Protokoll der Sitzung vom 26.10.2010

Es gibt sicherlich Fälle, in denen die Förderung in einer Förderschule mit Blick auf das Kindeswohl gegenüber der Integration in eine Regelschule auch und gerade mit Rücksicht auf das Kind die richtige Entscheidung ist. Das ist jedenfalls meine Überzeugung.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Wir werden das Thema Inklusion konsequent angehen. Der Bildungsminister bearbeitet das Thema, es gab gestern noch entsprechende Beratungen im Ministerium. Wir werden dies im Sinne des Koalitionsvertrages umsetzen. Das gilt für die UN-Konvention in ihrer Gesamtheit.

Damit bin ich dann auch schon im Bereich des Sozialhaushaltes. Heute war ja nicht mehr die Rede davon, dass dort ein Kahlschlag stattfindet. Heute war nicht mehr die Rede davon, dass dort massiv abgebaut wird. Offensichtlich beugt man sich der Macht der Zahlen. Der Sozialetat im Landeshaushalt 2011 geht nicht zurück, sondern er steigt. Das ist die Tatsache, an der niemand, der redlich ist, vorbei kommt. Wenn wir im Bereich der Betreuungseinrichtungen und Werkstätten einen Aufwuchs von 42 Mil

(Ministerpräsident Müller)

lionen auf 51 Millionen Euro haben, dann ist das einer der stärksten Aufwüchse im gesamten Landeshaushalt. Auch dieser Punkt dokumentiert: Diese Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung für die behinderten Menschen in diesem Lande bewusst. Wir wollen, dass diese Menschen ein integriertes, ein mit der Gesellschaft abgestimmtes positives Leben führen können. Das werden wir auch konsequent umsetzen. Dass wir uns dabei gleichwohl die Frage stellen, wie dieses Ziel möglichst effizient, möglichst wirtschaftlich erreicht werden kann, das sind wir den Menschen schuldig, die uns die Steuergelder zur Verfügung stellen. Deshalb werden wir auch exakt das tun, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir werden uns im Bereich der sozialen Maßnahmen strikt am Subsidiaritätsprinzip orientieren. Wir werden uns strikt daran orientieren, dass am Ende die öffentliche Hand für diejenigen, die sich nicht selber helfen können, nur dann genug haben wird, wenn diejenigen, die sich selber helfen können, dies auch tun. Wir werden den Grundsatz „Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern“ konsequent umsetzen. Das heißt auch, dass das eine oder andere an Leistung in Frage gestellt wird, was wir in der Vergangenheit aus guten Gründen für möglich gehalten haben, was aber nicht mehr möglich sein wird, wenn wir den Weg in die Abbremsung der Verschuldung gehen wollen.

Wir werden auch die Schicksalsgemeinschaft mit den Kommunen in diesem Land weiter pflegen. Auch da ist ja entgegen vielem, was in der Öffentlichkeit verbreitet worden ist, klargestellt worden, dass es keine Eingriffe in die Systematik der LandKommunen-Finanzbeziehungen in diesem Landeshaushalt gibt. Und wenn die Kommunen jetzt sagen, die Gewerbesteuereinnahmen entwickeln sich sehr unterschiedlich, wäre es nicht möglich, vor dem Hintergrund, dass die sich abzeichnende konjunkturelle Entwicklung in den kommenden Jahren höhere und zwar sprunghaft höhere - Gewerbesteuereinnahmen erwarten lässt, ein Stück davon jetzt schon vorab zu bekommen, dann sind wir hierzu gesprächsbereit. Ich will dieses Gesprächsangebot von dieser Stelle aus ausdrücklich an den Städte- und Gemeindetag machen, weil wir wissen, ein starkes Land braucht starke Kommunen und eine starke Landeshauptstadt. Wir stehen dafür. Wir werden konsequent dafür arbeiten.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb bin ich mir sicher: Dieser Landeshaushalt ist ein Landeshaushalt, der Perspektive für die Zukunft beinhaltet, der sozial gerecht ausgestaltet ist, der Zukunftsinvestitionen ermöglicht. Ich habe heute

vonseiten der Opposition keinerlei Alternativen gehört. Ich habe heute vonseiten der Opposition nicht gehört, wie belastbar ein anderer Weg gegangen werden kann. Herr Kollege Maas, ich habe von Ihnen gehört, dass Sie sich Gedanken über meine zukünftige berufliche Verwendung machen. Da kann ich Sie beruhigen. Ich habe dafür Verständnis. Lieber Herr Kollege Maas, wer in einer Situation ist wie Sie, wer der personifizierte Niedergang der SPD Saar ist

(Sprechen bei der SPD)

- Halbierung der Wahlergebnisse, Reduzierung der Mitgliederzahlen wie noch nie in der Geschichte -, wer so nackt dasteht, muss über andere reden, damit er sich nicht selber anschauen muss, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Anhalten- des Sprechen bei der SPD.)

Ich kann Sie beruhigen. Die Gestaltung der Zukunft dieses Landes ist die Aufgabe, der sich diese Landesregierung und dieser Ministerpräsident mit Freude und mit Kraft stellen.

(Lautes Sprechen bei den Oppositionsfraktio- nen.)

Diese Koalition hat Handlungsfähigkeit bewiesen und sie wird sie weiter beweisen. Wir sind diejenigen, die dafür sorgen, dass unser Land eine Zukunft hat. Dafür arbeiten wir mit aller Kraft. Dazu trägt dieser Landeshaushalt bei. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Landeshaushalt.

(Anhaltender Beifall bei den Regierungsfraktio- nen.)

Ich erteile das Wort für die SPD-Fraktion Herrn Fraktionsvorsitzenden Heiko Maas. Ich weise darauf hin, dass die Restredezeit 1 Minute und 55 Sekunden beträgt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ministerpräsident hat gesagt, wir können so nicht weitermachen. Das ist auch die Diktion, die wir gestern schon gehört haben. Aber man muss sich diesen Satz auf der Zunge zergehen lassen. Man muss deutlich machen: Wir können nicht so weitermachen wie Sie in den letzten zehn Jahren, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie sind mittlerweile so weit, dass Sie hier vorne am Rednerpult Selbstgespräche führen,

(Lachen)

(Ministerpräsident Müller)

wenn Sie darauf hinweisen, dass wir die Generationengerechtigkeit berücksichtigen müssen und dann die Schuldenbremse bringen. Die Generationengerechtigkeit ist unabhängig von der Schuldenbremse. Die Generationengerechtigkeit gab es auch in den letzten zehn Jahren. Sie haben in den letzten beiden Jahren jeweils eine Milliarde Euro neue Schulden gemacht und wollen dies auch im nächsten Jahr tun.

(Sprechen.)

Sie haben die Schuldenlast des Landes in Ihrer Regierungszeit verdoppelt und sagen jetzt, wir müssen die Generationengerechtigkeit berücksichtigen. Sie haben die Generationengerechtigkeit in Ihrer bisherigen Amtszeit mit Füßen getreten!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir haben in der Debatte darauf hingewiesen, dass wir zwei Pfade gehen müssen, um die Probleme in den Griff zu bekommen. Ein Pfad besteht darin, die Einnahmebasis der öffentlichen Hände zu verbessern. Es wird auch immer nach der Vermögenssteuer gerufen. Wehren Sie sich gegen zusätzliche Ländereinnahmen? Wir leben mittlerweile in einem Land, in dem es eine Initiative von Milliardären gibt, die die Politik darum bitten, die Vermögenssteuer wieder einzuführen. Es ist eine Schande, dass man es ihnen nicht ermöglicht, ihr Geld zur Verfügung zu stellen!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ein letzter Satz. Sie haben sich selber für bescheiden erklärt: in Ihrer Regierungsbildung, in der Ausbildung Ihres Apparates. Es ist völlig egal, ob Sie sich für bescheiden halten. Entscheidend ist, ob die Menschen, die jetzt von den Sparmaßnahmen betroffen sind, einen gerechten Lastenausgleich feststellen können zwischen dem, was sie trifft, und dem, was seit zwölf Monaten in diesem Land läuft. Ich kann Ihnen nur raten, einfach einmal mit den Leuten in diesem Land zu reden. Dann können Sie sich in Ihrer Koalition selber gegenseitig froh machen. Es ist niemand in diesem Land der Auffassung, dass eine Regierung nach einer zwölfmonatigen Versorgungsorgie zum Beglücken eigener Leute jetzt von anderen fordern kann, den Gürtel enger zu schnallen. Das ist der moralische Bankrott einer Politik, für die auch Sie stehen, Herr Müller!

(Anhaltender Beifall bei den Oppositionsfraktio- nen.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten heute den Landeshaushalt. Die

Kernfrage der heutigen Debatte ist die: Kann es gelingen, die verheerende Entwicklung der Landesfinanzen wieder in den Griff zu bekommen? Hier bin ich schon erstaunt, wie sich die Regierungsparteien geäußert haben, insbesondere der Ministerpräsident. Er sagte wörtlich: Wir wollen diesen Weg konsequent weitergehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Schulden haben sich in zehn Jahren verdoppelt. Wir sind bei zwölf Milliarden. Wir können doch diesen Weg nicht konsequent weitergehen! Sie verspielen die Selbstständigkeit dieses Landes. Das ist die politische Frage, um die es hier geht.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wir sind uns alle einig, dass dieses Land erhalten werden soll, nicht, weil wir eben nur Lokalpatrioten sind, sondern weil wir wissen, was die Konsequenz wäre, wenn das Land nicht mehr selbstständig ist. Da sind zentrale Einrichtungen gefährdet. Ich nenne etwa die Universität des Saarlandes oder den Saarländischen Rundfunk oder das Theater. Ich könnte viele andere Einrichtungen nennen. Die Lebensqualität in diesem Lande würde sich massiv verschlechtern. Deswegen kämpfen wir für ein selbstständiges Saarland. Das geht aber nicht mit einer solch unqualifizierten Regierungsarbeit, wie wir sie an diesem Tag erlebt haben.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie haben nämlich keine Vorstellung, wie Sie diese massive Verschuldung in den Griff bekommen. Das ist das Fazit dieser Haushaltsberatung. Alles, was Sie derzeit vorgetragen haben, ist völlig unzureichend. Ich beginne zunächst einmal mit der Schuldenbremse. Die Schuldenbremse ist nicht geeignet, die Probleme des Landes in den Griff zu bekommen. Unter anderem deshalb lehnen wir sie ab. Sie ist auch deshalb unzeitgemäß, weil sie verfasst wurde, als die Wirtschafts- und Finanzkrise noch nicht da war und als die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik die Grundlage der Entscheidung des Bundestages war.

(Anhaltendes Sprechen.)

Es ist nun einmal so - Sie haben es vielleicht nicht mitbekommen -, dass die Weltwirtschaft gerettet wurde, weil die ganzen Paradigmen der bisherigen Politik gewechselt werden mussten. Das wurde ja auch eingeräumt. Man hat erkannt, dass nur mit keynesianischer Gegensteuerung ein Zusammenbruch der Weltwirtschaft verhindert werden konnte. Die Notenbanken haben massiv dagegen gehalten und machen es immer noch. Die großen Industrienationen haben gewaltige Konjunkturprogramme aufgelegt. In dieser Situation ist eine Schuldenbremse absolut unzeitgemäß, weil sie nicht mehr reflektiert, was sich in den letzten Monaten ereignet hat.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

(Abg. Maas (SPD) )

Es ist schön - und ich begrüße es -, wenn einige Redner der Koalitionsparteien einräumen, nur über Ausgaben können wir den Haushalt nicht sanieren. Das stimmt. Aber Sie müssen bitte schön doch einmal sagen, was Sie wollen. Wir von den Oppositionsparteien sagen, wir wollen eine andere Steuerund Abgabenstruktur. Wir sagen ganz klar, wir brauchen Steuererhöhungen. Jawohl! Wir brauchen Steuererhöhungen und wollen insbesondere die zur Kasse bitten, die in den letzten Jahren von einer verfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik profitiert haben. Das sind nun einmal die Vermögenden und die Bezieher hoher Einkommen!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das ist eine klare Position. Dazu kann man ja oder nein sagen. Herr Ministerpräsident, Sie können sagen, Sie seien gegen die Vermögenssteuer oder für eine ganz reduzierte Form der Vermögenssteuer. Dann sagen Sie doch bitte schön, was Sie denn anderes wollen! Aber Sie - nicht Sie als Person, sondern die Parteien, die Sie hier vertreten - haben immer den Mund so voll genommen und gegen die Börsensteuer gewettert. Sie haben gegen die Finanztransaktionssteuer gewettert. Sie haben gegen höhere Einkommenssteuern gewettert. Mittlerweile müssen Sie alle diese Konzepte übernehmen. Das gilt auch für die Vermögenssteuer. Und Herr Maas hat ja zuletzt darauf hingewiesen, dass, wenn große Aufgaben zu bewältigen sind, Leute wie etwa Herr von Weizsäcker vorschlagen, eine Vermögensabgabe einzuführen. Das ist doch kein Unsinn! Das ist schon praktiziert worden. Sie haben kein Konzept. Nur über eine andere Steuer- und Abgabenstruktur ist das Problem überhaupt in den Griff zu bekommen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn Sie darauf hingewiesen haben, dass Sie im Bundesrat nur drei Stimmen hätten, dann will ich Ihnen Folgendes entgegnen: Wenn wir so argumentiert und gesagt hätten, wir könnten mit diesen drei Stimmen nichts bewirken, dann hätten wir auch nichts bewirkt. Wir haben Teilentschuldungen durchgesetzt, weil wir im Bundesrat Mehrheiten für uns organisiert haben. Sie haben es zehn Jahre lang nicht geschafft, eine solche Mehrheit im Interesse des Landes zustande zu bringen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Nun sagen Sie, die zweite wichtige Aufgabe sei, hier im Land Beschäftigung zu schaffen. Darin stimmen wir ja alle überein. Sie zitieren immer wieder die Arbeitslosenstatistiken. Ich habe versucht, es Ihnen zu erklären, und will es noch einmal versuchen: Die Messgeräte, Herr Kollege Müller, mit denen man heute die Arbeitslosigkeit misst, sind ganz andere als die, mit denen man sie vor zwanzig Jahren gemessen hat.