Protokoll der Sitzung vom 19.06.2020

Daher geht unser Appell an die Landesregierung, ein Ausbildungsbündnis nach dem Vorbild des Bundes zu schließen; denn es geht hier um die jungen Menschen in unserem Land, deren Zukunft und damit um unser aller Zukunft.

Um unser aller Zukunft geht es aber auch in dem von der SPD geforderten Landeskonjunkturprogramm, dessen vielfältige Anregungen uns „mit Wumms“ aus der Krise führen sollen. Vom Grundsatz her unterstützen wir diesen Antrag, allerdings muss man auch sagen, dass der Alternativantrag von Jamaika etwas konkreter gefasst ist. Das ist aber nicht weiter verwunderlich, weil die Regierung hier Vorarbeiten geleistet hat, auf die eine Opposition nicht zugreifen kann. Betrachten wir also lieber die Inhalte beider Anträge.

(Beifall SSW)

So ist beispielsweise der Ausbau von Kitas und Ganztagsbetreuungsstätten als Ziel selbstverständlich geboten. Die Coronakrise hat uns vor Augen geführt, wie sehr wir diesbezüglich hinterherhinken. Die Gelder müssen aus einem anderen Topf kommen als dem der Coronahilfen. Angesichts wegbrechender Steuereinnahmen auf allen Ebenen müssen wir schauen, woraus sich ein eigenes Landesprogramm überhaupt finanzieren ließe.

Zu den Überbrückungsprogrammen sei gesagt, dass die Töpfe in der Tat bereits ziemlich ausgeschöpft sind. Es ist eigentlich positiv, dass es so gut funktioniert und die Gelder abgeführt wurden. Inwie

weit wir hier erneut beträchtliche Summen an Krediten aufnehmen können, müsste geprüft werden. Gerade gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen benötigen und verdienen unsere vollste Unterstützung - ob in der vorgeschlagenen Form oder gegebenenfalls auch durch flexibler ausgestaltete Finanzierungshilfen, ist zu prüfen.

Das Zukunftsprogramm Krankenhäuser unterstützen wir. Gesundheit ist ein hohes Gut. Eine der Lehren der Coronakrise ist, dass der Staat hier mehr und vor allem auch nachhaltig investieren muss. Die Gelder, die jetzt gerade an die Krankenhäuser ausgekehrt werden, sind nicht nur für die Krankenversorgung da, sondern unterstützen die Regionen auch in wirtschaftlicher Art und Weise. Das ist wirklich eine Win-win-Situation, wenn da viel passiert.

Der letzte Punkt ist der Windkraftausbau. Auch da ist es richtig, dass wir Wasserstoffstrategie und Strompreisanpassung schnell auf den Weg bringen.

Zu den beiden Anträgen bezüglich der Kunst- und Kulturszene sei gesagt: Auch wir wollen nicht, dass im Kulturbereich der Rotstift radikal angesetzt wird. Die Hilfen für kulturelle Infrastrukturmaßnahmen und für die Ankurbelung der künstlerischen Produktion sind daher zu begrüßen. Ein zusätzliches Landeshilfsprogramm muss natürlich eng mit dem Bundesprogramm abgestimmt werden, damit wir da nicht zu einer verschiedenen Förderung kommen.

Ich komme zum Rettungsschirm für den ÖPNV: Er ist absolut richtig und notwendig, die Träger des ÖPNV müssen jetzt umfassend unterstützt werden. Diese dürfen nicht insolvent gehen. Das würde nicht nur bedeuten, dass wir ein wirtschaftliches Problem hätten, sondern im ländlichen Raum, dass der ganze ÖPNV zusammenbrechen könnte. Der in Aussicht gestellte Rettungsschirm ist daher zu begrüßen. Wir müssen schnell und unbürokratisch die Gelder an die Träger auskehren.

Insgesamt bleibt festzuhalten: Nicht alles, was in den vorliegenden Anträgen gefordert wird, lässt sich immer blitzschnell und in vollem Umfang umsetzen. Wir müssen aber zusehen, dass wir zeitnah entsprechende Programme konzipieren und mit der Auszahlung der beschlossenen Gelder beginnen. Die Antworten, die wir jetzt auf die Krise geben, stellen die Weichen dafür, wie wir nach Überstehen der Pandemie als Gesamtgesellschaft dastehen werden.

Klar ist deswegen auch, dass es wohl auch im neuen Jahr einen neuen Haushalt geben wird, der nicht

(Lars Harms)

ohne eine erhebliche Neuverschuldung auskommen wird. Ich kann Ihnen hier schon sagen: Sowohl für einen Nachtragshaushalt - wer weiß, was da noch kommt - als auch für den Haushalt 2021 sind wir bereit, wieder in den Dialog einzutreten. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die Coronakrise was die Finanzwirtschaft angeht - noch nicht überstanden haben. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir für diese Coronahilfen eine Zweidrittelmehrheit herstellen. Wir sind definitiv zu Gesprächen bereit. - Vielen Dank.

(Beifall SSW, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Restredezeit der AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Nobis das Wort.

(Zurufe)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihr Antrag, liebe Genossen, liest sich wie eine sozialistische Wunschliste. Mit Wumms aus der Krise, mit Karacho in die Schulden: Das wäre der ehrliche Titel für Ihren Antrag gewesen. Ja, viele Maßnahmen der Landesregierung sind richtig, um die wirtschaftlichen Folgen von Corona abzufedern. Das haben meine Vorredner hier ausgeführt. Sie, Herr Koch, haben es auch gesagt: All diese „Wummse“ sind kreditfinanziert. Doch wie soll das zukünftig solide finanziert werden? Diese Frage ist noch offen. Die Mai-Steuerschätzung war ein erwartbarer Tiefschlag für die zukünftigen Landesfinanzen. In diesem Jahr werden die Einnahmen des Landes fast 1,2 Milliarden € unter den Annahmen liegen, die noch im Dezember für den Haushalt galten. Das kann noch so viel Wumms nicht ausgleichen - und auch kein Wunschdenken à la Doppelwumms, Herr Koch.

Selbst, wenn es schnell mit der Wirtschaft und dem Tourismus im Land wieder aufwärtsgeht, bleiben laut Schätzung auch die zukünftigen Jahre deutlich hinter den bisher prognostizierten Einnahmen zurück. Bis Ende 2022 werden voraussichtlich 2,2 Milliarden € an Steuereinnahmen fehlen. Solche Summen sind nicht allein durch Einsparungen im Haushalt wettzumachen. Investive Ausgaben sollten natürlich nur mit viel Bedacht gekürzt werden, aber ganz ohne Rotstift wird es nicht gehen. Das hätten Sie sagen können, es gehört zur Ehrlichkeit dazu.

Frau Heinold, Sie sagten, dass in diesem und im nächsten Jahr die kompletten Steuermindereinnah

men in Höhe von geschätzt 1,6 Milliarden € kreditfinanziert werden sollen. Hinzu kommen noch die bereits beschlossenen kreditfinanzierten CoronaHilfsgelder. Ab wann wollen Sie denn damit beginnen, die Ausgabenplanung in der mittelfristigen Finanzplanung des Landes an die veränderte Einnahmesituation des Landes anzupassen? - Sie müssen heute doch wenigstens schon einmal sagen, in welchen Bereichen ab morgen gespart werden soll - zumindest einmal überschlägig.

Das gilt natürlich auch für die Sondervermögen. Viele der Mittel aus IMPULS sind bereits verplant. Richtigerweise sollen nicht alle investiven Mittel gestrichen werden.

(Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

Die Ausgaben für einige Projekte sind es aber definitiv wert, auf den Prüfstand zu kommen.

(Christopher Vogt [FDP]: Welche?)

- Die Zeiten, in denen wir, Herr Vogt, so eben mal 800.000 € Steuergelder an die Deutsche Rockmusik Stiftung überweisen, damit die irgendeinen baufälligen alten Lokschuppen in Neumünster kaufen und sanieren,

(Zuruf: Sehr gut!)

oder in denen sich der Landtag eben mal für 1 Million € die Toilettenanlagen im Haus hin und her verlegt und neue Unisex-Toiletten bauen lässt

(Zuruf: Sehr gut!)

oder sich für fast 3 Millionen € die Fenster energetisch sanieren lässt,

(Zuruf: Macht Sinn!)

aber ohne zu wissen, nach wie vielen Jahrhunderten diese Energieeinsparung die enormen Sanierungskosten amortisieren, diese Zeiten sind definitiv vorbei!

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Ihre Zeit ist vorbei! - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Immer weiter so!)

Übrig bleibt die Frage, ob Sie eigentlich schon Peter Zwegat angerufen und gefragt haben, ob er etwas Zeit hat. Spätestens dann, wenn er im Finanzministerium seinen Flipchart aufstellt, wissen die Bürger, wo wir wirklich stehen. Dann hat es sich im Land nämlich ausgewummst, meine Damen und Herren.

Herr Nobis, Ihre Zeit ist leider auch vorbei.

(Lars Harms)

Ich bin auch fertig.

(Beifall AfD - Lars Harms [SSW]: Mit Wumms von der Bühne verschwunden! - Weiterer Zuruf: Ausgewummst!)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Marlies Fritzen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann sich sicherlich immer trefflich darüber streiten, ob man 1 Million € hier oder dort mehr ausgeben könnte. Insgesamt, glaube ich, können wir für die gesamte Bundesrepublik sagen, dass uns schwindelig wird und wir alle nicht mit Sicherheit sagen können, wo es am Ende landen wird und wie es funktionieren wird, weil noch niemand so eine Situation hatte. Man kann aber nicht zu viel über Kultur sprechen, deswegen habe ich mich noch einmal gemeldet.

(Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Kunst- und Kulturschaffenden, die Solo-Selbstständigen, sind in der Tat divers unterwegs und formieren sich nicht über Gewerkschaften oder andere Organisationen. Sie sind schnell aus dem Blick verloren.

In verschiedenen Bundesländern haben wir unterschiedliche Programme. In den meisten Bundesländern gab es überhaupt keine Programme, die die Solo-Selbstständigen in den Blick genommen hätten. Damit meine ich: Musikerinnen und Musiker, Fotografinnen und Fotografen, Dolmetscherinnen und Dolmetscher, Honorarlehrkräfte, Künstlerinnen und Künstler, Theaterschauspielerinnen und -schauspieler, die alle von jetzt auf gleich keine Möglichkeit mehr hatten zu arbeiten und keine Möglichkeit, von den Bundesprogrammen zu profitieren, die die Betriebskosten für drei Monate kompensiert haben. In Schleswig-Holstein haben wir es noch einmal für größere Betriebe aufgestockt.

Wenn du keine Betriebskosten hast, weil du als Musikerin oder als Fotograf arbeitest, hast du da keine Kompensation, bekommst aber auch kein Geld, um deinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Situation hat ganz viele Leute getroffen und hat sie in massive Ängste und Existenznöte gestürzt.

Die zunächst gegebene Antwort, dass alle ALG II beziehen könnten, war nicht immer hilfreich. Es ist auch nicht so durchgeführt worden, dass die Leute tatsächlich Unterstützung bekommen haben. Auch zu diesem System standen sie nämlich eigentlich quer.

Wenn man also sein Vermögen nicht angeben musste - das hat die Bundesregierung dankenswerterweise bis September ausgesetzt -, kamen früher manchmal Fragen, man habe doch eine sehr wertvolle Geige, die könne man doch verkaufen. - Das sind absurde Situationen gewesen. Deshalb habe ich mich noch einmal gemeldet, um zu sagen, dass wir alle diese Leute nicht aus dem Blick verlieren. Wir nehmen jetzt mit unserem Programm Kulturhilfe SH noch einmal 2.500 € für jeden Künstler und jeden Kulturschaffenden in die Hand.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

- Danke schön. - Wir machen, weil wir sagen: Damit werden Projekte unterstützt und gefördert. Bislang haben wir einen guten Zuspruch. Fast 700.000 € sind ausgegeben. Weil wir zunächst sehr bescheiden waren und Sorge hatten, dass wir mit dem Geld nicht auskommen, haben wir nur 500 € ausgelobt. Auch das ist natürlich ein Lernen. Ich bin sehr froh und dankbar, dass wir an dieser Stelle tatsächlich noch einmal richtig einen drauflegen.

Ich bitte Sie alle sehr herzlich, diese Menschen, die allein, selbstständig, kreativ mit großem Schaffensund Unternehmergeist unterwegs sind und ihr Leben selbst bestreiten, nicht aus dem Blick zu verlieren. Es gibt Wertschöpfungsketten und Berechnungen - ich bin mit Zahlen nicht so richtig gut -, die sagen, dass dieser Bereich, was die gesamte Wertschöpfung angeht, unmittelbar nach der Automobilindustrie anzusiedeln ist. Ich glaube, das ist niemandem von uns wirklich bewusst. Deshalb ist es notwendig gewesen - Entschuldigung dafür, dass ich sogar noch die Zeit überschritten habe -, dass ich mich hier noch einmal melde und an diese Leute erinnere und an Sie appelliere, dass Sie sie nicht aus den Augen verlieren. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, FDP und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Wenn mich alle immer darauf hinweisen, dass sie überziehen, muss ich wohl zukünftig ein bisschen strenger darauf achten, sonst fällt das auf.