Protokoll der Sitzung vom 16.01.2013

(Beifall bei der LINKEN.)

Deswegen sind wir der Auffassung, dass eine andere Politik in Europa notwendig ist, gerade im Interesse auch der künftigen europäischen Entwicklung.

Der LINKEN wird oft vorgeworfen, wir seien zu wenig europäisch oder gar antieuropäisch. Das Gegenteil ist der Fall. Was wir wollen, ist ein Europa des Friedens, was wir wollen, ist ein soziales Europa. Was wir nicht wollen, ist ein Europa, in dem einzelne europäische Länder wie beispielsweise Griechenland oder Spanien eine Jugendarbeitslosenquote von über 50 Prozent aufweisen. Das heißt, wir wollen kein Europa, wo in relevanten Teilen die Jugend überhaupt keine Perspektive hat, weil sie von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Das wollen wir ändern und das sollte auch unsere gemeinsame Zielsetzung sein.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD.)

In dem Antrag und auch in der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin ist sehr deutlich betont worden, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht nur einen wesentlichen Bestandteil der europäischen Entwicklung darstellt, sondern dass wir als Saarländerinnen und Saarländer hier eine besondere Verpflichtung haben und auch auf eine sehr gute Tradition zurückgreifen können. Ich möchte dies für meine Fraktion ausdrücklich unterstreichen. Ich glaube, dass wir auf einiges zurückblicken können, dass in diesem Zusammenhang aber noch erhebliche Aufgaben auf uns zukommen und noch vieles weiterentwickelt werden muss.

Es ist zu Recht auf die Anstrengungen im Bereich der Bildungspolitik hingewiesen worden, auf die Institutionen, die wir haben, auf das Deutsch-Französische Gymnasium, auf die Deutsch-Französische Hochschule und andere Einrichtungen, die hier schon angesprochen worden sind. Nicht zu unterschätzen ist auch der kulturelle Beitrag, das heißt die kulturellen Beziehungen zwischen dem Saarland und Frankreich, konkret zwischen dem Saarland und Lothringen, aber auch allgemein in der Großregion. Ich nenne das Theaterfestival „Perspectives“. All diese Dinge sind sehr wichtig und sollten weiter vertieft werden.

Wir haben natürlich auch eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit, und die bezieht sich eben nicht nur auf Deutschland und Frankreich, sprich auf das Saarland und Lothringen, sondern auch auf die Großregion mit der Wallonie, Luxemburg, der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und Rheinland-Pfalz. All dies gehört mit dazu, wobei die Zusammenarbeit zwischen Lothringen und dem Saarland - es ist auf entsprechende Berichte hingewiesen worden - den Kern der Politik in der Großregion darstellt.

Wir haben bewährte Institutionen wie den Interregionalen Parlamentarierrat - das Treffen der Parlamentarier der Großregion. Weil dies in der Öffentlichkeit oft etwas zu kurz kommt, möchte ich darauf hinweisen, dass wir auch auf gewerkschaftlicher Seite eine entsprechende interregionale Zusammenarbeit mit dem interregionalen Gewerkschaftsrat haben. Das sind Punkte, an die man anknüpfen kann.

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir haben eine enge Verflechtung. Wir haben praktisch einen gemeinsamen Arbeitsmarkt. Darauf ist mehrfach hingewiesen worden. Wir haben in der Großregion über 200.000 Grenzgänger. So wichtig die Task Force ist - das unterstreiche ich -, möchte ich in dem Zusammenhang auf die Verdienste des Grenzgängervereins hinweisen. Es ist immer wieder beeindruckend, wenn im November die Jahresversammlung des Grenzgängervereins im Rathaus Saargemünd stattfindet, bei der wir eine Beteiligung

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

haben, von der wir im Saarland manchmal nur träumen können. Ich glaube, es gibt viele Bereiche, in denen wir die Situation haben, dass hier konkrete Hilfe geleistet wird und dass diese Hilfe notwendig ist.

Ich meine, es wäre ganz wichtig, dass wir bestimmte Dinge weiterentwickeln. Ich möchte auf die Bildung zurückkommen. Es ist auf die Anstrengungen hingewiesen worden, auch was Sprache angeht. Ich möchte eines ganz besonders unterstreichen - die Ministerpräsidentin und Frau Zieder-Ripplinger haben darauf hingewiesen -, die berufliche Bildung. Ich glaube, dass das ein ganz wesentliches Element der interregionalen Beziehungen sein muss. Das müssen wir intensivieren. Wir haben teilweise die Anerkennung, aber das muss weiterentwickelt und zu einem Kernbestandteil unserer Zusammenarbeit werden.

Zum Schluss möchte ich auf Folgendes hinweisen, über das in diesem Hause schon in Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen diskutiert wurde, als es um das Thema Europa ging. Es ging darum, dass wir gemeinsam zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in dieser Region beitragen müssen. Das heißt, Europa und die deutsch-französische Zusammenarbeit müssen den Menschen nahegebracht werden. Das ist die Verpflichtung des Élysée-Jahres 2013. Wir haben zahlreiche Beziehungen und Austausche, aber es ist noch nicht der Alltag, den wir anstreben. Deswegen muss die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich sowie Europa den Menschen nahegebracht werden. Das wird nur gehen, wenn wir uns mit den konkreten Problemen, Sorgen, Nöten, Zielsetzungen und Bedürfnissen dieser Menschen auseinandersetzen und dass dies für uns Alltag wird. Dafür brauchen wir die Institutionen. Dafür brauchen wir die Weiterentwicklung. Aber dafür brauchen wir auch eine deutsch-französische Alltagskultur. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt von der SPD.)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Roland Theis.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Das größte Hindernis für die Bildung Europas ist die deutsch-französische Rivalität. Europa kann erst zustande kommen, wenn diese beiden Völker auf ihren Hegemonieanspruch verzichten und sich in den Dienst ihres gemeinsamen größeren Vaterlandes stellen.“ Dieser Satz, dessen historische Wahrheit heute unumstritten ist, stammt nicht aus dem Jahr 1963, sondern aus dem

Jahr 1923, denn bereits vor 90 Jahren war es Richard Graf Coudenhove-Kalergi, der die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen für das Schicksal unseres Kontinents richtig beschrieben hat. Leider - das ist in dieser Debatte insbesondere in der Regierungserklärung unserer Ministerpräsidentin zum Vorschein gekommen - bedurfte es der Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der totalen Zerstörung der Grundlagen unseres Kontinents, damit sich diese Einsicht, die uns heute im Rückblick jedenfalls so selbstverständlich erscheinen lässt, durchsetzen konnte.

Sicher war der Traum von der deutsch-französischen Freundschaft im Jahr 1923 nach dem Schrecken von Verdun und dem großen Krieg bereits visionär, doch auch 40 Jahre später bedurfte es großer Überzeugung und visionärer Kraft, um den Traum von der deutsch-französischen Freundschaft zu verwirklichen, denn zu den historischen Wunden von Gravelotte und Spichern sowie dem Trauma von Verdun hatte der Zweite Weltkrieg den Schrecken der Besatzung und den Terror von Orten wie Oradour-sur-Glane hinzugefügt, der eine Aussöhnung, eine Verständigung oder gar eine Freundschaft unmöglich erscheinen ließ. Wer 1963 in einem Alter wie ich heute war, hatte nicht nur das Leid des Krieges oder die Massaker der SS an der französischen Zivilbevölkerung als Kind und Jugendlicher miterlebt, sondern dessen Elterngeneration hatte auch beide Weltkriege durchlitten und der war in einem öffentlichen Klima von Hass und Feindschaft groß geworden.

Die deutsch-französische Freundschaft war daher weder selbstverständlich noch zwangsläufig. Für die Verwirklichung dieses Traums bedurfte es mutiger Frauen und Männer, die im Bewusstsein der Geschichte unserer beiden Vaterländer, wie es Coudenhove-Kalergi zum Ausdruck brachte, sich in den Dienst ihres gemeinsamen größeren Vaterlandes stellten. An einem Tag wie diesem, an dem wir an diese große Idee erinnern, sollten wir auch diejenigen ehren, die diese Idee hervorgebracht und vorangetrieben haben. Adenauer und de Gaulle sind genannt worden, aber auch Männer und Frauen vor und nach ihnen - wie Robert Schuman, Jean Monnet, Helmut Kohl und François Mitterand. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir Deutsche und Franzosen können stolz und dankbar dafür sein, dass unsere beiden Länder solche Frauen und Männer hervorgebracht haben. Darauf können wir heute stolz sein.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wenn wir heute auf 50 Jahre Élysée-Vertrag zurückblicken, dann können wir deshalb nicht nur die Bilanz eines historischen Erfolges ziehen, sondern auch Jahre nach seiner Unterzeichnung ihn als Richtschnur und Wegweiser nutzen, denn der

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

Élysée-Vertrag beruht auch heute noch auf Grundthesen, die sich als zeitlos richtig und gerade in unseren Tagen als notwendig erwiesen haben, denn er beruht zunächst auf dem festen Wissen darum, dass Europa dann, wenn es erfolgreich sein will, als ein Europa der Bürgerinnen und Bürger konzipiert sein muss und dass Europa nur dann lebendig ist, wenn es den Austausch, die Begegnung und die Freundschaft zwischen unseren beiden Völkern gibt.

Charles de Gaulle hat das in seiner Rede an die deutsche Jugend vom 09. September 1962 in Ludwigsburg auf den Punkt gebracht, in dem er vor jungen Deutschen diesen zurief: „Die jetzt ganz natürliche Solidarität zwischen unseren beiden Völkern müssen wir selbstverständlich organisieren. Das ist die Aufgabe der Regierung. Vor allem müssen wir aber ihr einen lebenden Inhalt geben und das ist insbesondere die Aufgabe der Jugend.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Geiste wurde nicht nur das Deutsch-Französische Jugendwerk gegründet, sondern auch zahllose Städtepartnerschaften und Schulpartnerschaften, die diesen deutsch-französischen Gedanken heute noch lebendig halten. Wir, der saarländische Landtag, sollten denjenigen Danke sagen, die hier im Saarland und darüber hinaus in dieser Arbeit tätig sind. Das ist wertvoll für Deutschland, Frankreich und gerade für unsere Region.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen, PIRATEN und B 90/GRÜNE.)

Der Élysée-Vertrag beruht auf der Überzeugung, dass Europa nur eine Zukunft hat, wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam daran mitwirken. Europa - ich erinnere an das Zitat - kommt erst dann zustande, wenn diese beiden Völker auf ihren Hegemonieanspruch verzichten und sich in den Dienst ihres gemeinsamen größeren Vaterlandes stellten. Dieses Zitat aus dem Jahr 1923 scheint uns heute 90 Jahre später - immer noch aktuell, weil es zeitlos richtig ist. De Gaulle schloss seine Ludwigsburger Rede im September 1962 mit den Worten: „Die Zukunft, die Zukunft unserer beiden Völker, ist der Grundstein, auf welchem die Einheit Europas gebaut werden kann und muss. Der höchste Triumph für die freie Welt bleiben die gegenseitige Achtung, das Vertrauen und die Freundschaft zwischen dem französischen und dem deutschen Volk.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade in Zeiten der Krise - zuletzt der Krise der europäischen Gemeinschaftswährung - haben wir gesehen, dass dieser Satz heute noch stimmt. Dieser Grundstein der deutsch-französischen Freundschaft, auf dem Europa gebaut ist, steht auch in saarländischer Erde. Wir Saarländer wissen - ich sage das an dieser Stelle auch als Sohn einer französischen Mutter und Sohn eines deutschen Vaters, der hier buchstäblich

nicht stünde, wenn es die deutsch-französische Aussöhnung und die deutsch-französische Freundschaft nicht gegeben hätte -, dass unser Land seine Besonderheit und seine Existenz und unsere Region ihre Vielfalt aus dieser Geschichte bezieht. Die deutsch-französische Aussöhnung war es, die uns Saarländern dazu verholfen hat, dass die zweite Hälfte des vergangenen Jahrhunderts für unsere Region eine glückliche werden konnte.

Wir Saarländer empfinden zu Recht tiefe Dankbarkeit für die deutsch-französische Freundschaft. Sie ist die Schicksalsfrage unserer Region. Sie war das Glück unserer Heimat. Zugleich - das ist deutlich geworden - ist sie aber auch Auftrag, diese Geschichte weiter mit Leben zu erfüllen. Sie ist die Verpflichtung, dieses Geschenk an kommende Generationen weiterzugeben, die Verpflichtung, Vorreiter zu sein für Deutschland, Frankreich und Europa und eine besondere Rolle zu spielen. Das Bild mit den Nähten des europäischen Teppichs, das die Ministerpräsidentin vorhin gebracht hat, trifft zu. Denn Tatsache ist auch, dass wir dies- und jenseits der Grenze in dieser Arbeit noch viel zu tun haben. Tatsache ist ebenso, dass es bei vielen Dingen noch im Argen liegt. Die besondere Rolle unserer Region kann es sein, dass wir Deutschland und Frankreich, gerade unsere Region - die Großregion - zu einem Raum ohne Grenzen machen, zu einem Raum ohne Hindernisse, zu einem Raum ohne Grenzen mit Mobilität von Studierenden, wie es die Deutsch-Französische Hochschule und die Universität der Großregion zeigen, von Arbeitnehmern, wo die Task-Force eine wichtige Rolle spielt, von Unternehmen, von denen viele im Saarland - nicht zuletzt unsere Landesbank - unterwegs sind, ein Raum ohne Grenzen in der Sprache durch den besseren Erwerb der Sprache des Nachbarn, ein Raum ohne Grenzen aber auch in den Köpfen durch den stärkeren Austausch von Bürgern und auch zwischen Behörden und Politikern.

Heute sind in all diesen Bereichen bereits viele Bürgerinnen und Bürger und Akteure der Zivilgesellschaft unterwegs. Die Universität der Großregion wurde genannt, ebenfalls die Deutsch-Französische Hochschule. Die zahllosen Unternehmen wurden genannt, ebenfalls die grenzüberschreitenden Projekte von Städten und Schulen, die gemeinsame Arbeit von Behörden, unseren Polizeien und Zollverwaltungen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie uns das Élysée-Jahr nutzen, dieses gemeinsame Projekt Élysée, das gemeinsame Projekt der deutsch-französischen Freundschaft zum Bürgerprojekt zu machen!

Lassen Sie uns - damit möchte ich zum Ende kommen - den Raum ohne Grenzen schaffen, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern dies- und jenseits der Grenzen, und lassen Sie uns dieses Jahr

(Abg. Theis (CDU) )

nutzen, ein Zeichen dafür zu setzen. Dieses Zeichen könnte zum Beispiel sein, dass wir im Élysée-Jahr das Relikt, das immer noch an der Goldenen Bremm steht, diesen Dinosaurier aus der Zeit der Grenzkontrollen und Grenzanlagen, endlich abreißen. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass wir die Grenzanlagen an der Goldenen Bremm zur Vergangenheit machen. Das wäre ein schönes Zeichen der Grenzenlosigkeit der Chancen unserer Region und der Grenzenlosigkeit der deutsch-französischen Freundschaft. In diesem Jahr ist dies das richtige Signal. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung. - Herzlichen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion die PIRATEN Herr Fraktionsvorsitzender Michael Hilberer.

Meine Damen und Herren! Es ist uns eine Freude, heute an den Élysée-Vertrag zu erinnern und ihn dieses Jahr zu feiern. Er ist wahrlich ein zentraler Meilenstein in den Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich. Zum geschichtlichen Hintergrund. Meine Vorredner haben es in ihren Ausführungen deutlich gemacht und jeder historisch interessierte Mensch in unserer Großregion weiß, dass Deutschland ohne Frankreich undenkbar ist. Es gäbe kein Deutschland, wenn es kein Frankreich gäbe. Wir blicken auf eine Geschichte zurück, in der die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich nie leicht war. Es sind zwei große Staaten, zwei Kontinentalmächte, Nachbarn in ihrer gemeinsamen Geschichte oft mit überlappenden, aber oft auch mit widersprüchlichen Interessen. Zum Glück - das ist die schöne Nachricht des Tages - sehen wir Frankreich heute meist als Partner und Freund an, selten als Konkurrent und - wofür wir wirklich alle sehr dankbar sind - nicht mehr als Feind, wie das in den vergangenen Jahrhunderten der Fall war.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Natürlich ist eine solche Beziehung zwischen Staaten nicht einfach. Es ist keine Freundschaft zwischen Menschen, sondern es gibt immer wieder widersprüchliche Interessen. Unter Freunden - das ist das Schöne - verschweigen wir auch nicht, dass heute immer noch Zündstoff in dieser Beziehung steckt. Unser Freund Frankreich hat aktuell mit hohen Lohnnebenkosten zu kämpfen, während wir in Deutschland Dumpinglöhne staatlich subventionieren. Unser Partner Frankreich führt Krieg in Mali, während wir uns - historisch verständlich - schwertun, eine klare Position zu finden. Wir werden heute eine Debatte führen, weil sich Deutschland auf einen Weg zur Energiewende begeben hat, während un

ser Nachbar immer noch auf Kernenergie als zentrales Rückgrat seiner Stromerzeugung setzt.

Die deutsch-französische Freundschaft ist kein Selbstläufer. Das wissen wir. Es liegt an uns allen, sie immer wieder mit Leben zu füllen. Es liegt an uns allen, gemeinsame Ziele zu verfolgen. Es liegt an den Bürgerinnen Frankreichs und Deutschlands, die Idee der Europäischen Vereinigung mit Leben und Taten zu füllen.

(Beifall von den PIRATEN und bei den übrigen Oppositionsfraktionen.)

Als Repräsentanten der Bürger ist es unsere Aufgabe in der Politik, in dieser neuen vernetzten und globalen Welt, in der dem Einzelnen Paris eben nicht mehr näher ist als New York oder Shanghai, Anreize zu setzen, dass wir zu europäischen Bürgerinnen und Bürgern werden. Wir müssen vor Ort Wege bereiten, damit sich die Menschen in unserer Großregion treffen - von Angesicht zu Angesicht. Wir haben viele Gelegenheiten, uns zu treffen. Nun müssen wir die Anreize schaffen, die Menschen wirklich zusammenzubringen. Es gibt viele Institutionen in unserer Großregion. Meine Vorredner haben sie aufgezählt. Wir haben in den letzten Jahrzehnten sehr viel erreicht. Wo es aber immer noch fehlt, ist auf der Ebene des Zwischenmenschlichen, auf der Ebene der Bürger, sich auch zu treffen.

Allen Wirrungen und Verwirrungen der Nachkriegszeit zum Trotz hat sich die deutsch-französische Freundschaft für viele unerwartet zum Motor des politischen Zusammenwachsens Europas entwickelt. 50 Jahre Élysée-Vertrag ist ein guter Anlass, über die nächsten Schritte nachzudenken. Noch immer ist die Europäische Union, so groß und stark sie uns oft erscheint, fragiler als auf den ersten Blick. Die EUVertrauenskrise reißt alte nationale Gräben auf. Die Angst vor Kriminalität und Terrorismus wird oft allzu leichtfertig mit Einschränkungen der Freiheit oder der Freizügigkeit für die Bürger Europas gedämpft. Nicht zuletzt erleben wir in diesen Tagen und Jahren eine Ohnmacht der Politik in den Nationalstaaten gegenüber einer zunehmend über undurchschaubare Netzwerke geregelten, globalisierten Welt.

Ich glaube, wir alle hier sind uns der Bedeutung der europäischen Einigung für Frieden, Freiheit, Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit auf diesem Kontinent bewusst. Unsere Geschichte lehrt uns, dass diese Errungenschaften weder selbstverständlich noch garantiert sind. Sie müssen immer wieder neu erstritten, verteidigt und ausgebaut werden. Sie bedürfen eines ständigen aktiven Einsatzes und einer Ausgestaltung durch die Menschen, die in Europa leben. Der schönste Aspekt des Élysée-Vertrages, auch das klang bereits bei meinen Vorrednern an, ist von daher auch das Ziel, die Menschen in Deutschland und Frankreich einander näherzubringen. Ich glau

(Abg. Theis (CDU) )

be, dieser Punkt ist zentral und muss heute die Maxime unserer Europapolitik werden.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen und bei den Regierungsfraktionen.)

Wir PIRATEN haben in unserem Grundsatzprogramm festgelegt, dass Europapolitik für uns keine Außenpolitik ist. Als Teil einer transnationalen politischen Bewegung, deren Kommunikationsraum keine staatlichen Grenzen kennt, sehen wir uns in einer besonderen Verantwortung, den Bestand der europäischen Idee sicherzustellen und weiterzuentwickeln. Dabei sehen wir unsere europäischen Nachbarn als Mitglieder einer großen Familie an. Unser Ziel ist es, durch eine gemeinsame Verfassung ein konstituiertes rechtsstaatliches, demokratisches und soziales Europa zu gestalten.

In einem Europa der Bürger und Regionen steht für uns der Mensch mit seinem Handeln im Mittelpunkt. Mehr Europa ist das Ziel. Mehr Europa muss aber auch heißen: mehr Demokratie in Europa. Die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung am politischen Prozess auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene müssen von daher stark erweitert werden. Bürgerbeteiligung muss transparent ausgestaltet werden, sie muss einfach wahrzunehmen, barriere- und kostenfrei sein. So können wir die Demokratie und mit ihr die europäische Einigung stärken und weiter vorantreiben.