Protokoll der Sitzung vom 22.01.2020

Ich bedanke mich noch einmal ganz herzlich für diesen Bericht. Wir werden sicherlich in den Ausschüssen weiter darüber sprechen.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Für den Arbeits- und Gesundheitsschutz ihrer Beschäftigten sind in erster Linie die Unternehmen zuständig und auch verantwortlich. Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind wichtige Voraussetzungen für die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Sie sind damit ein Wirtschaftsfaktor und ein Garant für Wettbewerbsfähigkeit. Die Schaffung und Überwachung gesundheitsförderlicher Arbeitsbedingungen ist aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deren Bedeutung wir nicht hoch genug einschätzen können, denn negative Folgen spüren wir alle, und wir alle tragen die Lasten dann auch mit.

Schleswig-Holstein setzt sich unter anderem zusammen mit anderen Ländern, dem Bund und den Unfallversicherungsträgern im Rahmen der gemeinsamen deutschen Arbeitsschutzstrategie dafür ein, dass Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz nachhaltig gestärkt werden. Dies sind die positiven Aspekte, die sich aus der Antwort der Landesregierung ergeben. Auch ich möchte an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank für die ausführliche Beantwortung dieser Großen Anfrage aussprechen.

Wie sich aus dieser Antwort allerdings auch ergibt, gibt es bei der Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zum Gesundheits- und Arbeitsschutz in SchleswigHolstein eine Vielzahl von Defiziten. Eines davon ist ein alt bekanntes, das klang hier bereits an. Es ist das Vollzugsdefizit. Dem Staat mangelt es schlicht an Personal zur Umsetzung der staatlichen Arbeitsschutzaufgaben. Das Land steht hier im Wettbewerb um Experten für Arbeitsschutz, beispielsweise gut ausgebildeten Ingenieuren, nicht nur in Konkurrenz zur freien Wirtschaft, sondern auch zu anderen Bundesländern.

Wie sich aus der Antwort ergibt, kann das Land bei der Vergütung mit der freien Wirtschaft, aber auch mit der anderer Bundesländer nicht mithalten. Freie Stellen bleiben unbesetzt, Aufgaben können nicht wahrgenommen werden. Es sind jährlich etwa 11.000 Anfragen, Anzeigen und Mängelmeldungen sowie 2.750 Unfallmeldungen, die nicht hinreichend abgearbeitet werden können, weil das Personal dafür zu knapp ist. Die tarifliche Eingruppierung der ausgeschriebenen Stellen bedarf einer

(Dennys Bornhöft)

Neubewertung und einer Anhebung, meine Damen und Herren. Dann kann es gelingen, das erforderliche Personal für diesen Bereich auch zu bekommen.

Aus der Antwort der Landesregierung ist zudem anschaulich, dass zu bestehenden Problemen neue hinzutreten. So stehen zum Beispiel Muskel- und Skelettschäden bei Arbeitnehmern nach wie vor mit an der Spitze der Erkrankungen. Hinzu kommen jetzt psychische Erkrankungen, die eine immer größer werdende Rolle spielen. In der Bauwirtschaft spielen Erkrankungen durch Schadstoffe und Lärm nach wie vor eine große Rolle. Neu hinzugekommen sind jetzt Erkrankungen etwa durch UV-Strahlungen, die vermehrt zum Auftreten von Hautkrebs führen. Die Krebsprävention am Arbeitsplatz ist auch einer der drei selbst gewählten Schwerpunkte der staatlichen Arbeitsschutzbehörde. Daneben wurde ein besonderer Schwerpunkt auf die Explosionsgefahr bei Biogasanlagen gelegt, und die Arbeitsbedingungen bei der Fleischwirtschaft wurden besonders in den Fokus genommen. Wir hörten das bereits.

Aus der Antwort der Landesregierung ergibt sich, dass es immer mehr Beschäftigungsverhältnisse gibt, die nicht in den Anwendungsbereich der Arbeits- und Gesundheitsschutzgesetze fallen oder bei denen die Überwachung von Arbeitsschutzbestimmungen nur sehr schwer möglich ist. Wir reden mal wieder über Subunternehmer oder Subsubunternehmer oder schlicht die zunehmende Anzahl der Beschäftigten, die auf der Basis von Werkverträgen tätig sind. Hier ist es mal wieder die Fleischwirtschaft, die zu nennen ist: 20 % Stammbelegschaft stehen 80 % Inhaber von Werkverträgen und Leiharbeiter bei den Branchenriesen gegenüber. Das ist keine Seltenheit.

Vergleichbare Missstände sind aber auch in anderen Branchen zu finden, bei Hotelbetrieben, Gebäudereinigung, Vergnügungsparks, Bauunternehmen, Paket- und Kurierdiensten oder auch Speditionen. Eine Feststellung der Landesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage zu diesem Thema teilen auch wir: Bestehende gesetzliche Lücken müssen identifiziert und geschlossen werden. Die Beschäftigten in diesen Branchen dürfen nicht länger alleingelassen werden. Gesetze wie das Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft, das GSA Fleisch, und andere vergleichbare Regelungen wie die Nachunternehmerhaftung im Baugewerbe oder die neu eingeführte Nachunternehmerhaftung für die Kurier-, Express- und Paketbranche müssen nachgebessert werden, und es muss

nachgeschärft werden, wo diese Lücken erkennbar sind.

Meine Damen und Herren, gesetzliche Vorschriften müssen kontrolliert und durchgesetzt werden. Das Vollzugsdefizit muss hier behoben werden. Sonst kommen wir da nicht ran. Sonst werden wir die Kontrolldichte nicht erhöhen können. Eine gegenwärtig bestehende Kontrolldichte von nicht einmal 2 % ist definitiv nicht ausreichend. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Vorab einen herzlichen Dank für die guten und umfassenden Fragen. Die Kontrolle von Strukturen ist schließlich eine der vornehmsten Aufgaben der Opposition; vor allem, wenn sie dabei so manches Defizit im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zutage fördern. Selbstverständlich von meiner Seite auch ein Dank an die Mitarbeiter im Ministerium für die sehr ausführliche Beantwortung.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Mir war vorab nicht bewusst, dass 76 Vollzeitäquivalente über 79.000 Betriebsstätten in SchleswigHolstein kontrollieren sollen. Ich wusste auch nicht, dass nur drei Standorte dafür zuständig sind - übrigens kein einziger im Landesteil Schleswig. Das beinhaltet, dass die Fahrten einen unheimlichen Aufwand mit sich bringen. Das ist bestimmt nicht unerheblich.

Tatsächlich wurden 1.389 Betriebsstätten besucht, was über den Daumen gepeilt nicht einmal 2 % aller Betriebsstätten im Land ausmacht. Bei 98 % der Betriebe würden Verstöße also gar nicht auffallen. Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass in diesen Betrieben schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, ganz und gar nicht, aber das bedeutet eben auch nicht, dass alle gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.

Die Antworten zeigen also: Die Kontrolle aller Vorschriften erfolgt nicht flächendeckend. Das müssen die Beschäftigten dann zum Teil mit ihrer Gesundheit bezahlen. Eigentlich sollte kein Beschäftigter

(Claus Schaffer)

durch die Arbeit an einer Maschine schwerhörig werden, kein einziger.

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Dr. Frank Brodehl [AfD])

Gehörschutz- und Schallschutzmaßnahmen sollten heute technischer Standard sein. Zwischen 2013 und 2017 wurde aber 1.123-mal die Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit anerkannt. Das ist ein unglaublicher Missstand; denn Schwerhörigkeit kommt nicht kurzfristig zustande, sondern ist das Ergebnis jahrelanger Verletzung gesetzlicher Vorschriften beziehungsweise unzureichender Kontrolle.

Neben den gesetzlichen Aufgaben gibt es aber auch Bereiche, die gesetzliche Lücken aufweisen. Konkret nennt der Sozialminister in diesem Zusammenhang die zunehmende Verbreitung von Werksverträgen mit Subsubunternehmen. Dort erkennt die staatliche Arbeitsschutzbehörde zwar Missstände; zu deren Beseitigung fehlt aber die gesetzliche Handhabe. Das betrifft vor allem die Schlachthöfe. Die Unterbringung der Beschäftigten aus Polen, Rumänien und Bulgarien war bei allen Großschlachtereien in Schleswig-Holstein skandalös. Die Arbeiter wohnen in großen Wohngemeinschaften ohne Privatsphäre oder Mindeststandards für Bad und WC. So lobenswert die Bemühungen der Landesregierung in diesem Bereich auch sind - ich möchte mich ausdrücklich bei dem Minister für seinen Einsatz bedanken -,

(Beifall SSW und SPD)

haben wir aber noch einen langen Weg vor uns.

Bislang wurde noch kein einziger Verantwortlicher für Mietwucher zur Rechenschaft gezogen, weil es keine gesetzliche Handhabe gibt. Die unhaltbaren Zustände sind hier inzwischen durch andere Schlagzeilen ein wenig ins Hintertreffen geraten. Aber die Antwort auf die Große Anfrage bringt noch einmal die bisherige Hilflosigkeit des Staates gegenüber skrupellosen Unternehmen auf den Punkt.

Auf dem Bau haben die Zustände dazu geführt, dass die Staatliche Arbeitsschutzbehörde wieder selbst die Kontrolle durchführt und diese nicht allein der Berufsgenossenschaft überlässt. Ein ähnlicher Systemwechsel oder alternative Maßnahmen sind allerdings in den Schlachthöfen noch nicht zu erkennen. Hier besteht erheblicher Handlungsbedarf. Ich erwarte einen Einsatz, damit sich die Wohnungssituation der Schlachthofmitarbeiter spürbar verbessert.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Da reichen dann eben keine Teilnahme nur an Arbeitsgruppen oder die Verteilung von Flugblättern, sondern hier müssen der Arbeitsschutz und der Gesundheitsschutz noch eine Schippe drauflegen.

Gerade dort, wo Gewerkschaften und Berufsgenossenschaften nicht zum Zuge kommen, ist die Arbeitsschutzbehörde oftmals die einzige wirksame Kontrolle und dementsprechend von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Beschäftigten. Ihre Kapazitäten sollten dementsprechend ausgebaut werden. Leider ist dies aber noch nicht der Fall. - Jo tak.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Birte Pauls.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch auf die Gefahr, dass ich mich jetzt hier kurz vor der Mittagspause ein bisschen unbeliebt mache,

(Zuruf: In der Tat! - Heiterkeit)

möchte ich gerne noch auf ein Thema hinweisen.

Ich muss gestehen: Ich bin bass erstaunt, ich bin eigentlich ein bisschen schockiert darüber, dass der Minister heute, während gestern Tarifverhandlungen gescheitert sind, über die Bedingungen für das Pflegepersonal im UKSH kein einziges Wort verloren hat. Ich finde das, gelinde gesagt, ignorant und nicht angemessen. - Das ist die aktuelle Situation.

Wenn ich mir dann die Antworten auf die Fragen angucke, zum Beispiel auf die Frage 68 zum UKSH, dann scheint dort ja alles gut zu sein. Da frage ich mich: Warum wird denn da überhaupt gestreikt? Aktuell geht es dieses Mal doch auch gar nicht um Geld. Die einzige Forderung, die das dortige Personal hat, ist die Forderung nach Entlastung. Das ist zu Recht die Forderung des Personals.

Wir haben die Situation, dass sich auch im UKSH die Arbeit zunehmend verdichtet. Auch durch die räumliche Veränderung haben sich Schwierigkeiten ergeben. Schrittzähler haben ergeben, dass in einer Schicht bis zu 13.000 Schritte gelaufen werden. Und was geht aus der Antwort hierzu hervor? - Daraus geht hervor, dass es wenig bis gar keinen Handlungsbedarf gebe. Ganz ehrlich: Das passt überhaupt nicht zu der Situation, die die Pflegekräf

(Flemming Meyer)

te im UKSH im Augenblick erleben; insoweit nehme ich auch die Mediziner gern dazu.

Es wäre schön, die Kleine Anfrage mit Blick auf die aktuelle Situation zu aktualisieren.

Den Kolleginnen und Kollegen im UKSH wünsche ich nicht für den Streik, sondern für die Tarifverhandlungen alles Gute. Ich wünschte mir auch, dass der Minister dies ein bisschen mehr unterstützt. Die Vertreter des UKSH fordere ich natürlich dazu auf, auf die Pflegenden zuzugehen. - Danke schön.

(Beifall SPD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Werner Kalinka.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Solch eine Polemik kann hier nicht unwidersprochen bleiben.

(Beifall CDU und FDP)

Ich weise diese Attacke auf den Minister entschieden zurück und besonders das Wort „ignorant“.

(Beifall CDU und FDP)