Protokoll der Sitzung vom 15.06.2011

Zur Berichterstattung erteile ich Herrn Abgeordneten Reinhold Jost das Wort.

(Unruhe.)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung beabsichtigt, die Grundstücke in Saarlouis, die in der Vergangenheit durch die Straßenbauverwaltung für die Straßenmeisterei genutzt wurden, zu veräußern, weil kein Bedarf an einer weiteren Nutzung durch das Land besteht. Zur Vorbereitung der Veräußerung wurde

(Minister Rauber)

beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte beim Landkreis Saarlouis eine Wertermittlung in Auftrag gegeben, der für das Objekt einen Verkehrswert von 752.000 Euro ermittelt hat. Unter Beachtung der planungsrechtlichen Nutzungsmöglichkeiten, die die Kreisstadt Saarlouis vorgegeben hat, sollen die Grundstücke nach dem Ergebnis der Ausbietungsverhandlungen an den Meistbietenden, nämlich einen Betrieb eines Lebensmittelvollsortimenters, zum Kaufpreis von 2,61 Millionen Euro veräußert werden.

Der Ausschuss für Finanzen und Haushaltsfragen hat in seiner Sitzung am 25. Mai 2011 einstimmig beschlossen, dem Landtag die Annahme des Antrages des Ministers der Finanzen zu empfehlen, der Ihnen als Drucksache 14/500 vorliegt. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall.)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag. Wer für die Annahme der Drucksache 14/500 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 14/500 einstimmig mit den Stimmen aller Fraktionen angenommen ist.

Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Steuersenkungsbremse statt Schuldenbremse - ausreichende Steuerquote gewährleisten (Drucksache 14/515)

Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion Drucksache 14/515 erteile ich Herrn Abgeordneten Prof. Dr. Heinz Bierbaum das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir bringen den Antrag ein mit dem Titel „Steuersenkungsbremse statt Schuldenbremse - ausreichende Steuerquote gewährleisten“ und wollen damit erreichen, dass der Landtag die Regierung auffordert, im Bundesrat entsprechend tätig zu werden.

Das Thema Schuldenbremse und Steuerpolitik ist nicht das erste Mal Diskussionsgegenstand hier im Landtag. Es ist verschiedentlich im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte und auch sonst angesprochen worden. Wir wissen ja, dass das Saarland be

sonders von der Schuldenbremse betroffen ist, neben Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein, die vier Länder, für die eine Haushaltsnotlage festgestellt worden ist. Wir haben auch den Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC vorliegen, wonach 226 Millionen eingespart werden sollen, und zwar mit einem erheblichen Einschnitt bei der Bildung, was im Übrigen sehr stark kontrastiert zu den Aussagen, die seitens der Regierung im Hinblick auf die Bildung getroffen werden. Ein weiterer Leidtragender ist der öffentliche Dienst.

Das Saarland und damit auch der saarländische Landtag haben allen Grund, sich noch einmal mit der Frage der Schuldenbremse zu befassen und in einer anderen Richtung tätig zu werden. Ich möchte daran erinnern, die Schuldenbremse verlangt, dass der Bund ab 2016 die Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes begrenzt, was sehr wenig ist und was bedeuten würde, dass von den gegenwärtigen Zahlen ausgehend - für die Nettokreditaufnahme etwa nur noch 10 Milliarden zur Verfügung stehen würden. Vor diesem Hintergrund ist es schlecht vorstellbar, dass die wirklichen Zukunftsaufgaben des Landes angepackt werden können.

Auf der Länderebene haben wir das Gleiche. Wir haben im Saarland die Verpflichtung, jährlich 70 bis 80 Millionen zu sparen und damit wenig für die Zukunft zu tun. Wir nehmen erhebliche Einschnitte vor. All dies sind Punkte, die sich negativ auf den politischen Handlungsspielraum auswirken. Wenn man das gegenwärtige Umfeld betrachtet, dann wirkt es eigentlich grotesk, dass so etwas überhaupt im Grundgesetz festgeschrieben worden ist.

(Vereinzelt Beifall. - Vizepräsident Jochem über- nimmt den Vorsitz.)

Wie sieht das Umfeld aus? Wir haben eine Krisenbekämpfung gehabt, die im Wesentlichen mit antizyklischen Ausgaben erfolgt ist. Das war nicht unerfolgreich. Wir haben das hier im Landtag mehrfach angesprochen. Vor diesem Hintergrund fragt man sich, warum einseitig auf Sparen gesetzt wird, wenn man weiß, dass in schwierigen Zeiten mehr ausgegeben werden muss. Es ist auch klar, dass mehr Schulden machen dann sinnvoll ist, wenn der Effekt dieses Schuldenmachens deutlich über den Kosten dafür liegt. Das ist übrigens auch in der Betriebswirtschaft ein Effekt, der bekannt ist: Man nimmt Kredite in die Hand, um bestimmte Investitionen zu finanzieren. Das ist dann sinnvoll, wenn die Wirkung dieser Investitionen höher ist als die Kosten der Kreditaufnahme. Das gilt auch für volkswirtschaftliche Zusammenhänge.

Aber ich möchte noch einmal auf das Umfeld zurückkommen. Umfeld heißt: Krisenbekämpfung durch antizyklische Politik, also durch Mehrausga

(Abg. Jost (SPD) )

ben. Umfeld heißt aber auch: erhebliche Ausgaben zur Bankenrettung. In diesem Zusammenhang möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen, dass wir Milliarden zur Bankenrettung ausgegeben haben. An der Wirkung kann man wirklich sehr zweifeln. Dies hat natürlich dazu geführt, dass die Verschuldung deutlich angestiegen ist. Ich möchte einmal aus der Antwort der Bundesregierung auf eine entsprechende Anfrage eines Mitglieds unserer Bundestagsfraktion zitieren. Die Frage lautete, wie weit die Unterstützung der Finanzinstitutionen zur Erhöhung der Schulden beigetragen hat. Aus der Antwort der Bundesregierung ergibt sich für die Jahre 2008, 2009 und 2010 ein Betrag von 315 Milliarden Euro. Das heißt: Allein wegen der Bankenrettung sind die Schulden um 315 Milliarden Euro erhöht worden. Ich habe es hier schriftlich vorliegen; Sie können es sich nachher gern anschauen. Wenn ich mir dann die Gesamtverschuldung der öffentlichen Haushalte ansehe, dann haben wir die Situation, dass etwa ein Fünftel allein auf die Schuldenerhöhung im Zusammenhang mit den Stützungsmaßnahmen für die Banken zurückzuführen ist. Das ist das Umfeld.

Es ist vielleicht etwas weit hergeholt, aber ich möchte trotzdem kurz auf die Situation eingehen. Wir sehen doch, dass ein reines Sparen - und Schuldenbremse bedeutet, einseitig sparen - nicht zum Erfolg führen kann. Dies sehen wir gegenwärtig an der dramatischen Entwicklung in Griechenland. Dieses Land wird durch den Zwang zum Sparen in den Ruin getrieben, ohne dass absehbar ist, wie es aus dieser Lage wieder herauskommt, wenn nur einseitig gespart wird und nicht gleichzeitig die Mittel an die Hand gegeben werden, um in der Wirtschaftspolitik nach vorn kommen zu können. Bezogen auf Griechenland wäre es übrigens sehr viel sinnvoller, Kredite zu Zinssätzen unterhalb der Wachstumsrate zu vergeben und auf diese Weise etwas zur Ankurbelung der Wirtschaft zu tun. Das wäre ein sinnvoller Weg. In diesem Zusammenhang ist auch die Verschuldung zu sehen. Ich habe hier auch schon mehrmals darauf hingewiesen, dass Schulden nicht gleich Schulden sind, sondern dass vielmehr entscheidend ist, wofür man die Gelder einsetzt.

Wir plädieren dafür, dass die Finanzpolitik nachhaltig angelegt ist. Lassen Sie es mich an dieser Stelle deutlich sagen: Ich bin überhaupt nicht für Schuldenmachen, sondern auch wir sind für eine Begrenzung der Schulden. Aber die Frage ist, wie begrenzen. Es ist wissenschaftlich eindeutig, dass die Schuldenbremse nur eindimensional wirkt und dass man, wenn man eine wirklich nachhaltige Finanzpolitik betreiben will, weitere Faktoren einbeziehen muss, vor allem auch die Staatsquote. Hier haben wir infolge der Politik der letzten Jahre ein zentrales Problem. Dadurch, dass wir Steuern gesenkt haben - vor allen Dingen zugunsten der Besser- und Bestverdienenden und übrigens zulasten sozialstaatlicher Leistun

gen -, haben wir den Handlungsspielraum des Staates beschränkt und die Schuldenproblematik erhöht. Ich will darauf hinweisen, dass allein in den letzten zehn Jahren Steuersenkungen vorgenommen worden sind, die eine Größenordnung von über 300 Milliarden Euro umfassen und übrigens auch im Zusammenhang mit Finanztransaktionen und Finanzinvestoren stehen. Und auch da befinden wir uns in einem guten wissenschaftlichen Umfeld. Ich weise nur darauf hin, dass das Sachverständigenratsmitglied Peter Bofinger schon vor einem oder zwei Jahren gefordert hat, wenn man denn schon etwas festschreiben möchte, besser die Steuersenkungsbremse bis zu einem gewissen Grad festzuschreiben als die Schuldenbremse. Herr Bofinger gehört ja auch zu den Wissenschaftlern, die ein Memorandum vorgelegt haben, in dem auf die nachteiligen Wirkungen der Schuldenbremse hingewiesen wird. Deswegen sind wir der Auffassung: Steuersenkungsbremse und nicht Schuldenbremse. Dies verbinden wir mit der Ansicht, dass wir in der Steuerpolitik einen anderen Weg gehen müssen. Die gegenwärtige Steuerpolitik ist sowohl ungerecht als auch nicht geeignet, die Einnahmen des Staates in ausreichender Größe zu garantieren.

(Beifall bei der LINKEN.)

Deswegen plädieren wir für eine grundsätzlich andere Steuerpolitik, die nach folgenden Grundsätzen vorgeht: Wir möchten, dass die unteren und mittleren Einkommen entlastet werden. Das möchte ich ganz deutlich hinzufügen. Wir möchten, dass diejenigen, die wirklich etwas leisten - beispielsweise die Facharbeiter -, nicht von der kalten Progression betroffen werden, wie wir sie immer noch haben, sondern entlastet werden. Wir brauchen nicht die zu entlasten, die angeblich Leistungsträger sind, jedoch nichts leisten - zum Beispiel diejenigen, die bei den Finanzinvestoren arbeiten, oder die Finanzinvestoren selbst -, denn mit ihrer Tätigkeit ist keine wertschöpfende Leistung verbunden, anders als es etwa in den produktiven Bereichen der Fall ist. Wir wollen, dass für die wirklichen Leistungsträger die Steuern gesenkt werden.

(Beifall bei der LINKEN.)

Gleichzeitig wollen wir, dass diejenigen, die viel verdienen, die hohe Einkommen und Vermögen haben, deutlich höher besteuert werden. Dies bedeutet eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, das bedeutet eine Neufassung der Unternehmenssteuern, das bedeutet selbstverständlich auch die in diesem Haus schon oft von uns angesprochene Besteuerung hoher Vermögen, und das bedeutet auch eine Veränderung der Erbschaftssteuer. Ich denke, dies ist der Weg, den wir gehen müssen. Das heißt: Wir brauchen eine andere Steuerpolitik.

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

Ich hatte bereits am Anfang die Frage gestellt, warum wir dieses Thema heute erneut in den Landtag einbringen, obwohl bisher alle Initiativen, die von uns kamen und die wir zum Teil gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD eingebracht haben, abgelehnt worden sind. Ich gehe immer noch davon aus, dass sich letztlich auch dieses Haus den richtigen Erkenntnissen nicht verschließen wird. Deswegen sind wir bei diesem Thema sehr beharrlich und bringen es immer wieder ein. Wir wollen aber auch, dass in der Gesellschaft darüber diskutiert wird, denn ich bin der Überzeugung, dass das, was in diesem Land etwa in Richtung Schuldenbremse vorgeht, verheerende Folgen hat. Es gibt Stellungnahmen - sei es von Verdi, von der Polizei oder aus anderen Bereichen -, in denen deutlich wird, dass die gesellschaftlichen Wirkungen der Schuldenbremse insbesondere vor Ort verheerend sind. Die Schuldenbremse, die erst einmal auf Bundes- und Länderebene gilt, wird auf die Kommunen durchschlagen. Das merken wir heute schon an entsprechenden Erlassen, die es ja auch im Saarland gibt. Auf diesen Zusammenhang möchten wir hinweisen. Ich denke, das muss diskutiert werden, und da muss eine ganz andere Richtung eingeschlagen werden. Wir brauchen eine Erhöhung und Sicherung der öffentlichen Einnahmen, damit die öffentlichen Aufgaben nachhaltig finanziert werden können. Dies ist der Sinn unseres Antrags „Steuersenkungsbremse statt Schuldenbremse“. Ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Thomas Schmitt von der CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Antragstext an sich könnte man fast zustimmen, wenn denn die Überschrift und die etwas merkwürdige Begründung, die ja in eine ganz andere Richtung geht, nicht wären. Und mit Ihrer Rede, Herr Bierbaum, haben Sie eigentlich auch zum Ausdruck gebracht, dass es Ihnen letztendlich um etwas ganz anderes geht. Außerdem haben Sie sich an so vielen Einzelpunkten selbst widersprochen, dass es schon fast schwierig ist, darauf zu antworten. Ich kann das jetzt gern auseinanderfiseln. Es fängt damit an, dass Sie sagten, in dem Umfeld, in dem wir uns jetzt gerade befänden, sei eine antizyklische Politik notwendig, und zwar seien wir jetzt in der Phase, in der wir Geld hineingeben müssten, damit sich die Konjunktur erhole.

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) : Das habe ich nicht gesagt. Man muss mir nur richtig zuhören. Ich habe Bezug genommen auf die Krisen bekämpfung und nicht auf die gegenwärtige Situation.)

Sie haben vom jetzigen Umfeld gesprochen. - Dann stelle ich fest, Sie haben die Zeit der Krisenbewältigung gemeint. Da gebe ich Ihnen Recht. In dieser Zeit war eine antizyklische Politik notwendig. Es musste Geld investiert werden. Ich sage Ihnen, das ist auch künftig möglich und das lässt die Regelung im Grundgesetz weiterhin zu.

(Weitere Zurufe des Abgeordneten Prof. Dr. Bier- baum (DIE LINKE). - Gegenrufe von Minister Jacoby.)

Die Schuldenbremse im Grundgesetz will strukturelles Defizit bekämpfen. Das strukturelle Defizit, das wissen Sie auch, ist das Defizit, das sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten über die Konjunkturschwankungen hinaus besteht. Konjunkturelle Gegenmaßnahmen bei einer schlechten konjunkturellen Lage, bei einer Rezession werden nach der Schuldenbremse und dem Grundgesetz auch weiterhin möglich sein. Darüber hinaus wird bei besonderen Schwierigkeitslagen oder besonders katastrophalen Lagen so etwas möglich sein. Auch das ist im Grundgesetz festgeschrieben. Es findet sich ausdrücklich in den Regelungen des Grundgesetzes.

Die Schuldenbremse will strukturelles Defizit bekämpfen und nicht konjunkturelles. Das heißt, antizyklische Politik ist auch künftig möglich. Das Problem bei antizyklischer Politik ist jedoch - und deswegen waren wir in der Vergangenheit immer skeptisch und haben sie nur in Notsituationen -, dass offensichtlich das Gegenteil von der Geld-Eingabe nie erfolgt ist. Wenn ich Keynes richtig verstanden habe, muss man in den Zeiten, in denen es einem richtig gut geht und die Konjunktur anzieht wie jetzt, Geld rausziehen und zurücklegen und die Schulden, die man vorher gemacht hat, abzahlen. Jetzt haben wir eine Phase der Hochkonjunktur. Ich weiß, dass wir das in der jetzigen Situation nicht können. Das liegt daran, dass wir ein großes strukturelles Defizit haben, übrigens nicht nur das Saarland, sondern auch der Bund und die anderen Länder. Genau dagegen wendet sich die Schuldenbremse. Sie will, dass es schrittweise abgebaut und gegen null geführt wird. Von daher ist die Intention der Schuldenbremse durchaus sinnvoll.

Sie haben gesagt, Schuldenmachen kann sinnvoll sein. Das kann es auch. Schuldenmachen für Investitionen kann durchaus sinnvoll sein. Das Problem ist nur, dass wir in den letzten Jahren so viele Schulden gemacht haben, dass wir eine Gesamtverschuldungsquote haben, die langsam die Grenze erreicht hat. Deshalb schreibt das Grundgesetz ab einem gewissen Zeitraum einen Schuldenstopp vor. Man kann nicht einerseits von griechischen Verhältnissen reden, die wir hier angeblich hätten, und die Schul

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

den bemängeln, andererseits aber gegen die Schuldenbremse sein.

Natürlich kann man dieses Schuldenproblem auf zweierlei Arten bekämpfen. Das ist durchaus richtig. Hier stimme ich Ihnen zu. Ich will nicht, dass die Steuerquote sinkt. Das wird in den nächsten Jahren nicht möglich sein.

Man muss sich die Zahlen aber genau ansehen. Die durchschnittliche Steuerquote in den letzten drei Jahrzehnten hat bei 22,6 Prozent gelegen. 1990 lag sie bei 21,8 Prozent, im Jahr 2000 bei 22,7 Prozent und im Jahr 2009 bei 22,6 Prozent. Die Zahlen habe ich mir nicht aus den Fingern gesogen, sie sind von der OECD. In den ganzen letzten Jahren schwankte die Steuerquote immer etwa um 1 Prozent nach oben oder unten. Im Großen und Ganzen ist sie relativ stabil geblieben. Ich sage Ihnen, Konjunktureinbrüche wie im Jahr 2009/2010 haben auf die Steuerquote viel größeren Einfluss gehabt als Steuerpolitik.

Wenn Sie davon reden, dass in den letzten Jahren die Steuern immer nur gesenkt worden sind, dann lassen Sie außer Acht, dass selbstverständlich an anderer Stelle Steuern auch erhöht beziehungsweise Ausnahmetatbestände abgeschafft wurden. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: die Luftverkehrsabgabe, die Erhöhung der Grunderwerbssteuer - einmal durch den Bund, einmal durch das Land - und die Brennelementesteuer. Die Abschreibungsbedingungen für die Unternehmen wurden massiv verschlechtert. Bei der Erbschaftssteuer wurden zwar die Freibeträge erhöht, aber die Steuersätze ebenfalls kräftig erhöht. Die degressive Abschreibung beim Wohnungsbau wurde abgeschafft. Wir hatten eine Neubewertung der Vermögen sowohl bei den Grundstücken als auch beim Betriebsvermögen, was sich auf die Erbschaftssteuer und die Grunderwerbssteuer auswirkt. Sie wissen auch, dass wir eine Börsenumsatzsteuer einführen wollen, aber bitte im europäischen Zusammenhang.

Das Tollste in Ihrem Antrag ist, dass Sie eine Bankenabgabe nach amerikanischem Vorbild eingeführt sehen wollen. Der Witz ist nur, dass wir die Bankenabgabe in Deutschland haben, sie aber letztes Jahr im US-Kongress gescheitert ist. Wir haben auch einige andere Regelungen eingeführt, die nicht nur dazu geführt haben, dass wir Steuersätze gesenkt haben, sondern auch dazu, dass die Steuerquote stabil geblieben ist. Ich sage Ihnen ganz offen, aus saarländischer Sicht und aus Ländersicht müssen wir durchaus darüber diskutieren, wie hoch der Finanzanteil der Länder am Gesamtsteueraufkommen künftig sein soll, damit wir unseren Aufgaben gerecht werden können. Man kann dann über die Steuerquote insgesamt diskutieren.

Sie aber sagen einerseits, wir wollen die Steuern für die mittleren und kleinen Einkommen senken, wir

wollen die kalte Progression entschärfen, andererseits wollen Sie dies durch eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes finanzieren. Das ist unredlich. Sie wissen ganz genau, dass Sie den Spitzensteuersatz gar nicht so weit erhöhen können, dass Sie eine Steigerung der Freibeträge und eine Absenkung des Mittelstandsbauchs damit finanzieren können. Das rührt daher, dass der Freibetrag und der Eingangssteuersatz alle betreffen, die Steuern bezahlen, der Spitzensteuersatz aber nur manche. Deswegen bringt eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes nur geringfügig etwas im Verhältnis zu dem, was eine Senkung des Eingangssteuersatzes an Kosten verursachen würde. Es ist also auch an diesem Punkt nicht redlich, wenn man dann noch zusätzlich davon spricht, dass man die Steuerquote insgesamt erhalten oder erhöhen will.

Damit ist es aber für die Ländergesamtheit und insbesondere für das Saarland immer noch nicht getan. Zu glauben, wir könnten unser Defizit ganz allein dadurch verringern, dass wir Steuern erhöhen, ist schlichtweg unredlich. Wir sind nicht nur an die Schuldenbremse gebunden, wir sind auch an die Vorgaben des Stabilitätsrates gebunden. Der Stabilitätsrat akzeptiert eben nicht irgendwelche Verweise auf Maßnahmen, die wir selbst nicht beeinflussen können, nämlich die Veränderung der Steuerquote. Der Stabilitätsrat wird Sparmaßnahmen von uns verlangen. Ich sage Ihnen ganz offen, dieses strukturelle Defizit, das wir haben, wird man mit einer Maßnahme alleine nicht bewältigen, aber mit Steuererhöhungen alleine eben auch nicht. Deswegen müssen wir hier Einsparungen vornehmen und ein Stück weit mit gutem Beispiel vorangehen, auch im Hinblick darauf, dass uns irgendwann noch jemand helfen soll. Das wird man eben nicht tun, wenn man von uns keine Eigenanstrengung sieht.

Noch eine Randbemerkung: Es gab Zeiten, als es noch eine Vermögenssteuer gegeben hat. Der Spitzensteuersatz lag bei 53 Prozent. In der Zeit musste auch eine Regierung Lafontaine im öffentlichen Dienst Personal abbauen - bei Lehrern und Polizisten. Das Allheilmittel kann es also in dem Zusammenhang nicht sein. Deswegen sage ich, wir müssen mehrgleisig fahren. Es führt aber kein Weg daran vorbei, dass wir uns den Hausaufgaben stellen und uns die Felder anschauen, in denen wir einsparen müssen. Wir schleppen ein ganz erhebliches strukturelles Defizit mit uns. Da ist es zunächst einmal richtig, dass wir eine Kommission eingesetzt haben, die sich alle Bereiche angeschaut hat und versucht hat herauszufinden, ob es Bereiche gibt, in denen sich das Land noch mehr leistet als der Bundesdurchschnitt. Diese Felder wurden offengelegt. Man hat sich weiterhin gefragt, ob es Bereiche gibt, in denen wir uns zwar nicht mehr leisten, aber in denen wir unseren Anteil auf 92 Prozent zurückfahren können. Warum übrigens 92 Prozent? - Weil wir nach