Protokoll der Sitzung vom 18.11.2009

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Deswegen sage ich Ihnen: Es gibt keinen Automatismus, es kann auch keinen geben. Ob wir einer Verfassungsänderung zustimmen oder nicht, können wir heute nicht sagen. Sie haben noch keine vorgelegt, wir wissen bis heute nicht, wie sie aussehen soll. Deswegen kann ich Ihnen nicht sagen, ob wir dem zustimmen werden.

Ich sage Ihnen auch noch etwas anderes.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Eine halbe Minute müsste meine Redezeit verlängert werden, weil es hier zwischendurch hoch und runter ging.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Ja, es geht auch wieder hoch. - Ich sage Ihnen an dieser Stelle nur so viel: Wir wollen keine weitere unnötige Unruhe. Was Sie machen mit dem jetzigen Vorschlag, ist eine Erweiterung der Grundschule auf das 5. Schuljahr. Das heißt auch - das muss man auch mal deutlich sagen -: Es wird an den Gymnasien von G 9 über G 8 nach G 7 gehen.

(Abg. Schmitt (CDU) : Nein, nein, so nicht.)

Wir wollen sehr genau hinterfragen, was das im Einzelfall bedeutet. Es gibt diesen Automatismus nicht. Wir haben aber bestimmte Bedingungen. Sie wissen: Ein 5. Grundschuljahr gibt es in keinem anderen Bundesland. Ein 5. Grundschuljahr ist eben genau nicht kompatibel mit den anderen Bundesländern. Wir haben immer gesagt, wir wollen längeres gemeinsames Lernen. Meines Wissens waren Sie immer dafür, das müsse mindestens bis zum 9. Schuljahr gehen. Darüber können wir gerne reden, das wäre ein wirklicher Fortschritt. Darüber reden wir gerne mal.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU).)

Ich sage Ihnen aber auch noch was anderes: Es wird Bedingungen geben. Eine Bedingung wird sein: Wir wollen zuerst eine klare -

Herr Abgeordneter! Wir haben Ihnen schon eine Minute mehr gegeben.

(Oh! von der CDU. - Heiterkeit.)

(Abg. Commerçon (SPD) )

Es muss zuerst eine klare Vorlage der Schulentwicklungsplanung geben. Wir wollen zuerst mal konkret die Ausgestaltung sehen. Am Schluss, wenn Sie uns von all dem im Detail überzeugt haben, kann eine Verfassungsänderung stehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Sprechen.)

Ich sage das ganz eindeutig: Die Verfassungsänderung ist nicht der Anfang, sondern - wenn überhaupt - der Schluss. Darüber werden wir noch munter zu diskutieren haben in diesem Hause. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Roland Theis von der CDU-Fraktion.

(Zurufe, Sprechen und Unruhe. - Zuruf von der SPD: Achtung, das Rednerpult! - Abg. Theis (CDU) justiert die Höhe des Rednerpultes.)

Es geht immer noch ein bisschen tiefer, haben wir heute gelernt. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Das passt sehr gut, wenn Herr Commerçon vor einem spricht.

(Lachen und Zurufe.)

Ich bin sehr froh -

(Fortdauernde Zurufe und Heiterkeit bei der SPD.)

Der Punkt, an dem Sie lachen können, kommt gleich, Herr Commerçon. Ich lese Ihnen gleich was vor. Der Punkt, an dem Sie lachen können, kommt also noch.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh darüber, dass wir heute eine Debatte erleben konnten, die zeigt, dass Parlamentarismus von Unterschieden lebt. Und viele von uns sind ja Juristen und haben im Staatsrecht gelernt, dass dies heißt, dass die Unterschiede politisch deutlich werden müssen. Ich hätte nicht gedacht, dass in meiner ersten Parlamentssitzung die Unterschiede vor allem im Niveau so deutlich werden, Herr Commerçon. Da haben Sie gerade wieder den Boden durchgeschlagen.

(Lachen bei der SPD.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht noch ein Hinweis zu dem, was Sie vorhin gemacht haben. Es stimmt ja, Herr Linsler hat das beim Thema Bergbau live erlebt. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Es ist aber auch so, wer zuhört, ist klar im Vorteil. Und der Herr Wissenschaftsminister - Herr Commerçon, das ist übrigens Herr Dr. Hartmann, hier links von mir,

der zuständige Minister - hat soeben das Thema Diskussion und Einbindung, Partizipation der Studierenden sehr wohl genannt. Er hat davon gesprochen, dass er Sie eingeladen hat. Ich war gestern auch bei der Demonstration. Da waren nicht 1.000 Leute, da waren vielleicht 250 Leute. Wir haben mit den Leuten gesprochen, sehr geehrter Herr Commerçon. Wer lesen kann, ist, wie gesagt, klar im Vorteil. Das bezieht sich nicht nur auf Verträge, das bezieht sich auch auf Koalitionsverträge. Ich habe auf meinem Platz noch ein lupenreines Exemplar des Koalitionsvertrages liegen. Das kriegen Sie gleich von mir. Da steht auf Seite 19 im bullet point 4 „Wir werden den aktuellen Stand der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen auch im Hinblick auf die Mobilität von Studierenden weiterhin überprüfen.“ Sehr geehrter Herr Commerçon, das steht da drin, und das werden wir auch tun, ob Sie uns dazu auffordern oder nicht. Das ist wichtig für uns, weil es wichtig für die Studierenden in diesem Land ist.

(Beifall von der CDU.)

Ich glaube, heute ist eines deutlich geworden. Es ist deutlich geworden, dass es in diesem Haus wirklich große Unterschiede gibt, vor allen Dingen im Stil. Der Stil von Jamaika sagt: Lasst uns gemeinsam an die Probleme dieses Landes gehen; lasst uns gemeinsam in den Wettbewerb der Ideen eintreten und uns vor allen Dingen auch mal die Denkschablonen der Siebziger- und Achtzigerjahre beiseite lassen und überlegen, wie wir gemeinsam die Probleme lösen. Gemeinsamer Wettbewerb - nicht um die dreistesten Zwischenrufe und nicht um die dreistesten Beleidigungen hier im Parlament, sondern um die besten Ideen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU.)

Ich weiß, das passt nicht in die Vorstellungswelt von ewigen Jusos. Aber das unterscheidet uns eben, das unterscheidet Jamaika von der Opposition in diesem Haus. Denn es steht für Offenheit, es steht für Toleranz und es steht auch für die Bereitschaft, auf Argumente Anderer zuzugehen und diese auch zuzulassen.

Und vielleicht fragen Sie sich mal, ob nicht „irgendwer“ daran Schuld ist, dass es hier zu Jamaika kam, sondern dass es vielleicht auch der andere Stil war, die Bereitschaft, Kompromisse miteinander zu machen, die über 130 grüne Delegierte auf dem Landesparteitag überzeugt hat, und nicht irgendeine Weltverschwörung, die Sie heute hier versucht haben -

(Zurufe, Widerspruch und Unruhe bei der Oppo- sition. - Beifall bei CDU und B 90/GRÜNE.)

Ich glaube, ein Weiteres ist heute auch deutlich geworden - Herr Maas hat uns ja leider schon verlassen - und auch dazu noch ein Wort. Ich kann ja verstehen, dass die Enttäuschung verdammt groß ist. Der ein oder andere, das hat man ja in den Zeitungen gelesen, hat sich schon Anzüge in gedeckteren Farben gekauft, weil er dachte, als Ministerpräsident müsse man das tun. Und ich kann verstehen, dass Herr Maas deshalb eine gewisse Frustration mit sich herumschleppt. Ich bitte Sie nur, in Ihrem und in unserem Sinn: Zeigen Sie es nicht so deutlich. Ich bin gerne bereit, wenn ich ein wenig abnehme, dem Herrn Maas den ein oder anderen gedeckteren Anzug abzukaufen. Ich mag schwarze Anzüge, ich helfe Ihnen dabei, vielleicht wird das die Frustration ein wenig in Grenzen halten.

Liebe Freundinnen und Freunde, wichtig ist aber auch, heute hier zu sagen, dass das, was Sie an diesem Koalitionsvertrag kritisieren, dass das, was Sie an Neuerungen kritisieren, in der Kontinuität der Erfolge der vergangenen Jahre steht. Wir fangen bei diesen Megathemen heute nicht bei null an. Und auch hier kann man ja mal die Unterschiede festmachen zwischen dem, wofür Jamaika steht, dem, wo Jamaika heute anfängt, und dem, was die Bilanz der alten SPD ist. Sie ist ja hier gemütlich vereint in den beiden Fraktionen von LINKEN und SPD. Das ist ja die alte SPD, die seit 1999 dieses Land Gott sei Dank nicht mehr regiert.

(Zurufe und Sprechen bei SPD und der LINKEN.)

Und ja, Herr Commerçon, Sie dürfen auch mir zuhören, ja, Frau Spaniol, Sie dürfen mir auch zuhören: In den letzten Jahren der Regierungsbeteiligung der SPD, in der Ihr neuer Mann ja bereits Minister war, kann man heute schon mal die Vergleiche ziehen. Die Vergleiche zwischen dem, wo Jamaika startet, und dem, auf welchem Stand die alte SPD dieses Land zurückgelassen hat. Und zwar in den Zukunftsthemen, die wir heute in diesem Koalitionsvertrag entscheiden. In der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in den Chancen junger Menschen in Bildung und Ausbildung und auch in den Arbeitsmarktchancen älterer Menschen. Ich finde, es ist wichtig, dass wir auch darüber sprechen, auch wenn ich jedenfalls noch nicht in dieser Altersklasse bin.

Wo standen wir denn bei den Betreuungsplätzen unter drei Jahren am Ende Ihrer gemeinsamen Regierungszeit der vereinigten Linken in diesem Land? Bilanz SPD alt, Betreuungsplätze unter drei Jahren: 621. Startposition von Jamaika heute: über 3.000. Wo standen wir denn bei den Chancen junger Menschen in Bildung und Ausbildung, was die Schulen angeht? Bilanz SPD alt 1999 über 1.000 Lehrer abgebaut; Startposition Jamaika: 209 neue Lehrerstellen geschaffen. Wo standen wir denn bei den Ausbildungschancen junger Menschen? Bilanz SPD alt 1999: 615 unversorgte Bewerber, Startposition Ja

maika: 300 mehr Stellen als Bewerber. Und wo standen wir denn bei den Arbeitsmartchancen älterer Menschen: Bilanz SPD alt: 612.400 Arbeitslose über 55 Jahren; Startposition Jamaika: 4.500.

Unsere Schwerpunkte, meine sehr verehrten Damen und Herren, die wir in diesem Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, die stehen in der Kontinuität der Erfolge der vergangenen zehn Jahre. Das ist die Startposition von Jamaika. Ich glaube, das hat die Regierungserklärung gezeigt, und das werden die kommenden fünf Jahre zeigen. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU.)

Das Wort in der Aussprache hat nun Horst Hinschberger, Fraktionsvorsitzender der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Professor Bierbaum, Sie hatten die Frage gestellt nach einem Konzept der Insolvenzvermeidung. Ich habe mich jetzt sofort schlaugemacht, weil mich das interessiert hat, was Sie aufgeworfen haben. Ich habe den Wirtschaftsminister gefragt. Der Wirtschaftsminister hat mir berichtet, dass alle Unternehmen, die sich an das Wirtschaftsministerium wenden, individuell beraten werden: Was kann getan werden in ihrer Lage? Insofern setzt diese Regierung in der Tat auf Handeln, auf Beratung, auf Unterstützung und nicht auf den Insolvenzverwalter. Deshalb: Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

Lieber Herr Kollege Commerçon, ich möchte Ihnen einmal sagen: So wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Das ist in der Tat so.

Im Ansatz habe ich Ihren Redebeitrag für vernünftig gehalten, dass Sie gesagt haben -

(Lachen und Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Nein, nein, ich komme noch zum weiteren Punkt Ihres Redebeitrags. Sie haben gesagt, uns wird immer gesagt, wir werden eingeladen zur Zusammenarbeit, zur Mitarbeit. Ich möchte das gern erneuern. Ich will hier noch einmal ganz klar sagen, und auch Herr Minister Kessler hat das für die Landesregierung erklärt: Wir sind interessiert an einer Zusammenarbeit mit der Opposition. Aber dazu gibt es Mindestanforderungen. Wir wollen auch nicht von Anzügen reden, die zu groß oder zu klein sind. Das sollte nicht der Stil des Umgangs in diesem Parlament zwischen uns sein.

(Beifall.)