Protokoll der Sitzung vom 26.08.2020

5. Beim Abnehmen der Maske nur die Bänder berühren!

6. Die Maske anschließend in einem luftdicht verschlossenen Beutel aufbewahren!

7. Zu Hause bei mindestens 60°C waschen!

Dann kommt noch die fachgerechte Entsorgung dazu.

Niemand von Ihnen glaubt doch ernsthaft, dass Schüler dies auf Dauer auch nur im Ansatz umsetzen können.

Virologen bestätigen - ich zitiere noch einmal mit Ihrer Erlaubnis -: Das ist unrealistisch. Werden Masken aber falsch getragen, machen sie keinen Sinn. - So Professor Jonas Schmidt-Chanasit aus Hamburg.

Noch ein Aspekt: Nicht nur Sie, Frau Ministerin, sondern viele Politiker sprechen dieser Tage immer wieder davon, dass Schule in der derzeitigen Situation ein lernendes System sei oder, wie Malu Dreyer es ausdrückt: Wir haben ganz viel gelernt.

Da fragt man sich allerdings schon, was denn genau gelernt worden ist; denn in Bezug auf die Maskenpflicht könnten die Ergebnisse bundesweit und vor allem europaweit unterschiedlicher kaum sein.

NRW ordnet die Maskenpflicht am weitestgehenden an. Bei uns in Schleswig-Holstein wurde aus einer Empfehlung eine Pflicht - mit der bekannten Ausnahme. Unsere Nachbarn in Dänemark oder auch in Holland verzichten hingegen ganz bewusst auf die Maskenpflicht an Schulen. Dabei berufen sich alle verantwortlichen Politiker - alle! - auf die Rücksprache mit Virologen. Ganz offensichtlich ist also, meine Damen und Herren: Die Geeignetheit der Masken ist unter Experten höchst umstritten.

Summa summarum: Die Maskenpflicht an unseren Schulen greift unverhältnismäßig in die Freiheitsrechte unserer Kinder ein. Wenn Sie, Frau Ministerin, die Notwendigkeit und die Geeignetheit der Masken nicht belegen können, wenn Sie also nicht belegen können, dass in Schulen eine ernst zu nehmende Gesundheitsgefahr für unsere Kinder lauert und dieser durch Masken sicher begegnet werden kann, dann setzen Sie die Maskenpflicht aus und ersetzen Sie diese durch Freiwilligkeit!

(Beifall AfD)

Das wäre übrigens auch aus pädagogischer und vor allem aus psychologischer Sicht geboten; denn angesichts von immer lauter werdenden Forderungen nach härteren Strafen bei Verstößen gegen Hygiene

(Dr. Frank Brodehl)

maßnahmen und angesichts einer sensationsheischenden Berichterstattung - der „Spiegel“ titelt: „Masken - unsere einzige Hoffnung“ - kann sich bei vielen Kindern und Jugendlichen doch nur die Befürchtung einstellen, dass wir uns wahrlich am Beginn einer Apokalypse biblischen Ausmaßes befinden.

Natürlich wird in Schulen versucht, durch Gespräche gegenzusteuern. Doch wenn wir ihnen gleichzeitig eine Maskenpflicht aufbürden, kann das Ergebnis doch nur null sein. Die Schüler werden nämlich Angst vor Ansteckung haben. Sie werden Angst davor haben, dass sie andere, zum Beispiel ihre Eltern oder Geschwister, anstecken könnten. Sie werden möglicherweise auch Angst haben vor den Strafen, vor den Sanktionen, die sie ereilen, wenn sie die Maske nicht tragen. Und sie werden womöglich Ängste gegenüber ganz normalen Mitbürgern entwickeln, die keine Maske tragen. Denn sie haben doch gelernt, wie notwendig, wie überlebenswichtig eine Maske angeblich ist, um uns alle zu schützen.

Meine Damen und Herren, statt Ängsten weiteren Raum zu geben, sollten wir den Weg zu mehr Gelassenheit finden, so wie etwa unsere skandinavischen Nachbarn. Der Pandemie begegnet man dort mit Respekt, aber nicht mit Angst. Man konnte auf eine Maskenpflicht für die Schüler vollständig verzichten.

Wenn es Ihnen mit dem Titel Ihrer heutigen Erklärung - Kindern eine Perspektive geben - ernst ist, dann lassen Sie unsere Kinder und Jugendlichen doch wieder ohne Maske zur Schule gehen. Stellen Sie auf Freiwilligkeit um! Jeder Tag, an dem die Maskenpflicht an unseren Schulen aufrechterhalten wird, ist einer zu viel. Wir sollten dies Lehrkräften und Kindern nicht zumuten, sondern wir sollten ihnen in aller Deutlichkeit und Gelassenheit sagen: Lasst eure Masken zu Hause! Eure Schule ist ein sicherer Ort! - Vielen Dank.

(Beifall AfD - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Sie haben anscheinend Ihren Verstand zu Hause gelassen! - Jörg Nobis [AfD]: Mit dem Mas- kentragen haben Sie es gestern ja auch nicht so ernst genommen, Herr Dr. Stegner!)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat die Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist nicht unsere Art, irgendwas nur um der Kritik willen zu kritisieren. Das sagt man so über uns, und das zeigt ja auch unser Handeln. Wir wissen, dass wir uns seit Anfang dieses Jahres in einer Ausnahmesituation befinden. Seit März stehen wir immer wieder vor Entscheidungen, die neu für uns sind. Und im Bildungsbereich sind sie besonders schnell und für besonders viele Menschen spürbar.

Ich beginne mit dem Blick zurück: Als die Landesregierung im März beschloss, dass Schulen und Kitas vorerst geschlossen bleiben, haben wir das mitgetragen und immer wieder um Verständnis für diese Situation geworben. Wir haben aber auch von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für das Lernen zu Hause unterschiedlicher nicht sein könnten - nicht, um die Regierung schlecht dastehen zu lassen, sondern um auf Fragen der Bildungsgerechtigkeit hinzuweisen.

Als die Regierung im Mai Präsenzunterricht suggerierte und mitteilte, dass alle Schülerinnen und Schüler noch vor den Sommerferien an die Schulen zurückkehren sollten, haben wir uns nicht daran aufgerieben, wie viel Unterricht und in welcher Qualität wirklich vor Ort stattfinden konnte. Das war so, weil wir in Zeiten einer globalen Pandemie nicht vorpreschen wollten.

Wenn die Bildungsministerin davon spricht, dass Schule gerade jetzt ein lernendes System sei, dann hat sie recht. Es gab diese Einschränkungen bei uns so noch nie. Manchmal, das sage ich ganz ehrlich, Frau Ministerin, gibt es Tage, an denen ich nicht in Ihrer Haut stecken möchte.

Nicht jede Kritik ist fair, nicht jede Wortwahl ist wohldurchdacht.

(Beifall Tobias von der Heide [CDU])

Das haben auch Ihre beiden Vorgängerinnen bitter erfahren müssen. Ich erinnere mich noch gut daran. Deswegen gestehen wir Ihnen absolut zu, dass wir womöglich noch lange auf Sicht fahren müssen.

Aber ich denke, einen Punkt sollten Sie von nun an wirklich ernst nehmen: Das ist, wenn Vertretungen von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften Ihnen sagen, dass sie sich schlecht informiert und nicht mitgenommen fühlen und dass sie die Informationen, die sie bekommen, eher als Informationswirrwarr beschreiben.

(Dr. Frank Brodehl)

Damit ist die vorsichtige Zuversicht nun doch der Verunsicherung gewichen. An dem aktuellen Streit über das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen an Schulen wurde deutlich, wie schädlich es ist, wenn Verantwortung nicht wahrgenommen wird. Es mag für eine Ministerin im ersten Moment bequemer scheinen, Verantwortung abzugeben und Schulleitungen entscheiden zu lassen. Aber nun haben wir Eltern, die gegen die Hygienekonzepte an den Schulen ihrer Kinder erfolgreich klagen konnten. So etwas passiert, wenn eine Ministerin „dringende Empfehlungen“ ausspricht, statt klare Vorgaben zu schaffen.

(Beifall SSW und SDP)

Die Schulen brauchen keine zögerliche Zurückhaltung mehr. Es hilft ihnen und auch den Eltern nicht, wenn sie an einem Sonnabend eine Verordnung bekommen, für deren Umsetzung sie am Montag sorgen müssen. Im Gegenteil, unsere Schulen brauchen nun eine Ministerin, die ihre Lotsenfunktion auch umsetzt.

Wo wir schon bei Klagen sind, gibt es da, wie Sie wissen, zurzeit noch die andere Seite: Vorerkrankte Lehrkräfte, die vor Gericht ziehen, um vom Präsenzunterricht befreit zu werden. Ich möchte das an dieser Stelle nicht einmal auf die eine oder die andere Art beurteilen. Aber ich frage mich, ob es zu derartigen Verfahren überhaupt gekommen wäre, wenn sich unsere Lehrkräfte an ihrem Arbeitsplatz ausreichend geschützt gefühlt hätten. Auch da bemängele ich das Zögern unserer Bildungsministerin.

Unsere Lehrkräfte berichten von mulmigen Gefühlen und großer Unsicherheit. Klare Vorgaben zur Mund-Nase-Bedeckung hätten die Lage beruhigt. Die Ankündigung, dass das Land Gesichtsvisiere für Lehrkräfte bereitstellen wird, hätte vor oder während der Sommerferien kommen müssen, nicht erst dann, wenn das neue Schuljahr schon in Gange ist.

Nun möchte ich noch einen Blick in die Zukunft wagen. Einige Probleme hat es schon vor Corona gegeben; aber sie sind nun eben besonders problematisch. Denn auch wenn sich die Schülerinnen und Schüler in den Schulen an die Einteilung in Lerngruppen halten, wird im Bus auf dem Weg nach Hause dann doch wieder alles durcheinandergewirbelt.

Gehen wir einfach mal von einem Solobus in der Regel mit 40 Sitz- und 45 Stehplätzen oder einem Gelenkbus mit 55 Sitz- und 80 Stehplätzen aus. Das wäre es doch eine schöne Aufgabe für den Ma

theunterricht, einmal auszurechnen, wie viele unnachvollziehbare Kontakte dort im Falle eines Krankheitsausbruchs zustande kämen.

Aber auch an dieser Stelle finde ich, es reicht nicht, zu sagen: „Die hoffnungslos überfüllten Busse liegen im Aufgabenbereich der Kreise“, und zum nächsten Tagesordnungspunkt überzugehen. Viren interessiert es nicht, welche politische Ebene für den Schülertransport zuständig ist. Von daher hoffen wir, dass die Landesregierung hier koordiniert und das Angebot des Omnibusverbandes ernsthaft in Betracht zieht.

(Beifall SSW und SPD)

Auch Klassenfahrten werden uns weiter beschäftigen; denn in diesen Zeiten ist gewissermaßen jede Reise einem Risiko ausgesetzt. Man mag noch so vorsichtig planen und noch so viele Faktoren einbeziehen, es lässt sich nicht mit Sicherheit ausschließen, dass der anvisierte Urlaubsort auch in drei Monaten noch ein Reiseziel mit niedrigen Infektionszahlen ist. Wenn wir Klassenreisen und Kursfahrten für die nächsten Jahre nicht komplett unterbinden wollen, müssen wir uns darauf einstellen, dass es immer wieder zu Absagen aufgrund von steigenden Infektionszahlen kommen kann.

Das Ministerium sollte aus unserer Sicht prüfen, inwiefern man Eltern und Lehrkräften auch jetzt noch bei den Regelungen für Stornierungen von Klassenfahrten entgegenkommen kann. Es spricht vieles dafür, in Härtefällen, in denen Eltern die Stornierungskosten nicht zahlen können, weiterhin einzuspringen, damit schlussendlich nicht Lehrkräfte auf hohen Beträgen sitzen bleiben.

(Beifall Kai Vogel [SPD])

Ein sehr konkretes Problem, vor dem viele Eltern stehen, ist der Umgang mit ihrem Anspruch auf Freistellung von der Arbeit zur Pflege ihres kranken Kindes oder ihres in diesen Zeiten potenziell kranken Kindes. Normalerweise besteht der Anspruch aus zehn Arbeitstagen pro Kalenderjahr pro Elternteil für ein zu pflegendes Kind unter zwölf Jahren. Bei mehreren Kindern unter zwölf erhöht sich der Anspruch, aber mehr als 25 Tage pro Elternteil oder eben 50 Tage für Alleinerziehende werden es eben nicht.

Nun gibt es Elternvertretungen, die schon vor Corona gesagt haben, die Tage reichten nicht. Klar ist aber vor allem, dass die starren Regelungen, die wir sonst hatten, mit Blick auf Schnupfenplan und dem vorsorglichen Zuhausebleiben so nicht mehr funk

(Jette Waldinger-Thiering)

tionieren werden. Denn viele Eltern haben ihr Kontingent schon aufbrauchen müssen.

Von daher freuen wir uns, dass sich der Koalitionsausschuss in Berlin gestern Nacht darauf geeinigt hat, Elternpaaren das Kinderkrankengeld für jeweils fünf weitere Tage und Alleinerziehenden für weitere zehn Tage zu gewähren. Wir werden sehen müssen, ob das reicht.

Für den SSW ist klar: Der Schutz vor der Pandemie steht weiterhin an erster Stelle. Unser Solidarsystem baut darauf auf, dass wir in Notsituationen füreinander einstehen wollen. Die Landesregierung sollte sich daher frühzeitig mit den Krankenkassen ins Benehmen setzen und im Zweifelsfall auf Bundesebene dafür werben, dass es bei coronabedingten Pflegetagen flexiblere Lösungen geben wird.

(Beifall SSW)

Es bleibt noch viel zu tun. Ehrliche Gespräche über Verschlankungen der Lehrpläne, gleichzeitig der Ausbau der Hilfemöglichkeiten, womöglich weitere Lernferien und wohl auch Kompromisse für unsere Schulabschlussregelungen wird es geben müssen. Manch einer der hier Anwesenden mag sich, ohne dass ich den Betreffenden zu nahe treten möchte, wohl noch an die Kurzschuljahre der Umstellung des Schuljahresbeginns in den 60er-Jahren erinnern oder hat es von seinen Eltern erzählt bekommen.

Was ich damit sagen will: Wir werden uns vielleicht etwas weiter dehnen müssen, als es uns eigentlich behagt. Dafür braucht es eine Ministerin, die sich nicht davor scheut, klare Vorgaben zu machen und unseren Schulen den Rücken zu stärken.

Ich möchte meine Rede mit folgender Bemerkung abschließen: Frau Ministerin, Sie haben am Anfang das Bild des Tanzens gebraucht. In der Tat, beim Walzer gibt es Regeln, und man muss die Schrittfolge einhalten. Beim Pogo geht alles durcheinander, völlig ohne Regeln. Sie haben Pogo getanzt und in der Schule das reinste Chaos ausgelöst.