Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

gendwelche Informationen? Außerdem sucht man in der Umzugsdatenbank der Deutschen Post.

Oft gibt es aber auch dann keine näheren Informationen, wie man die Person, der das Geld gehört, irgendwie erreichen kann oder etwaige Erbinnen oder Erben erreichen könnte. Das Ganze versucht man dann über 30 Jahre - jedoch nicht im Wochentakt. Nach 30 Jahren kommt in der Regel die letzte Abfrage. Wenn es dann immer noch niemanden gibt, dem man das Geld zuordnen könnte, dann wird das Ganze einfach als Gewinn der Bank verbucht.

Ich glaube, wir sind uns darin einig, dass das Geld sinnvoller ausgegeben werden kann. Anstatt das Geld im Rauschen der Banken untergehen zu lassen, wollen wir es gern sozial-ökologischer Innovation zuführen. Ich glaube, das wäre etwas, was sowohl Start-ups als auch anderen gemeinnützigen Organisationen durchaus helfen könnte und unsere Gesellschaft im Gesamten voranbringen würde. Da es sich um eine Summe von bis zu 9 Milliarden € handelt, lohnt es sich durchaus, über dieses Thema intensiv zu sprechen.

Das Thema ist nicht ganz neu, und es ist auch nicht das erste Mal, dass man die Idee aufbringt. Andere Länder haben es deutlich sinnvoller gelöst, und zwar die meisten anderen Länder. Deswegen braucht es auch in Deutschland eine solche Regelung.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland ist das einzige G-7-Land, das keine klare Rechtslage zur Verwendung solcher Mittel hat. Allein schon deswegen braucht es eine Rechtssicherheit - sowohl für die Finanzdienstleister als auch für die Menschen, die Anrecht auf dieses Geld haben. Dieses Anrecht sollen sie bitte sehr nicht verlieren. Wer ein berechtigter Erbe ist, soll dieses Geld auch weiterhin erben können.

Wir wollen also die unsichere Rechtslage ändern und das Geld einer sinnvollen Verwendung zuführen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man nach zehn bis 15 Jahren diese Mittel als nachrichtenlos deklariert. Nachrichtenlos nach zehn bis 15 Jahren mag ein bisschen schnell klingen, aber wir müssen auch berücksichtigen, dass das Geld zum Beispiel in den USA bereits nach einem Jahr als nachrichtenlos gelten kann und in Australien nach drei Jahren. Bei dieser Frist von zehn bis 15 Jahren habe ich mich im Wesentlichen an der Schweiz, Japan und Korea orientiert, die die Regelung so getroffen haben.

Es sollte vielleicht auch nicht nur um Bankkonten gehen. Wir können auch darüber sprechen, wie es mit anderen Vermögen wie zum Beispiel Wertpapieren aussieht, und ob die dort auch eine Berücksichtigung finden können, denn viel Vermögen ist selbstverständlich dort angelegt, spätestens seitdem es keine Zinsen mehr gibt.

Das Ganze kann sinnvoll registriert werden. Ich finde den Vorschlag aus der SPD sehr gut.

Dann wird man natürlich darüber sprechen, wenn es dort eine Summe X gibt, wie sie verwendet wird. Da gibt es unterschiedliche Vorschläge. Wir haben die Vorschläge der SPD gehört, wir haben unsere Vorschläge,7 orientiert an der Gemeinnützigkeit, aber auch an Start-ups. Auch hier geht es in jedem Fall in etwas Sinnvolles. Aber es gibt auch eine sehr prominente Forderung nach einem Social-ImpactFonds, die, so glaube ich, es wert ist, im Ausschuss diskutiert zu werden und über die wir uns weiter unterhalten können. Dieser wird von der KfW verwaltet, wir haben hier also eine ganz gute Institution, die ihren Blick darauf hat, wie die Mittel verwendet werden.

Ich freue mich also auf die Debatte im Ausschuss, wo wir mit Sicherheit in der Anhörung oder in anderen Verfahren noch einige sinnvolle Informationen zu dem Vorschlag finden und dann gut gerüstet damit in den Bundesrat gehen können; denn wie es jetzt ist, ist es nicht sinnvoll geregelt, auch wenn es irgendwie Wege gibt. Wir können auch hier durch kleine Veränderungen durchaus Großes erreichen und so die Gesellschaft voranbringen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Johannes Callsen [CDU] und Dennys Born- höft [FDP])

Das Wort für die FDP-Fraktion hat die Abgeordnete Annabell Krämer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Schätzungsweise 2 bis 9 Milliarden € nicht zuordenbare Euro liegen auf deutschen Bankkonten und Depots. Finanzinstitute haben den Kontakt zum Kunden verloren, sei es, weil der Kunde verstorben ist und der Erbberechtigte keine Kenntnis über das Vermögen hat, oder sei es, weil der Kunde umgezogen ist und dies seiner Bank nicht mitgeteilt hat. Durch die Digitalisierung - das ist ein Nachteil - nimmt die Anzahl der herrenlosen Konten zu. Anders als in früheren

(Lasse Petersdotter)

Zeiten fällt den Erben kein physisches Sparbuch mehr in die Hände.

Im Gegensatz zu den USA, dem Vereinigten Königreich, Kanada, Japan, Frankreich und Italien hat Deutschland - wir hörten es bereits - als einziger G-7-Mitgliedstaat keine Regelungen für den Umgang mit nachrichtenlosen Assets. Diese Regelungslücke wollen wir jetzt schließen. Die FDP im Bundestag hat im März 2020 mit der Drucksache 19/17708 einen vergleichbaren Antrag eingebracht wie der jetzt von uns vorliegende Antrag. Dort wird die Einrichtung eines zentralen Meldesystems mit gesetzlicher Melde- und Auskunftspflicht für nachrichtenlose Vermögenswerte gefordert, um die Nachverfolgung von Konten durch Anspruchsberechtigte zu erleichtern.

Wie könnte das gehen? - Eine Website könnte Auskunft darüber geben, ob es Einträge im Melderegister gibt. Datenschutzrechtliche Einwände greifen hier meines Erachtens nicht, da ein berechtigtes Interesse auf Auskunft analog zum Grundbuch oder zum Handelsregister besteht oder aber bestehen muss. Vermögen, das derzeit herrenlos auf Konten und in Depots liegt, ist totes Kapital, das nicht wertschöpfend eingesetzt wird. Insofern setzen wir uns mit dem heutigen Antrag dafür ein, dass zwei durch die KfW verwaltete Fonds aufgelegt werden, auf die das Guthaben dieser Konten und Depots nach einer geeigneten Zeit der Nachrichtenlosigkeit überführt werden soll.

Das Guthaben dieser Fonds soll hälftig gemeinnützigen Zwecken und deutschen Start-ups als Risikokapital zur Verfügung gestellt werden. Die Mittel nachrichtenloser Konten sollen nach unserer Auffassung eingesetzt werden, um Zukunftsideen zu finanzieren, denn es mangelt in Deutschland an Wagniskapital. Insbesondere in späteren Wachstumsphasen stehen Gründer hierzulande vor erheblichen Problemen, ihren Kapitalbedarf zu finanzieren.

Der Mangel an Kapital birgt das Risiko, dass Gründer ins Ausland abwandern oder Wachstumschancen und Innovationskraft in unserem Land ungenutzt bleiben. Zum anderen könnte ein Fonds bei der der KfW geschaffen werden, der gezielt neue soziale, technologische und gesellschaftliche Innovationen fördert. Diese Kapitalanlagen haben primär keine Gewinnerzielungsabsicht, gleichwohl generieren sie einen hohen sozialen Mehrwert.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland könnte durch einen solchen Fonds für einen Wachstumsschub sorgen und zudem die Um

setzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen vorantreiben. Hier sei verwiesen auf den britischen Fonds Big Society Capital, der mit einem ähnlichen Modell in den letzten acht Jahren sage und schreibe mehr als 1 Milliarde € für solche innovativen Start-ups bereitstellen konnte.

An dieser Stelle muss aber auch klargestellt werden, dass die Eigentumsrechte der Berechtigten selbstverständlich unangetastet bleiben. Die Fonds sollen daher nach dem britischen Vorbild einen gewissen Anteil an liquiditätsnahen Investitionen vorhalten, um angemeldete Ansprüche sicher bedienen zu können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bisher sind die Finanzinstitute verpflichtet, die herrenlosen Konten weiterzuführen. Den Instituten entstehen hierdurch nicht nur Kosten durch die Verwaltung und Nachforschungsaufträge. Das operative Ergebnis wird zudem aktuell durch den negativen Einlagenzins der EZB von 40 Basispunkten belastet.

Mangels einer zentralen Veröffentlichung oder einer Auskunftstelle ist es für Anspruchberechtigte oft schwierig, die Vermögen zu ermitteln. Unter Vorlage des Erbscheins müssen sie sich teils mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand an jede Bank einzeln wenden. Hingegen ist es der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nach dem Kreditwesengesetz zum Zwecke der Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung erlaubt, die Inhaberdaten aller Konten in Deutschland abzufragen. Im Gegensatz zu Behörden sind Erben auf einen langwierigen und kostenintensiven Prozess angewiesen, wenn sie die Existenz eines Kontos zwar vermuten, aber nicht wissen, bei welchem Kreditinstitut es sich befindet.

Mit der Einrichtung eines zentralen Melderegisters und der Einführung von Fonds für gemeinnützige Zwecke und Start-ups gäbe es somit nur Gewinner. Die Banken würden von Verwaltungskosten und Negativzinsen entlastet, die Ermittlung von Vermögenswerten durch Erben würde erleichtert. Zusätzlich würden Gründer und soziale Zwecke unterstützt. Insofern freue ich mich außerordentlich, dass wir heute eine Bundesratsinitiative anstoßen, die den Druck auf Berlin erhöht, das von der FDP im Bundestag adressierte Anliegen endlich in die Tat umzusetzen. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Annabell Krämer)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Geld ist nie weg, es ist nur woanders. Diese Weisheit begegnet Unternehmern, Investoren und Durchschnittsbürgern regelmäßig im Alltag. Doch während so tagtäglich Milliarden Euro umgesetzt werden, schlummern gleichzeitig mutmaßlich zwischen 2 und 9 Milliarden € ungenutzt auf sogenannten nachrichtenlosen Bankkonten. Alles reine Schätzung, aber selbst wenn es deutlich weniger wäre: Hier geht es um Geld, das sehr viel sinnvoller eingesetzt werden könnte als auf den Bankkonten zu liegen. Allein: Uns fehlt die gesetzliche Handhabe.

Jeder Bank kann es passieren, dass der Kontakt zu einem Kunden abbricht - etwa durch einen Umzug in ein anderes Land, einen Todesfall oder die Schließung einer Firma. Hin und wieder wird in solchen Situationen vergessen, dass auch die Bank benachrichtigt werden muss. In vielen anderen Staaten gibt es klare und sinnvolle Regelungen dahin gehend, was die Bank in einem solchen Fall unternehmen muss, um den Kontakt womöglich doch wiederherstellen zu können, aber eben auch, was Kunden und deren Erben tun können, um ihr Vermögen wiederzufinden.

Als einziger G-7-Mitgliedstaat steht Deutschland bislang ohne gesetzliche Definition und Richtlinien zum Umgang mit diesem nachrichtenlosen Vermögen da. Entsprechend kann jede Bank für sich ein Verfahren entwickeln, und so wird das vergessene Geld in den allermeisten Fällen einbehalten. Eine Idee, wie man mit diesem Geld Gutes tun kann, ohne Banken oder Erben zu schaden, ist daher in jedem Fall eine Prüfung wert.

Die Anträge der Jamaika-Koalition und der SPD machen hierzu ja durchaus interessante Vorschläge. Der genannte erste Schritt, die Einrichtung eines zentralen Registers für die nachrichtenlosen Konten, ist eigentlich selbsterklärend. Natürlich müssen die Kontoinhaber, die Erben oder sonstige berechtigte Personen die Möglichkeit bekommen, diese Konten zu finden, beziehungsweise diese müssen erst einmal über die Existenz dieser Konten in Kenntnis gesetzt werden, denn in der Regel wissen diese gar nichts von ihrem unverhofften Vermögensglück.

Auch der zweite Punkt im Antrag liest sich insgesamt interessant - mit der Einschränkung, dass in einer möglichen konkreten Bundesratsinitiative die Zeitspanne der Formulierung - ich zitiere - „nach einer geeigneten Zeit der Nachrichtenlosigkeit“ noch konkreter definiert werden müsste. Das Verfahren selbst und die genannten Ziele finden unsere Unterstützung. Für gemeinnützige Zwecke oder auch das Sozialunternehmertum ist es immer schwierig, geeignete und ausreichende Finanzierungsmöglichkeiten zu finden. Dies wäre eine gute Unterstützung.

Auch bei der Finanzierung von Start-ups bestehen nach wie vor Defizite. Dabei sind wir hier in Schleswig-Holstein bei diesem Thema eigentlich im Bundesvergleich recht weit vorn mit dabei. Und doch ist es aus unserer Sicht absolut sinnvoll, hier weitere Gelder in die Hand zu nehmen und somit in unsere Zukunft zu investieren. Schließlich ist die einzige Ressource, die wir in Deutschland und auch hier in Schleswig-Holstein haben, eben gerade das, was wir im Kopf haben und was wir aus unserer Bildung und Kreativität daraus machen.

Aber auch die Vorschläge des SPD-Alternativantrags, diese Gelder für Umwelt- und Sozialprojekte sowie für Projekte der Erinnerungskultur an die Opfer und Gräueltaten des NS-Regimes einzusetzen, finden unsere Unterstützung.

Über den dritten Punkt ließe sich wohl diskutieren. Natürlich sind private Vermögenswerte und Erbrechte zu schützen, auch in solchen Fällen und auch über eine gewisse Zeitspanne hinweg. Allerdings könnte man eben auch über eine bestimmte Frist nachdenken, ab der nicht abgeholte Vermögenswerte gegebenenfalls bis zu einer bestimmten Höhe an staatlich verwaltete Fonds überführt werden und sämtliche Ansprüche darauf erlöschen. Dieses Thema gehen wir bisher nicht an. In der Theorie ist es durchaus möglich, dass wir irgendwann einmal 200 Jahre alte Konten haben und dass herausgefunden werden muss, wer nach 200 Jahren erbberechtigt ist. Ich glaube, das will kein Mensch. Wenn man hier - sicherlich in Jahrzehnten gerechnet - eine Frist ansetzen würde, dann würde man sicherlich auch Rechtssicherheit schaffen. Wie gesagt, die Frist kann durchaus großzügig angesetzt werden, aber ich glaube, alle Beteiligten sollten in irgendeiner Form eine gewisse Abschluss- und Planungssicherheit bekommen.

Hier könnte man also in die Diskussion einsteigen. Das mag auch im Bundesrat geschehen. Das Fondsvermögen zur Absicherung gegen etwaige Ansprüche ist in jedem Fall ebenfalls notwendig und rich

tig. Neben erbrechtlichen und datenschutzrelevanten Fragen bleibt für eine potenzielle Bundesratsinitiative also auch die Frage nach dem konkreten Modell für Deutschland zu klären. Vorbilder gibt es ja genug. Der SSW unterstützt vor diesem Hintergrund beide Anträge. - Vielen Dank.

(Beifall SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat die Finanzministerin Monika Heinold.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gesagt: Das Thema nachrichtenlose Bankkonten wird seit vielen Jahren immer wieder diskutiert medial und politisch - leider ohne Erfolg; das ist schlecht. Es gibt Handlungsbedarf, und deshalb ist es gut, dass wir die Debatte hier führen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wie ist das im normalen Erbfall? Da ist es so, dass eine Erbschaft dem Staat zugesprochen wird, wenn entweder kein rechtmäßiger Erbe oder Erbin da ist oder auch wenn das Erbe ausgeschlagen wird. Das kommt dann bei uns als Staat an. Die Fiskalerbschaft, so heißt sie, kann Geld sein, es können Grundstücke, Immobilien, Fahrzeuge oder - wie 2017 - fünf lebende Schlangen sein.

(Heiterkeit)

Das alles erben wir.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

- Lars, du kennst meine kulinarischen Vorlieben.

(Heiterkeit)

Das ist viel Aufwand für uns. Unter dem Strich bleibt dann aber auch etwas übrig; 2019 waren es immerhin 1,4 Millionen €.