Protokoll der Sitzung vom 19.06.2020

Ich habe dann versucht, ihm argumentativ zu erklären, dass das vielleicht doch Sinn machen könnte, aber wissen Sie, wie schwierig das ist, wenn die Kommunikation von vornherein so verkehrt läuft? Man schafft es dann noch nicht einmal, seinen eigenen Sohn von etwas zu überzeugen. Verehrte Frau Ministerin, das ist es, was ich hier angesprochen habe, und damit müssen Sie klarkommen.

Schauen wir uns den Lernsommer einmal an: Nur 15 % bis 20 % der Schulen machen hier mit,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

und in denen sind es auch nur einige wenige Klassen. Das ist also nicht etwas, was angenommen wird. Es tut mir auch leid, dass nur Deutsch, Mathe und Fremdsprachen angeboten werden. Das ist nicht attraktiv genug. Das ist ein freiwilliges Angebot, und zurzeit ist es nicht attraktiv genug, wenn – wie gesagt - nur 15 % bis 20 % der Schulen hier mitmachen wollen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben sehr viel von Programmen gesprochen. Sie haben sehr viel davon geredet, was hier von Berlin aus auf den Weg gebracht wurde, und genau das ist das, was ich gesagt habe. Es wurden viele Programme

auf den Weg gebracht, die Weichenstellungen sind erfolgt, wir werden Sie aber daran messen, wie Sie das hier in Schleswig-Holstein umsetzen werden. Das ist unsere Aufgabe, und wir werden alle nach den Sommerferien bis zum Ende des Jahres sehen, wie Ihnen das gelungen ist. Daran werden wir Sie messen, und das wird weiterhin unsere Aufgabe sein.

Lieber Herr Kollege Vogt, wenn Sie Interesse haben: Meine Termine mit den Betrieben, die gerade Gefahr laufen, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, weil sie Corona dafür als Vorwand nutzen, stehen. Ich nehme Sie sehr gern mit. Das Angebot steht. Ich freue mich auf Ihre Begleitung. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD)

Ein Wort an die Abgeordneten der SPD: Keiner der Kollegen hier oben hat das gesehen. Sollten mir irgendwelche Gesten oder Mimiken auffallen, die ich nicht als parlamentarisch erachte, dann werde ich diese ahnden. Ich kann nur Dinge ahnden, die ich sehe. Ich habe leider nichts bemerkt. Aus gegebenem Anlass möchte ich trotzdem darauf hinweisen, dass etwaige Scheibenwischerzeichen oder das Vogelzeigen bitte zurückgenommen beziehungsweise unterlassen werden. - Ich habe nichts gesehen. Insofern kann ich nicht sagen, ob es stattgefunden hat.

(Zuruf: Vielleicht hat der NDR das ja aufge- zeichnet!)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Eka von Kalben von den Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, liebe Serpil Midyatli, Kommunikation ist schwierig. Ich habe auch von Eltern im Kita-Bereich, von Eltern mit Kindern in der Schule sowie von Erzieherinnen und Kita-Leitungen gehört, die allesamt gesagt haben, das gehe zu schnell und ständig ändere sich etwas.

Das ist in der Tat eine Herausforderung, übrigens nicht nur im Bildungsbereich. Auch im Kulturbereich haben wir gemerkt, dass die Änderungen, die wir bereits vorgenommen haben, offensichtlich nicht bei all denen angekommen sind, für die sie gedacht gewesen sind. Das liegt aber daran, dass wir in einer wirklich besonderen Ausnahmesituation sind, und dass in dieser Regierung jede Woche und in den ersten Wochen sogar jeden Tag darum

(Serpil Midyatli)

gerungen wurde: Wo können wir mehr und wo können wir weniger lockern?

Die Überlegung war dann immer, wie man Sicherheit schafft. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Das ist etwas, was auch für Eltern zu wissen wichtig ist: Findet denn in der nächsten Woche Schule statt oder nicht? Gibt es Schulunterricht an drei Tagen oder an vier Tagen?

Das ist eine wirklich schwierige Situation gewesen. Auf der anderen Seite aber zu sagen, das hätte man doch alles viel einfacher machen können, ist auch sehr einfach; denn man muss, wenn man eine Entscheidung getroffen hat, die Presse darüber informieren. Das sind diejenigen, die das kolportieren.

Wie mache ich es denn anders? - Ich schreibe zunächst einen Elternbrief? Dann führe ich hinterher vielleicht noch Verhandlungen mit den Koalitionspartnern und nach einer Woche, wenn die Verordnung fertig ist, führe ich eine Pressekonferenz durch und beschreibe dort die Maßnahmen, die ich mache? Ich kann mir gut vorstellen, dass die Presse schon in der Woche davor davon spricht. Sie bekommt dann die Information über den Elternbrief.

Ich will nur sagen: Es ist durchaus nachvollziehbar, dass es darüber Frust gibt. Aber es ist auch sehr wohlfeil, zu sagen, das sei böser Wille oder Frau Prien mache da einen schlechten Job. Aus unserer Sicht macht sie vielmehr einen sehr guten Job.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner?

Sehr gerne.

Liebe Frau Kollegin von Kalben, ich bin sehr dankbar, dass ich das bei Ihnen tun kann, denn ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Der Punkt ist nicht, dass wir uns nicht gewünscht hätten, dass sich die Dinge beschleunigen, gerade bei Familien mit Kindern. Es gibt vieles andere, zum Beispiel die Sache mit den Kinderspielplätzen, bei denen man gegenüber der Regierung viel skeptischer war, als es darum ging, durch ihre Öffnung die Familien zu entlasten.

Als Bildungsministerin sollte man ein bisschen mehr Energie da reinstecken, sich mit

anderen abzustimmen, mit denen man sprechen muss, wenn man solche Programme wie den Lernsommer macht, zum Beispiel mit den Eltern. Wenn man der Schnellste sein möchte, wenn es darum geht, ein bisschen mehr zu machen, also gar keine Prüfungen durchzuführen, sich dann noch nicht einmal mit den norddeutschen Kollegen abzustimmen und dann noch missachtende Gesten von der Regierungsbank aus zu machen - das kritisieren wir hier -, dann kann man nicht sagen, dass die Bildungsministerin einen guten Job macht, sondern dann macht sie einen lausigen Job. Das will ich hier ganz deutlich sagen.

- Danke dafür, dass Sie zu dem zweiten Punkt überleiten, nämlich zu dem Lernsommer, von dem Sie sagen, hier sei ein lausiger Job gemacht worden, weil das nicht gut umgesetzt worden sei.

Ich frage Sie - zeigen Sie mir irgendein Beispiel -: Wo ist innerhalb von fünf Wochen ein solches Programm aufgelegt worden? Es ist im Übrigen nicht so, dass nur die Fächer Deutsch und Englisch und sonst etwas angeboten werden sollten. Das wollten zwar einige, aber das ist bei der Umsetzung eben gerade nicht so, sondern es geht hier auch um die Verknüpfung mit den Kulturschaffenden, indem Schulen mit Externen Angebote durchführen können.

Und ja, es ist für die Lehrerinnen und Lehrer, die das organisieren sollen, vor allem für die Schulleitungen, in der Tat eine große Zumutung. Trotzdem machen es 20 % der Schulen. Es geht nämlich nicht, was weiß ich, um meinen Enkelsohn oder um deinen Sohn, die in der schulfreien Zeit wunderbar von ihrer Mutter unterstützt wurden. Vielmehr geht es um die Kinder, denen der Deutschunterricht gefehlt hat, weil sie zum Beispiel Deutsch nicht als Muttersprache haben. Es geht um die Kinder, die abgehängt sind. Es geht beim Lernsommer um Bildungsgerechtigkeit.

(Lebhafter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, CDU und FDP)

Es wäre schön, wenn ihr das unterstützen und dafür werben würdet. Der Lernsommer soll doch gerade die Abgehängten in dieser Krise auffangen. Dass die SPD mit einstimmt in die Kritik an dem Lernsommer, finde ich politisch wirklich richtig schade, denn das schadet den Kindern, die abgehängt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

(Eka von Kalben)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner?

Sehr gern.

Man kann sich insoweit ja gut auf die öffentlichen Kommentare dazu beziehen, die gar nicht von der SPD gekommen sind, wie wir festgestellt haben. Die Idee mag ja gut gewesen sein. Aber man muss sich auch um eine ordentliche Umsetzung kümmern.

Wir haben im Finanzausschuss verabredet, die Mittel freizugeben. Wenn die Bildungsministerin dabei im Ausschuss Rede und Antwort gestanden hätte, statt gleichzeitig in Kronshagen mit Frau Karliczek, die keiner kennt, Videokonferenzen zu veranstalten, dann wäre das vielleicht auch sinnvoll gewesen.

Wenn Sie nach einem Beispiel fragen, wo das gemacht wird, dann gucken Sie doch einmal zur rheinland-pfälzischen Bildungs- und Kultusministerin, die übrigens auch Vorsitzende der KMK ist, die sich um Einheitlichkeit kümmert. An diesem Beispiel können Sie sehen, wie man das in der Sache besser hätte machen können.

(Beifall SPD)

- Ich nehme Ihre Kritik zur Kenntnis. Aber dass die Anwesenheit der Ministerin im Finanzausschuss dafür maßgeblich ist, ob der Lernsommer gelingt oder nicht, das ist doch wirklich, das ist - - Nein, das Wort wäre jetzt wahrscheinlich unparlamentarisch.

Also ich halte es nicht für sachgerecht zu sagen, dass die Anwesenheit oder die Vertretung durch die Fachabteilung im Finanzausschuss dafür maßgeblich ist, dass der Lernsommer gelingt. Dass der Lernsommer gelingt, hat auch etwas damit zu tun, dass wir bei allen Menschen, die wir kennen, bei Lehrerinnen und Lehrern, bei Omas und Opas, bei Sportvereinen, bei Kulturschaffenden, dafür werben, dabei mitzumachen. Ich weiß, dass das schwierig ist. Ich weiß auch, dass es für die Kommunen eine riesige Herausforderung ist. Aber machen Sie doch bitte dabei mit; machen Sie es bitte trotz aller Kritik! Sie können die Arbeit schlecht

finden, ich finde sie gut. Worum es mir geht, ist: Lassen Sie uns die Kinder im Sommer mit möglichst vielen guten Angeboten versorgen. Insoweit bitte ich um Ihre Unterstützung.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Martin Habersaat?

Frau Kollegin von Kalben, ich teile ausdrücklich das Ziel, den Kindern, die in den Lockdown-Monaten die größten Schwierigkeiten hatten, zu helfen, Rückstände aufzuholen. Daran, ob das gelingt, muss man den Lernsommer messen. Daran darf man ihn auch messen.

Nun haben wir in Schleswig-Holstein die Situation, dass 15 bis 20 % der Schulen mitmachen. Das heißt, 80 % der Schulen machen nicht mit. Deshalb gehe ich davon aus, dass 80 % der Kinder, die es besonders nötig hätten, entstandene Rückstände aufzuholen, keine Chance haben werden, ihre Rückstände im Sommer aufzuholen.

Die Schulen, die teilnehmen, nehmen mitnichten mit allen Klassen teil, sondern zum Teil nur mit einer Jahrgangsstufe, zum Teil mit zwei Jahrgangsstufen. Das heißt, die 80 % werden locker zu 90 % der Schülerinnen und Schüler und mehr, die in diesem Sommer gar keine Chance haben, von diesem Lernsommer zu profitieren.

Nun gibt es Kinder, die haben besondere Bedarfe in Deutsch, Mathematik oder Englisch. Aber es ist doch gar nicht gesagt, dass die Fächer Deutsch, Mathematik und Englisch für genau diese Kinder angeboten werden. Das heißt, am Ende haben wir eine einstellige Prozentzahl von Kindern, die es bräuchten, die das Angebot bekommen, freiwillig mitzumachen. Es ist grundsätzlich gut, dass Sie diesen Kindern das Angebot machen. Aber es löst nicht das Problem, das wir in Schleswig-Holstein haben. Und das darf man doch wohl auch einmal sagen.

(Beifall SPD)

- Das dürfen Sie. Selbstverständlich löst das überhaupt nicht das Problem. Ich glaube aber auch, niemand hat den Anspruch erhoben, dass mit dem Lernsommer das Problem der Bildungsungerechtigkeit gelöst werde. Ich jedenfalls wäre die Letzte, die so etwas behaupten würde. Das fängt bereits in der frühkindlichen Bildung an und geht weiter über das gemeinsame Lernen. Insoweit bin ich in vielen Punkten sicherlich Ihrer Meinung.

Nun aber zu sagen, weil so wenig mitmachten, könne man es doch auch lassen, geht an der Sache vorbei. Ich weiß von Orten, in denen so etwas angeboten wird, und ich weiß auch, dass Kinder dadurch eine zusätzliche Chance bekommen.