Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Ich entnehme der Diskussion heute ein Zweites: Es ist bald Kommunalwahl. Da sind wir alle sehr schnell dabei, eigene Parteipositionen etwas stärker zu betonen, als man dies vielleicht machen würde, wenn man die Debatte in drei Wochen zu führen hätte.

Ich sehe das an der Stelle mit großer Gelassenheit, aber auf einen Aspekt möchte ich noch einmal eingehen, der in den letzten Tagen aufgeschlagen ist und der auch in dieser Debatte, obwohl er mit dem Gesetz nichts zu tun hat, aufgegriffen wurde, die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Auch da gibt es in diesem Haus, glaube ich, eine übergroße, breite Zustimmung, die Kennzeichnungspflicht nicht vorzusehen. Das ist von der LINKEN gefordert und das ist durchaus legitim. Die Forderung taucht auch wie Loch Ness alle Schaltjahre wieder einmal aus dem See der saarländischen Sicherheitsdebatte auf und wieder ab, verschwindet wieder. Sie ist eigentlich nicht nachhaltig, denn - das möchte ich an der Stelle auch einmal feststellen - es gab in der Vergangenheit keinen einzigen Fall, wo bei einem Zwischenfall zwischen Polizei und beispielsweise Demonstranten oder bei anderen Einsätzen durch eine Kennzeichnungspflicht irgendetwas hätte aufgeklärt werden können, was so nicht aufgeklärt worden ist.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die saarländische Polizei verhält sich in allen Fällen sehr sauber. Wenn bei Einzelaktionen mal etwas danebengeht, wird das konsequent verfolgt und aufgeklärt. Das ist auch beim derzeitigen Stand möglich, ohne die persönliche Kennzeichnungspflicht. Deshalb ist auch die SPD in der Vergangenheit immer gegen diese Kennzeichnungspflicht gewesen und ist es auch heute noch.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen verfolgen mit dem Gesetzentwurf wichtige Ziele. Es geht darum, auch die Position des im Koalitions

vertrag verabredeten Handelns an zwei Stellen in Gesetzesnormierungen umzusetzen. Es geht darum, europarechtliche Vorgaben in das saarländische Landesrecht einfließen zu lassen, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zum Kernbereichsschutz umzusetzen. Es geht auch darum, Bürgerrechte zu stärken - auch das macht dieser Gesetzentwurf, er schwächt Bürgerrechte nicht etwa -, und es geht, auch das wurde bereits breit ausgeführt, um die Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten im prostitutionsaffinen Milieu.

Beim Letzten sind wir sicherlich auch ein Stück weit beeinflusst von der Debatte, die im letzten Jahr im Saarland stattgefunden hat. Der Gesetzgeber reagiert ja immer auf öffentliche Debattenlagen, auf neue Herausforderungen, die es in diesem Umfang in der Vergangenheit noch nicht gegeben hat. Sicher waren und sind wir in der Debatte über diesen Bereich auch geleitet von Problemstellungen auf kommunaler Seite, insbesondere bei der Landeshauptstadt, und dem, was die Landesregierung mit Vertretern des Regionalverbandes und der Landeshauptstadt an diesem runden Tisch verabredet und besprochen hat.

Wir reagieren auf eine Problemstellung und finden dabei im Moment auch Zuspruch insbesondere von der kommunalen Seite, damit in Saarbrücken, was den Diskussionsstand dieses Themas angeht, dies auf einen Normalzustand zurückgeführt wird. Es ist sicherlich nicht im Sinne der Landeshauptstadt, wenn sich die Landeshauptstadt in weiten Teilen der Debatte über ein solches Thema definiert. Dem muss entgegengewirkt werden. Wo wir es als Gesetzgeber können, sind wir gerne bereit, Schritte mit zu gestalten. Das tun wir auch mit diesem Gesetz.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Gesetzesvorlage räumt auf mit zwei Normierungen, die seit ihrer Einführung - das hat die Innenministerin gleich vorweggestellt - keine Anwendung gefunden haben. Ich kenne diese Debatte seit den 2000er-Jahren, als wir die Diskussion im Landtag geführt haben, die Einführung des Kennzeichenscannens und die Möglichkeit der Videoüberwachung durch die Ortspolizeibehörden. Auch diese Debatte war ein Stück weit vorangetrieben durch Debattenlagen vor Ort, auch in der kommunalen Familie; das war damals auch eine Forderung der einen oder anderen Kommune und von kommunalen Verbänden. Ich persönlich und meine Fraktion hatten dazu immer sehr kritisch Stellung bezogen, und letztendlich hat die Zeit auch gezeigt, dass wir die beiden Normierungen Kennzeichenerfassung auf Autobahnen generell, aber auch die Videoüberwachung für die Ortspolizeibehörden nicht wirklich benötigen; sie sind nicht genutzt worden.

Deshalb macht ein Gesetzgeber auch etwas Sinnvolles: Er überprüft von Zeit zu Zeit das Handeln seiner eigenen Normierungen und kann im Ergebnis auch von Zeit zu Zeit zu anderen Entschlüssen kommen. Das ist nichts Ehrenrühriges, egal wer das einmal eingeführt hat, sondern das ist einer gemeinsamen Debattenlage geschuldet und der Überzeugung, dass man diese Normierungen heute nicht mehr so in das Gesetz schreiben würde, wie man es damals gemacht hat. Deshalb ist es folgerichtig, sie wieder herauszunehmen. Das tut diese Koalition und setzt damit zwei wesentliche Punkte des Komplexes Inneres und Polizei des Koalitionsvertrages um. Das ist zu begrüßen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Gesetzesvorlage stärkt in der Tat die Bürgerrechte. Daran kann auch der eine oder andere Einwand von dem Kollegen der PIRATEN gar keinen Zweifel lassen. Ich nenne beispielsweise die neue Legaldefinition für offene und verdeckte Observation, insbesondere beim Begriff der längerfristigen Observation sowie auch im Bereich der normativen Erhebungsberechtigung für Telekommunikationsdaten; das ist zweifelsfrei. Mit diesem Gesetzentwurf schaffen wir also nicht weniger Bürgerrechte, sondern mehr. Auch das ist ein Teil dieses Gesetzes.

Das sind auch schon die wesentlichen Punkte dieses Gesetzes. Wir sollten das nach der Ersten Lesung im Ausschuss mit den uns zugetragenen Meinungen in der Debatte noch einmal spiegeln und das eine oder andere Bedenken, das in dieser Debatte sicherlich kommen wird, noch einmal abwägen. Insgesamt sind die SPD-Fraktion und diese Koalition sehr zufrieden mit dieser Gesetzesvorlage. Sie weist in die richtige Richtung beim Thema Bürgerrechte, in die richtige Richtung beim Thema innere Sicherheit und bei der Frage, was braucht die Polizei tatsächlich an Instrumenten, um ihre Arbeit umfassend erledigen zu können. Und sie weist auch in die richtige Richtung bei diesem neuen Thema, wie wir den neuen Herausforderungen im prostitutionsnahen Milieu begegnen, wie wir sowohl diejenigen schützen, die dieses Gewerbe als Kunden nutzen, als auch diejenigen, die diesem Gewerbe nachgehen. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung für diesen Gesetzentwurf in Erster Lesung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Klaus Kessler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim Polizeirechtsänderungsgesetz befin

den wir uns heute in der Ersten Lesung. Und aus Sicht der GRÜNEN ist nach dieser Ersten Lesung ich sage Ihnen gleich, dass wir uns enthalten werden - eine umfangreiche weitere Beratung im Ausschuss erforderlich, weil aus unserer Sicht einige Punkte, die sehr, sehr kritisch sind, hier noch zu klären sind. Ob wir dann zu dem Ergebnis kommen, dass wir keine Einwände haben, wie mein Vorredner, Kollege Pauluhn, es gesagt hat, das wird sich dann herausstellen. Ich werde Ihnen in der gebotenen Kürze bezüglich meiner Redezeit einige Bedenken vortragen.

Wir stimmen in drei Punkten zu. Zum einen wird das haben wir schon lange gefordert - die automatisierte Kennzeichenüberwachung abgeschafft. Zweiter Punkt, die offene Bildaufzeichnung an öffentlich zugänglichen Orten wird gestrichen. Schließlich wird, Herr Pauluhn hat es gesagt, die Observation jetzt genauer definiert in kurzfristig und längerfristig. Wir hatten dazu schon einmal einen Abänderungsantrag gestellt. Inwiefern der Zeitraum für den Richtervorbehalt bei der längerfristigen Observation angemessen ist, müssen wir noch beraten.

Es gibt aber auch - um bei dem Wort meines Vorredners zu bleiben - zahlreiche Bedenken und Einwände. Ich werde die Punkte einmal aufzählen: Zunächst die Regelungen der Überprüfungen im Bereich der Prostitution. Hier geht es um Identitätsfeststellung ohne besondere Gründe, es geht um das Betreten von Wohnungen zur Gefahrenabwehr und Ähnliches. Dazu sage ich hier in aller Deutlichkeit, es darf nicht zu Regelungen kommen, die Menschen einfach unter Generalverdacht stellen. Das geht nicht!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Es geht darüber hinaus um die Erteilung von Sonderrechten für die Polizei bei den Möglichkeiten der Fesselung. Dazu müssen wir uns die Praktiker anhören, ob die bisherigen Möglichkeiten der Fesselung - das möchte ich ja gar nicht in Abrede stellen ausreichend sind in ihrer Anwendung oder nicht. Es geht auch um die Unterstützung der Vollzugspolizei durch Zollbeamte. Da stellt sich ja schon Frage, ob polizeiliche Aufgaben, die wegen der Polizeireform jetzt nicht mehr erledigt werden können, durch Zollbeamte aufgefangen werden sollen. Damit hätten wir Probleme und auch das wollen wir prüfen.

Außerdem haben wir noch datenschutzrechtliche Bedenken. Es wird ja Bezug genommen auf das Telekommunikationsgesetz des Bundes. Es wird unterschieden zwischen Verkehrs- und Bestandsdaten, wobei der Richtervorbehalt nur beim Zugriff auf die Bestandsdaten gilt. Dazu sage ich gleich, das reicht uns aller Voraussicht nach nicht. Ich komme noch zu einem letzten Punkt und ich bin Kollege Pauluhn dankbar, dass er das angesprochen hat, indem er

(Abg. Pauluhn (SPD) )

gesagt hat, von Zeit zu Zeit ist eine Überprüfung von rechtlichen Regelungen einfach notwendig. Das sehe ich auch so und deshalb haben wir Probleme, wenn das Gesetz insgesamt entfristet wird. Wir sollten uns vielleicht eine Möglichkeit offenhalten, bei Teilen des Gesetzes, wie beispielsweise beim Datenzugriff, eine zeitliche Befristung vorzunehmen. Hier geht es um Evaluation, hier geht es um Feststellung von Bewährung einer Rechtsregelung. Auch hier haben wir noch Beratungsbedarf. Fazit: Wir stellen einige Fortschritte fest, die aber möglicherweise erkauft werden durch zahlreiche Rückschritte. Dies werden wir noch zu bewerten haben. Ich freue mich auf die Anhörung im zuständigen Ausschuss. Wir werden uns an dieser Stelle heute hier enthalten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Frau Abgeordnete Birgit Huonker.

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir als Opposition zumindest die gleichen Punkte herausgearbeitet haben, bei denen wir im Ausschuss kritisch nachfragen müssen. Ich freue mich auch, dass der Kollege Pauluhn festgestellt hat, dass einige Forderungen, die schon lange erhoben wurden, hier nun endlich in die Änderung des Polizeirechts eingeflossen sind. Ich möchte aber trotzdem zwei Punkte klarstellen. Herr Strobel, Enthaltung heißt nicht überwiegende Zustimmung. Da muss ich Sie leider korrigieren. Enthaltung bedeutet für uns, dass wir noch die Hoffnung haben, dass im Ausschuss einiges korrigiert wird. Und die Vorredner haben es schon gesagt: Wir sehen auch im Ausschuss noch sehr viel Klärungsbedarf und erhoffen uns auch Erhellung durch die Expertenanhörung.

Der zweite Punkt betrifft nicht den Gesetzesentwurf selbst, aber ich möchte dennoch etwas entschieden klarstellen und zurückweisen. Wir haben die Polizei nicht unter Generalverdacht gestellt, Herr Kollege. Das tut kein Mensch, das ist einzig und allein Ihre Interpretation. Für uns bedeutet Kennzeichnungspflicht nämlich auch Bürgernähe und Transparenz. Eine Kennzeichnungspflicht, wie sie in anderen Bundesländern gang und gäbe ist, kann für das Saarland nicht falsch sein. Diese Klarstellung war mir noch wichtig. - Danke schön.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Peter Strobel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Eines kann ich so nicht stehen lassen. Herr Hilberer, ich glaube Sie haben einen schlechten Blick auf die Prostitution in der Landeshauptstadt. Sie wohnen im ländlichen Raum und in der Landeshauptstadt Saarbrücken sieht die Situation ganz anders aus. Sie marginalisieren das Problem der Betroffenen hier in der Landeshauptstadt und das kann ich an der Stelle nicht zulassen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Herr Kollege Strobel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hilberer?

Bitte, Herr Hilberer.

Abg. Hilberer (PIRATEN) mit einer Zwischenfrage: Herr Strobel, ich werde natürlich nicht hier in irgendeiner Form über die Belange der Bürgerinnen und Bürger in Saarbrücken urteilen. Das habe ich auch in meinem Beitrag nicht getan. Ich habe auch nicht marginalisiert, dass es hier ein Problem gibt, sondern es ging mir schlicht und ergreifend darum zu sagen, dass die geeigneten Mittel, die Sie hier in diesem Gesetz sehen, eben keine geeigneten Mittel sind, um dem Rechnung zu tragen. Verstehen Sie, dass ich das gemeint habe?

Herr Hilberer, ich halte an dieser Stelle einmal Folgendes fest. Die PIRATEN-Partei verlangt vollkommene Freiheit für die Ausübung jeglicher Form von Prostitution. Das haben Sie eben gesagt. Und erklären Sie das einmal bitte den Bürgerinnen und Bürgern der Landeshauptstadt Saarbrücken.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Das ist ja eine Fragestunde hier. Frau Maurer, bitte.

Abg. Maurer (PIRATEN) mit einer Zwischenfrage: Sind Sie bereit zur Kenntnis zu nehmen, dass ich in Saarbrücken in der Hochstraße wohne und die Äußerungen von Herrn Hilberer nicht nur auf den angeblichen Vermutungen eines im St. Wendeler Landkreis wohnenden Abgeordneten beruhen?

Ich weiß, dass Sie in Saarbrücken wohnen. Sie haben aber zu dem Thema nicht gesprochen. Ich konnte mich nur auf das beziehen, was Herr Hilberer gesagt hat, und das habe ich getan.

(Abg. Kessler (B 90/GRÜNE) )

(Beifall von den Koalitionsfraktionen. - Abg. Mau- rer (PIRATEN) : Und wir diskutieren auch schon miteinander!)

Vielleicht noch einmal zurück, an die Adresse von Herrn Kessler: Sie stellen ja sozusagen infrage, ob die Polizei mit den ihr übertragenen Möglichkeiten vernünftig umgehen wird. Das erscheint mir schon als ein versteckter Vorwurf in Richtung Polizei. Ich bin mir sehr sicher, dass die Polizistinnen und Polizisten genau aussuchen werden und nur dann, wenn es notwendig ist, kontrollieren werden in diesen Bereichen, in den Bordellen und um sie herum. Nur dann, wenn es notwendig ist, wird das gemacht werden. Hier so anzudeuten, man würde dann an jeder Ecke kontrolliert, das ist, so glaube ich, nicht in Ordnung. Das musste an dieser Stelle auch noch mal gesagt werden.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen. - Abg. Hil- berer (PIRATEN) : Also, mit dieser Argumentation brauchen wir gar kein Polizeigesetz!)

Jetzt kann ich feststellen, dass weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. Ich schließe die Aussprache.

Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 15/899 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass dieser Gesetzentwurf Drucksache 15/899 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Regierungsfraktionen, abgelehnt hat die Fraktion der PIRATEN, enthalten haben sich die übrigen Fraktionen.

Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Zuständigkeiten im Schornsteinfegerwesen (Drucksache 15/900)

Zur Begründung erteile ich Herrn Umweltminister Reinhold Jost das Wort.