Protokoll der Sitzung vom 11.12.2019

Für eine stärkere internationale Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung sind erstens eine Mindeststeuer, um die schlimmsten Steuerumgehungen zu verhindern, zweitens eine Digitalsteuer und drittens eine bessere Bekämpfung der Steuerhinterziehung wichtig.

Ein großer Schritt auf dem Weg zu dieser weltweiten, fairen Konzernbesteuerung ist der Beschluss der G-20-Finanzminister vom Juni 2019. Bis Anfang 2020, also in wenigen Wochen, wollen sich die Staaten auf die Grundelemente einer effektiven Mindestbesteuerung verständigen. Das ist ein ambitionierter Arbeitsplan, aber so weit waren die noch nie. Die globale Steuerrevolution hat begonnen, so titelte schon ängstlich das Online-Magazin „Makronom“. Wer gestern Berichte aus der Schweiz gehört hat, wird vielleicht mitbekommen haben, dass man dort große Sorge vor Haushaltsmindereinnahmen hat, denn die weltweite Mindestbesteuerung würde sich zum Beispiel in der Schweiz sehr deutlich bemerkbar machen.

Das Konzept der weltweiten Mindestbesteuerung geht auf die Initiative von Bundesfinanzminister Olaf Scholz zurück. Dabei soll zwar keinem Staat vorgeschrieben werden, wie hoch er seine Unternehmen besteuert, aber die Staaten sollen das Recht erhalten, Gewinne eines Unternehmens, die in ihrem Land erwirtschaftet werden, mit der Differenz zum vereinbarten Mindeststeuersatz nachzuversteuern. Diese Mindestbesteuerung verhindert somit, dass sich grenzüberschreitend tätige Konzerne einer fairen Steuerzahlung durch Gewinnverschiebungen in Niedrigsteuerländer entziehen können.

Diese Initiative ergänzt die auf Empfehlung der OECD bereits umgesetzten Maßnahmen gegen

missbräuchliche Gewinnverlagerungen und Gewinnkürzungen, zu denen unter anderem das Country-by-Country-Reporting über die von den Konzernen in den einzelnen Ländern gezahlten Steuern gehört.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen, das ist ein Thema für die Feinschmecker und für den Finanzausschuss. Ich würde gern im Ausschuss noch weiter darüber sprechen, wie wir den Antrag gemeinsam auf den Weg bringen können, und beantrage deshalb Überweisung. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne den CDU-Kreisverband Steinburg und Enrichment-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer des Landtags.

(Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Lasse Petersdotter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Die wertvollsten Unternehmen unserer Zeit sind Digitalunternehmen, und die Unternehmen, die auf die wertvollste und wachstumsstärkste Ressource setzen, sind die Unternehmen, die mit unseren Daten handeln. Letzten Endes kommt auch daher das Bild von den Daten als dem neuen Öl. Das ist die Metapher, die für unterschiedliche Digitalisierungsdebatten genutzt wird. Es gibt Kritik an dieser Metapher dahin gehend, ob sie überall so stimmt, aber es gibt auch viel Unterstützung. Ich erinnere nur an den Datenschutz und den Umweltschutz. Wir kennen das.

Genau weil das das neue Öl ist und weil die Wertschöpfung unserer Zeit vornehmlich durch datenbasierte Unternehmen stattfindet und weil kaum etwas so lukrativ ist, wie auf Daten zu setzen, gehört das einfach besteuert. Dass das Teil einer Debatte ist, ist im Jahr 2019 schon etwas fragwürdig.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht vermittelbar, warum die herkömmliche Wirtschaft in Europa mehr als doppelt so viel Steuern zahlen muss als digital betriebene Unternehmen. Da muss man auch sagen: Das aktuelle Modell ist ja, dass Irland ein bisschen bekommt und al

le anderen im Prinzip gar nichts bekommen. Das ist ein Modell, das auf jeden Fall dann nicht mehr greift, wenn sich die Zeit so geändert hat, wie das jetzt der Fall ist und Digitalisierung eben kein kurzes Innovationsprojekt ist, sondern schlichtweg die Struktur unseres Zusammenlebens grundlegend verändert hat. Genau deswegen muss Schluss sein mit dem alten Modell, bei dem Irland kleine Profite einstreichen kann und alle anderen am Ende des Tages leer ausgehen. Es braucht eine faire Besteuerung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Nach einem kompletten Vormittag und einem halben Nachmittag Haushaltspolitik ist es jetzt ein bisschen schwer, das nächste finanzpolitische Thema anzusprechen. Aber es gehört eben untrennbar zusammen, wenn wir darüber sprechen, welche Gelder wir wofür ausgeben wollen. Wir haben gerade etwa fünf Stunden lang diskutiert und darüber abgestimmt, wie wir Steuergelder ausgeben möchten. Wenn wir dies tun, können wir nicht immer nur über die Ausgabeseite sprechen, sondern wir müssen eben auch über die Einnahmeseite sprechen.

(Beifall Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und SPD - Zuruf SPD: Das ma- chen wir morgen auch noch mal!)

- Das machen wir morgen noch einmal. - Es spielt eben auch eine Rolle, wer auf der Einnahmeseite einzahlt. Das sind auf der einen Seite die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die ihr Einkommen versteuern müssen. Das sind die mittelständischen Unternehmen hier in Schleswig-Holstein. Das ist die regionale Wirtschaft in Schleswig-Holstein und deutschlandweit. Es sind aber eben nicht die großen Unternehmen, mit denen wir alltäglich zu tun haben. Es ist nicht Google, es ist nicht Apple, es ist nicht Amazon, und es sind auch nicht all die anderen, die mit unseren Daten Geld verdienen. Diese Firmen verdienen Geld, das dazu beitragen könnte, dass wir Kitas unterstützen und dass wir Krankenhäuser unterstützen. Wenn es aber darum geht, ihren Beitrag dafür zu leisten, ziehen sich diese Unternehmen gänzlich aus der Verantwortung.

Deswegen ist es immer auch eine Frage, inwiefern sich ein Staat gegen Digitalisierung und gegen große Digitalunternehmen behauptet. Damit wir insoweit ein glaubwürdiger Verhandlungspartner auch auf anderen Ebenen, wie beim Datenschutz und bei der Regulation, sind, müssen wir diese Branche schlichtweg besteuern, um so klarzumachen: Wir sind nicht nur ein Nutznießer dieser Digitalisierung, sondern wir sind jemand, der auch mitgestaltet.

(Beate Raudies)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

In den anderen Politikfeldern, auch bei der Wirtschaftspolitik, bei der Innen- und Rechtspolitik darf eben auch die Steuer- und Finanzpolitik nicht wie die Maus vor der Schlange sitzen, wenn wir große Unternehmen betrachten, sondern wir müssen hier souverän und selbstbewusst in die Verhandlungen gehen.

Darum muss es auch darum gehen, sich nicht erpressen zu lassen. Wenn wir uns am Wochenende die Nachrichten der letzten Tage angucken und lesen, dass Trump im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel und anderen Treffen Macron damit bedroht, Käse und Champagner zu bezollen, sollte eine Digitalsteuer auch weiterhin fortgeführt werden, dann ist das schon reichlich absurd. Man hat das Gefühl, dass Trump davon hört, Frankreich will seine heimischen Unternehmen besteuern, und man reagiert damit, dass man das erste besteuert, das man mit dem Land verbindet, nämlich Käse und Champagner. Ich weiß gar nicht, ob es die Menschen, die Käse und Champagner konsumieren, dann, wenn Zoll auf Champagner erhoben wird, dazu bringen wird, künftig auf den Champagner zu verzichten und anderen Schaumwein zu konsumieren. Insofern muss man aufpassen, dass man sich nicht erpressen lässt, sondern selbstbewusst und souverän gegenüber anderen Staaten auftritt.

Das Absurde in der Debatte ist ja, dass der Steuerwettbewerb nicht in der Situation ist, zu sagen: „Wir erheben keine Steuern mehr“. Das halte ich schon für eine Selbstaufgabe an Gestaltung für einen Staat, der sagt: „Ich besteuere nur noch meine Bevölkerung, aber nicht mehr die Unternehmen, die in meinem Land unterwegs sind“. Im Steuerwettbewerb ist man absurderweise mittlerweile so weit, dass man nicht mehr nur selber nicht besteuert, sondern auch noch anderen verbieten will, etwas zu besteuern. Ich frage mich, wo das eigentlich enden soll, wie Staaten am Ende dann noch vernünftig zusammenleben wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU)

Genau diesen Trend wollen wir mit der digitalen Betriebsstätte durchbrechen. Wir wollen dort ansetzen, wo der Wert entsteht. Das ist international, aber eben auch in Deutschland ein bewährtes Prinzip, an dem wir uns orientieren möchten.

In diesem Sinne: keine Angst vor großen Unternehmen! Auf, auf!

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Stephan Holowaty.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist nicht unmoralisch, wenn ein Digitalunternehmen heute in Irland oder in Zypern seine Erträge, seine Gewinne versteuert. Es ist erlaubt. So ist unsere heutige Steuergesetzgebung. Es ist nur die Anwendung dessen, was wir Politiker, auf welcher Ebene auch immer, an Steuergesetzgebung beschlossen haben.

Aber es versteht doch kein Malermeister, kein Buchhändler vor Ort, kein normaler Arbeitnehmer, warum er selber mit Spitzensteuersatz und Solidaritätszuschlag belastet wird, während Digitalunternehmen absolut gesetzestreu mit Ministeuersätzen in Irland oder Zypern viel günstiger fahren als er selber in der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall FDP)

Die digitale Welt ist auch steuerlich eine neue Welt. Das Steuerrecht hat das bisher noch nicht wirklich begriffen. Deshalb ist es auch so fundamental wichtig, dass wir über dieses Thema reden und dass wir auch die digitalen Unternehmen vernünftig in unser normales Steuersystem einbinden. Wir brauchen ein Steuerrecht, dass zur digitalen Welt passt.

(Beifall FDP und CDU)

Wenn wir das nicht hinkriegen, brauchen wir uns auch nicht wundern, wenn sich Digitalunternehmen an die Gesetze halten, die wir gemacht haben. Wir haben hier viel über die digitale Geschäftsstätte und über die Wertschöpfung gesprochen. Wenn Sie sich an Ihren Computer setzen und dort einmal auf der Website von Google als Suchbegriff „einfaches Steuersystem“ eingeben, was meinen Sie, was dann passiert? Wo wird eigentlich die Leistung erbracht? Wird die Leistung auf Ihrem Bildschirm erbracht, wo das Ergebnis kommt? Wird die Leistung im Rechenzentrum auf dem Server von Google in Belgien erbracht, der die Suche durchführt? Oder wird die Leistung in einem Labor im Silicon Valley erbracht, wo das eigentliche Produkt der Suche entwickelt wird?

Sie sehen, es macht nicht wirklich viel Sinn, von einem statischen Begriff auszugehen. Es ist nicht sehr einfach festzustellen, wo die Leistung tatsächlich

(Lasse Petersdotter)

erbracht wird. Genau deshalb ist nur eine internationale Lösung, im Zweifel auf der Ebene der OECD, auch wirklich sinnvoll.

(Beifall FDP)

Ich glaube, wir ahnen aber auch alle, dass die Interessen der Länder extrem unterschiedlich sind. Wir wollen normalerweise die Unternehmensteuern am Gewinn orientieren; sonst besteuern wir Substanz, sonst besteuern wir Ideen, sonst vernichten wir Arbeitsplätze und aufstrebende Unternehmen.

Facebook, Google, Amazon - Sie alle wissen das sind Unternehmen, bei denen man sich lange Zeit gefragt hat, wovon die eigentlich leben. Sie haben jahrelang horrende Verluste eingefahren. Inzwischen sind diese Unternehmen jedoch hochprofitabel.

Wo fallen die Gewinne an? Wie vermeiden wir Doppelbesteuerung? Wie verständigen wir uns international über die Gewinnzurechnung? Das sind nur einige Stichworte, die nicht einfach zu erklären sind.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Auch das ist nicht ganz einfach. Seien Sie bitte nicht blauäugig, wenn wir über Wertschöpfungsthemen reden.

(Beate Raudies [SPD]: Ich bin gar nicht blau- äugig in der Frage!)

- Sie fühlen sich immer angesprochen, wenn ich sage „Sie“ und in die Runde gucke. Dabei meine ich Sie gerade nicht, Frau Raudies.

Aber seien wir bitte in dieser Diskussion nicht blauäugig. Wenn wir über Wertschöpfung in der Digitalisierung sprechen, dann könnte auch ein Land wie China auf die Idee kommen, dass die Wertschöpfung von VW eigentlich auf den Straßen in China stattfindet, auf denen das Auto gefahren wird, nicht jedoch in Wolfsburg, wo das Auto gebaut oder konstruiert wird. Es ist also durchaus nicht ganz einfach, Dienste und Produkte am Ort der Nutzung zu besteuern.

Auch die Amerikaner werden selbstverständlich aufgrund ihrer Situation eine Digitalsteuer, wie sie an einigen Stellen angedacht wird, als Importzoll betrachten. Klar, ihnen gehen selber dabei möglicherweise auch Ressourcen verloren.

Worüber reden wir? Das ifo Institut hat auf Basis der von der EU-Kommission im letzten Jahr vorgeschlagenen Digitalsteuer für den europäischen Raum ein Volumen von 3 Milliarden € bis 4 Milli

arden € ermittelt. Allein im Jahre 2018 - dies zum Vergleich - gab es in Deutschland eine Gesamtsumme von 776 Milliarden € Steuereinnahmen. Dies nur, um die Dimension, über die gerade gesprochen wird, ein wenig in die richtige Ecke zu stellen.