Protokoll der Sitzung vom 28.08.2020

derstedt und die gesetzlichen Grundlagen beziehungsweise Satzungen zur Tourismusabgabe - aber das ist ein Einzelfall.

So hörten wir letzte Woche aus dem Landkreis Herzogtum Lauenburg, dass 200 handschriftliche Aussteigekarten von Fluggästen noch auf eine Auswertung warten. Einen Onlinedienst mit einem entsprechenden Datenaustausch zwischen den Bundesländern und Kreisen gibt es an den Flughäfen nicht, sodass die Kontaktaufnahme nicht immer gewährleistet werden kann. Infektionsketten können also nicht zeitnah unterbrochen werden.

Mir fallen noch viele andere Verfahren ein - anderen ist auch schon einiges eingefallen -, die man digital oder online besser machen könnte. Doch es fehlt in Deutschland an allen Ecken und Enden an der Ausstattung. Es fehlen Schnittstellen, es fehlen moderne Geräte, es fehlt an qualifiziertem Personal und so weiter. Vom Recht auf einen Glasfaseranschluss sind wir noch meilenweit entfernt.

Darum halte ich die Ankündigung der Landesregierung, dass 2022, also übernächstes Jahr, alle Verwaltungsleistungen digital abgefragt werden können, zwar für ehrgeizig, aber eher unrealistisch.

Schaue ich mir die Onlineformulare der Stadt Husum an, kann ich ermessen, wie weit der Weg bis zu einem bequemen Onlinezugang der Bürgerinnen und Bürger für Verwaltungsverfahren in Wirklichkeit noch ist. Möchte ich beispielsweise die kostenlose Schülerbeförderung beantragen, finde ich zwar die entsprechende PDF-Datei auf der Seite, muss dann aber das Formular ausdrucken, ausfüllen, unterschreiben und im ausdrücklich geforderten geschlossenen Umschlag in der Schule oder bei der Stadt abgeben.

Das ist kein Onlinezugang, sondern eine Formularbibliothek, die die nochmalige Eingabe der Daten durch einen Beamten oder Verwaltungsangestellten erforderlich macht. Kurz gesagt: So geht es nicht. Ich weiß nicht, wie schnell meine Daten aus dem Formular gespeichert werden und wann mein Fall bearbeitet wird. Ich kann auch eventuell auftretende Ausfüllprobleme nicht direkt ausräumen. Das heißt, wenn ich als Bürger etwas nicht verstehe, muss ich doch den umständlichen Weg ins Amt wählen. Ich muss mich anmelden und eventuell einen halben Tag Urlaub nehmen. Immerhin stehen circa 40 Formulare auf der Internetseite der Stadt Husum. Das ist mehr als bei vielen anderen Gemeinden.

Im Ausbau der erforderlichen Infrastruktur liegt sicherlich die Herausforderung: Wie bekomme ich Dienstleistungen online, wenn die kleine Verwal

tung vor Ort schon mit dem Routinegeschäft gut zu tun hat?

Die konkrete Unterstützung durch das Land ist hierbei vonnöten. Dabei möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, dass die kommunale Selbstständigkeit auf diesem Wege nicht angetastet werden darf. Die Kommunen müssen weiterhin Herr des Verfahrens bleiben; ansonsten würde sich das Onlinezugangsgesetz als trojanisches Pferd entpuppen, das über den zentralen Onlinezugang die Kompetenzen der Kommunen aushebelt.

Von dieser Frage einmal abgesehen sehe ich noch eine Baustelle. Ich befürchte, dass die Bürgerinnen und Bürger, die keinen digitalen Zugang haben, benachteiligt werden. Ich denke da an die Stadtbibliotheken, die ihre Nutzerplätze aus Hygienegründen derzeit gesperrt haben. Da wir kaum noch Internetcafés haben, sperren wir Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner ohne Internetzugang von der Nutzung der Onlinedienstleistungen aus. Diese soziale Komponente dürfen wir nicht außer Acht lassen.

Auch ist es der Landesregierung bislang noch nicht gelungen, alle Schülerinnen und Schüler mit einem Onlineangebot zu erreichen. Dementsprechend groß wird der Aufwand zur Umstellung auf digitale Verfahren sein. Wenn die Landesregierung nur die Verfahren umstellt, aber keinen technischen Zugang zu den Verfahren anbietet, ist das zutiefst undemokratisch. Hier müssen wir schleunigst, am besten gemeinsam mit dem Bund, eine Lösung finden.

Meine Damen und Herren, man sieht also, es gibt noch unheimlich viel in diesem Bereich anzupacken. Wir sind zwar so weit, dass wir unbedingt alles auf einmal schaffen wollen, aber wir müssen auch mit Realismus an die Sache herangehen und gucken, wie wir einen Onlinezugang für die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger schaffen können. - Vielen Dank.

Warten Sie bitte noch kurz einen Moment. Es gibt noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Holowaty; lassen Sie die noch zu?

Vom Kollegen Holowaty immer gern.

Ganz herzlichen Dank, Herr Kollege. - Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie die Sorge haben, dass Bürger abgehängt werden, dass Bürger

(Lars Harms)

nicht mehr am Verwaltungshandeln teilnehmen können, wie es bisher der Fall ist. Ist Ihnen bewusst, dass im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes nichts darüber gesagt und auch nicht beabsichtigt wird, Rathäuser oder ähnliche Zugänge zu schließen oder Menschen, die keinen Onlinezugang haben, in irgendeiner Form zu benachteiligen? Es geht um die Schaffung eines zusätzlichen Angebots. Ist Ihnen das bewusst?

- Das ist mir bewusst, ich kenne auch Artikel 14 der Landesverfassung, der vorschreibt, dass sämtlichen Bürgern ein Zugang zu den Behörden zu gewährleisten ist. Dieser Verfassungsartikel geht schließlich auf eine Initiative des SSW zurück. Man kann die alle erreichen.

Das Problem ist, dass arme Schichten der Bevölkerung darauf angewiesen sind, öffentlich zugängliche Plätze zu nutzen, um gut ins Internet zu gehen. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Bibliotheken größtenteils geschlossen haben beziehungsweise ihre Internetplätze gerade nicht zur Verfügung stellen können. Wir haben keine Internetcafés. Das heißt, der, der sozial schwach ist, hat gerade keinen guten Zugang zum Internet. Natürlich können wir alle irgendwie auf unserem Handy herumklicken, aber manchmal ist ein Bildschirm mit PC doch die bessere Lösung.

Das ist meine Sorge, darauf müssen wir achten. Ich weiß, dass die Pandemie ein großes Problem ist und dass das nicht immer so sein wird wie jetzt in der Pandemie. Wir müssen sicherstellen, dass flächendeckend PC-Plätze zur Verfügung stehen, damit die Bürgerinnen und Bürger - egal, ob sie arm oder reich sind - auf jeden Fall auf die Daten zugreifen können. Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Ich glaube, dass auch Sie dieses Anliegen teilen.

(Beifall SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 19/2283 durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe jetzt noch einmal Tagesordnungspunkt 34 auf:

Streichung des Begriffes der „Rasse“ aus sämtlichen nationalen und internationalen Rechtstex

ten und dessen Ersetzung durch einen zeitgemäßen Begriff

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2317

Diskriminierungsverbot stärken

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2370

Diskriminierungsverbot im Grundgesetz stärken

Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2373

Die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, dass es noch zwei Redebeiträge à drei Minuten geben wird. Das Wort hat zuerst der Fraktionsvorsitzende der CDU, Tobias Koch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwischen der Debatte über den Begriff Rasse am heutigen Vormittag und der jetzt anstehenden Abstimmung ist nun doch etwas mehr als eine Stunde vergangen. Ich will mit dem Hinweis beginnen, dass wir für die inhaltliche Verständigung deutlich weniger als eine Stunde gebraucht haben. Das Ganze musste hinterher noch verschriftlicht, unterschrieben und verteilt werden. Die Verschiebung auf die Zeit nach der Mittagspause ist allein darauf zurückzuführen.

In der Sache selbst war die Übereinstimmung in der Debatte heute Morgen schon deutlich stärker zu spüren, als es die eine oder andere Befindlichkeit vermuten ließ. Wir haben jetzt einen gemeinsamen Antrag von fünf Fraktionen vorliegen.

Als Koalitionsfraktionen übernehmen wir aus dem SPD-Antrag die Würdigung der Mütter und Väter des Grundgesetzes, die sich mit ihrer damaligen Formierung sicherlich ganz bewusst vom Rassenwahn der Nationalsozialisten abgegrenzt haben. Das war heute Morgen Konsens in allen Redebeiträgen, dass wir dies gern würdigen wollen.

Gemeinsam formulieren wir jetzt, dass die Definition von Rassen naturwissenschaftlich nicht haltbar ist. Auch das haben wir von der Initiative der SPD übernommen.

(Lars Harms)

Die AfD-Fraktion war die einzige Fraktion, die das heute Morgen in Abrede gestellt hat. Das unterscheidet uns; das eint die fünf Fraktionen, die jetzt gemeinsam Antragsteller sind.

Bei dem Satz, der heute Morgen im Zentrum der Diskussion stand, hat sich die einstündige Unterbrechung besonders ausgezeichnet, denn es ist weder mit der Streichung des Wortes „ob“ allein getan gewesen noch mit dem Formulierungsvorschlag des Kollegen Peters. Ich möchte gern die neue Formulierung vortragen: Wir wollen, dass auf Bundesebene der Begriff „Rasse“ im Grundgesetz ergebnisoffen überprüft wird.

Das umfasst aus unserer Sicht alle Aspekte, die in der Debatte heute Morgen eine Rolle gespielt haben, nämlich sowohl die Frage nach den juristischen Folgen einer Streichung, also der Frage des Ob, als auch die Frage nach der Suche nach besseren Alternativen, also die Frage des Wie. Auf dieser Grundlage sind wir gern bereit, eine ergebnisoffene Überprüfung zu unterstützen.

Meine Damen und Herren, das zeichnet uns ein Stück weit in diesem Landtag aus: Wir finden immer wieder gemeinsame Positionen auch bei schwierigen und sensiblen Themen. Das ist heute Morgen gelungen. Das ist nicht der Verhandlungserfolg der einen oder anderen Seite; das ist unsere gemeinsame Position.

Die Kollegin Midyatli war es heute Morgen, die betonte, dass auf Initiative der Bundeskanzlerin bereits in der nächsten Woche Gespräche anstehen. Deswegen haben wir von Koalitionsseite eine Abstimmung in der Sache präferiert anstelle einer Ausschussüberweisung. Mein Dank gilt allen Beteiligten, die heute Morgen mitgewirkt haben. Ich halte das für eine Sternstunde des Parlaments, was uns heute gelungen ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mit einem sozialdemokratischen Antrag in die Parlamentsdebatte gegangen. Es gab dann einen Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. Es gibt jetzt einen gemeinsamen neuen Antrag, der vor allen Dingen das Signal aussendet, dass die Demo

kraten in diesem Hause, was das Thema Kampf gegen Rassismus angeht, eine Meinung vertreten und sich damit von den Rechtsradikalen hier im Hause deutlich unterscheiden.

(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deswegen ist das gemeinsame Ergebnis auch, dass wir uns erstens gegen gruppenbezogenen Rassismus und gegen Menschenfeindlichkeit aussprechen, dass wir an die Beschlüsse anknüpfen, die wir dazu haben.

Zweitens - das finde ich sehr wichtig, wenn man über Änderungen diskutiert - wissen wir, unter welchem historischen Kontext das entstanden ist. Das wissen wir auch zu würdigen. Das war damals sensationell. Das will ich noch einmal betonen. Der Rassenwahn der Nazis war wenige Jahre her. Viele, die damals im Parlament saßen, waren - um es einmal vorsichtig auszudrücken - keine Verfolgten. Insofern war das damals eine große Tat, das zu schaffen.

Drittens. Wir bekennen deutlich, dass es wissenschaftlich gesehen ein Begriff ist, der nicht in die Neuzeit gehört. Deshalb müssen wir uns bemühen, darüber zu reden, wie es am besten gelingen kann auch in einer Form, die die juristischen Aspekte beinhaltet, die der Herr Justizminister heute angesprochen hat.

Viertens haben wir uns darauf verständigt, dass wir nicht nur das begleiten, was im Bundesrat passiert, sondern dass das aktive Unterstützung aus diesem Haus findet, wenn es in diese Richtung geht. Das ist eine gute, gemeinsam tragfähige Lösung.

Auch wenn mir nicht jeder Ton in der Debatte heute Vormittag gefallen hat, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, es ist doch ganz deutlich geworden: Wenn wir die Leidenschaft auf solche Themen richten, ist sie richtig investiert. Sich darüber aufzuregen, ist richtig. Wir sind im Jahr 2020 in der glücklichen Lage, uns mit Blick auf Texte darüber aufregen zu können.