Protokoll der Sitzung vom 10.02.2010

Bei der sich anschließenden Auswertung erklärte die Opposition, dass sie die Abschaffung der Studiengebühren grundsätzlich begrüße, das Gesetz in der vorliegenden Form jedoch ablehne. Insbesondere geschehe dies vor dem Hintergrund, dass keine Kompensationsregelung für die ausfallenden Gelder vorliege und keine klare Regelung zur studentischen Mitbestimmung über die Verwendung der Kompensationsmittel erkennbar sei.

Ich darf berichten, dass im Ausschuss zum vorliegenden Gesetz keinerlei Abänderungsanträge gestellt wurden. Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen von CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde bei Gegenstimmen der Opposition mit Stimmenmehrheit angenommen. Mehrheitlich bittet nun der Ausschuss, dem vorliegenden Gesetz zur Beendigung der Erhebung allgemeiner Studiengebühren an saarländischen Hochschulen, Drucksache 14/32, in Zweiter und letzter Lesung die Zustimmung zu erteilen. - Für Ihre Aufmerksamkeit danke ich Ihnen.

(Beifall.)

Ich danke dem Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Hubert Ulrich von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

(Zuruf.)

Mir wurde jetzt signalisiert, dass Herr Ulrich für die Regierungskoalition spricht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir reden heute in diesem Hause zum zweiten Mal über die Abschaffung der Studiengebühren. Bei diesem Thema gehen die Meinungen weit auseinander, wie wir

alle wissen. Wir GRÜNE setzen uns seit mehreren Jahren, seit hier im Saarland ernsthaft über Studiengebühren diskutiert wird, für deren Abschaffung ein. Wir sind der Meinung, dass Studiengebühren zumindest auf einen Teil der Studierenden abschreckend wirken. Wir sind auch der Überzeugung, dass Studiengebühren die soziale Kluft in unserer Gesellschaft vertiefen und zu einer größeren sozialen Spaltung in unserer Gesellschaft beitragen. Deshalb danke ich unseren Koalitionspartnern CDU und FDP, dass sie uns im Koalitionsvertrag die Abschaffung der Studiengebühren zugestanden haben, obwohl ich weiß, dass das in beiden Parteien zu heftigen Diskussionen geführt hat, weil man dort teilweise anderer Ansicht ist.

Zusammen mit dem zuständigen Ministerium ist es gelungen, bereits im Sommersemester dieses Jahres ein kostenfreies Erststudium im Saarland sicherzustellen, obwohl in kurzer Zeit eine Reihe von verwaltungstechnischen Hindernissen überwunden werden musste, vor allem aber überwunden werden konnte. Ich danke auch den Hochschulen, dass sie uns trotz offener Details bei der zügigen Umsetzung der Abschaffung der Studiengebühren unterstützt haben. Das muss deutlich gesagt werden.

Von der Regierungskoalition wird klar gesagt, dass die finanziellen Ausfälle für die Universität vom Land im nächsten Landeshaushalt kompensiert werden. Das Land wird diese Kosten für seine Studierenden übernehmen. Das Land wird in die Zukunft investieren. Wir werden einen Schritt in die Richtung des 30-Prozent-Anteils der Bildungskosten am Gesamthaushalt machen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Diese Vorgehensweise ist Ausdruck eines neuen Investitionsbegriffs. Wir verstehen es eben auch als Investition, wenn Geld direkt in Bildung investiert wird, wenn es in Menschen investiert wird, die mit Bildung zu tun zu haben, sei es der lehrende oder der lernende Teil. Invest in Bildung bedeutet für uns nicht nur Investition in Gebäude oder Hardware, nein, wir verstehen darunter auch Investition in den Menschen selbst.

Uns GRÜNEN ist in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtig, dass die Kompensationsmittel Verwendung im Sinne der Studierenden der Universität, der Hochschulen und Fachhochschulen des Saarlandes finden werden, natürlich zusammen mit der Studentenschaft. Dies ist uns wichtig zu betonen. Hier gab es in der Vergangenheit immer wieder Kritik. Dort sollen und müssen an den Hochschulen Wege gefunden werden, dass die Studierenden selbst, die Studentenschaft, die Vertreter der Studenten in einer Art und Weise eingebunden werden, die von dieser Seite akzeptiert wird und werden kann.

(Abg. Schumacher (LINKE) )

Was ich etwas bedaure, ist der Umstand, dass die Sozialdemokraten, meines Wissens auch die LINKE, diesem Vorstoß heute negativ gegenüberstehen und nicht mitstimmen werden. Ich kenne Ihre Position und könnte es verstehen, wenn es heute darum ginge, Zweitstudiengebühren oder Langzeitstudiengebühren einzuführen, aber nein, darum geht es heute nicht. Heute geht es alleine darum, die bestehenden Studiengebühren zunächst einmal für das Sommersemester und dann auch insgesamt abzuschaffen. Vor diesem Hintergrund wäre es Ausdruck einer konstruktiven Opposition, eine solche Entscheidung, die auch in Ihrem Sinne ist, mitzutragen, zumindest wenn es stimmt, was Sie bisher zum Besten gegeben haben. Ich finde es sehr schade, dass Sie sich bisher dazu nicht durchringen konnten.

(Abg. Pauluhn (SPD) : Wir stimmen ja mit, wenn Sie unserem Abänderungsantrag zustimmen.)

Zumindest hat sich das im Ausschuss so dargestellt. Wie gesagt, noch ist Zeit. Ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns an dieser Stelle zusammenarbeiten. Im Sinne des Bildungssystems dieses Landes wäre das kein schlechter Schritt. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Ulrich Commerçon der SPD-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die soziale Bilanz an Hochschulen ist auch ohne Gebühren erschreckend. In keinem anderen Industrieland hängen die Bildungschancen von Kindern und jungen Erwachsenen so stark vom Einkommen der Eltern ab wie in Deutschland. Laut der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes nehmen beispielsweise 83 von 100 jungen Menschen aus einem Akademikerhaushalt ein Studium auf, aber nur 17 aus einem Arbeiterhaushalt. Über 60 Prozent eines Altersjahrgangs bleibt der Zugang zur Hochschule verwehrt. Studiengebühren verstärken die soziale Hürde zu den Hochschulen. Aktuelle Studien belegen, dass Studiengebühren deutlich mehr junge Menschen vom Studium abschrecken als bisher angenommen, darunter vor allem Frauen und Jugendliche aus bildungsfernen Elternhäusern beziehungsweise aus einkommensschwachen Verhältnissen. Damit ist wiederum der unrühmliche enge Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und höherem Bildungsabschluss bestätigt. Aus diesem Grunde waren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in diesem Hause immer - und sind es selbstverständlich auch heute noch - gegen Studiengebühren. Das einmal vorweg.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Studiengebühren sind sozial ungerecht. Sie erschweren es insbesondere sozial benachteiligten jungen Menschen, ein Studium aufzunehmen und erfolgreich abzuschließen. Nicht alle in diesem Hause - der Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN hat es eben erwähnt - haben das so gesehen. Die Ehrlichkeit der Debatte erfordert es selbstverständlich, dass man dies belegt. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich den Kollegen Jürgen Schreier, ehemaliger CDU-Fraktionsvorsitzender in diesem Hause. Er hat am 11. November des Jahres 2008 gesagt: „Die Antwort ist ein klares Bekenntnis zu Studiengebühren“. Weiter sagt er: „Studiengebühren sind gerecht und nutzen den Studierenden. Sie sind eine gute Investition in die eigene Zukunft, die sich später auszahlt.“ - Ich teile diese Auffassung nicht. Es war aber die Auffassung der CDU-Fraktion. Ich habe den Eindruck, dass es eigentlich immer noch ihre Auffassung ist.

Ich zitiere auch - mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin - die Rede von Peter Müller am Aschermittwochtreffen der CDU im Jahr 2006, wo er gesagt hat: „Angesichts der höheren Einkommenserwartungen der Akademiker gegenüber Nichtakademikern ist es auch sozial gerecht und richtig, nach dem Studium einen Teil der Ausbildungskosten zurückzuzahlen.“ - So weit der amtierende saarländische Ministerpräsident. Sowohl seine Fraktion, die CDUFraktion, als auch er selbst haben jetzt diesen Pfad verlassen. Das kann man in der Sache noch für richtig halten, es ist aber ein weiterer Beweis dafür, dass dieses lediglich eine Koalition ist, die aus reinem Machterhalt eine Koalition der Beliebigkeit ist. Auch in der heutigen Debatte wird das erneut deutlich.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich will nicht auf die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion eingehen, die sich immer mal wieder anders geäußert haben. Der arme Kollege Hartmann hat heute Morgen schon genug abbekommen. Ich will ihn an dieser Stelle etwas schonen. Er muss sich ja noch mit seiner eigenen Partei ein wenig auseinandersetzen. Dazu braucht er sicherlich noch etwas Kraft. Ich will auf einen zentralen Punkt eingehen. Eine Auswirkung, die dieses Gesetz sicherlich hätte, die wir durchaus begrüßen und unterstützen, ist folgende: Mit diesem Gesetz, das gestehe ich zu, werden Studiengebühren zunächst einmal abgeschafft. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben vor der Wahl gesagt, dass wir nach der Übernahme der Regierungsverantwortung Studiengebühren abschaffen werden. Ich stelle fest das habe ich eben bereits gesagt -, dass sich daran bis zum heutigen Tage nichts geändert hat. Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass Studiengebühren in diesem Land abzuschaffen sind.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

Nun ist es mit Gesetzen aber immer so, dass sie durchaus auch verschiedene Auswirkungen haben können. Ich weise deshalb darauf hin, dass es noch mindestens drei weitere Folgen geben würde, die mit der Verabschiedung des heutigen Gesetzes eintreten würden. Das ist bei vielen Gesetzen so, auch bei diesem. Deswegen stimmt es, wie Kollege Pauluhn eben dazwischengerufen hat, dass wir dem Gesetzentwurf zustimmen würden, wenn Sie unserem Abänderungsantrag, der genau diese drei negativen Folgen beseitigen würde, ebenfalls zustimmen würden.

Erstens. Das Gesetz trifft keinerlei Regelung, mit der die Ausfälle der Einnahmen für die Hochschulen ersetzt würden. Der Kollege Ulrich hat zwar eben angekündigt, dass man das irgendwann macht -

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Nein, Herr Kollege Ulrich, wir sind nicht für Studiengebühren. Wir haben vor der Wahl gesagt: Wir wollen Studiengebühren abschaffen, gleichzeitig aber dafür sorgen, dass die den Hochschulen entgehenden Einnahmen aus dem Landeshaushalt ersetzt werden.

(Weiterer Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Genau das wird mit diesem Gesetzentwurf nicht getan. Der Universität des Saarlandes gehen durch dieses Gesetz zunächst einmal 12,5 Millionen Euro verloren. Sie haben erst einmal keinen Anspruch darauf. Ein Haushalt ist noch nicht eingebracht. Der HTW gehen 2,5 Millionen Euro verloren. Der Hochschule für Musik und der Hochschule der Bildenden Künste gehen rund 500.000 Euro verloren. Das sind 15,5 Millionen Euro, die zunächst einmal nicht durch dieses Gesetz abgesichert werden, die aber genau durch unseren Abänderungsantrag abgesichert würden und nicht mehr Studiengebühren bedeuten würden. An dieser Stelle halten wir unser Wahlversprechen voll und ganz ein.

(Weitere Zurufe des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Mit unserem Abänderungsantrag würden wir dafür sorgen, dass mit diesem Gesetz Studiengebühren abgeschafft würden, dass aber die Mittel, die den Hochschulen dadurch entgehen würden, aus dem Landeshaushalt gesetzlich verbrieft ersetzt würden. Wir sind konsequent ehrlich in der Einhaltung unserer Wahlversprechen und erfüllen nicht nur einen Teil davon, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD. - Zuruf der Abgeordneten Willger-Lambert (B 90/GRÜNE).)

Ich darf in diesem Zusammenhang den AStA-Vorsitzenden zitieren, der darauf hinweist: „Außerdem

brauchen wir endlich Planungssicherheit. Die Universität des Saarlandes braucht die zusätzlichen Mittel, damit wir weiterhin Verbesserungen für die Studierenden erreichen können. Es geht auch um die Jobs von über 1.000 Studierenden, die aus diesen Mitteln bezahlt werden müssen.“ Genau diese Planungssicherheit, meine sehr verehrten Damen und Herren, mögen Sie vielleicht in Gesprächen der Regierung mit den Hochschulen in Hinterzimmern erklärt haben. Wir als Parlament müssen das aber überprüfen, und mit dem vorliegenden Gesetz kann diese Planungssicherheit nicht gegeben werden. Deswegen sehen wir uns außerstande, dieser Sache zuzustimmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Weiterer Zuruf der Abgeordneten Willger-Lam- bert (B 90/GRÜNE).)

Das haben die Studierenden in diesem Land durchaus begriffen.

(Beifall bei der SPD.)

Wir haben eben kein Vertrauen in die Vorlage des Landeshaushaltes.

Sie haben im Übrigen eben in Ihrer Rede in diesem Zusammenhang noch einen Punkt genannt, mit dem Sie ein weiteres Wahlversprechen brechen werden. Sie haben selbst zugegeben, dass Sie die Mittel, die Sie vielleicht irgendwann kompensieren wollen, auf die 30-Prozent-Quote anrechnen werden. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war weder das Wahlversprechen der GRÜNEN noch unser Wahlversprechen. Wir haben gesagt,

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wo steht denn das?)

wir wollen den Anteil der Bildungsausgaben in diesem Land auf 30 Prozent erhöhen. In diesem Fall würden Sie, selbst wenn Sie die 15,5 Millionen Euro kompensieren, keinen einzigen Euro mehr für Bildung ausgeben; Sie lassen es vielmehr auf dem Level, der vorher bereits da war. Es kommt nur aus einer anderen Tasche.

(Beifall bei der SPD. - Abg. Schmitt (CDU) : Das ist doch Unsinn!)

Es gibt zwei weitere Gründe, weshalb wir uns genötigt sahen, an dieser Stelle einen Abänderungsantrag vorzulegen. Der erste Grund ist, wir wollen nicht nur sichergestellt haben, dass das im Landeshaushalt zur Verfügung gestellt wird. Wir wollen auch, dass diese Mittel ausschließlich zur Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre eingesetzt werden können. Auch das wird in diesem Gesetzentwurf nicht geregelt. Es ist deswegen zu befürchten, dass das versickert und nicht mehr so eingesetzt werden kann, wie es bisher der Fall war. Der zweite Grund, der in der Anhörung mehr als deutlich geworden ist und der sowohl vonseiten der Hochschulleitung als

(Abg. Commerçon (SPD) )

auch vonseiten der Studierenden ausdrücklich erwähnt worden ist: Sie bestehen darauf und halten es für gut, wenn über zusätzliche Mittel, auch über Kompensationsmittel, paritätisch entschieden wird.

Wenn Sie das alles wirklich wollen, Frau Kollegin Willger-Lambert, wie Sie hier ja vorgeben, dann gibt es ein einfaches Mittel, das glaubwürdig zu vertreten: Schaffen Sie die Studiengebühren ab, indem Sie die Regelungen in unserem Abänderungsantrag aufgreifen,

(Zuruf der Abgeordneten Willger-Lambert (B 90/GRÜNE) )