Protokoll der Sitzung vom 20.09.2017

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Sind wir uns auch darin einig, dass dieses nicht geht, wenn der Wirtschaftsminister keine Mehrheit für eine Veränderung oder Abschaffung des Vergabemindestlohns bekommt?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Eigentlich nicht!)

- Wenn Sie erklären, dass Herr Buchholz in Ihrer Jamaika-Koalition eine Lame Duck ist - in Ordnung. Dann kann er reden, was er will, und wir wissen das in Zukunft entsprechend zu bewerten.

(Beifall SPD - Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir stellen fest: Egal, was er vorschlägt, es wird nicht kommen.

Für uns bleibt es jedenfalls beim Vergabemindestlohn wie beim Tariftreue- und Vergabegesetz dabei: Wir wollen bewährte Standards von Arbeitnehmerrechten nicht aufweichen. Für uns gilt: Wir wollen weiterhin in Schleswig-Holstein tariftreue Auftragsvergaben haben, um gegen Korruption, Lohndumping und die Ausbeutung von Minijobbern eine entsprechende Handhabe zu haben. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

(Christopher Vogt [FDP]: Endlich wird’s sachlich! - Heiterkeit)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde mich bemühen, in die Debatte mit sachli

chen Beiträgen einzugreifen, weil ich mich immer wieder wundere, welches Demokratieverständnis hier Sozialdemokraten gelegentlich von sich geben.

Frau von Kalben hat zu Recht darauf hingewiesen, dass Gesetze im Parlament gemacht werden. Selbstverständlich hatten wir in der Vergangenheit - und ich gehöre diesem Parlament seit nunmehr 25 Jahren an - häufiger Beiträge von Regierungsmitgliedern, die keine Zustimmung im Hohen Haus gefunden haben.

Ich erinnere mich daran, dass Herr Studt beispielsweise in der Innen- und Rechtspolitik gelegentlich Positionen vertreten hat, die nicht einmal von uns geteilt worden sind - was ja schon viel heißt -, von den Regierungsfraktionen aber auch nicht. Herr Meyer hat regelmäßig mit dem Kollegen Tietze über die Verkehrsfrage diskutiert. Manchmal war der Kollege Tietze davon überrascht, dass sein Redebeitrag von Herrn Meyer komplett abgeräumt worden ist.

(Zurufe)

- Darunter leidet er heute noch. - Wir leben in einer freien Gesellschaft, in der die freie Meinungsäußerung für alle gilt, auch für Regierungsmitglieder. Man darf nicht so tun, als seien Äußerungen von Regierungsmitgliedern immer gleich das, was das Parlament beschließt.

Wir haben einen Koalitionsvertrag. Im Gegensatz zu Sozialdemokraten, die sich das wahrscheinlich gar nicht vorstellen können, halten wir uns daran. Jeder von uns hat sich verpflichtet - das wird auch so sein -, dass das, was wir vereinbart haben, gegen den Willen eines Partners nicht verändert wird. Das ist die Grundlage einer vernünftigen Koalition. Auf dieser Basis arbeiten wir.

An der Scheindebatte, die hier geführt wird, stört mich einiges. Hier wird erklärt, alles, was unter 9,99 € liege, sei Lohndumping. Herr Kollege Baasch, bisher hat mir keiner erklärt, warum die Sozialdemokraten mit dem Landesmindestlohn von 9,18 € Lohndumping im Land zugestimmt haben.

Sie fordern von uns etwas, was die SPD im Bund nicht durchgesetzt hat. Wer stellt denn den Wirtschaftsminister im Bund? Die Macht des Kollegen Stegner, sechster stellvertretender Bundesvorsitzender, hätte doch ausreichen müssen, in Berlin dafür Sorge zu tragen, dass der Bundesmindestlohn auf 12 € angehoben wird.

Sie merken gar nicht - das werden Ihnen die Wählerinnen und Wähler Sonntag zeigen -, dass Sie Scheindebatten führen und damit Ihre eigene Poli

tik konterkarieren, dass Sie unglaubwürdig werden, indem Sie andere angreifen, um Ihre eigenen Versäumnisse zu kaschieren. Das ist der zentrale Punkt.

Wir haben hier mehrere Debatten. Ich habe mir nicht vorstellen können, dass die SPD im Land die Bundestagswahl bereits verloren gibt. Wenn wir alles machen sollen, was die SPD auf Bundesebene eigentlich machen könnte, wenn sie Regierungsverantwortung hat, dokumentieren Sie damit, dass Sie nicht daran glauben, dass Schulz Kanzler wird. Das glaube ich eh nicht. Eine Niederlage einzugestehen, bevor der Wahltag überhaupt da ist, ist die neue Form der Offenheit und Sachlichkeit der Sozialdemokratie.

Hören Sie damit auf, als Sozialdemokraten mit dem Finger auf andere zu zeigen! Gustav Heinemann hat einmal gesagt: Wer mit dem Finger auf andere zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich selbst. Das trifft Sie jetzt in besonderem Maße. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN - Unruhe)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin den Oppositionsfraktionen für diese Aktuelle Stunde außerordentlich dankbar, und zwar in mehrerlei Hinsicht. Erstens ist es eine Form der Ehrbezeugung dem Wirtschaftsminister gegenüber, auf eine bloße Äußerung hin eine solche Stunde anzusetzen und dadurch meinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Herzlichen Dank dafür.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Zweitens gibt es mir die Möglichkeit, Ihnen noch einmal die Position der Landesregierung in dieser Frage deutlich zu machen. Wir haben uns vorgenommen, das mittelstandsfreundlichste Bundesland zu werden, Kollege Harms, weil wir es nicht sind, weil überbordende Bürokratie Unternehmen im Land erstickt. 123.000 mittelständische Unternehmen leiden darunter und zeigen, dass wir da eine Menge zu tun haben, insbesondere beim Tariftreueund Vergabegesetz, das wir verändern werden, das wir von den vergabefremden Kriterien befreien werden, wie es im Koalitionsvertrag steht.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Gleichstellungs- quatsch!)

Wir werden überbordenden bürokratischen Normenkram in einem Landeskorruptionsgesetz beseitigen, und diese Landesregierung hat einvernehmlich vereinbart, auch bei der Frage der drei unterschiedlichen Mindestlöhne etwas verändern zu wollen.

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Was davon müssen wir jetzt ernst nehmen?)

Die Dokumentationspflichten beim Bundesmindestlohn wollen wir reduzieren. So steht es im Koalitionsvertrag, und so werden wir es in einer Bundesratsinitiative auf den Weg bringen.

Den Landesmindestlohn werden wir auslaufen lassen, einfädeln in die Höhe des Bundesmindestlohns. Über den vergaberechtlichen Mindestlohn haben wir in der Koalitionsvereinbarung nichts gesagt. Ich habe dazu eine Meinung, die habe ich kundgetan, aber klar ist: Diese Landesregierung macht natürlich nur, was die Parteien einvernehmlich miteinander beschließen.

Herr Stegner, ich sage ganz offen: Ich könnte ohne vergaberechtlichen Mindestlohn auskommen.

(Zurufe SPD)

- Herr Stegner, jetzt müssen Sie genau zuhören, jetzt geht die Kanone endgültig nach hinten los. Dass Sie meine Position quasi als Ende der sozialen Sicherheit oder als Neoliberalismus bezeichnen, ist ein Hammer. In Hamburg ist mit Beginn des Jahres nicht etwa nur der Landesmindestlohn abgeschafft worden, sondern der vergaberechtliche Mindestlohn ist auf der Höhe des Bundesmindestlohns eingefädelt worden.

(Zuruf FDP: Das ist ja empörend!)

Hamburg hat den vergaberechtlichen Mindestlohn de facto abgeschafft.

(Zurufe)

Es könnte ja sein, dass dies - um Gottes willen - nur Olaf Scholz, der eher Rechte bei den Sozialdemokraten, war.

(Dennys Bornhöft [FDP]: Neoliberaler!)

Herr Kollege Stegner, im sozialdemokratisch geführten Niedersachsen

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

hat Herr Weil genau das Gleiche gemacht. Ich konnte mich im ersten Augenblick gar nicht mehr

(Wolfgang Kubicki)

an den Namen erinnern. Bis zum 15. Oktober 2017 ist er ja noch der Leiter einer sozialdemokratischen Landesregierung, die genau das Gleiche gemacht hat, sie hat den Landesmindestlohn weggenommen und den vergaberechtlichen Mindestlohn auf der Ebene des Bundesmindestlohns eingefädelt.

(Lars Harms [SSW]: Gut, dass es hier den SSW gibt! - Heiterkeit und Beifall)

Herr Stegner, nun kommt die Krönung des Ganzen. Ihre alte Landesregierung hat das Tariftreue- und Vergabegesetz mit dem vergaberechtlichen Mindestlohn auf der Basis des Gesetzes von NordrheinWestfalen abgeschrieben. Und in Nordrhein-Westfalen hat man am 26. Januar 2017 den Landesmindestlohn abgeschafft und den vergaberechtlichen Mindestlohn auf der Höhe des Bundesmindestlohns festgelegt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Deswegen sind die auch abgewählt worden!)

Meine Damen und Herren, wir stellen Folgendes fest: Der neoliberale, kalte Wirtschaftsminister dieser Landesregierung befindet sich mit seinem Vorschlag in der Gesellschaft von Olaf Scholz, Herrn Weil aus Niedersachsen und der abgewählten Hannelore Kraft. - Eine solche Kälte bei der deutschen Sozialdemokratie habe ich mir nicht vorstellen können.

Lieber Herr Stegner, Sie haben heute ein weiteres Mal den Beweis dafür geliefert, dass ein Schuss, den man ansetzen wollte, gewaltig nach hinten losgegangen ist. Darin haben Sie und Ihr Kanzlerkandidat ja reichlich Erfahrung.