Wir GRÜNE wären - und darüber reden wir heute auch gerne bei dieser Regelung geblieben. Wir haben aber Koalitionspartner, und die sehen, wie eben zu hören war, die Frage der Langzeitstudiengebühren und die Frage der Studiengebühren für ein Zweitstudium etwas anders. Deshalb findet sich im Koalitionsvertrag auch die Regelung, dass wir über diese Fragen noch einmal reden wollen. Das tun wir heute. Allerdings, Herr Commerçon, tun wir das nicht in der Art und Weise, wie Sie das hier darzustellen versucht haben. Wir als Parlament führen ja heute keine Zweitstudiengebühren ein, wir führen auch keine Langzeitstudiengebühren ein. Nein, wir machen etwas anderes. Wir stellen diese Entscheidung in die Autonomie der einzelnen Hochschulen.
Bereits heute ist klar - und deshalb ist das, was Sie gesagt haben, falsch -, dass nicht alle Hochschulen Zweitstudiengebühren oder Langzeitstudiengebühren einführen werden. Das ist teilweise schon gesagt worden. Die Hochschule der Bildenden Künste wird das wohl nicht tun. Insoweit stimmt Ihre Argumentation schon mal nicht. Ob Langzeitstudiengebühren, ob Zweitstudiengebühren an der HTW oder an der Universität des Saarlandes eingeführt werden, diese Entscheidung obliegt diesen Hochschulen. Diese Frage ist bis heute eine offene Frage.
Realität allerdings ist, dass durch den Beschluss, den wir bereits im Februar gefasst haben, und auch nach dem, was wir heute hier beschließen werden, de facto rund 98 Prozent der Studiengebühren hier im Saarland abgeschafft worden sind. Sie sind abgeschafft worden durch das, was wir damals hier beschlossen haben, und sie bleiben abgeschafft auch nach dem, was wir heute hier beschließen werden.
Nun ist es das gute Recht einer Opposition, in ihrer Argumentation das Handeln der Regierung negativ zu überzeichnen. An dieser Stelle allerdings, lieber Herr Commerçon, läuft Ihr Überzeichnen eher auf eine gewisse Kleinkariertheit hinaus. Sie versuchen, auch noch den letzten Rest an Argumenten hervorzukitzeln, um darstellen zu können, dass „die nicht das gemacht haben, was sie im Wahlkampf verspro
chen haben“. Wäre dieser Vorwurf wirklich zutreffend, würde ich Massenproteste der saarländischen Studierenden gegen diese Regelungen erwarten. Lieber Herr Commerçon, wo sind die denn? Ich habe noch keine gesehen.
Die Studierenden wissen eben genau, dass die große Masse der Studierenden im Saarland keine Studiengebühren mehr bezahlen muss. Das gilt für rund 98 Prozent der Studierenden. Das ist ein beachtlicher Wert. Das erreicht zu haben, das ist in diesem Zusammenhang der eigentliche Erfolg von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Nun versuchen Sie permanent, uns und insbesondere mir Wortbruch vorzuwerfen. Halte ich mir die im Februar getroffenen Entscheidungen vor Augen, muss ich mich aber fragen, wer in diesem Parlament bezogen auf die jeweiligen Wahlkampfaussagen tatsächlich Wortbruch begangen hat. Wir jedenfalls nicht. Wir haben dafür gestimmt, dass Studiengebühren abgeschafft werden. Sie von der Sozialdemokratie und auch die Damen und Herren von der LINKEN haben dagegen gestimmt. De facto haben also Sie, nicht aber wir einschlägige Wahlkampfversprechen gebrochen.
Sie versuchen ja auch immer, mich persönlich vorzuführen anhand der Verträge, die wir in der Tat im Wahlkampf abgeschlossen haben.
Allerdings ist nach der Wahl deutlich geworden, dass unterschiedliche Verträge abgeschlossen worden sind. Das ist eine seltsame Sache, und das macht auch manches deutlich. Der Vertrag, der von Heiko Maas unterschrieben wurde, ist ein anderer Vertrag als der, der von Claudia Willger-Lambert und von mir unterschrieben wurde. Im Kern steht aber in beiden Verträgen, dass wir, sollten wir nicht für die Abschaffung der Studiengebühren stimmen, pro Semester 500 Euro bezahlen müssen. Wir haben für die Abschaffung gestimmt, Heiko Maas aber hat nicht dafür gestimmt. Wer muss denn nun die 500 Euro pro Semester bezahlen?
Derjenige, der gegen die Abschaffung der Studiengebühren gestimmt hat? Oder derjenige, der dafür gestimmt hat? De jure müsste doch die SPD diese 500 Euro pro Semester bezahlen, nicht aber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Mit Blick auf Ihre Positionierung zum Thema Studiengebühren möchte ich anregen, Herr Commerçon, dass Sie einmal mit Frau Klug, Ihrer früheren Bundestagsabgeordneten, nunmehr Bundesgeschäftsführerin der SPD, sprechen. Fragen Sie sie einmal, wie sie zu Studiengebühren steht! Sie fordert doch die Studiengebühren auch im Namen der SPD.
Auch hinsichtlich des Themas „Bruch von Wahlversprechen“ sollten sich die Vertreter der Sozialdemokratie und auch die Vertreterinnen und Vertreter der LINKEN sehr zurückhalten. Wir hatten ja ein paar Sondierungsgespräche. Es gab ein paar dicke Wahlversprechen insbesondere der LINKEN, aber auch der SPD, die auch mal einfach so über Bord geworfen wurden, und zwar komplett! Nicht wie wir das machen, dass sie noch zu 98 Prozent umgesetzt werden. Wie war denn das bei der Steinkohle? Wie lange haben denn die LINKEN und auch die Sozialdemokraten für die Kumpel gekämpft? Bei den Sondierungsgesprächen war das - paff - sofort erledigt.
Das ist ein wirklicher Bruch von Wahlversprechen, nicht mehr und nicht weniger. Oder etwa Ihre Forderung nach dem Bau von Kohlegroßkraftwerken! Auch das ist in den Sondierungsgesprächen sofort abgeräumt worden. Alles das haben Sie sofort verkauft, das war alles egal. Das waren sehr klare Aussagen von Ihnen, das muss man hier auch mal sagen.
(Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD). Lautes Sprechen bei der Opposition. - Abg. Huonker (DIE LINKE): Das ist unglaublich.)
Kommen wir zu dem, was heute beschlossen werden soll in diesem Hause: Langzeitstudiengebühren und Studiengebühren für ein Zweitstudium. Es ist ja nicht so, dass diese beiden Dinge beschlossen werden, ohne dass wir uns für eine soziale Abfederung an diesen Stellen eingesetzt haben. Ich will einige Ausnahmeregelungen nennen, die im Gesetz von der Jamaika-Koalition festgelegt werden. Wenn Studierende ihre Studienzeit überziehen, dauert es vier
Semester, bis Studiengebühren anfallen. Sollten sie zwischendurch die Studienrichtung gewechselt haben, kommen noch einmal zwei Semester hinzu. Dazu haben wir die Höhe der Gebühren auf 400 Euro gesenkt. Hinzu kommt eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen, die insgesamt dazu führen, dass nur noch sehr sehr wenige Studierende in diesem Lande überhaupt Langzeitstudiengebühren werden bezahlen müssen, wenn es sie überhaupt gibt. Bei Streitfällen wird eine paritätisch besetzte Kommission aus Vertretern der Hochschule und der Studierenden entscheiden. Auch in diesem Zusammenhang wird noch mal vieles abgeräumt werden.
Fazit: Wir als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben es zusammen mit unseren Kollegen und Kolleginnen der Jamaika-Koalition geschafft, Studiengebühren in diesem Lande abzuschaffen. Es gibt nur noch weniger als 2 Prozent der Studierenden, der eventuell von Studiengebühren betroffen ist.
Wir haben dazu noch sehr soziale Regelungen eingeführt. Und wir haben im Gegensatz zu SPD und zur LINKEN unser Wahlversprechen an dieser Stelle eingehalten. - Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, Herr Horst Hinschberger.
Liebe Frau Spaniol, Sie haben hier in Ihrer eigenen Art zu vereinfachen Stellung genommen zu der Frage, was es doch für ein Horrorszenario mit den Dauerstudenten sei. Ich habe mich heute schlau gemacht, habe bei der Universität des Saarlandes anrufen lassen. Der Spitzenstudent befindet sich derzeit im 64. Semester! Nur so viel zu Ihrer Kenntnis über das, was Sie uns hier vorgetragen haben. Danke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es sind mehrere Fragen angesprochen worden, auf die ich gern eingehen möchte. Es ist gefragt worden: Warum legen die drei Fraktionen der Regierung hier einen Gesetzentwurf vor? Das liegt schlicht und einfach daran, dass Studiengebühren dazu führen, dass der erfolgreiche Abschluss eines Studiums sich beschleunigt. Ich kann Sie in diesem Zusammenhang sehr herzlich bitten, sich das anzuschauen: Bestandene Abschlussprüfungen ab dem Prüfungsjahr 2002 nach durchschnittlicher Studiendauer der Absolventen der Hochschulen des Saarlandes. Dort ist es eindeutig so, dass wir - mit gewissen Schwankungen - eine Tendenz nach unten haben. Das heißt, seitdem zum Wintersemester 2003/04 Studienguthaben eingeführt worden sind und später die Erhebung allgemeiner Studiengebühren gekommen ist, ist die durchschnittliche Studienzeit nach unten gegangen, es ist schneller studiert worden.
Der zweite Punkt, auf den ich kurz eingehen möchte, ist die wiederholte Aussage, die Regierungsfraktionen führten Studiengebühren ein. Ich halte das schon für relativ interessant. Ich dachte bisher, dass wir einen Konsens in diesem Haus haben, der heißt, dass wir den Hochschulen möglichst viel Autonomie und Selbstverantwortung übertragen sollten. Auf Bundesebene haben sich unterschiedliche Kultusund Wissenschaftsminister in verschiedenen Gremien dazu durchgerungen, dass sich die Hochschulen ihre Studierenden selbst aussuchen sollen. Sie sollen also im Wettbewerb um dieses Studierenden stehen. Sie sollen durch die W-Besoldung, durch das Abgehen von generellen Besoldungen für einen Professor hin zu leistungsorientierten Besoldungen für Professoren, mit dazu beitragen, dass nicht nur ein Wettbewerb um Studierende, sondern auch ein Wettbewerb um Forschende und Lehrende entsteht. Auf der einen Seite will man die Hochschulen in einen Wettbewerb schicken, auf der anderen Seite will man aber den Hochschulen nicht die Verantwortung übertragen, Dinge selbst entscheiden zu können, beispielsweise wie es mit Studiengebühren aussieht. Insofern sagen wir: Es gibt niemanden, der Studiengebühren einführt. Was wir tun, ist, die Selbstverantwortung der Hochschulen zu stärken. Wir sagen ihnen: Wenn ihr in diesem Wettbewerb seid, geben wir euch die Möglichkeit, selbst Entscheidungen zu treffen über die Frage, in welcher Form man in diesem Wettbewerb bestehen kann, in welcher Form man sich finanziell aufstellen muss, in welcher Form man sich aufstellen muss in der Frage der Langzeitstudiengebühren und Zweitstudiengebühren. Deswegen stärken wir die Autonomie und Selbstverantwortung der Hochschulen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aus meiner Sicht der richtige Weg.
Sie haben die sozialen Belange angesprochen, die aus Ihrer Sicht angeblich so bedroht seien. Dazu darf ich Ihnen mehrere Dinge sagen. Erstens: Es ist richtig, dass die Abhängigkeit vom Elternhaus sich sehr stark darstellt in dem Kontext, welchen Schuloder Studienabschluss ein Kind heute in diesem Land macht. Sie können mir aber nicht eine einzige Studie vorlegen, die besagt, dass sich durch die Einführung von Studiengebühren oder von Langzeitstudiengebühren diese Abhängigkeit als solche vergrößert hätte und es deswegen zu einer Verschlechterung an dieser Stelle gekommen wäre.
Ich darf Ihnen in dem Zusammenhang auch die Sozialstudie des Deutschen Studentenwerks ans Herz legen. Herr Commerçon, Sie haben ja daraus zitiert. Wenn die Studierenden gefragt werden, was für sie bei der Wahl des Studienorts wichtig ist, dann sagen die zu einem hohen Prozentsatz: Das hat was mit der Reputation der Hochschule zu tun, das hat was mit dem qualitativen Umfeld zu tun - gibt es ein interessantes Nachtleben, ist die Stadt als solche attraktiv -, das hat was mit dem Studienangebot zu tun und so weiter. Dann kommt irgendwann nachrangig bei 16 Prozent unter anderem die Fragestellung Studiengebühren. Das heißt, das Studentenwerk selbst sagt: Nur für 16 Prozent der Studierenden ist die Frage, ob es Studiengebühren gibt, wichtig bei der Wahl eines Studienortes. Dabei ist das für diese 16 Prozent nicht der Hauptgrund, sondern für sie ist dies ein Grund unter mehreren, der bei der Wahl des Studienortes eine Rolle spielt.
Wir haben - das ist eben auch schon angesprochen worden - sehr ordentliche Übergangszeiten gefasst. Wenn jemand beispielsweise ein sechssemestriges Bachelor-Studium absolviert, kann er vier Semester zusätzlich studieren, ohne dass für ihn Studiengebühren anfallen. Das heißt, erst ab dem 11. Fachsemester würden Studiengebühren anfallen. Wenn es sich um einen Studiengangwechsel handelt und derjenige innerhalb der ersten zwei Semester gemerkt hat, dass er sich verwählt hat, kommen sogar noch zwei Semester obendrauf. Bei einem 16-semestrigen Bachelor-Studiengang wären also Gebühren ab dem 13. Semester fällig. Meine Damen und Herren, das verstößt aus meiner Sicht wirklich nicht gegen die Genfer Konvention. Das ist ein sozial ausgewogener Vorschlag. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, das BMBF hat in einer dpa-Meldung am 01.03. bekannt gegeben, dass nach einer Studie des Hochschulinformationssystems die Studierneigung der bildungsfernen Schichten signifikant gestiegen ist, um 6 Prozent von 59 auf 65 Prozent.