Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

Herr Dr. Stegner, insofern ist es auch relativ witzlos, was Sie gerade kritisieren. Sie sind ja stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, Sie äußern sich ja nur auf Basis des schwarz-roten Koalitionsvertrages. Etwas anderes habe ich von Ihnen noch nie gehört.

(Beifall Wolfgang Kubicki [FDP] und Tobias Loose [CDU])

Dass ein FDP-Wirtschaftsminister die FDP-Position wiedergibt, das mögen Sie verurteilen. Wir können ehrlich gesagt damit leben, dass die Koalitionsparteien auch Unterschiede haben. Insofern können Sie die abgestandenen Vorurteile gegenüber der FDP behalten.

Es mag dem einen oder anderen hier im Hohen Haus nicht gefallen, aber mich und meine Fraktion freut es, dass wir mit Bernd Buchholz jetzt einen Wirtschaftsminister haben, der eine große Dynamik, eine hohe Kompetenz und auch eine klare Meinung hat. Das ist genau richtig für unser Land.

Herr Stegner, wenn ich Sie wäre, würde ich mit Blick auf die letzten Jahre sagen: Sie sind abgewählt. Wir haben die Mehrheit, wir machen das jetzt so. - Aber ich bin nicht Ralf Stegner, deswegen sage ich: Wir werden in aller Ruhe und Gelassenheit eine mittelstandsfreundliche Politik, Schleswig-Holstein zum mittelstandfreundlichsten Bun

(Christopher Vogt)

desland machen und auch das machen, was Sozialdemokraten in den letzten Jahren versäumt haben, nämlich Steuerschlupflöcher schließen und Familien entlasten, die Sie belastet haben. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Jörg Nobis.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Vogt, erst einmal vielen Dank, dass Sie gesagt haben, der eigentliche Oppositionsführer komme gleich noch. Damit können Sie ja nur mich gemeint haben.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Er hat den Namen Lars Harms genannt!)

- Hat er genannt? - Okay, dann gut.

Sagen wir doch, wie es ist: Herr Dr. Stegner, Sie versuchen durch diese Aktuelle Stunde noch etwas lauwarme Luft in den Wahlkampf zu blasen, obwohl die Wahlschlappe am Sonntag doch schon längst besiegelt ist. Das Aufblasen eines Luftsacks wird hier und heute aber keine Abhilfe schaffen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Nobis, das ist Ihr Oppositionsführer!)

- Nicht meiner! - Vielmehr zeigt die Debatte aber, dass es schon jetzt erhebliche Risse in der KaribikKoalition gibt. Ich habe das eben beobachtet: Die Grünen haben auch geklatscht, wenn Herr Dr. Stegner vorgetragen hat. Da sehe ich eine erhebliche Rissbildung in der Jamaika-Koalition. Da müssen Sie wirklich aufpassen, dass das nicht zu einem tiefen Graben wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie schweißen das wieder zusammen!)

Aber hätten sich die Grünen nicht mit einer Pressemitteilung und einem Fernsehinterview über den Wirtschaftsminister, Herrn Dr. Buchholz, so echauffiert, dann hätte niemand von den sich auftuenden Rissen in der Koalition überhaupt Kenntnis genommen. Ich habe durchaus Verständnis für Herrn Dr. Buchholz, dass man bei insgesamt drei Mindestlöhnen im Land auch einmal die Begrifflichkeiten verwechseln kann.

(Lachen Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn die Regierungsfraktionen schlau gewesen wären, hätten sie das Missverständnis intern geklärt, ohne es in die Öffentlichkeit zu tragen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Aber zur Sache: Natürlich ist es sinnvoll, aus drei Mindestlöhnen einen zu machen und sich dabei an den höchsten Mindestlohn anzulehnen. Anders als in den Medien häufig kolportiert wurde, spricht sich die AfD ebenfalls für einen Mindestlohn aus, allerdings für einen und nicht für drei verschiedene. Das ist nämlich einfach Sozialismus.

(Zuruf Dennys Bornhöft [FDP])

Lieber Herr Dr. Buchholz, lassen Sie sich bitte nicht am grünen Nasenring durch die Manege führen. Die Aufregung seitens der SPD ist einfach nur scheinheilig, aber vor dem Hintergrund einer drohenden Wahlschlappe von weniger als 20 % durchaus verständlich. Hier versucht die SPD auf Teufel komm raus, einen Aufhänger für ein vermeintlich sozialdemokratisches Thema zu finden. Dabei hat der Herr Wirtschaftsminister doch grundsätzlich recht: Drei Mindestlöhne sind definitiv zwei zu viel. Streiten kann man selbstverständlich ganz trefflich über die Höhe. Selbstverständlich würde eine Abschaffung des Vergabemindestlohns dazu führen, dass der niedrigere Bundesmindestlohn zur Anwendung käme. Dann hätte die Landesregierung auch keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung der Höhe. Diesen Umstand mag man bedauern, ich täte es nicht. Wenn schon ein Markteingriff, dann bitte mit nachvollziehbaren Entscheidungswegen und einer möglichst unabhängigen, also regierungsfernen Kommission, die über die Höhe des Mindestlohns entscheidet.

Damit ist zu dieser Aktuellen Stunde auch wirklich alles gesagt. Dieser schlaffe Luftsack wird sicherlich zu keinem Heißluftballon der SPD werden. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte dreht sich ja um eine Äußerung unseres Wirtschaftsministers, der deutlich gemacht hat, dass ihm

(Christopher Vogt)

in der Tat drei Mindestlöhne zu viel sind und dass er deswegen auf Landesebene zwei Mindestlöhne abschaffen will und damit dann nur der bundesweite Mindestlohn übrig bleibt. Das heißt, wir reden hier über den Wunsch des Wirtschaftsministers, einen Mindestlohn für Vergaben zu senken. Das ist der Punkt, über den wir hier reden.

Warum ich mich seinerzeit, als er das verkündet hat, dann auch vehement gemeldet habe - die Kollegin von Kalben hat das gerade eben dargestellt -, hatte eigentlich nur einen einzigen Hintergrund: Der Wirtschaftsminister hat gesagt, er mache das mit Billigung seiner Regierungskoalition. Das hat mich dazu bewogen zu sagen: So geht das nicht, liebe Grüne, bitte stellt euch auf die Hinterbeine. Das Schöne dabei ist: Es hat ja auch geklappt. Manchmal klappt ja auch etwas im Leben. Herr Vogt ist sofort aus dem Kreuz gekommen und hat sofort gesagt: Natürlich gilt der Koalitionsvertrag und nichts anderes. FDP-Politik spielt in dieser Frage diesmal keine Rolle.

(Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Weil du das gesagt hast! - weitere Zu- rufe Wolfgang Kubicki [FDP] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Kollege Andresen hat dann noch einen draufgesetzt und gesagt: Selbstverständlich gilt der Koalitionsvertrag. - Am Ende hat noch einmal Frau Heinold drübergebügelt und gesagt: Selbstverständlich machen wir hier keine FDP-Politik, sondern nur Jamaika-Politik. - Insofern: Ja, in der Tat ist sozusagen alles geregelt. Frau von Kalben hat gerade eben bestätigt, was mich sehr gefreut hat, dass der vergaberechtliche Mindestlohn bestehen bleibt.

Trotzdem finde ich, dass wir in diesem Parlament natürlich auch über unterschiedliche Auffassungen in diesem Bereich reden können. Die Redner der Koalition haben deutlich gemacht, dass auch ein Minister das Recht hat, hier eine unterschiedliche Auffassung irgendwann im Leben irgendwie herauszuposaunen. Das ist auch in Ordnung, aber dann muss man natürlich jetzt auch ertragen, dass man mal darüber redet.

(Beifall SSW, vereinzelt SPD und Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Da ich ja weiß, dass die Jamaika-Koalition angekündigt hat, die Tariftreueregelung überarbeiten zu wollen beziehungsweise das Gesetz überarbeiten zu wollen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wollen wir auch!)

möchte ich schon gern kurz darauf eingehen, warum wir dieses Gesetz seinerzeit gemacht haben und welche Auswirkungen es hat: Wir haben ein Tariftreuegesetz gemacht, um Kompetenz in der Verwaltung zu halten, um nicht nur wegen kleiner Lohnvorteile in irgendeiner Art und Weise Dinge outzusourcen und dann eben Kompetenz aus der Landesverwaltung wegzugeben. Das ist eine Riesendiskussion, die wir immer wieder führen. Gerade im Landesstraßenbau führen wir diese Diskussion, dass wir Schwierigkeiten haben, wieder fachkompetente Leute hineinzubekommen. Deswegen ist es wichtig, auf allen Ebenen und nicht nur auf dieser Ebene, natürlich auch Tariftreue einhalten zu können.

Wenn es um den vergaberechtlichen Mindestlohn geht, dann geht es sicherlich nicht mehr um viele Branchen, die dieser Mindestlohn noch betrifft. Das ist gar keine Frage. Hier geht es auch nicht um die Masse Mensch, sondern um den Menschen an sich und um die Frage, ob er etwas verdient hat oder nicht verdient hat. Wir reden darüber, dass wenn der vergaberechtliche Mindestlohn gesenkt wird, diese Personen circa 150 € monatlich weniger in der Tasche haben. Das ist für die Leute, die so wenig Geld verdienen, ein Haufen Geld. Das ist ein riesengroßer Haufen Kohle für diese Menschen. Ich finde, wir als Parlamentarier können uns auch einmal dafür einsetzen, dass die Leute diesen Lohn weiterhin erhalten.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist dann eben ein Unterschied beispielsweise zwischen dem SSW und der FDP, was diese Frage angeht. Ich glaube, das ist auch in Ordnung. Es wird aber vielfach argumentiert: Das macht alles so viel Bürokratie. - Das ist aber gar nicht so, weil die Auszahlung von 8,84 € oder 9,99 € für die Personalabteilung genau den gleichen Aufwand bedeutet. Das ist nicht die Frage. Die Frage ist, wodurch wir eigentlich mehr Bürokratie bekommen. - Wir bekommen mehr Bürokratie dadurch, dass Löhne gesenkt werden, weil die Leute entweder aufstocken und das beantragen müssen, oder sie müssen Wohngeld beantragen, oder sie müssen möglicherweise erhöhtes Kindergeld beantragen. All diese schönen Dinge müssen die Leute dann beim Sozialamt beantragen und versuchen, ihren Lohn für eine normale 38,5-Stunden-Woche aufgestockt zu bekommen. Das macht viel Arbeit und Bürokratie, und das ist der eigentliche Fehler. Wenn man den

(Lars Harms)

Lohn vernünftig zahlt, führt es dazu, dass wir in der Gesellschaft weniger Bürokratie haben. Das sollte unser Ziel sein.

(Beifall SSW und SPD)

Ein Drittes, lieber Kollege Kubicki, weil Sie schon so skeptisch gucken: Wer zahlt eigentlich den ganzen Spaß? - Jetzt, bei 9,99 €, ist es in relativ vielen Fällen so, dass die Leute ohne soziale Unterstützung auskommen können. Es ist nicht in allen Fällen so, insbesondere, wenn man Familie hat, kann man, wenn man Alleinverdiener ist, immer noch nicht davon leben. Die Zahl der Personen, die dann noch auf Sozialleistungen angewiesen sind, ist aber relativ überschaubar. In dem Moment aber, in dem wir den Mindestlohn senken, führt dies natürlich zu mehr Empfängern. Wer zahlt den Spaß? - Das zahlen die Menschen da draußen. Es ist nicht gerechtfertigt, dass wir die Unternehmen entlasten, obwohl sie eigentlich für einen vernünftigen Job vernünftig Geld bezahlen sollten. Sollen etwa die Leute da draußen auf der Straße dann für die Unternehmen bezahlen?

(Beifall SSW, SPD und vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf Wolf- gang Kubicki [FDP])

Deswegen, lieber Kollege Kubicki, muss man genau überlegen, in welcher Höhe man einen Mindestlohn ansetzt. Ich glaube, dass 9,99 € immer noch zu wenig ist.

(Zuruf Jörg Nobis [AfD])

Wir haben eine Berechnungsgrundlage geschaffen und gesagt: Was wir tarifarisch als Mindestsatz im öffentlichen Dienst bezahlen - und das ist der geringste Satz - wollen wir auch mindestens für Aufträge ausgeben, die wir nach außen vergeben.

(Zurufe Wolfgang Kubicki [FDP] und Chri- stopher Vogt [FDP])

Kollege Vogt hat schon gesagt: Wir wollen das mittelstandsfreundlichste Bundesland werden. - Wir brauchen es nicht erst werden, wir sind es schon, weil wir in der letzten Regierungskoalition Gesetzgebung geschaffen haben, die dazu geführt hat, dass mittelständische Unternehmen sich tatsächlich wieder an fairen Wettbewerben beteiligen können, keine Angst vor Lohndumping haben müssen und eine Chance am Markt haben, sich also gerecht mitbewerben zu können.

Ich glaube, dass dies gerade dazu beigetragen hat, dass unser Mittelstand gestärkt worden ist. Es ist nicht so, dass wir hier bei den Aufträgen im Mittel