Nächster Punkt: Man kann ja das hehre Ziel haben, aus sozialpolitischen Gründen eine solche Komponente einzubauen. Dann wäre es aber schlau, darauf zu gucken, was man sich damals vorgenommen hat, nämlich im Jahr 2020 das Mindestlohngesetz zu evaluieren. Diese Evaluation läuft. Der Bundesarbeitsminister hat fünf Gutachtenaufträge vergeben, um in bestimmte Richtungen zu prüfen, ob das Mindestlohngesetz anzupassen ist. Es wäre aus meiner Sicht relativ schlau, das, was bei diesen Gutachten herauskommt, abzuwarten. Wir werden
ja sehen, welche Ideen daraus erwachsen. Ich verschließe mich nicht, solchen Ideen näherzutreten, wenn die entsprechenden Gutachten vorliegen.
In Wahrheit haben wir doch heute die Situation, dass Ihr Antrag zur Unzeit kommt; denn die Gutachten liegen nicht vor. Nach dem Gesetz ist eine Evaluierungsphase vorgesehen. Wahrscheinlich kommen die Gutachten im letzten Quartal 2020 oder im ersten Quartal 2021 auf den Markt. Lassen Sie uns nach deren Vorliegen in Ruhe darüber reden, wie wir den Mindestlohn sorgsam weiterentwickeln können. Dann wird es auch darum gehen das ist eine gutachterlich hochinteressante Frage -, ob das von Ihnen angestrebte Ziel damit tatsächlich erreichbar ist.
Dritte Bemerkung: Wir haben heute Vormittag schon eine Diskussion über Wirtschaftshilfen geführt und darüber, welchen Belastungen die Wirtschaft ausgesetzt ist, auch und gerade jene Branchen, in denen Mindestlöhne gezahlt werden. Machen wir uns nichts vor: In dieser Diskussion sind wir ganz nah bei den Unternehmen, die gerade geschlossen sind; auch dort gibt es viele Mindestlohnzahler. Die Erhöhung des Mindestlohns nach Ihrer Vorstellung bedeutete eine Erhöhung auf einen Schlag um 39 %.
Angesichts der wirtschaftlichen Situation da draußen und angesichts der Tatsache, dass wir Unternehmen gerade mit Stützungsgeldern in die Lage versetzen, wirtschaftliche Stabilität zu erzeugen, macht es aus meiner Sicht wenig Sinn, entsprechende Belastungen zu schaffen, mit denen nicht dafür gesorgt wird, das Ziel zu erreichen. Das passt einfach nicht zusammen.
Auch aus diesem Grunde kommt der Antrag aus unserer Sicht zur Unzeit. Die Weiterentwicklung des Mindestlohns ist ohne Frage eine Thematik, der man sich zuwenden kann, aber bitte im richtigen Bereich und richtigen Rahmen. Die Vorschläge der Mindestlohnkommission halte ich für zielführend, und die Gutachten, die man zur Weiterentwicklung braucht, sollten vorliegen.
Herzlichen Dank, Herr Minister Buchholz. - Sie haben gerade davon gesprochen, dass viele Unternehmen, die jetzt in der Krise sind, Mindestlohn zahlen und dass eine besondere Belastung entstünde, wenn man einen höheren Lohn verlangen würde. Besteht die Belastung aber nicht auch bei denen, die einen geringeren Lohn erhalten?
Sie haben auf die anfängliche Debatte heute hingewiesen, eine Debatte, in der wir eineinhalb Stunden diskutiert haben, ohne eine Silbe über die Geringverdienenden zu verlieren, ohne über Minijobs oder Arbeitslose zu sprechen. Teilen Sie die Auffassung, dass auch die ein wichtiger Teil des Wirtschaftssystems sind und gerade dort besondere Härten vorhanden sind?
- Kollege Petersdotter, auf jeden Fall, sehr richtig. Entscheidend ist aber, was dafür sorgt, dass ich zukünftig wieder mehr Beschäftigung habe. Wenn ich die Unternehmen nicht mehr habe, die für Beschäftigung sorgen, ist das zweite Thema, nämlich für Beschäftigung zu sorgen, nicht mehr möglich. Deshalb ist dieser Aspekt ein sozialpolitischer Aspekt in der Krise, den man kurzfristig angehen kann. Aber eine Belastung der Unternehmen gefährdet langfristig die Schaffung von Arbeitsplätzen, und das ist gerade in der Pandemiesituation schwierig.
Beim Hochsetzen des Mindestlohns auf diese Größenordnung sollten wir gerade in einer solchen Phase beachten, dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt für Menschen, die lange draußen gewesen sind, nicht leichter wird, wenn der Mindestlohn ganz besonders hoch ist.
Das ist doch die logische Konsequenz. - Sie haben völlig recht: An die zu denken, ist auch wichtig. Deshalb ist es wichtig, gerade in dieser Phase darüber nachzudenken, wie man schnell wieder gute Beschäftigung schafft. Gute Beschäftigung schafft aber nicht der Gesetzgeber durch Erhöhung des Mindestlohns, sondern das schaffen Unternehmen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 2 Minuten überschritten. Diese Zeit steht jetzt allen Fraktionen zu. - Zu einem Kurzbeitrag hat sich der
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Buchholz hat die Genese des Mindestlohns historisch korrekt dargestellt, auch die Begründungen von damals. Man muss allerdings bedenken, dass die Hypothesen damals anders waren. Die Begründungen, die damals gewählt worden sind, gingen davon aus - ich habe vorhin referiert, was der Kollege Richert vorgetragen hat -, dass es eine Belastung darstellen würde und Tausende von Arbeitsplätzen verloren gingen. Das war aber nicht der Fall.
Herr Minister Buchholz, es darf nicht auf Dauer einen Wettbewerb um die schlechtesten Löhne geben, sondern es muss einen Wettbewerb um die beste Qualität und gute Löhne geben. Deutschland ist Hochlohnland.
Gerade als Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins wissen Sie, dass die meisten Unternehmen in Schleswig-Holstein Mindestlöhne zahlen. Wir schützen sie vor Dumpingkonkurrenz, auch in der Krise. Auch das ist gut am Mindestlohn.
Man sieht ja, dass es selbst in der Krise - wir werden morgen darüber debattieren, die Kollegin Midyatli wird das morgen zur Fleischindustrie vortragen - einzelne Bereiche gibt, die versuchen, mit dem Geschäftsmodell Niedriglohnland Deutschland zu operieren. Das führt nicht zu einer Stärkung, das verschärft die Krise.
Deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir das über gute Arbeit machen müssen, in Zeiten des Fachkräftemangels erst recht, über anständig bezahlte Arbeit, dass wir in den Wettbewerb mit anderen treten. Wir schützen die vernünftigen Arbeitgeber, von denen es im Land Schleswig-Holstein viele gibt, vor Dumpingkonkurrenz. Deswegen haben wir den Mindestlohn eingeführt, und der muss so ausgestaltet sein, dass man davon leben kann. Wir werden niemals akzeptieren, dass Arbeit - egal, wofür - so bezahlt wird, dass man davon nicht leben kann.
Auch Langzeitarbeitslose kommen übrigens nicht, wenn wir den Mindestlohn möglichst niedrig halten, besonders leicht in den Arbeitsmarkt. Im Gegenteil, wir ermuntern manchmal, reguläre Beschäftigung durch prekäre zu ersetzen. Das war eine Fehlentwicklung, auf die der Gesetzgeber und die Politik reagieren müssen. Das ist unsere Konsequenz aus der Geschichte, die Sie referiert haben. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Herrn Minister Dr. Buchholz für die Brücke danken, die er in dieser Diskussion gebaut hat. Wir wären gut beraten, uns auch mit Blick auf das, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Dr. Stegner, bei der Gliederung der Diskussion ein bisschen anzunähern.
Erstens. Wir sind uns völlig einig: Vom Mindestlohn sollte, müsste man leben können. Das war immer unsere Position. Deswegen haben wir eine sehr beachtliche relative Erhöhung, die absolut zwar nicht so hoch ist, aber prozentual gesehen. Auch der 148-seitige Bericht der Mindestlohnkommission macht deutlich: Die ersten Effekte setzen sich jetzt nicht mehr fort. Das muss man ganz nüchtern sehen.
Der zweite Punkt, den ich versucht habe einzubringen - ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das begleitet haben -, ist die Frage: Welche weiteren Kosten zum Leben haben wir, die diejenigen, die Mindestlohn und damit den geringsten Lohn beziehen, am meisten betreffen? Auch darüber müssen wir sprechen, wenn wir helfen wollen. Da gibt es durchaus einige Punkte; die Stichworte habe ich genannt.
Drittens stelle ich die Frage: Was sind die Faktoren, die die Sicherung im Alter ausmachen? Ich habe meine großen Zweifel dargelegt, dass man das über dieses Modell machen kann. Das glaube ich einfach nicht, da sehe ich in 30 oder 40 Jahren keine Chance. Das heißt nicht, dass wir uns keine Gedanken machen können und müssen, wie die Menschen im Alter so gestellt sind, dass nicht von vornherein klar ist, dass sie in immer größere Probleme kommen.
Diese drei Punkte sollten wir uns nach dieser Debatte, die durchaus nicht trennend war, sondern zusammengeführt hat, vornehmen. So könnten wir beispielsweise im Sozialausschuss und begleitend im Wirtschaftsausschuss die weitere Debatte miteinander angehen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich möchte auf die Vorredner eingehen. Der Kollege Kalinka hat vorhin gesagt, das verhindere nicht die Grundsicherung. Das ist natürlich richtig, denn Menschen können arbeitslos werden und bekommen dann keinen Mindestlohn.
Es geht darum, dass ein Arbeitsminister im Auftrag der schwarz-roten Koalition auf Bundesebene eine Antwort gegeben hat, was an Mindestlohn notwendig wäre, um - wenn man 45 Jahre lang Vollzeit arbeitet - zumindest eine Chance zu haben, der Grundsicherung zu entgehen. Das war vor zwei Jahren eine Höhe von 12,63 €; berücksichtigt man die Inflation, kommt man nahe an 13 € heran. Das ist für uns das Maß aller Dinge.
Der Kollege Richert hat gefragt: Wie ist das mit den Langzeitarbeitslosen und den unter 18-Jährigen? Warum sollen die unbedingt so viel Geld kriegen? Der Grundsatz „gleiche Arbeit, gleicher Lohn“ gilt für uns grundsätzlich für alle Bereiche. Es geht ja nicht nur um Langzeitarbeitslose, die Schwierigkeiten haben, in den Arbeitsmarkt zu kommen. Da könnte man den Unternehmen Zuschüsse zahlen; das hat es schon immer gegeben; es ist überhaupt kein Problem, dass man den Mindestlohn flankiert.
Hier trifft es aber auch Langzeitarbeitslose, die einfach Pech im Leben gehabt und noch keine Arbeit gefunden haben, die auch noch geknechtet werden sollen. Ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist.
Am Ende muss es so sein, dass die Leute von ihrem Lohn leben können. Sie geben selbst zu - ich weiß nicht, ob das in der gesamten FDP so ist -, dass das für Sie ein Leitziel ist. Wenn wir merken, dass wir dieses Ziel mit den derzeitigen Regelungen für einen Mindestlohn nicht erreichen, müssen wir handeln.
Genau das schlagen wir jetzt vor: das System komplett zu ändern. Uns ist natürlich klar, dass die fünf Gutachten kommen werden. Deswegen beteiligen wir uns natürlich frühzeitig an einer politischen Diskussion, damit in den Gutachten hoffentlich etwas Vernünftiges drinsteht. Das ist unsere Intention.
Wir wissen es natürlich zu schätzen, dass wir darüber noch einmal im Ausschuss reden werden. Das ist in Ordnung. Am Ende ist aber das Wichtigste für uns, meine Damen und Herren: Wir haben da eine ganz klare, dezidierte Meinung, die sich durchaus von der anderer Menschen in diesem Haus unterscheidet. Für uns ist nur ein einziges Kriterium wichtig: dass ein Mindestlohn armutsfest zu sein hat. Das ist der Hauptpunkt im Antrag.
Es ist nicht ein bestimmter Betrag, sondern, dass ein Lohn, verdammt nochmal, armutsfest sein muss. Das kann doch gar nicht anders sein. Wir können uns doch nicht im Spiegel anschauen, wenn wir denken: Na ja, es gibt eben einige, die durch das Raster fallen. Das machen wir bei den Pandemiehilfen auch nicht, da versuchen wir, jedem so gut wie möglich zu helfen. Hier ist es ein Dauerthema, dass Leute für ihre Arbeit nicht ordentlich entlohnt werden, weil dieser Lohn nicht armutsfest ist. Das müssen wir ändern.
Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/2387 federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist es einstimmig so beschlossen worden.