Protokoll der Sitzung vom 29.10.2020

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/2493 dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Es ist nicht so ganz eindeutig, wie in der CDU abgestimmt wird. - Doch, jetzt zwischenzeitlich ja. Wer ist dagegen? - Dann ist das mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten Schnurrbusch, Schaffer, Dr. Brodehl und von SaynWittgenstein. - Wer ist dagegen? - Das sind alle anderen Abgeordneten. Damit ist der Antrag dann abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 39 auf:

Polizei besser schützen - Tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte konsequent verfolgen und bestrafen

Antrag des Abgeordneten Claus Schaffer (frakti- onslos) Drucksache 19/2494

Mehr Respekt für unsere Einsatzkräfte - Akzeptanz und Wertschätzung für die Arbeit unserer Einsatzkräfte stärken!

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/2528

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Claus Schaffer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Tätliche, also gewalttätige Angriffe auf Polizeibeamte richten sich immer auch gegen unsere demokratisch verfasste Gesellschaft und damit letztlich gegen uns alle. Die jüngsten Ausschreitungen in Leipzig-Connewitz, wo sich Linksextremisten drei Tage lang gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei lieferten, aber auch die Geschehnisse in Berlin anlässlich der Räumung eines von Linken besetzten Hauses geben hierfür erschreckende Beispiele ab.

Auch in Schleswig-Holstein wurde im zurückliegenden Jahr praktisch an jedem Tag ein Polizeibeamter durch Gewalttäter verletzt. Es ist also auch unser Thema. Wenngleich die Zahl der Angriffe auf Polizeibeamte im Vergleich zum Vorjahr hier leicht rückläufig ist, sind es doch mehr als 1.250 Fälle, die auch für mich vollkommen unerträglich sind.

Linksextreme Gewalttäter haben zuletzt in Henstedt-Ulzburg ohne mit der Wimper zu zucken Polizeibeamte attackiert. Diese anlasslose Gewaltbereitschaft macht mich dabei sehr nachdenklich, und das Nachdenklichsein sollte auch hier um sich greifen.

In der Tat trifft dieses Nachdenklichwerden nicht nur die AfD. Denn auch Sachsens Innenminister Wöller will ein Mindeststrafmaß von sechs Monaten für tätliche Angriffe auf Polizeibeamte. Auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag, Thorsten Frei, sprach sich für ein höheres Strafmaß aus. Die Gesellschaft müsse sich stärker schützend vor die Sicherheitskräfte stellen, wird dieser zitiert.

Noch ein Bundestagsabgeordneter der CDU, Herr Irmer, sieht eine Anhebung des Strafmaßes ebenfalls für notwendig an. Ich denke, wir sind da durchaus in guter Gesellschaft, zumindest soweit es den konservativen Kern der CDU betrifft. Strafandrohungen allein schrecken nicht ab. Darüber sind wir uns in der Tat alle einig. Ja, wenn ein Gewalttäter einen Polizeibeamten tätlich angreift - ein kräftiger Stoß gegen den Oberkörper ist bereits ein solcher Angriff -, dann halte ich eine Mindestfreiheits

(Minister Jan Philipp Albrecht)

strafe von sechs Monaten für vollkommen angemessen.

Ich bin mir auch absolut sicher, dass erste Verurteilungen in Kreisen derer, die Polizeibeamte gerne einmal angreifen, sehr schnell die Runde machen werden. Diese Verurteilungen werden Wirkung entfalten, wenn sie denn erfolgen und wenn sie schnell erfolgen. Also rauf mit der Mindeststrafe für tätliche Angriffe auf Polizeibeamte, dann braucht es nur noch konsequente Verurteilungen, und ein wesentlicher Baustein zu einem verbesserten Schutz der Frauen und Männer im Polizeidienst ist damit gesetzt.

Ihr Alternativantrag - vielen Dank dafür - bestätigt unsere Idee einer Kampagne für die Polizei, und sie erweitert diese sogar. Das ist ein gutes Signal, denn auch wenn wir das hier schon mehrfach thematisiert haben: Ihr Bemühen und auch unseres aus der Vergangenheit wird immer und immer wieder durch die Angriffe der SPD auf die Polizei bundesweit und zuletzt mit einer einzigen Pseudo-RassismusKampagne kaputtgemacht. Wir brauchen also ein schärferes Schwert, und deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall Jörg Nobis [fraktionslos] und Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Tim Brockmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Polizei in Schleswig-Holstein ist eine Bürgerpolizei. Sie ist 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Freund und Helfer für die Menschen in unserem Land. Das ist das Selbstverständnis unserer Polizei, und auch die überwiegende Anzahl der Menschen in Schleswig-Holstein sehen dies genauso. Unsere Polizistinnen und Polizisten halten jeden Tag ihren Kopf hin. Sie sind in Gesprächen mit den Bürgern, sie helfen in kritischen Situationen und wagen sich in gefährliche Einsätze. Sie arbeiten im Schichtdienst, sie arbeiten am Wochenende, und für all das, was sie leisten, gebührt ihnen Dank, Anerkennung und Respekt.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, Beifall Doris Fürs- tin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos] und Volker Schnurrbusch [fraktionslos])

Leider sind dieser Dank, diese Anerkennung und dieser Respekt nicht selbstverständlich. Es kommt

immer wieder vor, dass Polizistinnen und Polizisten genau das Gegenteil erfahren, nämlich Misstrauen, Geringschätzung und leider auch Gewalt.

Gewalt gegenüber einem Menschen auszuüben, ist nur in wenigen Situationen hinnehmbar: neben Notwehrsituationen nämlich nur dann, wenn sie vom Staat zur Durchsetzung von Gesetzen ausgeübt wird. Das gilt ohne Ausnahme.

Umgekehrt heißt das auch, dass ein gewalttätiger Angriff auf Einsatzkräfte nicht hinnehmbar ist. Es ist nicht nur ein Angriff auf die persönliche Integrität, auf Leib und Leben eines Menschen, sondern es ist auch ein Angriff gegen unseren Staat. Einen solchen Angriff müssen wir mit aller Entschlossenheit beantworten.

Insofern war es gut, dass die Große Koalition in Berlin bereits im Jahr 2017 auf die zunehmende Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten reagiert hat. Mit der Einführung des eigenen Straftatbestandes tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in das Strafgesetzbuch wurde ein klares und unmissverständliches Zeichen gesetzt, nämlich, dass wir als Staat keine Gewalt gegen Vollstreckungsbeamte tolerieren. Diese Verschärfung des Strafrechts war längst überfällig und im Übrigen eine alte Forderung der CDU-Landtagsfraktion.

Es ist völlig klar, dass mit dieser Verschärfung nur ein erster wichtiger Schritt gegangen wurde. Da dieser Schritt allein nicht ausreichend ist, setzt unser Antrag an dieser Stelle an. Wir wollen, dass Gewalt gegen Einsatzkräfte noch stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt wird. Respekt und Anerkennung müssen wieder gesamtgesellschaftlicher Konsens werden. Wir wollen unsere Polizistinnen und Polizisten noch besser auf diese Realität vorbereiten und die Gesellschaft sensibilisieren.

All diese Maßnahmen helfen weiter als ein populistischer Antrag, der einfach nur die Mindeststrafe erhöhen will und völlig übersieht, dass es eine Mindeststrafe ist und die Strafe nach oben hin deutlich weiter gefasst werden kann. Deshalb lehnen wir auch den Antrag des Abgeordneten Schaffer ab. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP, Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Burk- hard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Respekt und Anerkennung für Polizistin

(Claus Schaffer)

nen und Polizisten ist wichtig. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass er in weiten Teilen der Gesellschaft durchaus vorhanden ist. Deshalb möchte ich an dieser Stelle den Blick weiten und mit einer Frage beginnen: Wer verdient Respekt in dieser Gesellschaft? Polizeibedienstete, Feuerwehrleute, Rettungskräfte, Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, Politikerinnen und Politiker, Pflegekräfte, Kassiererinnen und Kassierer, Klempner im Notdienst, die Leute von der Müllabfuhr,

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

- nein -, aber auch die helfenden Hände in der Nachbarschaft.

(Stephan Holowaty [FDP]: Wer verdient denn keinen Respekt?)

Ich finde, sie alle erfüllen an ihrem jeweiligen Platz eine gute und wichtige Funktion.

(Beifall SPD)

Eine gute Gesellschaft lebt davon, dass sie denen Respekt und Anerkennung zollt, die sich für das Gemeinwohl engagieren und die Dienste an anderen tun. Eine gute Gesellschaft geht mit diesen Menschen sorgsam um und zeigt Dankbarkeit. Diese Dankbarkeit hat unterschiedliche Ebenen. Manchmal zeigt sie sich in kleinen Gesten und manchmal auch in großen, grundlegenden politischen Entscheidungen.

Einsatzkräfte und Amtsträger haben eine Gemeinwohlaufgabe, die ihnen die Pflicht auferlegt, anderen zu sagen, was sie in bestimmten Situation zu tun oder zu lassen haben. In einer Gesellschaft, die auf Individualrechte setzt, kommt das nicht immer gut an, auch wenn es dem Gemeinwohl dient. Hier liegt ein zentrales Problem, das mit den beiden vorliegenden Anträgen leider nicht gelöst werden kann.

Härtere Gesetze können Einsatzkräften nicht mehr Respekt verschaffen. § 114 StGB ist - in Teilen zumindest - das beste Beispiel dafür, denn seine Einführung hat die Sachlage nicht wirklich verbessert.

Wissen Sie, ein Strafrahmen ist wie ein Bilderrahmen. Manchmal sieht der Rahmen toll aus, aber entscheidend ist das Bild, und dieses Bild im Strafrahmen wird von der Justiz bestimmt, denn sie füllt ihn aus.

Ich wüsste jetzt gern, warum die Zeit fast abgelaufen ist. Das kann eigentlich nicht sein.

Doch, das ist so, weil Sie nur 3 Minuten Redezeit haben, Frau Abgeordnete.

Dann bin ich an dieser Stelle falsch davor. Aber das macht nichts. - Ich möchte gern darauf hinweisen, dass der Strafrahmen das eine ist und das Handeln der Justiz das andere. Hier hat es in den letzten Jahren viele Verbesserungen gegeben, unter anderem die Sonderdezernate für genau die Amtsträgerdelikte.

Wir glauben, das überzeugende Demokratieprojekte von Kindertagen an nachhaltigeren Erfolg versprechen als Werbekampagnen. Dass man sich trotzdem anhand eines Antrags, wie die CDU ihn gestellt hat, darüber unterhält, wie man zu besseren Lösungen kommen kann, nehmen wir als gutes Signal. Ich sage Ihnen aber auch ganz ehrlich: Wer Polizistinnen und Polizisten nach besonders belastenden Einsatzlagen helfen will - sie entstehen auch durch Beleidigungen, Angriffe und Demütigungen -, der muss dafür sorgen, dass sie die entsprechenden psychologischen Hilfen und die Möglichkeiten zur vorurteilsfreien Supervision bekommen. Ich hoffe, dass auch das Thema wird, wenn wir über den Antrag der CDU beziehungsweise irgendwann über die Ergebnisse beraten. - Herzlichen Dank.

(Beifall SPD)

Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Abgeordnete Burkhard Peters.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst seit gut zwei Jahren wird der sogenannte tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte mit einer Mindeststrafe von drei Monaten bedroht. Die Höchststrafe beträgt fünf Jahre. Im besonders schweren Fall gilt auch heute schon die Mindeststrafe von sechs Monaten.

Meine Damen und Herren, wenn die Behauptung des Abgeordneten Schaffer stimmen sollte, dass diese - aus meiner Sicht wegen der Unbestimmtheit und Uferlosigkeit des Tatbestandsmerkmals „tätlicher Angriff“ schon damals überzogene Verschärfung - nichts gebracht hat, bestätigt dies nur eine gesicherte kriminologische Erkenntnis: Strafverschärfungen haben - gerade bei affektgesteuerten