Also sagen Sie mir nicht, ich hätte mich nicht mit den Fakten auseinandergesetzt. Erkennbar sind Sie es gewesen, der sich nicht mit den Fakten auseinandergesetzt hat; denn das ist die Geschichte der letzten Jahre.
Herr Dr. Stegner, Ihre Erzählungen werden nicht dadurch wahr, dass Sie sich häufiger wiederholen. Die FDP war nicht gegen den Mindestlohn, sondern sie war gegen das Konstrukt dieses Mindestlohns. Wir hatten ein eigenes Konstrukt, das waren die Lohnuntergrenzen, was im Grunde dasselbe Prinzip ist.
Unser Modell unterschied sich von dem Ihrigen dadurch, dass mehr Tarifautonomie gewährt werden sollte. Ich finde es schon erstaunlich, dass Sie immer dann, wenn Sie der Meinung sind, durch Dirigieren besser eingreifen zu können, konsequent gegen Tarifautonomie sind.
Ich will das hier nicht übertreiben, aber lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Ich freue mich immer, wenn die FDP positiv über Tarifautonomie redet.
Ich will Ihnen aber sagen, dass der Mindestlohn das Notkonstrukt für die Bereiche ist, in denen Tarifautonomie nicht hinreichend funktioniert, in denen Mitbestimmung nicht entsprechend stattfindet, in denen es nicht genügend starke Gewerkschaften gibt, in denen teilweise ganz schlechte Tarifverträge gelten. Kollege Baasch hat vorhin darauf hingewiesen: Der Mindestlohn, so niedrig er auch war, hat dafür gesorgt, dass vier Millionen Familien einen deutlichen Gehaltssprung erlebt haben, weil sie eben nicht in Jobs gewesen
sind, die von der Tarifautonomie vor zu niedrigen Löhnen bewahrt wurden. Ich würde es begrüßen, wenn Sie die Freundlichkeit hätten, das anzuerkennen. Sie müssen Sozialdemokraten nicht über Tarifautonomie belehren. Dafür haben wir sehr viel länger gekämpft, als es die FDP gibt, um es einmal deutlich zu sagen.
- Dass Sie sehr viel länger dafür gekämpft haben, liegt vielleicht daran, dass es die SPD länger als die FDP gibt. Trotzdem -
Sie haben angefangen damit, dass Sie gesagt haben - - Es tut mir leid; ich habe den Faden vollkommen verloren. Wir können das gern woanders weiterführen.
(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Die Geschichte der Arbeiterbewegung und die der FDP behan- deln wir noch einmal!)
- Herr Dr. Dolgner, da Sie hinter diesem Ding sitzen und auch noch die Maske vor dem Mund haben, kann ich nicht verstehen, was Sie sagen; ich höre nur, dass Sie etwas sagen.
(Beate Raudies [SPD]: Er hat gesagt, dass wir die Geschichte der Arbeiterbewegung und die der FDP noch einmal behandeln!)
Vielen Dank. - Ich habe darüber gesprochen, dass wir das Problem auf zweierlei Arten angehen können: Einerseits können wir reglementieren und lamentieren. Wir könnten also einen Schuldigen suchen, den wir maßregeln können, oder jemanden, der das Problem für uns löst. Es gäbe aber noch eine andere Art, das Problem anzugehen: Man kann sich darum kümmern, das sich hier mehr hochwertige und besser entlohnte Arbeitsplätze ansiedeln. Das wäre übrigens auch ein Konjunkturprogramm für die Gewerkschaften.
Solche Ansiedlungen würden sich als Beschleuniger in dem Sinne auswirken, dass noch mehr Menschen am allgemeinen Wohlstand teilhaben könnten, was wiederum die Grundlage für einen breiten, allgemeinen Aufschwung wäre. Ich fände das gut. Wir haben über dieses Thema schon gesprochen. Ich habe noch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich starke Gewerkschaften für wichtig halte.
Ja, wir haben in Schleswig-Holstein aktuell vergleichsweise wenig hochwertige, besser entlohnte Arbeitsplätze. Sie von der SPD sprechen ja immer vom „deutschen Lohnkeller“ - nach vielen, vielen Jahren ohne Zweifel gut gemeinter sozialdemokratischer Politik.
Dem kann man entgegenwirken, zum Beispiel mit einer Industriestrategie oder einer Ansiedlungsstrategie, wie sie das Wirtschaftsministerium derzeit vorantreibt. Aber die Versäumnisse von 20 Jahren holt man natürlich nicht in fünf Jahren auf.
Grundsätzlich weiß doch jeder, wie es geht: wirtschaftsfreundlich sein, Steuern und andere Abgaben überprüfen und wenn möglich senken, Verwaltungsverfahren zuverlässig beschleunigen, Bürokratie und Gängelung abbauen, Dienstleistungsmentalität in Politik und Verwaltung leben - so geht das!
Bevor Sie vom SSW dagegen sind, empfehle ich Ihnen einen Artikel des „Nordschleswiger“ vom Montag. In der Region Nordschleswig tut man nämlich genau das, sehr erfolgreich übrigens. Laut dem Artikel ist Nordschleswig dabei, SchleswigHolstein abzuhängen. Wer hätte das vor 30 Jahren gedacht! Wenn Flemming Meyer noch hier wäre, würde ich sagen: Da kann man mal von Dänemark lernen!
Ja, das tue ich gern. - Wir sollten uns gemeinsam darum kümmern, dass wir hier bessere, hochwertigere Arbeitsplätze ansiedeln, anstatt zu versuchen, dirigistisch in funktionierende Systeme einzugreifen. - Vielen Dank.
Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ganz gut, wenn hier auch Unterschiede deutlich werden; in Debatten ordnungspolitischer Art zeigen sie sich sehr klar.
Meine Damen und Herren, Lohnfindung ist nicht Aufgabe des Gesetzgebers. Lohnfindung ist Aufgabe von Tarifparteien.
Das ist eine der ehernen und goldenen Regeln einer Marktwirtschaft, übrigens auch einer sozialen Marktwirtschaft.
Dass man Lohnuntergrenzen einführt, wie Kollege Kay Richert es gerade deutlich gemacht hat, die man als gesetzten Rahmen versteht, aber mit regionalen Unterschieden versieht -, das war damals das Modell der FDP. Das Berücksichtigen regionaler Unterschiede ist sehr wichtig; denn es ist etwas völlig anderes, ob ich 8,50 € pro Stunde in einem Ballungsraum mit hohen Miet- und Lebenshaltungskosten erhalte oder ob mir dieser Betrag in einer Region mit sehr viel niedrigeren Miet- und Lebenshaltungskosten zur Verfügung steht. Deshalb haben wir gesagt - dabei bleiben wir -: Es wäre schlau, bei der Festsetzung eines Lohnunterrahmens regionale Unterschiede zu berücksichtigen, die sich an den jeweiligen Lebenshaltungskosten orientieren.
Das war das Modell der FDP, das damals abgelehnt worden ist. Niemand hat damals bestritten, dass das ordnungspolitische Instrument des Mindestlohns vorrangig jedenfalls - dazu dient, einen Wettbewerb auf Kosten der Arbeitnehmer in Form von Lohndumping zu verhindern. Das war das Ziel des Mindestlohngesetzes.
Genau zur Erreichung dieses Ziels wurde der Mindestlohn ursprünglich an der sogenannten Pfändungsfreigrenze orientiert, nicht etwa an irgendwelchen anderen Zielstellungen. Es ging darum, dass sich das, was jedermann mindestens belassen wird, auch in einem entsprechenden Lohn widerspiegelt. So steht es in der Begründung Ihres damaligen Ge
Die Vertreter von CDU und FDP weisen zu Recht darauf hin, dass damals dazugesagt wurde: Nachdem der untere Rahmen definiert worden ist, überlassen wir bitte wieder den Tarifpartnern das Finden und Anpassen des entsprechenden Rahmens.
Die Mindestlohnkommission ist tätig. Sie hat dabei übrigens bestimmte Kriterien zu erfüllen, Herr Dirschauer. So gilt schon heute das nachlaufende Anpassen an die entsprechenden Tarifentwicklungen. Das macht die Mindestlohnkommission bereits. Es wäre nichts Neues, wenn man das einführte; es findet schon statt. Es findet aber auf dem damals gefundenen Sockel statt.
Die Anpassungsschritte erfolgen entsprechend. Im Juni dieses Jahres hat die Mindestlohnkommission einen Anpassungsschritt vorgenommen. Sie hat empfohlen, den Mindestlohn in vier Schritten anzupassen, bis man auf 10,45 € kommt.
Das Kriterium der Altersarmut spielt nach dem Mindestlohngesetz bisher keine Rolle; das ist so. Herr Abgeordneter Kalinka hat zu Recht die Frage aufgeworfen, ob der Mindestlohn überhaupt geeignet wäre, dieses Kriterium abzubilden. Die Faktoren, die zu Altersarmut führen haben, haben nicht ausschließlich - auch, aber nicht nur - mit dem Lohnniveau zu tun. Regionale Unterschiede und die Lebenshaltungskosten im Alter spielen eine wichtige Rolle. Ich glaube, das hat Herr Kalinka gemeint; dieser Überlegung sollten Sie sich nicht verschließen.
Wir können nicht davon ausgehen, durch die einmalige Festsetzung eines Mindestlohns heute für armutssichere Renten in 40 Jahren sorgen zu können. Das ist aus meiner Sicht nachgerade ausgeschlossen. Das wird nur über Anpassungen des Rententhemas möglich sein, nicht aber über einen zu definierenden Lohn.