Protokoll der Sitzung vom 26.09.2019

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Tobias von der Heide?

Ich hoffe, es ist kein Wahlkampf. - Bitte, ich höre!

Frau Ünsal, wir haben ja als Land zum Beispiel hinsichtlich des studentischen Wohnraums sehr viel getan und die Studentenwerke so ausgestattet, dass Planungskapazitäten und auch Geld zur Verfügung stehen. Wie erklären Sie denn, dass da, wo Sie Verantwortung tragen, insbesondere hier in Kiel, Studentenwohnheime nicht realisiert werden können, und das Studentenwerk hier seit Jahren nicht in der Lage ist, neue Wohnungen zu schaffen?

(Özlem Ünsal)

- Lenken Sie doch nicht vom eigentlichen Thema ab!

(Lachen CDU)

Wir werden dieser Verantwortung sicherlich gerecht, aber Sie werden Ihrer Verantwortung gerade nicht gerecht. Lenken Sie nicht mit solchen Fragen ab, mit denen Sie der Volksinitiative keine Beweise dafür vorlegen können, dass Sie ihr Anliegen und die Nöte ernst nehmen und sich ganz offiziell zu ihnen bekennen.

(Zurufe CDU und FDP)

Jetzt redet Frau Kollegin Ünsal!

Erklären Sie doch den Menschen heute bitte, warum Sie so entscheiden, wie Sie entscheiden. Nur auf das Wohnraumförderprogramm zu verweisen, ist eindeutig zu dünn, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Frau Abgeordnete, antworten Sie noch auf die Frage?

Dann möchte ich fragen, ob Sie eine zweite -

Nein, keine weiteren Fragen! Vielleicht beantworten Sie erst einmal meine Fragen. - Vor allem frage ich mich, was aus der Unterstützung der Grünen für die Volksinitiative geworden ist, die noch vor einem Jahr verkündet wurde. Wo ist sie?

Ich möchte dazu, wenn Sie erlauben, nur zwei prägnante Sätze zitierten. Sie lauten wie folgt:

„Es ist eine Verpflichtung des Landes, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die das elementare Bedürfnis der Bürger*innen nach Wohnraum befriedigen kann. Hierzu hätte man sich heute bekennen können.“

Liebe Grünen, diesem Zitat Ihrer eigenen Landesvorsitzenden zu Ihrer ablehnenden Haltung ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Sie hätten sich beken

nen können. Das können Sie heute noch immer. Deshalb beantrage ich namentliche Abstimmung. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.

(Beifall SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Herr Abgeordnete Dr. Andreas Tietze das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ünsal, man könnte sagen: Gut gebrüllt, Löwin!

(Vereinzelter Beifall SPD - Zuruf Özlem Ün- sal [SPD])

Aber ganz im Ernst: Die Diskussion über die Volksinitiative und über die Verankerung bezahlbaren Wohnraums in der Verfassung schaffen in der Tat keine einzige Wohnung. Darüber sind wir uns wohl einig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und Stephan Holowaty [FDP])

Das Wesen von Kompromissen, wenn man sie sucht, ist, dass man immer weniger bekommt, als man will. Das, liebe SPD, kennen Sie aus der GroKo ebenfalls zur Genüge. Deshalb sage ich an dieser Stelle noch einmal: Das machen wir in der Partei der Grünen anders, gerade wenn es darum geht, das Thema Wohnen in die Verfassung aufzunehmen.

Wir sind uns einig, dass man Staatszielbestimmungen auch in Verfassungen aufnehmen kann. Wir haben das hier in Schleswig-Holstein in mehrfacher Weise getan, über Verfassungskommissionen, was Minderheitenrechte angeht, und so weiter.

(Thomas Rother [SPD]: Das hat auch nichts bewirkt!)

- Das ist eine gewisse Haltung, und wir haben hierzu auch eine gewisse Affinität. Aber Sie sind doch mit mir einig, dass man für eine solche gute Argumentation eine Zweidrittelmehrheit, also eine große Mehrheit, in diesem Hause braucht.

(Thomas Rother [SPD]: Ja! - Zuruf SPD: Ge- nau!)

Selbst wenn wir heute mit wehenden Fahnen sagten, wir stimmen der Volksinitiative zur Verfassung zu, hätten wir keine Mehrheit in diesem Haus.

(Özlem Ünsal)

(Zuruf Dr. Kai Dolgner [SPD])

Deshalb müssen wir ganz klar sagen, dass hinsichtlich dessen, was Sie wollen, keine Wirkung erzielt werden wird.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD]?

Ja, bitte sehr.

Herr Kollege Tietze, wenn man etwas in der Sache wirklich will, dann muss man dafür gelegentlich mehrere Anläufe unternehmen. So war das zum Beispiel bei der Festschreibung der Minderheitenrechte in der Verfassung. Im Kontext der Frage, ob man die Kinderrechte in die Verfassung schreiben sollte, habe ich von Ihnen noch nie das Argument gehört, das bewirke ja gar nichts, weil alle Menschen im Grunde genommen schon durch Artikel 1 GG geschützt seien. Vielmehr haben Sie in dem anderen Kontext richtigerweise festgestellt, dass es sehr wohl etwas bewirkt, die Leute auf die Prioritätensetzung aufmerksam zu machen.

In der Lage, in der wir, was das bezahlbare Wohnen angeht, im Augenblick sind, in einer Situation, in der es überall brennt und wir die Exzesse der Marktwirtschaft erleben, weil sie nämlich nicht funktioniert und Luxuswohnungen gebaut werden, kommen Sie daher und sagen: Dazu braucht man eine große Mehrheit, und im Übrigen bewirkt das ja gar nichts.

Sie sind übrigens mit dem ersten Punkt eingestiegen, das bewirke ja gar nichts. Ich finde es, ehrlich gesagt, ein bisschen schwach, den Leuten zu erzählen: Wir kümmern uns ganz rührend um eure Anliegen, aber das bewirkt ja nichts, also machen wir das nicht. - Dann sparen Sie sich den ersten Teil und tun Sie nicht so, als seien Sie eigentlich für etwas anderes!

- Dr. Stegner, ich finde es ein bisschen merkwürdig, dass Sie als Sozialdemokrat uns jetzt darüber belehren, für welche Inhalte wir stehen. Ich habe es in der Debatte deutlich gemacht und an dieser Stelle

auch schon mehrfach vorgetragen, dass eine Staatszielbestimmung juristisch ein stumpfes Schwert ist. Wenn ich Sie richtig verstehe, dass wir auf dem Wohnungsmarkt dringend bezahlbare Wohnungen brauchen, dann ist die Verfassungsdebatte tatsächlich die letzte Debatte, die ich führe. Ich würde gern die Debatte darüber führen, wie wir schnell das drängende Problem, das die Menschen wirklich haben, nämlich keine Wohnung zu haben, lösen. Das steht für mich an oberster Stelle.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Jetzt können wir in einer zweiten Debatte sehr gern darüber nachdenken, wie wir die Verfassung in unserem Land noch breiter, noch hübscher und noch schöner machen und in Form Dinge eines Generationenvertrags aufnehmen. Da bin ich bei Ihnen, und ich sage sogar, dass das Staatsrechtsziel Wohnen für mich persönlich ein richtiges und gutes Ziel in der Verfassung ist.

Ich war übrigens auch beim Gottesbezug dieser Meinung. Da fehlte hier im Parlament leider eine Stimme zur Mehrheit. Mal gewinnt man, mal verliert man auch in der Frage, wie man eine Verfassung gestaltet.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage beziehungsweise eine -bemerkung des Herrn Kollegen Dr. Stegner?

Selbstverständlich.

Lieber Herr Kollege, ich möchte Ihnen gern noch eine zweite Frage stellen: Wie oft kommt es eigentlich vor, dass 40.000 Menschen dafür unterschreiben, dass das Parlament der Prioritätensetzung folgt, die die Bürgerinnen und Bürger haben?

(Beifall SPD)

- Ich weiß nicht, wie viele Unterschriften wir beim Gottesbezug hatten, aber das waren auch weit über 50.000 Unterschriften. Ich finde es erst einmal gut, dass sich Menschen über Volksinitiativen an uns als Parlament wenden. Es war immer unser Anliegen,

(Dr. Andreas Tietze)

dass das funktioniert und dass die Quoren niedrig sind.