verfassungsbestimmung. Schließlich ist Papier geduldig und erschafft keine einzige neue Wohnung. Gleichzeitig haben wir uns jedoch offengehalten, darüber zu diskutieren. Die Lage hat sich seitdem weiter verschärft. Die Sorgen und Nöte der Menschen sind real und müssen endlich ernst genommen werden. Wie wäre es denn, wenn wir mit einem Sowohl-alsauch an die Sache herangehen würden?
Wenn wir uns nun also die beiden Absätze des Gesetzesentwurfes einmal anschauen, dann scheint es doch machbar zu sein, auf die Initiatoren zuzugehen: Absatz 1 beschreibt ein Staatsziel. Im Gegensatz zu einem Grundrecht ist ein Staatsziel nicht einklagbar und daher rechtlich unverbindlich. In der Realität ist damit also im Grunde recht wenig zu bewegen, was ziemlich unbefriedigend klingt, es aber nicht ist, denn die Politik würde sich zu einer klaren Zielvorgabe bekennen.
Diesem Absatz hätten doch wirklich alle mit geschlossenen Augen zustimmen können. Es kostet nicht viel Mühe, und trotzdem wäre für die Bürgerinnen und Bürger ein klares Signal ausgesendet, dass die Politik eine ihrer akutesten Sorgen ernst nimmt und anpacken wird, meine Damen und Herren.
Über Absatz 2 hätte man diskutieren können. Es ist schade, dass die Regierungsfraktionen dazu nicht bereit waren. Der SSW hatte ja bereits ein zielgerichtetes Instrument eingebracht. Unser Gesetzentwurf für ein Wohnraumschutzgesetz ist von zahlreichen Seiten in der Anhörung dazu gelobt und begrüßt worden. Damit hätten wir gegen die hier beschriebenen Missstände wirksam vorgehen können, doch leider hat sich für den Entwurf ja bislang keine Mehrheit finden können. Hier zeigt sich, dass die Jamaika-Koalition kein wirkliches Feingefühl für die Sorgen der kleinen Mieterinnen und Mieter hat. Am konkreten Wortlaut im zweiten Absatz hätte man sicherlich noch feilen können, aber ich bin mir sicher, dass wir schlussendlich eine Gesamtformulierung hätten erarbeiten können, mit der alle Parteien hätten leben können. Das wäre dann auch ein starkes Signal an die Initiatoren und Unterzeichner dieser Initiative und nicht zuletzt an alle Menschen in diesem Land gewesen.
So aber, meine Damen und Herren, hat man diese gar nicht erst mit ins Boot geholt, sondern die Diskussion direkt gecancelt.
Insgesamt bleibt festzuhalten: Auch wir ziehen konkrete Schritte reinen Lippen- oder Textbekenntnissen vor. Dennoch: Eine Staatszielformulierung strahlt Symbolkraft aus, und dies ist vielen Menschen in unserem Land ein großes Anliegen, sonst hätten sie das nicht unterschrieben.
Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt ist jedoch ein dringliches Problem, auf das Jamaika endlich auch mit praktikablen, schnellen und nachhaltigen Konzepten reagieren muss. Besser heute als morgen, besser mit konkreten Gesetzesinitiativen und besser mit einer ordentlichen Portion Tatkraft und besser auch mit einer begleitenden Verfassungsänderung. - Vielen Dank.
Die Abgeordnete Ünsal wollte ja nicht, dass ich Ihr noch eine zweite Frage stelle. Deswegen komme ich hier nach vorne. Man kann sich schon für eine Änderung in der Landesverfassung einsetzen. Aber es geht nicht, da, wo man selber Verantwortung trägt, Sie sind ja auch selber Kieler Landtagsabgeordnete -
Peter Lehnert hat ja gesagt, dass die Landeshauptstadt Hauptstadt der Wohnungsmisere in diesem Land ist.
Ich will an dieser Stelle die Themen gern noch einmal benennen. Lars Harms hat ja gerade noch einmal ausgeführt, dass wir nichts täten. Beim studentischen Wohnen ist es beispielsweise so, dass wir das Studentenwerk so ausgestattet haben, dass etwas passieren kann. Es ist am Ende die HermannEhlers-Stiftung, eine Stiftung, die mir auch nicht so besonders fern ist, die überhaupt die einzige Organisation ist, die Studentenwohnheime und -wohnungen in Kiel baut und damit dem Oberbürgermeister hilft, in seiner Bilanz überhaupt noch ein bisschen mit anderen Städten mithalten zu können.
Zweitens. Ich komme zu dem MFG-5-Gelände. Hier wird ja auch immer über Flächennotstand in Kiel gesprochen. Wenn man sagt, man könne erst in fünf Jahren anfangen, dort Baumaßnahmen zuzulassen, ist das viel zu spät. Sie müssen sich dann fragen, ob Sie wirklich alles tun, um Wohnungsnotstand in diesem Land zu verhindern, wo Sie Verantwortung tragen.
Am Ende hilft bei diesem Thema nur bauen, bauen, bauen. Ich würde mich freuen, wenn Sie da, wo Sie können, auch mithülfen und nicht nur Symbolpolitik betrieben, indem Sie die Landesverfassung ändern wollen. Ich fordere Sie auf, wirklich zu handeln. - Danke.
Für die Landesregierung erteile ich jetzt das Wort der Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Karin Prien.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Liebe Gäste! Die heute zu beratende Änderung der Landesverfassung Schleswig-Holstein liegt offensichtlich vielen Bürgerinnen und Bürgern sehr am Herzen. Knapp 40.000 Unterschriften konnte die Volksinitiative für bezahlbaren Wohnraum hierfür sammeln, doppelt so viele, wie benötigt wurden. Dafür haben Sie Respekt verdient.
Ihr Engagement, meine Damen und Herren, ist uns zusätzlicher Ansporn, in unserer Politik große Anstrengungen zu unternehmen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Bei dieser Zielvorgabe gibt es keinen Streit.
Der Gesetzentwurf hält jedoch nicht, was er verspricht. Der Gesetzentwurf enthält - das ist mehrfach angesprochen worden - eine Staatszielbestimmung, aus der sich keine einklagbaren Rechte ergeben. Aus einer Staatszielbestimmung ergibt sich kein neuer Wohnraum, und eine Staatszielbestimmung hilft auch nicht dabei, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Vielmehr besteht ein ganz erheblicher praktischer Handlungsbedarf. Das Ziel, dass sich alle Menschen in Schleswig-Holstein zugehörig und zu Hause fühlen können, steht für die Landesregierung im Zentrum ihres Handelns. Deshalb ist es uns wichtig, dass alle Menschen eine angemessene Wohnung zu einem bezahlbaren Preis finden.
Um dies in die Tat umzusetzen, bedarf es großer Anstrengungen. Wir haben zu Beginn dieses Jahres einen Maßnahmenkatalog beschlossen, dessen Umsetzung ganz konkret zur Entspannung des Wohnungsmarktes beitragen wird und besonders belastete Haushalte unterstützen soll.
Verfassungsrechtliche Programmsätze oder Absichtserklärungen helfen da nicht weiter. Wir müssen den Menschen in unserem Land zeigen, dass wir die Rahmenbedingungen für eine Entspannung des Wohnungsmarktes vor allem in den Ballungsräumen schaffen. Wir dürfen uns eben nicht darauf ausruhen, unseren Wunsch danach nur schriftlich zu
fixieren. Die Aufnahme eines Rechts auf Wohnen in die Landesverfassung haben übrigens andere Bundesländer wie Bayern, Bremen oder Berlin bereits vor uns vollzogen. Doch was hat es gebracht? Zweifel an der Wirksamkeit sind wohl berechtigt. Wir möchten uns an ganz konkreten Handlungsschritten messen lassen und keine Symbolpolitik betreiben.
Über die Landesbauordnung haben wir in der letzten Debatte bereits gesprochen, auch über die ganz konkrete Wirkung dieser Gesetzesänderung. Die Landesregierung legt einen weiteren politischen Schwerpunkt auf die soziale Wohnraumförderung und schafft eine Vielzahl von Förderprogrammen, die sowohl Mieter als auch potenzielle Eigentümer erreichen.
Das Baukindergeld wird einkommensschwächeren Familien bei der Schaffung von Eigentum helfen. Um jungen Familien beim Hauskauf unter die Arme zu greifen, rufen wir das neue Projekt „Jung kauft Alt“ ins Leben. Darüber hinaus erwarten wir Ende 2019 das Inkrafttreten des Projektes „Neue Perspektive Wohnen“. 10 Millionen € stehen uns zur Verfügung, um Kommunen und Privathaushalte mit Planungszuschüssen zu unterstützen. Ziel ist die Errichtung bunt gemischter Quartiere, um gerade die von der Volksinitiative befürchteten sozialen Konflikte zu verhindern. Seit diesem Sommer bezuschusst das Land neu errichteten Wohnraum im sozialen Wohnungsmarkt mit bis zu 375 €/m².
Meine Damen und Herren, solche Programme sind es, die bei den Bürgerinnen und Bürgern wirklich ankommen und sie aktiv unterstützen. Mit einer Staatszielbestimmung hingegen wäre niemandem geholfen. Deshalb kann die Landesregierung das Gesetzesvorhaben nicht unterstützen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade hier den jüngeren Kollegen von der Heide mit den markigen Worten gehört. Anders als Sie bekennt sich die Sozialdemokratie dazu, dass es in der Vergangenheit ein Fehler gewesen ist, öffentliche Wohnbaubestände zu verkaufen. Das war ein Fehler. Dem sind zwar nicht alle gefolgt, aber es war ein Fehler, aus dem wir gelernt haben. Wir ha
ben daraus gelernt, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in vielen Teilen in die öffentliche Hand gehört und nicht privatisiert werden sollte und privaten Renditeinteressen unterworfen wird.