Protokoll der Sitzung vom 21.09.2017

- Entschuldigen Sie, es geht gar nicht um die rechtlichen Hürden für den Steinsetzer, sondern um die materiellen Möglichkeiten, über die wir hier reden. Es geht nicht um die rechtlichen Voraussetzungen. Schon heute kann jeder länger arbeiten, wenn er das möchte. Aber wir zwingen Menschen, mit Abschlägen in den Ruhestand zu gehen, wenn sie nicht mehr können, obwohl die Erwerbsminderungsrenten nicht reichen, weil wir ein Niveau haben, das sinkend ist, wenn wir nichts unternehmen. Und Sie wollen nichts unternehmen, sondern das Gegenteil tun. Dazu sind wir unterschiedlicher Auffassung.

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Jetzt redet zumindest ein Betroffener, bitte schön.

(Zurufe FDP)

Ja, ich bin tatsächlich betroffen von dem, was Sie hier sagen, Herr Dr. Stegner.

(Beifall und Heiterkeit FDP und CDU)

Sie polemisieren gegen die private Altersversorgung, sie polemisieren gegen kapitalgedeckte Vorsorge. Herr Dr. Stegner, spielt in Ihrem Rentenkonzept oder Ihrem Kopf die Betriebsrente noch irgendeine Rolle? - Wenn ja, würden Sie mir freundlicherweise sagen, wie die Betriebsrente finanziert wird!

- Verehrter Herr Kollege Kubicki, Sie sind ja schon eine Weile politisch in Schleswig-Holstein tätig, sodass Sie wissen dürften, dass die Anzahl der Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die Betriebsrenten erhalten, deutlich geringer ist als in anderen Ländern, weil wir hier weder große Unternehmen, Großindustrie haben noch die Leute -

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

(Dr. Ralf Stegner)

- Darf ich bitte antworten, Herr Kollege Vogt, wenn Ihr - noch! - Vorturner da etwas fragt und ich versuche, die Frage zu beantworten?

Die Betriebsrente ist eine schöne Ergänzung, wenn man sie hat. Aber viele Menschen haben sie nicht. Unsere Aufgabe ist doch, dafür zu sorgen, dass für die Menschen, die weder ein eigenes Haus, das schuldenfrei ist, noch eine Betriebsrente haben und auch nicht privat vorsorgen können, die gesetzliche Rente reicht. Das ist unser Job, den wir hier zu machen haben. Das unterscheidet uns eben. Wir wollen nicht einfach andere diskreditieren.

(Beifall SPD)

Es ist schön, wenn man das kann, wenn man in einem großen Betrieb tätig ist, der eine solche Betriebsrente hat. Es ist schön, wenn man ein Einfamilienhaus hat, das schuldenfrei ist. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen. Wenn man privat vorsorgen kann, ist das auch gut. Aber unsere Aufgabe ist es doch, den Menschen zu sagen: Soziale Sicherung ist für alle da, auch für diejenigen, die das alles nicht können.

Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: Die Sozialdemokratie kümmert sich um solche Menschen. Da mögen Sie das hundertmal kritisieren und das Gegenteil vorschlagen, da sind wir einfach unterschiedlicher Meinung.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Eine weitere Frage des Abgeordneten Kubicki?

Ich gehe davon aus, dass das Steuerkonzept der SPD nicht nur für Bordesholm und Schleswig-Holstein gemacht wird, sondern für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Sonst müsste ich mich anders orientieren.

Vielleicht darf ich Sie aber darauf hinweisen, dass die private Altersvorsorge auch für die Mitarbeiter in Anwaltskanzleien und Steuerberatungskanzleien betrieben wird. Steuerlich begünstigt wird ein Teil des Lohnes dort in Versicherungsverträge eingezahlt. Jedenfalls machen wir das so und andere auch. Das ist nicht nur etwas für große Betriebe, wie Sie es behaupten, sondern für eine Vielzahl von Menschen in Schleswig-Holstein. Ihr Beitrag hat deutlich gemacht, dass Sie mit der Lebenswirklichkeit nicht vertraut sind.

(Beifall FDP und CDU - Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

Ich bin voller Bewunderung für Ihre große Anwaltskanzlei. Mein Argument war aber nicht, dass ich solche Instrumente verurteile, sondern ich habe gesagt: Schön, wer sie hat. - Ich rede über die Menschen, die sie nicht haben. Unser Job ist es nicht, Gesetze für die zu machen, denen es ohnehin gutgeht und die gute Möglichkeiten haben, sondern dafür zu sorgen, dass Menschen nicht abstürzen, die hart für Sie, mich und andere gearbeitet haben. Darüber reden wir hier. Das ist der Unterschied: Wir reden über Solidarität und Gerechtigkeit, Sie reden über betriebswirtschaftliche Möglichkeiten, das Alterseinkommen zu optimieren, wenn man es sich leisten kann. Das sind unterschiedliche Welten. Bleiben Sie in Ihrer, ich bin gern in meiner.

(Beifall SPD)

Das Wort für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Stephan Holowaty.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin erst seit Mai dieses Jahres Abgeordneter, und ich bin kein Sozialpolitiker. Trotzdem entsetzt mich die bisherige Debatte wirklich. Wie wollen wir Menschen, die heute zwischen 20 und 45 Jahre alt sind, eigentlich überhaupt noch erklären, dass sie in ihrem Alter irgendetwas bekommen?

Bei der Rente ist heute im Moment nur eines sicher: Von dem Geld, das die Menschen, die heute arbeiten, in die Rente einzahlen, werden sie in ihrem Alter schlicht und ergreifend gar nichts bekommen. Das ist das Hauptproblem.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Sie machen sich keine Gedanken darüber und legen keine Konzepte vor, wie wir sicherstellen, dass Menschen, die heute arbeiten, auch noch im Alter ein vernünftiges Auskommen erreichen werden.

(Martin Habersaat [SPD]: Ist das Ihr Wahl- versprechen jetzt? - Zuruf Beate Raudies [SPD])

- Entschuldigung! Ich sage, mich entsetzt die Debatte, weil Sie hierzu schlicht und ergreifend überhaupt nichts liefern. Das ist ein Punkt, der mich sehr interessiert und wirklich berührt.

(Dr. Ralf Stegner)

(Zuruf SPD)

Wie schaffen wir es, sicherzustellen, dass junge Menschen einer Altersversorgung in irgendeiner Form vertrauen können? - Ich höre hier diverse Konzepte aus diversen Ecken. Es hört sich an vielen Stellen auch sicher interessant an.

Wir müssen aber eines begreifen: Der Generationenvertrag, wie er in den 50er- und 60er-Jahren konzipiert wurde, funktioniert heute aus demografischen Gründen nicht mehr. Wir müssen also andere Wege gehen. Da ist es entscheidend, dass wir davon Abstand nehmen, immer nur ein Konzept mit unserem Parteinamen, einem Bindestrich und „Rente“ zu versehen, sondern einmal darüber nachzudenken, wie wir die Rente für die jungen Menschen langfristig sichern.

Ich sehe nur eines: Wenn ich heute 30 oder 40 Jahre alt bin - sogar in meinem Alter -, mache ich mir ganz große Sorgen, weil hier ein solcher Streit geführt wird.

(Beifall AfD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Eka von Kalben?

Selbstverständlich.

Ich habe nur eine Anmerkung. Sie sagen, wir müssen irgendwie wieder Vertrauen in die Zukunftssicherung aufbauen, und Sie sagen hier auch ganz deutlich: Wenn jemand heute in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, wird er nichts herausbekommen. Das schafft doch kein Vertrauen, Herr Kollege! Andersherum: Wo ist denn Ihr Konzept dagegen? Das habe ich nicht verstanden.

- Frau von Kalben: Ich stelle mich im Moment einmal kurz in eine ganz andere Situation, nämlich in meine Zeit vor ein paar Monaten, als ich noch nicht Abgeordneter war. Ich versetze mich in die Lage der jungen Menschen, die heute auf der Tribüne

(Tobias Loose [CDU] und Lukas Kilian [CDU]: Hier! Hier!)

und draußen im Lande sitzen. Was heute in dieser Debatte geliefert wird, schafft definitiv kein Vertrauen.

(Unruhe SPD)

Statt uns hier gegenseitig zu beschimpfen, wäre es deutlich hilfreicher, wenn wir diese Themen einmal in den Vordergrund stellen und nicht nur darüber reden würden, wie man den heutigen Rentnern was auch wichtig ist - ihr Rentenniveau weiter steigert. Es geht nicht nur um die Wähler von heute, sondern auch um die Menschen von morgen.

(Zurufe SPD: Das ist ja unglaublich! - Ihr Vorschlag jetzt? - Weitere Zurufe)

Danke schön.

Das Wort für einen weiteren Dreiminutenbeitrag hat die Abgeordnete Dr. Marret Bohn.

(Zurufe)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Wir sollten alle versuchen, uns darauf zu konzentrieren, dass es niemandem hilft, wenn wir den Eindruck erwecken, hier würden keine Konzepte diskutiert. Es hilft niemandem, wenn nicht ganz klar deutlich wird, dass es bei uns einen starken Sozialstaat gibt. Dieser Sozialstaat hat aber Lücken, und dort muss nachgebessert werden. Da bin ich ganz beim Kollegen Flemming Meyer.

Nun noch einmal zu dem Antrag. Der Kollege Wolfgang Baasch hat es angesprochen: Es ist gleich der erste Absatz in unserem Jamaika-Antrag, der das Vertrauen in die Rente, die Generationengerechtigkeit und die Funktionsfähigkeit des Rentensystems anspricht. Bei diesem Thema sollten wir wirklich versuchen, darauf hinzuwirken, dass die nächste Bundesregierung ein gutes Konzept auf den Weg bringt, das Altersarmut bekämpft. Wir sollten nicht den Kollegen, die neu in den Landtag gekommen sind, die Worte im Mund umdrehen. Das hilft uns allen nicht.

Es hilft auch nicht, wenn wir in die Anträge etwas hineininterpretieren, das da nicht steht. Ich finde es so schon wirklich schwierig genug. Wir alle wissen, dass die Altersarmut steigt und dass am Sonntag Wahlen sind. Wir haben in diesem Teil des Plenarsaals alle ein gemeinsames Interesse, dass sich die Leute die Rentenkonzepte angucken. Ich bin gespannt, wen sie wählen werden.

(Beifall CDU, FDP, AfD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)