Besondere Sorge bereitet es mir, wenn diese Tendenzen in der Mitte der Gesellschaft auftauchen, vor allem, wenn in dieser Mitte Antisemitismus stillschweigend geduldet wird. Damit fängt es ja an, und dadurch droht in breiten Schichten der Gesellschaft, dass es schleichend wieder salonfähig wird. Das ist eine Entwicklung, die mir große Sorge macht und mit der wir uns viel intensiver beschäftigen müssen.
Es gab nach dem Terroranschlag von Halle aus meiner Sicht wieder merkwürdige Diskussionen darüber - der Bundesinnenminister hat diese auch geführt -, dass der Täter ja ein Gamer gewesen sei und das wie ein Spiel aufgezogen hat. Wir kennen diese Diskussion nach Amokläufen, die in Deutschland stattgefunden haben. Aber, meine Damen und Herren, ich halte solche Diskussionen für völlig unsinnig, weil sie vom Kern des Problems ablenken.
Das Problem war und ist doch nicht, dass dieser Mensch ein Gamer ist, sondern dass er ein Nazi ist. Das ist doch das Problem.
Wirklich schlimm fand ich die Äußerungen aus der AfD nach dem Terroranschlag. Die Scheinheiligkeit des geistigen Brandstifters Björn Höcke nach dem Anschlag war wirklich kaum zu ertragen. Genauso schlimm fand ich das Verhalten des Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner, der jetzt völlig zu Recht als Vorsitzender des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages abgewählt wurde - übrigens ein einmaliger Vorgang in der Parlamentsgeschichte Deutschlands. Aber das war ein völlig richtiger Vorgang; denn so ein Mensch darf in diesem Land eine solch wichtige Funktion, gerade im
Rechtsausschuss, nicht ausüben. Da muss man das klare Signal senden, und ich würde mich schämen, mit solchen Menschen in einer Partei zu sein.
Um es an diesem Tag noch einmal zu sagen: Wir sagen Ja zu jüdischem Leben in Schleswig-Holstein und unterstützen das, wie wir können. Es ist an uns, den staatstragenden Parteien und allen verantwortlichen Bürgern in diesem Land, klarer gegen Hetze aufzutreten, es nicht zuzulassen, dass sich das Fortschreiten der verbalen Entgleisungen irgendwie in die Gesellschaft, in die politische Debatte einschleicht und damit die Grenze des Sagbaren weiter verschoben wird. Wir müssen alle Vorbilder sein, Toleranz vorleben, Intoleranz konsequent begegnen, die politische Bildung und den Austausch in der Gesellschaft stärken, aber eben respektvoll und menschenwürdig. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Am 9. Oktober 2019 hat ein mutmaßlich rechtsradikaler Täter versucht, in die Synagoge einzudringen. Wäre es ihm gelungen, wäre es zu einem Blutbad gekommen; denn drinnen feierte die Gemeinde das Jom-KippurFest. Nur den eigenen Sicherheitsvorkehrungen der Gemeinde ist es zu verdanken, dass das Gott sei Dank verhindert werden konnte. Dass der Täter anschließend wahllos zwei vollkommen unbeteiligte Passanten erschossen hat, zeigt seine ganze Menschenverachtung.
Wenige Tage vorher, am 4. Oktober, hat ein mutmaßlicher Syrer in Berlin den Zaun der neuen Synagoge überwunden und stürmte mit Messern bewaffnet und „Allahu akbar“ rufend auf einen Objektschützer zu, der ihn gestoppt hat.
Zweifelsfrei geschahen beide Anschläge aus ein und demselben Motiv: aus Judenhass. Aus demselben Grund spielen sich in Deutschland wieder Szenen ab, die lange unvorstellbar waren. Juden werden öffentlich unverhohlen beleidigt oder körperlich angegriffen. Jüdische Kinder werden an Schu
len drangsaliert. Eine Israelfahne wird unter Gegröle öffentlich verbrannt. Meine Damen und Herren, sicher sind wir uns darin einig, dass diese Zustände mehr nach sich ziehen müssen als nur Bestürzung.
Der ursprünglich von Jamaika eingebrachte Antrag wäre hierzu eine Gelegenheit gewesen. Leider geht er uns nicht tief genug. So sprechen Sie davon, dass in Bezug auf die Schutzmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen weiterhin ein regelmäßiger Austausch gepflegt werden soll, aber gerade vor dem Hintergrund, dass es in Halle und Berlin allein den gemeindeeigenen Schutzmaßnahmen zu verdanken war, dass nicht noch mehr Unheil geschehen ist, wird das nicht reichen.
Die Beratung der Innenminister über bundesweit einheitliche Schutzmaßnahmen vom 18. Oktober war da schon weiter. Die dort erzielten Ergebnisse sollten der Mindeststandard sein.
Sie sprechen von der Stärkung der Erinnerungskultur. Meine Damen und Herren, so unerlässlich das Gedenken an die Schoah ist, das deutsche Judentum ist nicht gleich Schoah, sondern viel mehr. Juden sind durch Jahrhunderte elementarer Teil unseres Geistes und unserer Kulturgeschichte. Auf Heine, Bartholdy und auch Albert Einstein möchte ich nicht verzichten. Beim Erinnern sollte es also immer auch um die gesamte deutsch-jüdische Historie gehen. Und noch mehr: Es gibt ja Gott sei Dank heute wieder ein reiches jüdisches Leben, und ich wünsche mir, dass das für alle sichtbarer und präsenter wird.
Um die Begegnung mit dem heutigen Judentum geht es auch in meinem nächsten Punkt. Der Austausch zwischen Jugendlichen aus Schleswig-Holstein und Israel sollte unbedingt ausgebaut werden, und das müssen wir uns auch etwas kosten lassen, etwa ganz konkret für Schulpartnerschaften.
Austausch, das ist immer der erste Schritt zur Freundschaft, und ohne Austausch wird man sich eben fremd. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Wer es mit der Bekämpfung von Antisemitismus wirklich ernst meint, darf sich nicht allein für den Schutz jüdischen Lebens hierzulande einsetzen, sondern muss auch dafür eintreten, dass sich Juden in Israel sicher fühlen können.
Das eine ist untrennbar mit dem anderen verbunden und zieht auch nach sich, dass wir es nicht mehr hinnehmen dürfen, wenn sich Repräsentanten der Bundesrepublik einer Doppelmoral hingeben, wenn
sie zur Kranzniederlegung zum Grab von Jassir Arafat reisen, dem Mann, der für den Tod von Tausenden Juden und auch Palästinensern verantwortlich ist, oder wenn sie sich mit Herrn Laridschani treffen, der Israel einen „dunklen Flecken“ nennt, der unbedingt vertilgt werden müsse. Es ist ein Skandal, Staaten zu kondolieren, deren Staatsdoktrin die Vernichtung Israels ist.
Es ist ebenfalls ein Skandal, dass im Bundestag der Antrag der AfD, die Hisbollah zu verbieten, systematisch blockiert wird.
Was in jüdischen Mitbürgern angesichts derartiger Meldungen vor sich gehen muss, können wir uns kaum vorstellen. Aber was in denjenigen vor sich geht, die aus unterschiedlichen Gründen ohnehin antisemitistisches Gedankengut pflegen, ahnen wir.
Das Stichwort unterschiedliche Gründe bringt mich zu meinem letzten Punkt: Zwischen islamistischem, völkisch-rechtsradikalem und linksradikalem Antisemitismus muss künftig klarer unterschieden werden, wenn wirklich effizient vorgegangen werden soll. Dabei geht es nicht darum, Antisemitismus hin- oder herzuwenden, oder darum, irgendetwas aufzurechnen, sondern es geht darum, nicht die Symptome, sondern die Ursachen von Judenhass anzugehen.
Meine Damen und Herren, ich kenne nicht wenige Juden persönlich, viele davon mit Fluchthintergrund, etwa aus dem Iran oder Usbekistan. Sie alle betonen, dass sie sich in Deutschland noch sicher fühlen und dass sie Deutschland lieben. Dass sich dies ändern könnte, müssen wir um jeden Preis verhindern. Wir brauchen Schutz, Erinnerung, Austausch, wir brauchen aber auch das Vorbild der großen Politik, und wir brauchen den Mut, die Hintergründe von Judenfeindlichkeit zu benennen.
Nur so kann der Sumpf von Antisemitismus endlich in all seinen Spielarten trockengelegt werden. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! So wie der Kern des SSW die Minderheitenpolitik ist, ist der Kern der AfD der Täuschungsversuch, vielleicht sogar der Selbstbetrug.
Meine Herren, niemand glaubt Ihnen die Anteilnahme. Sie bekennen sich in erster Linie dann zum Judentum, wenn Sie gegen den Islam aufwiegeln können, wenn Sie ein „Wir“ und ein „Die“ schaffen wollen.
Sie arbeiten hier im Landtag so stark an Ihrem bürgerlichen Anstrich, reden mehrheitlich mit sanfter Stimme und leise. Ihr ausfallender Fraktionsvorsitzender ist davon natürlich ausgenommen. Aber, meine Herren, Ihr Rechtsextremismus liegt nicht in Ihrem Auftreten. Er liegt in Ihren Inhalten. Es widerstrebt mir, die Auswürfe Ihrer Partei zu wiederholen. In Ihrem Grundsatzprogramm fordern Sie, weniger an den Nationalsozialismus zu erinnern. Ihre hochrangigen Vertreter brechen in regelmäßigen Abständen Tabus.
Im dritten Punkt Ihres Antrags meinen Sie, die Wurzeln des Antisemitismus in verschiedenen Ideologien oder politischen Einstellungen zu finden, allerdings auch im völkisch-rechtsradikalen. Ich frage mich dann schon, ob Ihnen bisher entgangen ist, dass Ihre Partei einen mächtigen völkisch-nationalistischen Flügel hat. Ihre Landesmitglieder haben Frau von Sayn-Wittgenstein erneut zur Vorsitzenden gewählt, nachdem sie klipp und klar gesagt hat, sie wolle einen „Kampf für mein Volk, seine angestammte Kultur und seine Bräuche - kurz, für unsere Identität“ führen, was auch immer das sein soll, und für „das Recht auf Selbstbestimmung als deutsches Volk“ kämpfen. Man könnte Abhandlungen darüber schreiben, wie viel rechtsradikale Verschwörungstheorie da enthalten ist, aber ich habe Ihnen damit auch schon viel zu viel Zeit gewidmet.
Der Anschlag auf die Synagoge in Halle hat uns getroffen. Menschen sind willkürlich ausgewählt, schwer verletzt und getötet worden. Die „Deutsche Welle“ hat einen sehr einfühlsamen Artikel über die Opfer des Anschlags veröffentlicht: über Jana L., die als fröhlicher Mensch beschrieben wird, Schla
gerfan, voller Lebensfreude, über Kevin S., glühender Fan des Fußball-Drittligisten Hallescher FC und erst 20 Jahre alt. Sie starben am 9. Oktober 2019.
Das Ehepaar Jens und Dagmar Z. überlebte die Schüsse des Täters schwer verletzt, als sie sich weigerten, ihm ihr Auto zu überlassen. Das Attentat in Halle war der Versuch eines Massenmordes. Er wurde nur verhindert, weil die Tür der Synagoge einem Sprengsatz standhielt.
Dieser Anschlag ist nun einen Monat her. Wir gedenken der Opfer, und wir sprechen den Angehörigen der Opfer unser Beileid aus. Wir stehen an der Seite unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Um das zu tun, müssen wir darüber sprechen, welche Konsequenzen wir aus dieser Tat ziehen. Was die Berichterstattung zu dem Anschlag bitter vereint hat, war, dass die jüdischen Gemeinden sich nicht überrascht gezeigt hatten. Jüdische Menschen warnen seit Jahren davor, dass Antisemitismus wieder salonfähig geworden ist oder nie weg war. Sie sind Bedrohungen gewohnt, sie sind polizeiliche Schutzmaßnahmen gewohnt. Juden verlassen Deutschland aufgrund des wachsenden Antisemitismus. Wir müssen verstehen, dass wir schon längst da sind, wo wir nicht wieder hinwollten, dass es nicht reicht, bestürzt zu sein, sondern dass wir mit viel Anstrengung dagegen arbeiten müssen.