Zahlen von 2010 belegen, dass rund 50.000 Schüler berufsbildende Schulen besuchen, allein über die Hälfte davon die Berufsschulen. Der Trend zeigt, dass es heute sogar noch mehr werden, weil sich immer mehr Abiturienten für eine duale Berufsausbildung entscheiden. Der derzeitige Unterrichtsausfall von mehreren 100 Unterrichtsstunden pro Woche ist einfach zu viel, egal ob sie prüfungsrelevant sind oder nicht.
Das Thema Unterrichtsausfall an den berufsbildenden Schulen ist im Saarland nicht zum ersten Mal Thema im Landtag. Bereits zu Zeiten von Jamaika war dieses Thema mehrfach auf der Tagesordnung, das haben meine Recherchen in alten Protokollen ergeben. Gerade deshalb ist es skandalös, dass immer noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden wurde. Aus diesem Grund fordern wir, auch an beruflichen Schulen eine Lehrerfeuerwehr einzurichten, die den Unterrichtsausfall abfängt und weiter minimiert.
Entsprechendes Personal stünde bereit. Mehrere Referendare, die derzeit mit ihrer Ausbildung fertig werden, haben keine Stelle erhalten und stehen praktisch vor dem Nichts. Die Bewerbungsfristen in anderen Bundesländern sind zum größten Teil bereits abgelaufen. Selbst wenn sie noch eine Stelle finden würden, gibt es weitere Probleme, was eine Versetzung in ein anderes Bundesland angeht. Viele haben Ehepartner, die beruflich im Saarland verankert sind. Oder etwas ganz Banales: Nicht jeder Vermieter lässt mit sich reden, was die Kündigungsfrist für die Mietwohnung angeht.
Wir haben gut ausgebildete Referendare, deren Ausbildungskosten das Land bereits getragen hat. Wollen wir im Hinblick auf den massiven Unterrichtsausfall diese Menschen wirklich an andere Bundes
länder verlieren? Wer einmal das Saarland verlassen hat, der kehrt so schnell nicht mehr zurück. Das kann sich das Saarland, das mit einer alternden Bevölkerung zu kämpfen hat und aus dem immer mehr junge Menschen abwandern, schlichtweg nicht leisten, meine Damen und Herren.
Zudem ist es unsozial, junge Menschen auf diese Weise zu zwingen, ihre Heimat zu verlassen. Ich möchte gerne wissen, Herr Minister, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie beruflich bedingt plötzlich Ihre Heimat verlassen müssten, in der Ihre Freunde und Ihre Familie wohnen. Ich persönlich kann es mir nicht vorstellen, meine Heimat so plötzlich verlassen zu müssen.
Ich komme zurück zur Lehrerfeuerwehr. Durch die Einstellung der Referendare und Referendarinnen könnte der strukturelle Unterrichtsausfall minimiert und der krankheitsbedingte Ausfall abgefangen werden. Das Gegenargument, die Fächerkombinationen würden zum Teil nicht passen, ist totaler Humbug und an den Haaren herbeigezogen.
Wenn diese einzelnen Fälle tatsächlich so entstanden sind, dann werfe ich dem Ministerium vor, bereits zu Beginn Referendare für die falschen Fächerkombinationen angeworben zu haben. Die Referendare dürfen für diese Fehler nicht bluten.
Natürlich ist es an den berufsbildenden Schulen schwerer, eine Lehrerfeuerwehr einzurichten, als an den allgemeinbildenden Schulen. In dem Punkt sind wir uns alle einig. Es ist klar, dass ein Lehrer für tiermedizinische Fachkunde nur schwer bei Datenverarbeitung einspringen kann. Jeder Referendar hat jedoch mindestens zwei Fächer, es gibt auch Fächer, die sich überschneiden. Man könnte mit nur wenig Mühe den Verlust eines Lehrers abfangen. Wo ein Wille ist, wäre auch ein Weg, meine Damen und Herren.
In den Fächern, wo eine Lehrerfeuerwehr mal nicht gebraucht wird, so selten diese Fälle auch sein mögen, bestünde immer noch die Möglichkeit des Teamteachings, wie wir PIRATEN es in unserem Wahlprogramm fordern. Das bedeutet, dass mindestens zwei Lehrer gleichzeitig in einer Klasse unterrichten. Gerade in Klassen, in denen Schüler mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen zusammen sind, bildet sich häufiger eine starke Spitze, eine große breite Mitte und leider auch ein schwacher Rest. Durch dieses Teamteaching wäre ein spezieller Förderunterricht für schwächere Schüler in der
regulären Unterrichtszeit möglich. Davon profitiert nicht nur die einzelnen Schüler, sondern letzten Endes auch unsere Wirtschaft, wenn besser ausgebildete Schüler auf den Arbeitsmarkt strömen.
Im Antrag der Koalition stehen schöne Worte. Jungen Menschen ohne Ausbildung oder Schulabschluss eine Perspektive geben zu wollen, ist eine tolle Sache. Da sind wir uns alle einig, das finden wir PIRATEN auch gut. Ein weiterer Ausbau von beruflichen Vollzeitschulen ist daher zu begrüßen. Aber auch dazu bedarf es Lehrer und einer Lehrerfeuerwehr. So sind diese Worte nicht mehr als das, was sie derzeit sind: schöne Worte.
Es ist aber auch schön, dass durch den Druck der Oppositionsfraktionen und durch die Referendare, die heute vor dem Landtag demonstriert haben, mehr Bemühungen der Regierungsfraktionen zu sehen sind. Der Antrag von CDU und SPD ist keine Verschlechterung gegenüber dem jetzigen Zustand. Wir werden diesen Antrag daher nicht ablehnen, fordern aber gleichzeitig die Annahme des Oppositionsantrags. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hubert Ulrich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute hier eine Debatte, die uns erneut mit dem Problem der Bildungspolitik unter der Großen Koalition konfrontiert, nämlich dem, dass man sukzessive, Stück für Stück die Planstellen für Lehrerinnen und Lehrer zurückführt. Hier geht es nicht um eine große Zahl, aber es ist ein gutes Beispiel dafür, ein gutes Beispiel gepaart -
(Abg. Schmitt (CDU) : Das stimmt doch gar nicht! - Abg. Thul (SPD): Wo werden denn da Stellen gestrichen? - Weitere Zurufe von den Regierungsfraktionen.)
(Abg. Schmitt (CDU) : Nein, ist es nicht! Die Planstellen werden nicht gestrichen. - Abg. Thul (SPD) : Das ist eine Frechheit!)
Herr Schmitt, gepaart mit einer Vorgehensweise, die sich ein Ministerium eigentlich so nicht erlauben und leisten sollte. Sie wissen, was ich meine. Ich meine vor allen Dingen den Umgang mit den Menschen,
die man teilweise - das ist eben richtigerweise gesagt worden - wirklich hier angeworben hat, richtigerweise angeworben hat. Diese Menschen kamen hierher, haben teilweise Jobs, Berufe, feste Anstellungen aufgegeben, weil ihnen immer wieder durch die Seminarleiter, durch Leute in der Verwaltung, suggeriert wurde - was vor allen Dingen durch das Handeln in der Verwaltung auch erkennbar war -, dass sie in Zukunft übernommen werden.
Ich will einmal die Zahlen bei den Planstellen nennen, die erkennen lassen, welches Gerüst innerhalb des Berufsbildungsbereichs in den letzten Jahren geschaffen wurde. Im Jahre 2009 - das war noch Annegret Kramp-Karrenbauer als Ministerin - wurden 40 zusätzliche Planstellen geschaffen, zu Recht, sage ich. Kessler hatte im Jahre 2010 30 geschaffen, 2011 hatte er 30 geschaffen, im Jahre 2012 ebenfalls plus 10 Stellen. Im Jahre 2010 wurde sogar die Anzahl der Referendarstellen von 115 auf 135 erhöht, also auch plus 20 Stellen.
Ich frage Sie: Warum hat man das alles gemacht, wenn man im Nachhinein die Leute nicht übernehmen will? Man hat sie immer übernommen. Es war langjährige Praxis. Auch das wurde eben bereits gesagt. Insofern wiederhole ich mich jetzt, aber ich glaube, das muss man an dieser Stelle wirklich wiederholen. Vor allen Dingen wurde es so vermittelt, es wurde so suggeriert. Die Betroffenen mussten genau von dieser Verwaltungspraxis ausgehen. Es war gängiges Handeln.
Ein Beispiel ist - das liegt ja manchen ein bisschen näher - der Bereich der Anwärter in der Polizei. Auch dort werden sehr viele eingestellt. Wie würde es denn wirken, wenn plötzlich der Innenminister den Leuten nach drei Jahren sagen würde: Wir haben euch hier als Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter ausgebildet, aber übernehmen können wir euch nicht. Jetzt kuckt mal, ob ihr beim privaten Sicherheitsdienst unterkommt, fragt doch mal in Rheinland-Pfalz oder in Berlin oder in Bayern.
Genau das ist die Situation. Genau so, Herr Commerçon, gehen Sie mit diesen Leuten um. Das kann man so nicht stehen lassen. Das geht nicht. Hier, Herr Commerçon, wird der Vertrauensschutz mit Füßen getreten, und zwar von Ihnen als Minister.
(Beifall bei den Oppositionsfraktionen - Zurufe der Abgeordneten Schramm (DIE LINKE) und Thul (SPD).)
Das zweite große Problem ist für mich der Umgang mit den betroffenen Menschen. Natürlich wird immer so schön für die Öffentlichkeit gesagt: Alle bekommen Gespräche, wir gehen auf alle ein. Da gab es auch ein paar Gespräche. Das ist natürlich so. Nur, wenn man einmal mit den Betroffenen redet, dann
hört man sehr schnell, wie unschön diese Gespräche verlaufen sind. Da wird die Kompetenz von Einzelnen infrage gestellt, da wird der Vertrauensbruch, der vonseiten des Ministeriums an dieser Stelle begangen wurde, als völlig normal hingestellt. So kann man und darf man das nicht machen, Herr Minister. Da müssen Sie als Hausspitze eingreifen. Das können Sie so nicht stehen lassen.
Stichwort Lehrerfeuerwehr. Das wurde schon angesprochen. Da wird immer so getan, als ginge das nicht in diesem Bereich. Herr Commerçon, ich habe mit Ihrem Vorgänger darüber diskutiert. Er ist ein bisschen vom Fach. Er hat diesen Job zweieinhalb Jahre gemacht und kommt beruflich genau aus diesem Bereich. Er sagte mir, natürlich ist es machbar, natürlich gibt es auch Probleme und es passen die Fächerkombinationen oder die Fächer nicht genau, oft gar nicht, bei den Lehrerinnen und Lehrern, die ausfallen. Allerdings haben wir in diesem Lande in anderen Bereichen bereits Lehrerfeuerwehren und dort funktioniert das ja, auch im gymnasialen Bereich. Wenn ein Mathelehrer ausfällt, dann steht nicht immer ein Mathelehrer zur Verfügung. Dann wird eben einmal Deutsch unterrichtet. Genauso könnte man auch in diesem Bereich verfahren, aber wenn die Stellen fehlen, dann ist das so nicht gewollt.
Herr Commerçon, damit komme ich zum Schluss, meine Redezeit geht zu Ende. Sie haben sich heute Morgen vor der Tür auch noch mit fremden Federn geschmückt in der Frage der Reduzierung der Ausfallstunden. Die wurden in der Tat von 1.600 auf 800 Stunden in der Woche reduziert, Herr Commerçon, allerdings nicht von Ihnen, sondern von Ihrem Vorgänger Klaus Kessler. Das war nämlich schon zu Beginn dieses Schuljahres so. Da waren Sie gerade einmal drei Monate Minister. Herr Commerçon, Sie schmücken sich hier erneut mit fremden Federn.
Herr Schmitt, stellen Sie mir doch eine Zwischenfrage. Dann habe ich ein bisschen mehr Redezeit. Ich antworte wirklich gerne.
Zwei Sätze noch zum Antrag der Großen Koalition. In diesem Antrag steht nichts Falsches. Da steht im Übrigen vieles von dem drin, was bereits in der Jamaika-Koalition angestoßen und andiskutiert wurde, was auch in der Umsetzung gewesen wäre.
Ich bin beim Schlusssatz. Vor diesem Hintergrund können wir dem Antrag der Großen Koalition zustimmen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Ulrich. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Bernd Wegner von der CDU-Landtagsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es mit einem Thema zu tun, das heute hier sehr emotional im Parlament diskutiert wird und das auch zu Recht. Ich möchte als Allererstes meinen Respekt denjenigen Referendarinnen und Referendaren aussprechen, die heute Mittag vor dem Parlament protestiert haben und sich auch die Zeit genommen haben, hier die Debatte zu verfolgen und zu hören, was zu den Anträgen in ihrer Sache gesprochen wird. Ich kann sehr gut nachvollziehen, wie es Ihnen geht und ich kann auch sehr gut nachvollziehen, wie Sie sich fühlen.