Protokoll der Sitzung vom 26.10.2010

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Jung (SPD) und Ries (SPD).)

Man kann darüber streiten, ob man es für sinnvoller hält, fünf, sechs oder neun Jahre zusammen zu lernen. Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass das Ziel richtig ist. Wenn ich mir Ihre Argumentation vor Augen führe, mit der Sie das gemeinsame längere Lernen im Saarland abgelehnt haben, dann schüttele ich den Kopf! Da wird argumentiert: Für sechs Grundschuljahre wären wir ja, aber für fünf Grundschuljahre sind wir nicht, das wäre zu teuer. Sagen Sie mal, rechnen Sie manchmal auch nach? Denken Sie das manchmal durch, was Sie als Argument in die Öffentlichkeit setzen? Sechs Jahre längeres gemeinsames Lernen hätte noch mehr gekos

tet als fünf Jahre gemeinsames Lernen. Aber nein, man braucht irgendwelche Argumente, um hier eine Art Fundamentalopposition zu betreiben und die eigenen bildungspolitischen Positionen aus ganz kurzfristigen Erwägungen heraus einfach in den Wind zu schreiben.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Was Ihnen fehlt in der Sozialdemokratie, und das gilt für DIE LINKE ganz genauso, ist ein erkennbares Konzept, wie Sie denn unter dem Druck des Haushaltsdiktats, der Schuldenbremse Bildungs- und Zukunftspolitik in diesem Lande gestalten wollen. Da hilft es nicht, immer nur dagegen zu sein, immer nur zu argumentieren: Ihr müsst da mehr ausgeben und da. Aber wenn es dann konkret wird, wird genau das als Argument genommen, um die eigene bildungspolitische Linie zu verlassen und um zu skandalisieren.

Sie schrecken auch nicht davor zurück - Herr Maas, Sie haben es gerade eben wieder gemacht -, mit Beispielen die Öffentlichkeit bewusst irrezuführen. Es ist ja auch ein unbestrittener Erfolg dieser Landesregierung, dass wir hier wie in Bayern ein konsequentes Gesetz zum Nichtraucherschutz verabschiedet haben. Sie haben eben gesagt, Herr Maas, das Gesetz sei vom Verfassungsgericht kassiert worden. Soweit ich weiß, Kollege Maas, gibt es noch gar kein Urteil! Das Gesetz liegt beim Bundesverfassungsgericht, das jetzt irgendwann mal, denke ich, in den nächsten Monaten zu einer Urteilsfindung kommen wird. Von „kassieren" kann man da nicht im Geringsten reden.

(Zuruf der Abgeordneten Huonker (DIE LINKE).)

Da wird so oder so entschieden werden, dann wird das Parlament nachbessern müssen oder nicht, das werden wir sehen. Aber die Behauptung, es wäre kassiert worden, ist eine schlichte Irreführung der Öffentlichkeit.

(Lebhafter Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Linsler (DIE LINKE) : Es ist nicht umgesetzt worden.)

Unsere zentrale Aufgabe hier als Landesregierung ist es, die Zukunft unserer Kinder in diesem Lande zu sichern. Und dafür gibt es eigentlich nur drei Möglichkeiten: erstens die Bildungsausgaben steigern, zweitens die Bildungsausgaben steigern, drittens die Bildungsausgaben steigern. Und genau das tut diese Landesregierung. Das sollte nicht nur Kollege Maas anerkennen, da hätte ich auch gern mal eine Anerkennung vonseiten des Redners der LINKEN gehört.

Wenn wir von sozialer Gerechtigkeit reden, können wir ein zweites zentrales Projekt in den Fokus nehmen, das in diesem Jahr umgesetzt wurde - davon

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

habe ich heute von den Oppositionsrednern überhaupt nichts gehört -,

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Kommt noch)

nämlich die Abschaffung der Studiengebühren. Sie tun so, als wäre das eine Selbstverständlichkeit, dass diese Jamaika-Regierung die Studiengebühren hier in diesem Lande abgeschafft hat. Das kostet uns pro Jahr 10 Millionen Euro! Das Geld fehlt in allen anderen Bereichen.

(Abg. Schnitzler (DIE LINKE) : Bildung, Bildung, Bildung.)

Ich halte das für richtig, dass wir das gemacht haben. Wir haben als GRÜNE dafür gekämpft, wir haben das umgesetzt. Es bedeutet gerade für die Studierenden ein größeres Maß an sozialer Ausgewogenheit. Das hat diese Jamaika-Regierung verabschiedet und nicht Sie als Opposition, denn leider Gottes hat es die SPD ja noch nicht einmal fertiggebracht, bei der Abschaffung der Studiengebühren zuzustimmen. Da haben Sie auch noch aus taktischen Gründen dagegen gestimmt. Ich sage Ihnen ganz offen: Das kann ich überhaupt nicht mehr nachvollziehen und verstehen.

(Zuruf: Schade. - Beifall von den Regierungsfrak- tionen.)

Ein weiterer wichtiger Zukunftsbereich - ich habe es eben angesprochen - ist natürlich die Energie- und Umweltpolitik in diesem Land und global. Wir müssen aber nach dem alten Grundsatz „Global denken, lokal handeln“ vorgehen; auch dies macht diese Landesregierung. Es geht natürlich in starkem Maße um den Strukturwandel im Saarland. Es geht darum, die Energielandschaft im Saarland neu und zukunftsorientiert auszurichten und auf diesem Weg neue zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Auch das packt diese Landesregierung an, zum Beispiel mit dem Masterplan Energie, den unsere Umweltministerin Simone Peter demnächst der Öffentlichkeit vorstellen wird.

Wir haben moderne Vorstellungen und sind mit unseren Koalitionspartnern relativ einig, die im Übrigen in der Vergangenheit schon zu mutigen Schritten bereit waren. Ich will ein Lob aussprechen an Peter Müller und gehe dabei zehn Jahre zurück, weil er damals einen Schritt gemacht hat, zu dem die Sozialdemokraten und die LINKE heute noch nicht in der Lage sind.

(Unruhe und Sprechen.)

Damals gab es im Saarland einen Paradigmenwechsel bei der Kohlepolitik durch die Christdemokraten.

(Unmutsbekundungen bei den Oppositionsfrak- tionen.)

Das hat dazu geführt, dass wir heute endlich so weit sind, aus dem Bergbau auszusteigen und somit einen wirklichen Strukturwandel im Land einläuten zu können.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Das ist ganz toll!)

Ich sage das ganz bewusst, weil vonseiten der Opposition immer wieder Angriffe gegen CDU und FDP gestartet werden, wenn es um die Frage des Atomausstieges geht. Das ist ein Thema, das uns GRÜNEN sehr wichtig ist. Auch da hat sich diese Landesregierung sehr zukunftsorientiert und sehr modern positioniert. Die beiden Parteien CDU und FDP im Saarland spielen eine gewisse Vorreiterrolle in ihrem eigenen Beritt. Das Saar-Parlament ist das einzige Parlament, in dem es eine einstimmige Meinung zur Verlängerung der Atomlaufzeiten gibt, und das finde ich gut.

(Zuruf der Abgeordneten Rehlinger (SPD). - Gegenruf der Abgeordneten Willger-Lambert (B 90/GRÜNE).)

Alle Fraktionen sind der Meinung, dass die Atomlaufzeiten in diesem Land nicht verlängert werden sollen.

(Heftige Wortwechsel zwischen Abgeordneten von B 90/GRÜNE und der SPD.)

Sollte es im Bundesrat zur Abstimmung kommen, wird sich die Regierung entsprechend verhalten. Das steht nicht im Koalitionsvertrag, das ist hier per Beschluss festgelegt worden.

(Beifall der Abgeordneten Willger-Lambert (B 90/GRÜNE). - Anhaltende Unruhe bei der SPD und Sprechen.)

Die Veränderungen in der Energielandschaft bedeuten auch, dass sich die Jamaika-Regierung schon etwas moderner aufstellt als die Opposition. Sie, Herr Maas, und Sie, Herr Lafontaine, halten immer noch an Ihren alten Kohlepositionen fest mit Blick auf Kohlegroßkraftwerke. Zumindest habe ich bis zum heutigen Tag von Ihnen nichts anderes gehört. Diese Landesregierung geht einen neuen Weg. Wir versuchen, die erneuerbaren Energien in diesem Land nach vorne zu bringen. Die Landesregierung versucht, die saarländischen Betriebe, die in die erneuerbaren Energien investieren - ob die Dillinger Hütte oder andere Industriezweige -, zu unterstützen. Wir versuchen, in diesem Bereich neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das wird uns auch gelingen, weil die Energiepolitik deutschlandweit beweist, in diesem Bereich stecken die meisten Jobs, dort lässt sich am meisten entwickeln.

Beim Öffentlichen Personennahverkehr gibt es erkennbare Veränderungen in Richtung Klimaschutz. Es gibt eine andere Waldwirtschaft, eine naturnahe Waldwirtschaft. Dieser Pfad wird wieder stärker be

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

schritten. Das sind unbestreitbare Erfolge dieser Landesregierung. Im Bereich Klimaschutz wird nach wie vor - auch unter dem Diktat der Schuldenbremse - in Wärmedämmung investiert. An dieser Stelle haben wir uns nichts vorzuwerfen.

Unterm Strich ist uns als GRÜNE-Fraktion innerhalb der Jamaika-Regierung bewusst, wir gehen einen schweren Weg, was den Sparhaushalt angeht, aber wir gehen einen Weg der Nachhaltigkeit. Wir investieren in diesem Land dort, wo die Zukunft liegt, und sparen dort ein, wo es unserer Meinung nach gerade noch vertretbar ist, auch wenn es in manchen Bereichen sehr weh tut. Vor diesem Hintergrund plädiere ich für diesen Haushaltsentwurf und bitte um Zustimmung. - Danke.

(Anhaltender Beifall von den Regierungsfraktio- nen.)

Das Wort hat Ministerpräsident Peter Müller.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in unserem Land und in der Bundesrepublik Deutschland am Ausgang der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise, die dieses Land je erlebt hat. Das Saarland war von dieser Krise aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur und Exportorientierung überdurchschnittlich betroffen. Wir hatten gemeinsam mit Baden-Württemberg den höchsten Einbruch der Wirtschaftswachstumszahlen aller Bundesländer. Wir haben noch vor einem Jahr düstere Prognosen gehört, etwa von der Arbeitskammer, dass die Arbeitslosenzahlen im Saarland die Marke 50.000 weit überschreiten würden. Wo stehen wir heute? Es ist dankenswerterweise von dem einen oder anderen in der Diskussion angesprochen worden: Wir haben zurzeit knapp 38.000 Arbeitslose. Im Jahresdurchschnitt werden wir deutlich unter 40.000 und nicht über 50.000 bleiben. Es gibt in einzelnen Segmenten eine ausgesprochen positive Entwicklung.

Sie können heute beispielsweise in der Saarbrücker Zeitung die Ausbildungsplatzbilanz unseres Landes nachlesen: Ende September sind gerade mal 28 Bewerber nicht versorgt. Dem stehen über 200 offene Angebote gegenüber. Das ist eine gute Nachricht. Das ist auch das Ergebnis des Engagements im Ausbildungspakt Saar der Kammern, der Medien, der Arbeitsverwaltung und der saarländischen Landesregierung. Das ist eine ausgesprochen gute Nachricht für die jungen Menschen in unserem Land. Wir werden in diesen Anstrengungen nicht nachlassen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir laden natürlich diejenigen ein, die bisher nicht dabei waren, künftig im Ausbildungspakt mitzumachen. Herr Kollege Roth, der DGB auf Bundesebene war ja in Bewegung, jetzt hat es knapp wieder nicht gereicht. Aber im Saarland könnten wir mal ein Signal setzen. Sie sind herzlich eingeladen, künftig mitzumachen.

Wir haben eine Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, die deutlich besser ist als die Bundesentwicklung: 4,9 Prozent Wachstum im Saarland bei einem Bundesdurchschnitt von 3,6 Prozent. Das alles war nur möglich, weil viele in diesem Land engagiert und verantwortlich gehandelt haben. Das gilt zunächst einmal für die Tarifvertragsparteien, für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für die Arbeitgeber, die durch eine arbeitsplatzorientierte Tarifpolitik, durch die Nutzung der Möglichkeiten, die politisch zur Verfügung gestellt worden sind, an der Stammbelegschaft festgehalten und die Beschäftigung stabilisiert haben. Das gilt aber auch für die politischen Rahmenbedingungen, die von uns gesetzt worden sind, beispielsweise für die Erweiterung und Verlängerung der Möglichkeiten zur Gewährung des Kurzarbeitergeldes, die auf Bundesebene auch auf saarländische Initiative im Bundesrat gemeinsam mit anderen beschlossen worden sind. Das gilt für das Konjunkturpaket, das wir im Saarland gemeinsam mit den Kommunen und der Wirtschaft auf den Weg gebracht und umgesetzt haben. Entschlossenes politisches Handeln hat dazu geführt, dass wir diese Krise gut und besser als andere überstanden haben. Deshalb möchte ich mich bei allen bedanken, die dazu beigetragen haben.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Natürlich ist das Verpflichtung für die Zukunft. Das Ziel, in diesem Land Beschäftigung zu schaffen, muss weiterverfolgt werden. Übrigens, über 50.000 Arbeitslose ist etwas, wovon wir jetzt weit entfernt sind, aber das ist keineswegs etwas, was in diesem Land unbekannt ist. Der Jahresdurchschnitt der Arbeitslosigkeit im Saarland betrug 52.000 im Jahr 1996, 56.500 im Jahr 1997 und 52.900 im Jahr 1998. Das waren die letzten Jahre der Sozialdemokraten, der Regierung Lafontaine in unserem Land.

(Unruhe bei den Oppositionsfraktionen.)

Weniger Arbeitslosigkeit bei schwieriger wirtschaftlicher Situation gegenüber mehr Arbeitslosigkeit bei einer bedeutend einfacheren konjunkturellen Situation, das ist der Unterschied zwischen dieser Landesregierung und den Vorgängern unter sozialdemokratischem Vorzeichen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Deshalb fühlen wir uns auch verpflichtet, auf dieser Basis weiterzuarbeiten bei den Themen, die dieses

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

Land betreffen. Die landespolitischen Auswirkungen und Implikationen haben zum Teil aber auch bundespolitische Hintergründe. Ich will in diesem Zusammenhang wenigstens zwei kurze Bemerkungen zu Themen machen, die in den letzten Tagen die Bundespolitik beschäftigt haben. Wir haben Veränderungen im Bereich der ökosteuerlichen Regelungen auf Drängen der Koalition, der Landesregierung und der sie tragenden Parteien. Es sind Veränderungen im Interesse energieintensiver Unternehmen. Diese Veränderungen verfolgen den Anspruch der Nachhaltigkeit und berücksichtigen gleichwohl, dass der Umwelt keinen Gefallen getan wird, wenn Produktion, die hier umweltverträglich erfolgt, in Länder verlagert wird, in denen das nicht der Fall ist.