Protokoll der Sitzung vom 23.03.2011

Wenn wir schneller aus der Atomenergie aussteigen wollen, haben wir drei Möglichkeiten, sie zu kompensieren. Erstens, wir brauchen mehr regenerative Energien. Die Antwort, wie das hier gehen soll, sind Sie schuldig geblieben. Zweitens brauchen wir mehr Energieeffizienz. Wir wissen, dass bis zu 25 Prozent der Energie durch mehr Effizienz eingespart werden könnten, also gar nicht erst produziert werden müssten. Und drittens werden wir - es gehört ehrlicherweise dazu, das zu sagen - auf fossile Energieträger etwas stärker setzen müssen, als es bei der Restlaufzeitverlängerung der Atomkraftwerke vielleicht noch gedacht war.

(Abg. Willger (B 90/GRÜNE) : Das war es doch nicht!)

Diesbezüglich stimme ich all denjenigen zu, die sagen, dass das natürlich für Gaskraftwerke und für Kohlekraftwerke gilt. Es ist jetzt ausgerechnet worden, dass im Rahmen des sogenannten Repowering, also im Rahmen des Ersatzes und der Modernisierung bestehender Gas- und Kohlekraftwerke, ein Bedarf von 10.000 bis 12.000 Megawatt an neu

(Abg. Maas (SPD) )

er Leistung besteht. Und wer kann etwas dagegen haben, dass alte Kohleanlagen ersetzt werden durch neue und modernere Anlagen, die mit höherem Wirkungsgrad arbeiten und mit Kraft-Wärme-Kopplung und allem anderen, das damit zusammenhängt, ausgestattet sind?

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Richtig!)

Deshalb muss das auch Gegenstand einer Diskussion in unserem Land sein. Wir haben hier Kohlekraftwerke.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Einige dieser Kraftwerke sind derzeit in Schwierigkeiten. Ensdorf ist massiv bedroht. Wir haben erlebt, dass die RWE die Abnehmerverträge mit den Standorten in Quierschied und Fenne gekündigt hat. Ja, wir wollen die Energiewende. Wir wollen mehr regenerative Energien. Darüber sind sich doch jetzt alle einig. Wir wollen eine höhere Energieeffizienz. Wir wollen aber auch eine Perspektive für die saarländische Kraftwerkslandschaft. Wir haben genehmigte Standorte für Kohle- und für Gaskraftwerke. Wenn es uns doch gelingen kann, in technischer Hinsicht voranzuschreiten, die Kraftwerke wirkungsvoller zu bauen, den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung auszubauen, so ist es, wenn man wirklich aus der Atomenergie aussteigen will, nicht nur ein Wunsch, sondern sogar eine Notwendigkeit, diese Möglichkeiten zu nutzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Es gibt niemanden, der Ihnen hinsichtlich dem zu Cattenom Gesagten widerspricht. Cattenom ist ein Pannenmeiler. 60 Störfälle in den zurückliegenden zwei Jahren! Wir wollen, dass Cattenom abgeschaltet wird. Ich fordere alle im Saarland auf, sich an den Aktionen zu beteiligen, auf den Unterschriftenlisten zu unterschreiben. Ich bin aber natürlich auch kein Illusionist: Sarkozy wird Cattenom nicht abschalten, weil wir viele Unterschriften sammeln. Leider! So etwas läuft tatsächlich nur über die nationale Ebene. Deshalb ist es gut, dass Sie die Bundeskanzlerin in dieser Angelegenheit anschreiben.

Wir brauchen eine europäische Strategie. Es nützt doch nichts, die Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten und dann den Strom aus Nachbarländern, die Atomkraftwerke haben, hinzuzukaufen. Wir brauchen eine gesamteuropäische Strategie. Deutschland muss, um auf dieser Ebene glaubwürdig zu sein, im eigenen Land einen gangbaren, realistischen Weg aus der Atomenergie beschreiten. Dies zu organisieren, ist die Aufgabe der Bundesregierung. In diesem Sinne muss man sie drängeln. Wenn Sie das tun, bin ich gerne bereit, Sie dabei zu unterstützen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen keine Pirouetten drehen. Wir müssen keine 180-Grad-Wendung vollziehen. Ich kann Ihnen heute hier dasselbe sagen, das Ihnen die SPD schon in den zurückliegenden Jahren stets gesagt hat: Wir wollen raus aus der Atomenergie. Wir wollen das, was DIE ZEIT in der vergangenen Woche als Aufmacher auf ihrer ersten Seite stehen hatte: Wir wollen in der Atomenergie und in der energiepolitischen Debatte über die Verantwortbarkeit von Kernkraftwerken keine Lügen mehr!

(Anhaltender Beifall von der SPD und Beifall bei der LINKEN.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE, gleichzeitig auch zur Begründung ihres Antrages, Herr Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich für meine Fraktion die Erklärung des Ministerpräsidenten begrüßen. Das wird Sie vielleicht überraschen. Ich bin aber der Auffassung: Wenn aus einer internationalen Katastrophe für die eigene Energiepolitik Konsequenzen gezogen werden, so sind diese Konsequenzen zunächst einmal wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Ich hoffe, dass die hier geäußerte Ankündigung, alles für den zügigen Ausstieg aus der Atomindustrie zu tun und sehr systematisch die alternativen Energien zu fördern, Grundlage der zukünftigen Politik dieser Landesregierung sein wird. Das Beschreiten dieses Weges wird von uns ausdrücklich begrüßt.

Ich möchte des Weiteren auch die Position unterstreichen, die Heiko Maas hier für die SPD vertreten hat. Das ist ja seit vielen Jahren die sozialdemokratische Position. Ich möchte allerdings an einer Stelle eine Einwendung machen. Ich beziehe mich dabei auf die Bemerkung, die ja auch von Sigmar Gabriel im Deutschen Bundestag vorgetragen wurde, wonach wir jetzt das Ende des atomaren Zeitalters erleben würden. Diese Einwendung meine ich ganz ernst, und auf diesen Aspekt möchte ich auch den Schwerpunkt meiner Ausführungen legen.

Mir ist, meine sehr geehrten Damen und Herren, bei der bisherigen Diskussion etwas aufgefallen. Mir ist aufgefallen, dass die Diskussion heute auf ganz anderen Grundlagen erfolgt und mit ganz anderen Akzentsetzungen geführt wird, verglichen mit der Diskussion, die vor Jahren geführt wurde, als eine große Bewegung in Deutschland gegen die Nutzung der Atomenergie und gegen die atomare Bedrohung eingetreten ist. Was meine ich?

Ich will Ihnen zum Beweis eine Beobachtung darstellen, die ich ihn den letzten Tagen gemacht habe.

(Abg. Maas (SPD) )

In der Zeitung DIE WELT ist jene Eintragung wiedergegeben worden, die die Bundeskanzlerin gemacht hat, als sie in der japanischen Botschaft den Opfern dieser Katastrophe ihre Anteilnahme ausdrücken wollte. Ich lese das mal vor; sie schrieb in das Kondolenzbuch: „In stillem Gedenken an die Opfer des schweren Erdbebens und der schrecklichen Flutkatastrophe und mit allen guten Wünschen für die Kraft des japanischen Volkes und mit der Versicherung der Unterstützung durch die Bundesrepublik Deutschland. In Freundschaft Angela Merkel.“

Was ist mir dabei aufgefallen? Mir ist natürlich aufgefallen, dass in diesem Eintrag von der atomaren Katastrophe keine Rede war. Das ist natürlich nicht einer bösen Absicht der Bundeskanzlerin geschuldet, ich ordne das vielmehr ein in eine allgemeine Verdrängung, die ich derzeit noch immer feststelle, wenn es darum geht, die atomare Katastrophe und die atomare Bedrohung zu behandeln.

Ich möchte mich bei der Begründung meiner Auffassung auf einen Autor beziehen, auf den ich mich schon vor vielen Jahren bezogen habe, als ich zusammen mit anderen versucht habe, die Ausbreitung der atomaren Technologie zu verhindern. Der Autor, der Philosoph, der die atomare Bedrohung in grundsätzlicher Weise gewürdigt hat, heißt Günther Anders. Er stellte seinerzeit in der gesellschaftlichen Debatte zwei Elemente fest, die ich heute noch einmal in Erinnerung rufen möchte.

Erstens sprach er von der „Apokalypseblindheit“ der Menschheit. Ich möchte Sie einladen, meine Damen und Herren, darüber nachzudenken, ob diese Analyse dieses Philosophen, ob diese Würdigung vielleicht doch einen wahren Kern hat. Zum Verständnis: Denken Sie beispielsweise einmal daran, dass wir im Golf von Mexiko eine Ölkatastrophe hatten und schon nach wenigen Monaten wieder Bohrungen genehmigt werden. Ein anderes Beispiel zum Verständnis: Denken Sie daran, dass alle Staatsmänner der Welt gesagt haben, wir müssten die Massenvernichtungswaffen aus den Finanzmärkten herausnehmen. Sie wissen, dass keine einzige dieser Massenvernichtungswaffen tatsächlich aus den Finanzmärkten herausgenommen worden ist.

Was die atomare Katastrophe angeht, die natürlich ein anderes Gewicht hat, möchte ich darauf hinweisen, dass diese Apokalypseblindheit nicht ohne Grund schon vor vielen Jahren festgestellt worden ist. Denn man hätte ja erwarten dürfen, dass sich die Menschheit nach den Bombenabwürfen auf Nagasaki und Hiroshima anders orientieren würde. Günther Anders stellte aber fest, dass die Menschheit gar nicht in der Lage war, in ihr Bewusstsein aufzunehmen, was dort eigentlich geschehen war.

Im Zusammenhang mit dieser Debatte führte er einen zweiten Begriff ein, der ebenfalls von Bedeu

tung ist, den Begriff des „prometheischen Gefälles“. Er meinte damit, dass die Menschen heutzutage Dinge herstellen, von denen sie keinerlei Vorstellung mehr haben. Dieses prometheische Gefälle ist, so meine ich, noch heute in vielen Beiträgen festzustellen, denn es werden Dinge behauptet, von denen bei gründlichem Nachdenken derjenige, der sich über technologische Fragestellungen informiert und die Dinge gewichtet, sagen muss, dass man das in dieser Form so sicherlich nicht behaupten kann.

Was die Kernenergie angeht, ihre Nutzung zur Stromerzeugung in der gegenwärtigen Form, wie man korrekterweise sagen muss, gab es für diejenigen, die vor Jahrzehnten den Widerstand organisiert haben, eine Begründung, die nach wie vor unumstößlich gilt. Ich wundere mich manchmal über die vielen Beiträge - und das richtet sich nun nicht gegen Ihren Beitrag, Herr Ministerpräsident -, die in den zurückliegenden Tagen vorgetragen worden sind und in denen vom „für nicht für möglich Gehaltenen“ und Ähnlichem die Rede war. Das war damals anders: Solche Unfälle sind immer für möglich gehalten worden. Und genau aus diesem Grund hat damals eine große Zahl von Menschen diese Technologie abgelehnt. Die Begründung war einfach: Eine Technik, die niemals versagen darf, weil sie im Falle des Versagens ganze Landschaften unbewohnbar macht, ist nicht verantwortbar.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Diesem Satz kann man sich anschließen oder auch nicht. Wir haben uns diesem Satz vor vielen Jahren angeschlossen. Ich halte ihn nach wie vor für uneingeschränkt richtig. Natürlich kann man Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen, natürlich kann man bisherige Erfahrungen zu Rate ziehen wie etwa die, dass im Rheingraben in den letzten Jahrhunderten kein Beben dieser Stärke festgestellt worden ist. Aber daraus zu schließen, dass es in Zukunft niemals möglich wäre, ist zumindest vor dem Wissenshintergrund, der mir zur Verfügung steht, so ohne Weiteres nicht möglich.

Ich sprach vorhin von dem Sachverhalt der Verdrängung und möchte Sie auf einen Tatbestand aufmerksam machen, der mich doch erschüttert hat. Ich habe die Bundestagsdebatte nachgelesen, ich habe das Protokoll dabei. Ich habe festgestellt, dass eine bestimmte Verbindung kaum hergestellt worden ist, obwohl das eigentlich unverzichtbar ist, wenn wir über die atomare Bedrohung sprechen. Dies ist die Verbindung der sogenannten zivilen Nutzung der Kernenergie mit der militärischen Nutzung. Ich bleibe bei dem, was vor Jahrzehnten Grundlage der ganzen Debatte war: Ohne diesen Zusammenhang, ohne das miteinander in Verbindung zu sehen, ist eine sachgemäße Debatte überhaupt nicht möglich. Für unsere Probleme übersetzt: Der massive Ausbau der Kernenergie in Frankreich hat natürlich auch

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

zur Grundlage gehabt, dass Frankreich eine Atomstreitmacht aufbauen wollte. Man muss diesen Zusammenhang sehen. Wir können die Debatte nicht nur auf die zivile Nutzung der Kernenergie beschränken. Das wäre ein grober Fehler! Wir müssen auch festhalten, dass die atomare Bedrohung und das Atomzeitalter erst dann zu Ende sind, wenn Atomwaffen von dieser Welt verschwinden.

(Beifall von der LINKEN und der SPD.)

Das ist der Einwand, den ich gegenüber der Feststellung von Sigmar Gabriel habe. Ich will sie gar nicht besserwisserisch kritisieren, ich würde gerne unterschreiben, was in der Bundestagsdebatte die Überschrift seiner Rede war: „Wir erleben jetzt das Ende des Atomzeitalters.“ Aber wenn ich sehe, was in der Welt passiert, habe ich ernsthafte Zweifel, dass eine solche Feststellung heute getroffen werden kann. Mit anderen Worten, ich glaube, dass das Denken in traditionellen Machtstrukturen in der Welt noch so tief verwurzelt ist, dass ich angesichts der atomaren Bewaffnung über viele Jahre keinerlei Hoffnung habe, dass das Ende des Atomzeitalters abzusehen ist.

Es ist ja vielmehr so, dass eine ganze Reihe der neuen Philosophen in Frankreich, die sich mit der Frage der Sicherheitspolitik auseinandersetzen, sagt: Ohne die atomare Drohung gäbe es den Frieden in dieser Form nicht. Das heißt, es gibt auch von der philosophischen Seite her eine massive Begründung für die atomare Bedrohung, für das Gleichgewicht des Schreckens. Ich kann das heute nicht alles ausbreiten. Das sollten wir uns in Erinnerung rufen, wenn wir heute über die atomare Bedrohung sprechen.

Es gab aber nicht nur damals diesen untrennbaren Zusammenhang, meine Damen und Herren, es gab auch den Hinweis, dass es nirgendwo bisher gelungen ist, die Endlagerung zuverlässig zu regeln. Das ist doch ein Argument, das heute schwer gewichtet werden müsste, weil es ja zunächst für den zivilen Bereich gilt. Lesen Sie mal die Bundestagsdebatte nach. Warum ist dieses Argument so wenig vorgetragen worden, obwohl inzwischen Jahrzehnte vergangen sind und der Umfang der atomaren Bedrohung inzwischen Dimension erreicht hat, in denen das prometheische Gefälle seine tiefe Begründung findet? Wer hat denn von uns irgendeine Vorstellung, was eine Strahlungsdauer von Hunderttausenden von Jahren eigentlich bedeutet? Das ist der Grund, warum der Philosoph Günther Anders von dem prometheischen Gefälle sprach. Ich glaube, die Analyse, dass wir apokalypseblind sind und dass das promethische Gefälle nach wie vor den technologischen Prozess in dieser Welt dominiert, ist heute nach meiner tiefen Überzeugung immer noch nicht außer Kraft gesetzt. Aber nur, wenn wir die Tragweite dieser Technologie erfassen und wenn wir erfas

sen, dass hier die Verantwortung - ich empfehle hier noch einmal die Lektüre des Buches „ Verantwortung...“, ich weiß den genauen Titel jetzt nicht, des Philosophen Jonas -

(Ministerpräsident Müller: Prinzip Verantwortung.)

„Prinzip Verantwortung“, vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Wenn wir dieses Buch noch einmal nachlesen, sehen wir, dass hier ein Gegenstand zum Thema gemacht worden ist, der uns doch alle beschäftigen muss. Sind wir eigentlich berechtigt, Entscheidungen zu treffen, die hinsichtlich der Verantwortung eine Reichweite von Zigtausenden von Jahren haben? Diese Frage muss doch jeder für sich beantworten! Und das ist keine Frage von CDU/ CSU, SPD, FDP, LINKEN oder GRÜNEN. Die Frage muss jeder für sich beantworten: Ist diese Generation, in der wir die Verantwortung für die Politik haben, berechtigt, solche Entscheidungen zu treffen? Ich bin der Meinung, wenn es denn irgendwie geht, sollten wir solche Festlegungen für zukünftige Generationen nicht treffen. Ich bin der Überzeugung, dass es nicht verantwortbar ist, die Lebensbedingungen zukünftiger Generationen in diesem Ausmaße festzulegen. Und auch deshalb bin ich ein Gegner der atomaren Drohung im umfassenden Sinne.

(Beifall von der LINKEN und der SPD.)

Nun ist natürlich für die Diskussion bei uns an der Saar zentral gewesen - darauf möchte ich noch eingehen - die Bedrohung, die wir empfunden haben, nachdem das Atomkraftwerk in Cattenom errichtet worden ist, weil das uns an der Saar natürlich mehr bedroht als Atomkraftwerke, die in Norddeutschland oder sonstwo gebaut worden sind. Die Frage ist, wie können wir hier eine Lösung im Interesse des mehrheitlichen Willens der saarländischen Bevölkerung herbeiführen?

Sie haben dankenswerterweise erwähnt, Herr Ministerpräsident - ich war aufgrund eines Staus auf das Fernsehen angewiesen -, dass meine Regierung versucht hat, in Gesprächen mit der französischen Regierung zu einem Ergebnis zu kommen. Ich sage mit allem Freimut: Diese Gespräche waren nicht von großem Erfolg gekrönt, wie Sie alle wissen. Ich möchte Ihnen nur als Beispiel von einem Gespräch berichten, das ich Anfang der Achtzigerjahre mit Pierre Mauroy geführt habe, dem damaligen Premierminister von François Mitterand. Ich bat ihn, doch zu überprüfen, ob diese Anlage in dieser Größenordnung wirklich ans Netz gehen müsse. Seine Antwort war: „Du weißt, wir brauchen eben Energie und wir wollen auch, dass der Weihnachtsbaum leuchtet.“ Das war wörtlich die Antwort! „Deshalb brauchen wir in Frankreich weitere Atomkraftwerke.“ Das sind Diskussionserlebnisse - ich stehe heute mit Pierre Mauroy noch in einem gutem Verhältnis, ich wollte nur mal daran erinnern -, nach denen ich den Eindruck

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

hatte, dass die Tragweite der Fragestellung, die wir zu erörtern hatten, nicht in vollem Umfang erfasst war.

Ich habe dann später - das sage ich ebenfalls - gar keine Versuche mehr gemacht, mit François Mitterand dieses Thema zu erörtern, weil ich einfach nicht die Hoffnung hatte, angesichts der Fixierung der französischen Politik auf die atomare Streitmacht an dieser Stelle irgendetwas bewegen zu können. Aber vielleicht ergibt ja der Unfall in Japan hier eine neue Chance. Man kann es zumindest versuchen, man vergibt sich ja nichts dabei. Deshalb halte ich es für richtig, wenn man jetzt an die grenzüberschreitende Zusammenarbeit herangeht. Wir waren uns damals in dieser Frage immer einig mit Luxemburg. Auch die Luxemburger haben gesagt: Es kann nicht sein, dass einfach entschieden wird und wir werden nicht beteiligt. Es gab auch in Lothringen kritische Stimmen, allerdings war die französische Politik immer weitaus zurückhaltender, wenn es um die Kritik an der Kernenergie ging, als etwa die luxemburgische oder eben die deutsche Politik damals, als die großen Demonstrationen gegen die Kernenergie und gegen die atomare Bedrohung stattgefunden haben.

Dennoch meine ich, wenn wir jetzt von einem zusammenwachsenden Europa sprechen - und das ist ja gerade auch unsere Aufgabe hier an der Saar -, müssten wir eine Forderung aufgreifen, die meine Regierung damals erhoben hat, die auch andere erhoben haben - es soll nicht eine Forderung sein, die einen speziellen Urheber hat -, dass wir bei großen Industrieanlagen, die im Falle des Versagens ganze Landschaften zerstören - ich denke jetzt mal auch an Bhopal, also nicht nur an Kernenergie -, auf europäischer Ebene eine verbindliche Mitsprache der davon betroffenen Regionen haben müssen. Ich möchte Sie alle einladen, für diesen Gedanken einzutreten. Er ist doch logisch. Wir sollten alle für grenzüberschreitende Genehmigungsverfahren eintreten.

(Beifall von der LINKEN und der SPD.)

Natürlich gibt es in diesem Zusammenhang die Diskussion, wie wir die Brücke zeitlich dimensionieren können, wie wir sie von den technischen Anlagen her dimensionieren können. Es gibt sicherlich niemanden in diesem Hause, der das exakt beantworten kann, wie sollten wir auch! Wie sollten wir in der Lage sein, die Genehmigungsverfahren abzuschätzen, wie sollten wir in der Lage sein, die Entscheidungen einzelner Regionalparlamente abzuschätzen und so weiter.