Protokoll der Sitzung vom 06.02.2013

Zur Begründung des Antrags der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion und der DIE LINKELandtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Dr. Simone Peter das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden uns heute mit einem Thema befassen, das erst langsam in das Bewusstsein der Länder, der politischen Parteien und der kommunalwirtschaftlichen Betriebe durchsickert, das uns aber in höchste Alarmbereitschaft versetzen sollte. Durch die geplante EU-Konzessionsrichtlinie wird nämlich durch die Hintertür die Privatisierung der Wasserversorgung vorangetrieben. Wir kennen das Beispiel der Bahn in Großbritannien und haben auch schon die Privatisierungen von Wasserversorgungen in anderen Ländern thematisiert. Damit gehen ganz klar Qualitätseinbußen einher und es werden auch Kostensteigerungen damit verbunden sein. Die Wasserversorgung ist essenzieller Teil der Daseinsvorsorge. Deswegen sind wir gefordert, hier überparteilich ein Signal Richtung Bundesregierung und Richtung Brüssel zu senden, dass wir uns gegen diese weitere Privatisierung wenden. Grundsätzlich können die Kommunen zwar die Wasserversorgung weiterhin selbst erbringen, aber hierfür gibt es hohe Hürden. So sollen weniger als 80 Prozent des Gesamtumsatzes für die Eigenkommune erbracht werden, wobei diese 80 Prozent sogar noch in der Diskussion sind. Es gibt Bestrebungen, das auf 90 oder 100 Prozent hochzuschrauben, um eine europaweite Ausschreibung zu erzwingen, beziehungsweise wenn es eine private Beteiligung gibt, die nicht gesetzlich verordnet ist, beziehungsweise wenn es zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern Finanztransfers gibt.

Wir alle wissen - und da gibt es auch einige Stadtwerke im Saarland -, dass die Mehrzahl der deutschen Stadtwerke eine oder mehrere dieser Bedingungen erfüllen, weil gerade die Stadtwerke in Deutschland, die mehrere Sparten unter ihrem Dach beherbergen, im steuerlichen Querverbund aufgebaut sind. Neben der Wasserversorgung erbringen sie eben auch noch die Energieversorgung und finanzieren damit auch teilweise noch den ÖPNV. Jetzt kann man grundsätzlich der Meinung sein,

dass man hier für eine klare Trennung ist, aber das funktioniert weder von heute auf morgen noch ist es zielführend, eine Daseinsvorsorge voranzubringen, die nicht kommunal organisiert ist. Ich habe gerade gehört, dass der Städtetag heute noch einmal explizit darauf hingewiesen hat, dass die Wasserversorgung unabhängig von ihrer Rechtsform in kommunaler Hand bleiben soll. Dem sollten wir uns anschließen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Nach Aussage der deutschen Spitzenverbände betrifft das bundesweit rund 800 Stadtwerke, die 50 Prozent der Bevölkerung mit Wasser versorgen. Grund hierfür ist, dass die Kunden ihren Energieversorger frei wählen können und die Stadtwerke ihre Dienste eben nicht auf den Raum der eigenen Kommune begrenzen können. Nun ist eine verbleibende Möglichkeit die Ausgliederung der Wasserversorgung in Eigenbetriebe, was aber, wie eben schon angeführt, die Wasserversorgung deutlich verteuern würde. Auch die interkommunale Kooperation würde erschwert. Wir reden die ganze Zeit darüber, dass wir mit den Kommunen Lösungen finden müssen, wie wir Aufgaben verteilen, wie wir vor dem Hintergrund des demografischen Wandels Leistungen zusammen erbringen. Das wird klar erschwert.

Es sollen keine privaten Beteiligungen bei der kommunalen Kooperation mehr zugelassen werden. Künftig sollen die Kommunen bei der Kooperation nur noch geteilte Rechte und Pflichten übernehmen, also nicht mehr gegenseitige Rechte und Pflichten. Eine Kommune darf keine Aufgabe für eine andere Kommune übernehmen. Die öffentliche Verwaltung wird in der Modernisierung nach unserer Ansicht massiv eingeschränkt. Wenn wir hier über Schuldenabbau, über interkommunale Kooperation reden, dann sind diese Möglichkeiten in Zukunft erschwert.

Wir haben vor diesem Hintergrund eigentlich auch kein Verständnis dafür, dass der Antrag der Großen Koalition thematisiert, dass wenigstens erreicht worden sei, dass alle Städte und Gemeinden, deren Wasserwerke in kommunaler Hand sind, von der Konzessionsrichtlinie ausgenommen worden seien, da es für teilprivatisierte Betriebe nicht gänzlich zutrifft. Das widerspricht dem Anliegen in der Forderung, dass hier eine weitreichende Gestaltungsfreiheit auf nationaler und kommunaler Ebene im Bereich der Daseinsvorsorge ermöglicht werden soll und dass auf die interkommunale Zusammenarbeit hingewirkt werden soll. Das ist nicht schlüssig. Wir wissen auch, dass vor allen Dingen Abgeordnete der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament gerade letzte Woche dem zur Mehrheit verholfen haben, indem sie der Richtlinie des Entwurfs ohne Befreiung der Wassersparte zugestimmt haben. Das muss klargestellt werden. Wir wollen ganz klar, dass die Richtlinie in Gänze in Kraft tritt und dass durch die

(Vizepräsident Linsler)

Richtlinie die interkommunale Zusammenarbeit vorangetrieben wird.

Ein Punkt, der jetzt auf der Agenda steht, ist dafür zu sorgen, dass das gesamte Parlament mit dieser Richtlinie befasst wird, auf europäischer Ebene dafür zu sorgen, dass diese Richtlinie vom Tisch kommt. Auch der Bundesrat hat schon einmal gesagt, eigentlich brauchen wir so eine Richtlinie nicht. Sie greift in eklatanter Weise in unsere Daseinsvorsorge ein. Man müsste auch hinterfragen, ob der Artikel 28 des Grundgesetzes, dass Wasser und Wasserversorgungsstrukturen Teil der Daseinsvorsorge sind, überhaupt vom Gemeinschaftsrecht verdrängt werden kann. Wir sollten alle Kräfte in Bewegung setzen und gegen diese Richtlinie stimmen, aber im Notfall - wie es die PIRATEN eingebracht haben dafür sorgen, dass zumindest die Wasserversorgung aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie genommen wird. Die Richtlinie beinhaltet aber auch noch bestimmte soziale Dienstleistungen. Grundsätzlich sollte es uns ein Anliegen sein, die gesamte Richtlinie mit der gesamten Mehrheit zu stoppen und aus dem Verkehr zu ziehen. Ich appelliere an alle Fraktionen: Wirken Sie in diesem Sinn auf die Parlamentarier Ihrer Parteien auf den verschiedenen Ebenen hin.

Wir werden das auch im Bundesrat noch einmal vor der Brust haben. Ich habe gehört, dass Baden-Württemberg einen Entschließungsantrag vorbereitet. Auch dort gab es schon eine entsprechende Resolution. Das Problem befasst dieser Tage die Landtage, weil langsam das Bewusstsein heranreift, dass wir es hier mit einer eklatanten Beeinträchtigung der kommunalen Daseinsvorsorge zu tun haben, dass hier eine Privatisierung durch die Hintertür droht. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung unseres Antrages.

Wir werden den Antrag der PIRATEN unterstützen, weil er einen Teil herausnimmt. Wir werden auch den Antrag der Großen Koalition unterstützen, weil die Zielsetzung stimmt. Auch wenn die Voraussetzungen unseres Erachtens nicht stimmen, die Zielsetzung stimmt, dass wir hier gemeinsam vorangehen müssen, die Daseinsvorsorge und die interkommunale Zusammenarbeit nicht zu gefährden. In diesem Sinne bitte ich um Unterstützung und danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Zur Begründung des Antrages der CDU-Landtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Roland Theis das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wasser ist keine Ware. Der Zugang zu Trinkwasser ist ein Menschenrecht und deshalb ist die Wasserversorgung - und das ist die Überzeugung, von der alle unsere Anträge getragen sind - der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bei den Kommunen in guten Händen.

Wir Christdemokraten, übrigens nicht nur wir hier im Landtag des Saarlandes, sehen daher keinen Grund, die öffentliche Wasserversorgung aus der kommunalen Hoheit herauszunehmen. Dies ist unsere Position nicht nur aufgrund der, wie ich finde, zu Recht weit verbreiteten öffentlichen Meinung in diesem Sinne, sondern auch, weil es sehr gute Gründe gibt für die in Deutschland praktizierte Struktur der Wasserversorgung. Diese Struktur hat sich in der Tat bewährt.

Für uns Christdemokraten gilt, und das beziehe ich insofern an dieser Stelle ein kleiner Widerspruch zu Ihnen, Frau Kollegin Dr. Peter - auf die Kollegen im Europäischen Parlament, aber auch auf die Kollegen im Bundesrat und in den Länderparlamenten, auch die Kollegen hier im saarländischen Landtag, eine klare Linie, die zudem Beschlusslage des Bundesparteitages der CDU aus dem vergangenen Jahr ist: Kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut, und die kommunale Selbstverwaltung ist auch der richtige Ort für die Verwaltung unseres Trinkwassers. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist der Kernsatz unseres Antrages, und für diese Position bitte ich um Ihre Unterstützung.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen und Zuruf der Abgeordneten Dr. Peter (B 90/GRÜNE).)

Damit stehen wir auch in Europa nicht allein. Das Europäische Parlament hat selbst in Bezug auf die Wasserrahmenrichtlinie in einer Entschließung darauf hingewiesen; ich zitiere, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident: Wasser ist eine gemeinsame Ressource der Menschheit und ein öffentliches Gut, und der Zugang zu Wasser sollte ein universelles Grundrecht sein.

Das heißt nun zwar nicht - auch das, meine Damen und Herren, müssen wir uns beim Blick in unsere Nachbarländer klarmachen -, dass die Wasserversorgung zwingend in der öffentlichen Hand stattfinden muss. Wir alle wissen, dass in vielen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sehr wohl Private die Wasserversorgung korrekt durchführen. Das ist aber gerade in den Ländern der Fall, die nicht die besonders guten Erfahrungen mit der kommunalen Selbstverwaltung gemacht haben, in den Ländern, in denen die Kommunen nicht so gut funktionieren, wie das bei uns der Fall ist. Deshalb ist es richtig, dass wir darauf beharren, dass die öffentliche Hand die Wasserversorgung auch weiterhin verwalten sollte.

(Abg. Dr. Peter (B 90/GRÜNE) )

Das hat eben mit dem Stellenwert der Kommunen in unserem Land zu tun und das hat mit der besonderen Bedeutung des Wassers zu tun. Auch deshalb werben wir für unseren Antrag.

Denn sprechen wir heute über die Frage der Wasserversorgung, sprechen wir damit auch über den Stellenwert der kommunalen Selbstverwaltung. Nicht zufällig haben sich Politiker vieler Fraktionen dafür eingesetzt; besonders zuständig dafür war seinerzeit Erwin Teufel, der sich im Verfassungskonvent für die Verankerung der kommunalen Selbstverwaltung intensiv eingesetzt hat, der in besonderer Weise als Berichterstatter gewirkt hat. In der Konsequenz ist heute im Lissabonner Vertrag, übrigens erstmals im Primärrecht der Europäischen Union, die kommunale Selbstverwaltung verankert. Angesichts all dessen wird das Einbeziehen der Trinkwasserversorgung in das Binnenmarktregime von uns grundsätzlich abgelehnt, eine Haltung, die vom Beschluss unseres Bundesparteitages im Dezember bis in die ersten Beratungen im Europäischen Parlament reicht.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sehen auch, dass innerhalb der Kommission und auch im Europäischen Parlament im Hinblick auf den zu erwartenden Trilog von Ministerrat, Parlament und Kommission für diese Maximalposition vermutlich keine Mehrheit zu finden sein wird. Deshalb ist es auch richtig, zu begrüßen, wie wir das in unserem Antrag tun, dass der Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments in seiner Sitzung vom 24. Januar 2013 wesentliche Verbesserungen erreicht hat.

Erstens, und es wichtig, dass das auch einmal zum Ausdruck kommt: Auch künftig wird es keinen Zwang zur Privatisierung geben. Kommunen werden weiterhin das Recht haben, die Trinkwasserversorgung selbst vorzunehmen.

Zweitens: Die Richtlinie lässt kommunale Eigenbetriebe unangetastet in dem Fall, dass die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge selbst erbracht werden. Dann fallen diese Kommunen, dann fallen diese kommunalen Eigenbetriebe nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie.

Drittens, und auch das ist ein Erfolg des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments; das wurde im Binnenmarktausschuss hineinverhandelt, insbesondere auch von der Kollegin Anja Weisgerber von der CSU: Auch Stadtwerke mit privatem Partner werden künftig weiterhin außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie sein, wenn die jeweilige Kommune einen beherrschenden Einfluss auf diese Stadtwerke hat und sich das Geschäft auf die Kommune selbst beschränkt.

Viertens: Stadtwerke, die allein im kommunalen Eigentum sind und die sich auf das Gebiet der Kom

mune beschränken, werden auch weiterhin außerhalb der Richtlinie bleiben.

Fünftens: In den Fällen, in denen künftig das Vergaberecht Anwendung findet, in den Fällen, in denen künftig Ausschreibungspflicht besteht, wird es zumindest eine Übergangsfrist geben, in der die Geschäftsstrukturen so verändert werden können, dass man um diese Ausschreibungspflicht herumkommt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das heißt nicht, dass wir im Grundsatz nun die Richtlinie begrüßen. Wir halten vor dem Hintergrund der guten Erfahrungen mit der kommunalen Selbstverwaltung an unserer Position zur Liberalisierung der Trinkwasserversorgung fest. Wenn aber doch klar ist, dass wir für diese Fundamentalposition, für diese Maximalforderung keine Mehrheit finden werden, ist es doch sinnvoll, dass wir uns auch mit den Diskussionspunkten beschäftigen, bei denen es darum geht, konkrete Verbesserungen zu erreichen. Das sind über die von mir gerade Genannten hinaus zum Beispiel auch die Frage des Schwellenwertes für die Anwendbarkeit der Richtlinie, die Frage der Verbesserung für Vergaben im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit und der Aspekt der besseren und längeren Übergangsregelungen für solche Stadtwerke, die in Zukunft in den Bereich der Richtlinie kommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Diskussion wollen wir uns beteiligen. An diesen konkreten Fragen wollen wir gemeinsam arbeiten. Ich glaube, auch das ist eine wichtige Aussage, die wir heute als saarländischer Landtag treffen können. Ich finde es übrigens auch schön, dass sich der saarländische Landtag mit europarechtlichen Fragen zu einem Zeitpunkt beschäftigt, zu dem noch Spielraum gegeben ist. Ich finde es gut, dass wir uns nicht erst später einschalten, wenn es im Grunde nur noch darum geht, zu meckern.

Gestatten Sie mir noch eine letzte Anmerkung. Die Diskussion um die Trinkwasserversorgung zeigt, dass Europa und europarechtliche Vorgaben immer eines berücksichtigen müssen: Die Europäische Union lebt auch von der Akzeptanz, die ihr von den Bürgerinnen und Bürgern entgegengebracht wird. Europa ist nicht zufällig so gebaut, dass wir uns auf der europäischen Ebene um die Dinge kümmern, die wir gemeinsam besser machen können, dass wir aber auch nach dem Prinzip der Subsidiarität arbeiten. Deshalb gilt: Das, was wir vor Ort besser regeln und leisten können, sollte auch vor Ort geregelt und geleistet werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, wir tun dem europäischen Gedanken auch einen Gefallen, wenn wir auf dieses Subsidiaritätsprinzip verweisen. In diesen Kontext gehört in erster Linie auch die kommunale Selbstverwaltung. Sie und die

(Abg. Theis (CDU) )

kommunale Verwaltung des Trinkwassers wollen wir verteidigen. Daher bitte ich um Ihre Unterstützung für unseren Antrag. - Herzlichen Dank.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Zur Begründung des Antrages der PIRATEN-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Michael Hilberer das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweg: Das ist wieder ein europapolitisches Thema, zu dem, wenn man sich die drei Anträge anschaut, im Landtag die Meinungen glücklicherweise gar nicht allzu weit auseinandergehen. Wir sind uns in den Nuancen nicht ganz einig; das kann man aus den Begründungen herauslesen. Einen eigenen Antrag haben wir auch deshalb geschrieben, weil wir noch eine gewisse Betonung hineinbringen möchten in dem Sinn, dass wir im Grunde genommen die Intention hinter dieser Europäischen Richtlinie begrüßen, speziell und explizit aber das Wasser ausnehmen wollen. Schaut man sich aber einmal an, welche Forderungen in den drei Anträgen an die Landesregierung gestellt werden, findet sich kein Unterschied, zumindest kein fundamentaler Unterschied. Deshalb möchte ich auch empfehlen, alle drei Anträge anzunehmen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ich habe es bereits erwähnt: Unser eigener Antrag betont etwas stärker, dass wir prinzipiell hinter der Richtlinie stehen, beim Gedanken der Korruptionsbekämpfung, hinsichtlich der Konzessionsvergabe, dass wir das sehr wünschenswert finden, dass aber das Wasser explizit ausgeschlossen werden soll. Deshalb sprechen wir heute auch über das Wasser, genauer gesagt: über Trinkwasser.

Anders als in den meisten Regionen der Welt ist bei uns eine weitestgehend störungsfreie Versorgung mit Trinkwasser, mit sauberem und frischem Trinkwasser, gewährleistet und auch für die Gesamtbevölkerung Realität. Das ist eine Leistung in Europa, auf die wir stolz sein können. Das ist ein System, das gut funktioniert. Dies folgt zum einen daraus, dass wir unter klimatischen Gesichtspunkten in einer Region leben, in der Grundwasser quasi im Überfluss vorhanden ist, zum anderen aber auch daraus - und das ist der Grund, weshalb wir das heute hier noch einmal thematisieren -, dass wir die öffentliche Wasserversorgung in Deutschland als Teil der Daseinsvorsorge betrachten. Diese Sichtweise trägt der herausragenden Bedeutung der sicheren Bereitstellung von sauberem und bezahlbarem Trinkwasser für das Wohl der Allgemeinheit Rechnung. Aus

diesem Grund ist diese Aufgabe bei uns auch zur kommunalen Pflichtaufgabe gemacht.

Einer Liberalisierung des Wassersektors, die die Wasserversorgung allein den Regeln des Marktes unterwerfen und damit dem kommunalen Aufgabenbereich der Daseinsvorsorge entziehen würde, müssen wir im Interesse des Allgemeinwohls und im Interesse des Ressourcenschutzes entgegentreten. Wir müssen hier noch einmal ausdrücklich betonen, dass es sich bei der Wasserversorgung um ein natürliches Monopol handelt. Denn im Allgemeinen kann man eben nur das vor Ort vorhandene Grundwasser durch Einleitung ins Netz vom Versorger zum Verbraucher bringen. Das unterscheidet die Wasserversorgung übrigens eklatant von der Stromversorgung: Es kann mir im weitesten Sinne eigentlich gleichgültig sein, woher der Strom kommt; der Strom, der bei mir zuhause ankommt, ist stets von gleicher Güte. Es gibt ein gemeinsames Stromnetz, und die Herkunft des Stroms macht, die umweltpolitischen Aspekte einmal beiseitelassend, für mich als Verbraucher zunächst einmal keinen Unterschied.

Anders sieht die Sache bei der Wasserversorgung aus. Ich brauche für eine vernünftige Wasserversorgung eine ständige Überwachung und Pflege des Grundwassers, ich brauche eine Abstimmung bezüglich der Entnahmemengen, ich brauche Reserven für Löschwasser, alles Dinge, die bei uns die kommunalen Versorgungsbetriebe übernehmen. Ich kann darauf im Detail in der kurzen Zeit gar nicht eingehen, aber Sie können mir glauben, es ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Kräfte und es sind eben auch Mechanismen, die dem freien Markt entgegenwirken. Ein rein profitorientiertes Unternehmen kann diesen Konflikt schwer auflösen.

(Beifall von den PIRATEN.)

Kurz etwas zur Historie. Wir haben eben schon kurz gehört, im Dezember 2011 legte die Europäische Kommission einen Richtlinienentwurf zur Konzessionsvergabe vor, die einen - ich zitiere - „modernen Rechtsrahmen für das öffentliche Beschaffungswesen herstellen soll“. Öffentliche Auftraggeber in der Europäischen Union sollen dazu verpflichtet werden, Dienstleistungskonzessionen in vielen Bereichen europaweit auszuschreiben. Somit soll der Zugang privater Wirtschaftsteilnehmer zu den Konzessionsmärkten erleichtert werden. Aufgrund der massiven Kritik, die dieser Entwurf in ganz Europa ausgelöst hat, hat sich die Kommission am 23. Januar dieses Jahres genötigt gesehen - ich sage hier wirklich explizit: Sie hat sich genötigt gesehen -, eine weitere Stellungnahme zu verfassen, in der gesagt wird, dass es - ich zitiere wieder - „nicht zu einer forcierten Privatisierung der Wasserversorgungsdienstleistung kommt“. Ein expliziter Ausschluss sieht anders aus, als wenn ich sage: Es kommt nicht zu einer forcierten Privatisierung.

(Abg. Theis (CDU) )

Allein die Reaktion der Kommission zeigt mir schon, dass man hier beschwichtigen will und alles daran setzt, aus der Schusslinie zu kommen. Um Korruption und Misswirtschaft in den kommunalen Versorgungsbetrieben Einhalt zu gebieten - ich spreche jetzt nicht nur von Deutschland, denn das ist eine Richtlinie, die europaweit gilt -, soll die Erbringung von öffentlichen Dienstleistungen transparenter werden. Natürlich kann man darüber streiten, ob die Öffnung der Vergabemechanismen das Mittel ist, um das zu erreichen, aber es ist zumindest ein möglicher Weg, den die EU-Kommission beschreiten will.

Die Aufgaben der Daseinsvorsorge der Kommunen dürfen aber nach unserer Ansicht - und ich glaube, das ist auch hier im Landtag Konsens - auf keinen Fall unter rein marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten erbracht werden. Und darunter fällt eben insbesondere die Wasserversorgung. Daher fordern wir von dieser Stelle noch mal ausdrücklich, dass der Wassersektor aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie explizit ausgeschlossen werden muss!