Protokoll der Sitzung vom 29.10.2020

Wir können das Problem, das auch von der Regierung erkannt wurde und das der Minister verfolgt das muss ich ja mal zugeben - nur durch eine Bestandsregulierung lösen. Bauernstand und Jägerschaft sind sich darin einig und warten nur auf die Erweiterung der Möglichkeiten, um das Problem der gefräßigen Gänse zu lösen. Der Kreistag Nordfriesland hat vor Kurzem eine entsprechende Resolution mit sehr konstruktiven Lösungen verabschiedet. Damit sollten wir uns vielleicht einmal befassen.

Deswegen beantrage ich heute die Überweisung unseres Antrags in den Umwelt- und Agrarausschuss, um mit Ihnen, aber vor allem mit allen Betroffenen zu beraten, wie man dieses Problem, das Dauerproblem mit den Wildgänsen, lösen kann. Vielen Dank.

(Beifall Jörg Nobis [fraktionslos] und Claus Schaffer [fraktionslos])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Klaus Jensen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gänsefraßschäden an der Westküste sind ein Problem, das wir hier im Landtag seit über zehn Jahren immer wieder diskutieren. Was ist da los? Die Populationen von Grau- und vor allem von Nonnengänsen gehen durch die Decke. Große Schwärme sind im Frühjahr und im Herbst an der Küste und auf den Inseln anzutreffen. Eine Gans frisst, so die Faustregel, 1 kg Gras oder Getreide

pro Tag und hinterlässt auch ebenso viel Kot auf den Flächen.

Das hat besonders in diesem Jahr zu katastrophalen Ernteausfällen geführt. Dies wird auch durch die Vorlage der Erntestatistik 2020 bestätigt - wir hörten es eben -, wonach auf betroffenen Flächen bis zu 80 % Ertragsausfälle zu verkraften sind. Das kann man nicht verkraften. Ich danke dem Bauernpräsidenten Werner Schwarz, dass er das auf dieser Erntepressekonferenz deutlich hervorgehoben hat.

Die in der Vergangenheit aufgelegten Naturschutzprogramme haben zwar einen gewissen Ausgleich der entstandenen Schäden zum Ziel gehabt, konnten aber nicht annähernd auskömmlich sein. Wesentlich größere Bestände, besonders von Nonnengänsen, und eine sehr viel längere Verweildauer haben das Problem eher verschärft. Hier sollte ernsthaft darüber nachgedacht werden, den bisherigen Schutzstatus der Nonnengans herabzustufen, zum Beispiel durch Feststellen des günstigen Erhaltungszustandes.

(Vereinzelter Beifall CDU, FDP und Beifall Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

In ihrem Bestand ist diese Gans mit Sicherheit nicht mehr gefährdet.

Meine Damen und Herren, gerade jetzt ist es geboten, dass sich der Landtag mit diesem Thema wieder befasst.

Ich möchte dennoch kurz klarstellen, dass wir dem vorliegenden Antrag der AfD-Abgeordneten nicht zustimmen werden, weil die meisten der dort aufgeführten Punkte bereits erledigt sind.

(Zuruf Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

Was ist aber zu tun, damit ein wirksames Gänsemanagement installiert werden kann, das diesen Namen auch verdient? Der Landtag hat dies übrigens schon in einem einstimmigen Beschluss im Mai 2016 gefordert. - Die Lösung kann nur ein Paket von Maßnahmen sein. Maßgeblich ist die Einführung einer Entschädigungsregelung, die neben den bisher ausschließlich berücksichtigten Ackerflächen auch das Grünland umfasst. Diese Lücke muss geschlossen werden.

(Beifall CDU)

Die Feststellung des Schadens könnte wieder von der Landwirtschaftskammer übernommen werden, wie es Anfang der 90er-Jahre schon der Fall war. Dies wird ohne Frage zu höheren Zahlungen pro Hektar führen müssen, um den tatsächlich entstandenen Schaden auch vollständig auszugleichen. Be

(Volker Schnurrbusch)

sonders den Landwirten auf den Inseln könnte aber wirksam geholfen werden. Der gut gemeinte Ansatz mit Ausgleichszahlungen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes bei gleichzeitiger Duldung der Gänse ist jedenfalls gescheitert.

Ziel muss eine Regulierung der Bestände in einer noch festzulegenden Bandbreite durch Vergrämung, durch Absammeln von Gelegen und ja, auch durch Abschüsse sein. Ohne sie wird es nicht gehen, um zu einem wirksamen Bestandsmanagement zu kommen. Meine Damen und Herren -

(Beifall CDU und FDP)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

- Ich komme zum letzten Satz. - Es ist kein Geheimnis, dass das Ministerium an der Schaffung neuer Finanzierungshilfen arbeitet, das hat Minister Albrecht meiner Bundestagskollegin Astrid Damerow in einem Brief auch zugesichert. Ich erwarte damit auch einen wirksamen Beitrag zur Sicherung der durch Gänsefraß betroffenen landwirtschaftlichen Betriebe an der Westküste und besonders auf den Inseln. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP und Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Kirsten Eickhoff-Weber.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herzliche Grüße von der erkrankten Kollegin Sandra Redmann. An ihrer statt darf ich jetzt die Rede zu den Gänsen reden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder kommt die AfD mit einem Antrag mit Obergrenze. Obergrenze ist kein politisches Gestaltungselement.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Aber dennoch: Immer wieder Obergrenze.

(Jörg Nobis [fraktionslos]: Damit kommen Sie doch bei den Infektionen auch!)

Klaus Jensen hat es gerade gesagt: Das Thema Gänse beschäftigt diesen Landtag seit zehn Jahren, vielleicht noch viel länger, und auch das Thema

Management wird hier in Schleswig-Holstein nicht nur gedacht, das wird auch praktiziert. Zu einem guten Management gehört ein Gänsemonitoring, denn nur genaue Zahlen können uns bei der Entwicklung von Maßnahmen helfen. Diese Datengrundlagen dienen dem Schutz der bedrohten Gänsearten und gleichzeitig der angemessenen Begrenzung der Population von häufigen Arten.

Dabei dürfen wir nicht nur Schleswig-Holstein sehen, sondern müssen auch die Bundesebene und die internationalen Aspekte im Auge behalten. Ich weiß, mit den internationalen Aspekten hat es die AfD nicht so. Aber bei Zugvögeln ist man gut beraten, wenn man über die Grenze hinausschaut.

(Zuruf Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

Denn, und auch das ist wichtig, man kann nicht alle Gänsearten in einen Topf werfen - wenn Sie das bitte im übertragenden Sinne nehmen.

(Heiterkeit)

Es gilt, unterschiedliche Rahmenbedingungen zu schaffen, und das hat das Ministerium im April 2020 umfangreich dargestellt. Herr Minister, vielen Dank an Sie, an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn das war ein guter Bericht. Es ist deutlich geworden, dass Sie die Sorgen der Landwirte in Schleswig-Holstein ernst nehmen, denn SchleswigHolstein hat einen Antrag gestellt, in der nächsten GAP-Förderperiode auch Schäden durch geschützte Tierarten EU-förderfinanzierungsfähig zu gestalten. Schleswig-Holstein ist auch auf die Gremien des Afrikanisch-Eurasischen Wasservogelabkommens zugegangen und wirbt massiv für ein einheitliches Vorgehen im Rahmen der rechtlichen Vorgaben. Das ist ein kluger Weg.

(Beifall SPD)

Auch Vergrämungsmaßnahmen sind bereits möglich. Ob diese zweckmäßig sind und wie man sie gestalten muss, damit sie zweckmäßig sind, wird sicherlich weiterhin Thema im Ausschuss sein.

Mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich Marlies Fritzen vom 7. November 2018:

„Vergrämungen sind angesprochen worden. Wir wissen, dass sie weitgehend wirkungslos sind, weil die Gänse auffliegen und sie, wenn sie herunterkommen, noch hungriger sind. Wir kennen das alle aus der Situation, wenn wir einmal im Fitnessstudio waren und dann noch mehr zu uns nehmen.“

(Heiterkeit)

(Klaus Jensen)

Genauso ist das bei den Gänsen. Sie sind an manchen Stellen zutiefst menschlich.

Die Punkte, Herr Schnurrbusch, die Sie beantragt haben, sind unnötig, rechtlich nicht haltbar und überflüssig. Zu einem besonders gutes Management gehört es, dass es ständig weiterentwickelt wird das passiert schon in Schleswig-Holstein. Diese Entwicklung muss im Sinne des Arten- und Naturschutzes und der Landwirtschaft passieren. Ihr undifferenzierter Antrag ist zu spät und überflüssig. Deshalb werden wir ihn selbstverständlich ablehnen. - Danke.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Bernd Voß.

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich darf für die erkrankte Kollegin Marlies Fritzen reden und von dieser Stelle aus gute Besserung wünschen.

(Vereinzelter Beifall CDU und Beifall Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In großen Schwärmen ziehende und rastende Gänse werden für Naturliebhaberinnen und Naturliebhaber eine Freude sein, sie richten aber auf landwirtschaftlichen Flächen durch Fraß und Verkotung erhebliche Schäden an. Das ist ein Ärgernis und mehr. Das Problem ist überhaupt nicht neu, es ist durch den Anstieg der Gänsezahlen in den letzten Jahren aber erheblich verschärft worden. Einzelne Betriebe, deren Flächen bevorzugt aufgesucht werden, sind besonders hart betroffen. Das wollen wir nicht wegdiskutieren. Diesen Betrieben muss geholfen werden.

Deshalb gibt es das Angebot im Rahmen des Vertragsnaturschutzes. Die Ausgleichszahlungen für die Duldung der Gänse auf bestimmten Flächen und die Vergrämung auf anderen Flächen wird dadurch ermöglicht. Der Landtag hat - das ist eben schon gesagt worden - 2016 die Landesregierung einstimmig gebeten, ein landesweit abgestimmtes und breit akzeptiertes Handlungskonzept für gänsebedingte Fraßschäden in der Landwirtschaft zu entwickeln. Genau das macht die Landesregierung. Ich nenne das Onlinetool zur Erfassung der Schäden, das eingerichtet wurde. Seitens der Landwirtschaft wird eine Umstellung der Entschädigungszahlungen gefordert. Wir Grüne sind offen dafür. In den Diskussio

nen um die zukünftige EU-Agrarförderung setzt sich das Land dafür ein, dass Entschädigungszahlungen für Gänseschäden in der kommenden Förderperiode auch kofinanzierungsfähig werden. Ich glaube, dass das eine gute Perspektive ist. Wenn dies auch Wunsch der beteiligten Akteure ist, wollen wir die Mittel aus dem Vertragsnaturschutz Gänse künftig dafür in Kofinanzierung verwenden.