Protokoll der Sitzung vom 14.05.2014

Ich habe umgekehrt durchaus schon fundierte Analysen gesehen, dass es für den Staat insgesamt billiger wäre, das Ganze selbst zu machen. Aber gut, das ist nichts, was wir hier in meiner kurzen Redezeit diskutieren können. Da sollte man vielleicht mal genauer draufschauen.

(Zurufe der Abgeordneten Scharf (CDU) und Schmitt (CDU).)

Nichtsdestotrotz möchte ich auch klarstellen: Das Ganze wurde ja veranlasst durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich feststellen, dass auch unser Ansatz einer strikteren Trennung dem nicht widerspricht. Das Urteil des Verfassungsgerichts erzwingt eine Änderung. Auch unsere Änderung, die Trennung von Staat und Kirche, wäre verfassungskonform. Das wäre kein Problem.

(Beifall der Abgeordneten Maurer (PIRATEN). Abg. Schmitt (CDU): Das wäre es eben nicht! Sie haben die Verfassung noch nicht gelesen.)

Eine Besonderheit aus dem Ausschuss, die hier übergangen wurde, möchte ich noch mal extra herausstellen, dann war es das zum ersten Teil. Ich möchte die Privatwirtschaft ansprechen. Eine Besonderheit ist nämlich, dass der Staat die Kirchensteuer einzieht und dabei einen Teil der Kirchensteuer als Verwaltungsgebühr behält für die im Rahmen des Einzugs entstehenden Verwaltungskosten. Aber die ganzen Firmen, die für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kirchensteuer abführen, erhalten keine solche Verwaltungsgebühr. Ein Großteil der Arbeit liegt bei den vielen kleinen Firmen, und das ist eben nicht im Sinne einer solchen Trennung!

(Beifall von den PIRATEN.)

Der zweite Punkt, weswegen wir das Gesetz heute ablehnen müssen, betrifft die Nachrichten, die uns in den letzten Tagen zum besonderen Kirchgeld erreicht haben, was hier ja auch enthalten ist. Das besondere Kirchgeld wurde in der Berichterstattung nicht erwähnt, deshalb muss ich kurz darauf eingehen. Das besondere Kirchgeld fällt dann an, wenn bei einem Ehepaar eine Person Mitglied einer Glaubensgemeinschaft ist, die die Kirchensteuer einziehen kann, die andere Person jedoch nicht. In dem Fall zahlt die Person, die Kirchensteuer bezahlt, effektiv - die Detailregelungen sind noch etwas komplizierter - einen erhöhten Betrag und damit sozusagen einen Teil für den Partner oder die Partnerin mit. Das ist damit begründet, dass dem Paar insgesamt

Leistungen der Kirche zur Verfügung stehen, auch wenn nur eine Person Mitglied ist.

(Abg. Schmitt (CDU) : Nein!)

Durch die hier heute getroffenen Änderungen wird das auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften ausgeweitet. Jetzt gab es von den beiden großen Kirchen schon die Ankündigung, dies auch nutzen zu wollen. Die Sachlage ist folgende: Der Staat erlaubt den Kirchen, das Kirchgeld zu erheben. Beide Kirchen haben bereits angekündigt, dass sie das auch tun wollen. An der Stelle, muss ich sagen, gab es im Ausschuss eine sehr zutreffende Stellungnahme vom Lesben- und Schwulenverband, der gesagt hat, wer A sagt, muss auch B sagen. Das war zunächst einmal auf sich selbst bezogen. Man kann nicht auf der einen Seite die steuerlichen Vorteile fordern, aber auf der anderen Seite bei Nachteilen sagen, dass man sie nicht wolle. Das tut der LSVD auch nicht. Er hat ausdrücklich gesagt, er fordere natürlich die Vorteile, dann müsse er auch mit den Nachteilen leben. Allerdings sollten die Kirchen dann bitte auch A und B sagen und nicht einerseits das Besondere Kirchgeld einziehen, aber andererseits solchen Paaren nicht ihren Segen geben. Genau das haben wir hier. Das Argument war, dass das Paar als Ganzes entsprechende Angebote nutzen kann. Das kann es in dem Fall eben nicht, und das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich muss ausdrücklich sagen, dass es bei den Altkatholiken, die auch im Ausschuss waren und die ich bislang gar nicht auf dem Schirm hatte, etwas anders ist. Da gibt es auch jetzt schon den Segen für solche Paare. Man kann als PIRAT dann immer noch herummäkeln, dass auch hier keine Trennung von Kirche und Staat vorliegt, aber wenigstens ist das Handeln dieser Glaubensgemeinschaft in sich konsistent. Das sehe ich bei den beiden großen Kirchen im Moment leider nicht.

(Abg. Kugler (DIE LINKE) : Ja, bei der Evangelischen Kirche ist es genauso.)

Deshalb abschließend mein Appell an die beiden großen Kirchen. Zumindest ein Vertreter ist heute hier. Das ist ungewöhnlich, denn häufig sind beide anwesend, aber ausgerechnet, wenn es einmal die Kirchen betrifft, ist nur einer da.

(Unmutsbekundungen bei den Regierungsfraktio- nen.)

Man kann sich aber nicht bei dem beschweren, der da ist. - Seien Sie bitte konsequent. Sagen Sie A und B. Erkennen Sie also entweder die eingetragenen Lebenspartnerschaften als gleichwertig an, dann ist es auch kein Problem mit dem Besonderen Kirchgeld, oder lassen Sie es, aber dann erheben Sie auch das Besondere Kirchgeld nicht. Das ist

(Abg. Augustin (PIRATEN) )

mein Appell an dieser Stelle. Die explizite Ankündigung, dass Sie das Besondere Kirchgeld erheben wollen, ist ein weiterer Grund, das Gesetz heute abzulehnen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN.)

Danke schön, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Kollege Thomas Schmitt von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal eines vorweg: Ihre Lösung der Abschaffung der Kirchensteuer wäre eben nicht verfassungsgemäß. Dies kann nur jemand behaupten, der die Grundgesetzartikel oder die inkorporierten Artikel der Weimarer Reichsverfassung nicht kennt, die das Recht der Kirchen auf Erhebung der Kirchensteuer gerade garantieren. Deswegen sind wir als Land auch gezwungen, entsprechende Regelungen zu treffen. Diese Regelungen haben wir getroffen. Wir nehmen heute an manchen Punkten Änderungen vor, die sich aus gewissen Sachzwängen ergeben, aber auch aus verfassungsrechtlichen Urteilen. Wenn man diese Änderungen heute ablehnt, verhält man sich eben nicht verfassungsgemäß. Dann verstößt man gegen die Verfassung. Denn einerseits sind wir durch die Verfassung als Land verpflichtet, die Kirchensteuer zu garantieren, zum Zweiten müssen wir in diesen Regelungen, die wir heute treffen, den Gleichheitsgrundsatz umsetzen, zum Beispiel was die Frage der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften angeht.

Auch zu diesem Thema möchte ich eines vorwegschicken. So wie unser Gesetz formuliert ist, gilt die Gleichstellung künftig im Positiven wie im Negativen. Ich sage Ihnen, in der weitaus größeren Anzahl der Fälle hat das Gesetz auch für eingetragene Lebenspartnerschaften eine positive Wirkung, nämlich dann, wenn beide Kirchenmitglied sind und sich anschließend zusammen veranlagen lassen. Dann haben sie nämlich die Vorteile des Splitting-Verfahrens. Das Splitting-Verfahren greift dann eins zu eins auf die Kirchensteuer durch. Auch das möchte ich vorwegschicken. Unabhängig von jeder innerkirchlichen Debatte, wie man mit dieser Frage umzugehen hat, muss auch die Kirche diesen Vorteil akzeptieren, weil wir ihn als Landesgesetzgeber vorgeben.

Der Anknüpfungspunkt des Steuerrechtes kann aber in jedem Fall immer nur die staatliche Ehe beziehungsweise die staatlich eingetragene Partnerschaft sein. Diese staatliche Ehe oder diese staatliche Partnerschaft verändert die Leistungsfähigkeit der Partner. Von daher ist die Kirche auch jetzt schon gezwungen, Ehepaare, die wieder verheiratet sind,

Geschiedene, die vielleicht von der katholischen Kirche nicht anerkannt sind, gleich zu behandeln und ihnen steuerliche Vorteile zu gewähren. Die Kirchensteuer ist in fast allen Fällen immer nur ein gewisser Prozentsatz der Einkommenssteuer. Ich sage Ihnen an dieser Stelle, wir möchten als Landtag nicht die innerkirchliche Debatte führen, wie eingetragene Lebenspartnerschaften von der Kirche zu behandeln sind. Das ist eine innerkirchliche, theologisch-moralische Debatte, die ich als Katholik mit führe und bei der ich, das muss ich zugestehen, eine andere Haltung habe als die Amtskirche. Es ist eine innerkirchliche Debatte, die sehr kontrovers geführt wird. Sie hat uns aber als Steuergesetzgeber zunächst einmal nicht zu interessieren.

Als Steuergesetzgeber hat uns zu interessieren, ob wir eine Regelung treffen, die dem Gleichheitsgrundsatz und dem verfassungsgerichtlichen Urteil Rechnung trägt. Wir haben einen einzigen Fall, bei dem es gegenüber dem Ist-Zustand zu einer Verschlechterung kommen kann. Das ist der Fall des Besonderen Kirchgeldes, den Sie zwar aufgegriffen, aber völlig falsch dargestellt haben. Erstens einmal führen wir kein Besonderes Kirchgeld neu ein. Diese Regelung gibt es für Ehepaare schon seit längerer Zeit. Diese Regelung ist auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt und rechtskonform. Wieso gibt es eine solche Regelung überhaupt? - Diese Regelung gilt nur für Paare, die sich einkommensteuerrechtlich zusammen veranlagen. Wer die Einzelveranlagung wählt, ist vom Kirchgeld komplett weg. Wer aber eine Zusammenveranlagung wählt, bei dem passiert steuerrechtlich Folgendes: Das Einkommen wird zusammengerechnet, durch zwei geteilt und dann wird für jeden die Steuer berechnet. Wenn wir die normalen Regelungen der Kirchensteuer anwenden würden, dann würde dies bedeuten, dass auch die Kirchensteuer entsprechend berechnet wird. So kann es kommen, dass einer, der eigentlich nichts verdient und in der Kirche ist, fiktiv das Einkommen des Partners teilweise zugerechnet bekommt und davon Kirchensteuer berechnet wird. Denn das Paar lässt sich steuerrechtlich gemeinsam veranlagen. Wer A sagt, muss in diesem Punkt auch B sagen. Das ist die steuerrechtliche Konsequenz.

Das tun wir aber in dem Fall gerade nicht. Wir sagen in diesen Fällen, wir erheben nicht die volle Kirchensteuer, sondern wir pauschalieren und setzen einen niedrigeren Satz an. Es ist also gegenüber dem Grundsatz der gemeinsamen Veranlagung ein Weniger. Es wird auch für Paare nicht doppelt Kirchensteuer bezahlt, sondern es zahlt nur der Kirchensteuer, der auch in der Kirche ist. Der einzige Unterschied ist, dass wegen der Zusammenveranlagung und wegen des Splitting-Verfahrens ihm ein Teil des Partnereinkommens zugerechnet wird. Deswegen zahlt er dann auch weniger Einkommenssteuer. Dann muss er davon einen geringeren Satz Kirch

(Abg. Augustin (PIRATEN) )

geld zahlen. Wer nicht in der Kirche ist, zahlt auch künftig keine Kirchensteuer. Hier wird eine Debatte geführt, die eigentlich am Thema vorbei geht und die nichts mit den Rechtsgrundlagen zu tun hat.

Es wird behauptet, es werde doppelt Kirchensteuer bezahlt.

(Abg. Augustin (PIRATEN) : Das habe ich nicht behauptet.)

Das stimmt alles nicht. Es wird behauptet, man würde fiktiv sagen, es könnten beide Angebote der Kirche nutzen. Darum geht es auch nicht. Es geht überhaupt nicht um die Frage der Gebühr für die Nutzung eines Vorteils der Religionsgemeinschaften. Es geht einfach darum, dass das Splitting-Verfahren vorsieht, dass ein Einkommen zusammengerechnet, durch zwei geteilt und dann auf die Partner aufgeteilt wird. Deswegen gibt es für denjenigen, der anderenfalls nicht bezahlt hätte, eine Kirchensteuer. Dafür hat der andere Partner aber auch einen einkommensteuerrechtlichen Vorteil. Das ist einfach und allein eine logische Konsequenz des SplittingVerfahrens. Was wir an Regelungen treffen, ist überhaupt nichts Neues. Das gilt für Ehepaare schon seit eh und je. Es gilt übrigens auch für wieder verheiratete Geschiedene. Es gilt auch für solche, die sich nicht kirchlich haben trauen lassen. Jetzt gilt es in logischer Folge des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch für eingetragene Lebenspartnerschaften.

Ich wiederhole: Es hat überhaupt nichts mit einer innerkirchlichen Debatte zu tun, wie mit diesem Thema umzugehen ist. Es hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir eine Benachteiligung einführen würden. Ich sage noch einmal, dass in den allermeisten Fällen gleichgeschlechtliche Partner einen steuerrechtlichen Vorteil haben werden. Wir führen außerdem nichts Neues ein. Es ist einfach eine Übertragung von eherechtlichen Vorschriften. Das wollte ich an dieser Stelle noch einmal erklären, um vielleicht einige Unklarheiten zu beseitigen und die Dinge richtigzustellen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Danke schön, Herr Kollege. - Das Wort hat nun die Kollegin Elke Eder-Hippler von der SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank auch dem Kollegen Schmitt. Er könnte ja fast als Steuerberater unterwegs sein. - Meine Damen und Herren, die Anpassung des Saarländischen Kirchensteuergesetzes, das hat der Berichterstatter schon erklärt, hat verschiedene Gründe, die eigentlich mit dem Thema, das wir im Moment diskutieren, herzlich wenig zu tun haben, denn die PIRATEN nehmen die

Änderung des Kirchensteuergesetzes zum Anlass, heute generell über die Trennung von Staat und Religion zu debattieren.

Die Befürworter einer möglichst strikten Trennung von Staat und Kirchen verweisen gerne auf ein vermeintliches Trennungsgebot im Grundgesetz: „Es besteht keine Staatskirche.“ Tatsächlich aber schreibt das Grundgesetz die Zusammenarbeit des Staates mit allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften vor. Das ist auch ohne juristischen Sachverstand zu erkennen.

Neben der Ablehnung des Staatskirchentums finden wir im Grundgesetz zahlreiche Bestimmungen zur Zusammenarbeit des Staates mit den Kirchen: Die Verleihung des Körperschaftsstatus, der Einzug der Kirchensteuer, der Schutz der Feiertage und die Anstaltsseelsorge werden in dem gleichen Bündel von Artikeln der Weimarer Reichsverfassung, nämlich Artikel 136 bis 141, garantiert, in dem sich auch der Satz findet: „Es besteht keine Staatskirche.“

Dieses Bündel ist durch Artikel 140 Teil des Grundgesetzes. Bereits in der Weimarer Verfassung waren das Nichtvorhandensein einer Staatskirche und die Kooperation des Staates mit den Kirchen keine Widersprüche. 1949 wurden im Grundgesetz darüber hinaus noch der Religionsunterricht im Artikel 7 und die Fortgeltung der Verträge mit den Kirchen garantiert. Auch hier bilden die Formulierungen keinen Widerspruch.

Aus dem Zusammenhang in den Verfassungen wird deutlich, dass eine strikte Trennung nicht mit den Formulierungen „Es besteht keine Staatskirche“ gemeint sein kann. „Es besteht keine Staatskirche“ bedeutet daher schlicht, dass der Staat keine Kirche als seine eigene kontrollieren darf. Über eine partnerschaftliche Zusammenarbeit sagt er nichts. Die Zusammenarbeit ist aber explizit im Grundgesetz verbrieft.

Die katholische und die evangelische Kirche haben in Deutschland den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit als Religionsgesellschaften verschiedene Privilegien, wie etwa dass sie Steuern erheben können. Diesen Status genießen neben beiden christlichen Großkirchen auch andere, kleinere Weltanschauungsgemeinschaften wie die jüdischen Kultusgemeinden, die Heilsarmee, die Neuapostolische Kirche, die Zeugen Jehovas oder der Humanistische Verband Deutschlands. Die islamischen Gemeinden hingegen nicht, denn der Islam kennt keine Organisationsstrukturen, sondern nur die alle Muslime umfassende islamische Gemeinschaft.

Der Finanzdezernent der Evangelischen Kirche Hessen Nassau Heinz Thomas Striegler wendet sich in einem Aufsatz gegen die Kritiker der Kirchenfinanzierung. Ich darf zitieren, Frau Präsidentin: Zwar zie

(Abg. Schmitt (CDU) )

he der Staat die Kirchensteuer im Auftrag der Kirchen ein, er tue dies aber nicht gratis. 2012 hätten die beiden großen Kirchen dafür 350 Millionen Euro bezahlt, so seine Argumentation. Weitere Förderungen erhielten die Kirchen nicht, weil sie Kirchen seien, sondern weil sie Aufgaben des Staates erledigten. Von der Arbeiterwohlfahrt bis zum Roten Kreuz würden auch andere Träger sozialer Einrichtungen vom Staat gefördert.

Herr Kollege Scharf hat vorhin den Papst zitiert, lassen Sie mich die protestantische Pfarrerin meiner Kirchengemeinde zitieren. Sie schreibt im aktuellen Gemeindebrief: Protestanten treten wegen katholischen Bischofs aus. Nein, das ist kein Aprilscherz, sondern Realität. Als mich eine Frau fragte, ob wir denn wegen all der Limburger Ereignisse nicht jede Menge Eintritte verzeichnen könnten, musste ich verneinen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Denn inzwischen werden unter dem Begriff „Kirche“ alle Konfessionen verstanden. Da spielt es keine Rolle, was sich wo genau ereignet hat, die Wut sucht sich ein Ventil. Und wer sich über einen katholischen Bischof ärgert, der tritt zur Not auch aus der evangelischen Kirche aus. So einfach ist das.

(Zuruf von der SPD: Ökumene! - Vereinzelt Hei- terkeit.)

Viel wichtiger als sachgerechte Schuldzuweisungen scheint mir aber in solchen Fällen die Frage zu sein: Warum will ich einer Kirche angehören? Was verbinde ich mit einer solchen Mitgliedschaft? Denn wenn wir nicht als Erstes uns selbst befragen, hat man immer einen Grund auszutreten. Kirche (aller Konfes- sionen) wird von Menschen verkörpert, getragen und gestaltet, und diese Menschen sind allesamt fehlbar.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Worum geht es also mir persönlich? ist mir Gott wichtig? Richte ich mich aus an dem, was Jesus verkündet? Halte ich dieses „christliche Gegengewicht“ zu Gier und Ausbeutung, Menschenverachtung und Unfrieden für absolut notwendig? Liegt mir etwas an kirchlichen Festen, an Lebensbegleitung in allen Schwellensituationen? Suche ich Halt in einer Gemeinde, die ähnliche Werte hoch hält wie ich? Möchte ich sicherstellen, dass die Tradierung der biblischen Geschichten verantwortungsvoll und kompetent fortgesetzt wird?

So ähnlich könnte man fragen. Aber stattdessen entlädt sich ein gewaltiger Shitstorm über die alte Institution. Die Piraten, Linken und Grünen wollen die Ausgleichszahlungen an die Kirchen beenden; einige regen sich darüber auf, dass die Kirchen Sendezeit erhalten, ohne dafür zahlen zu müssen (wie viel bezahlt eigentlich Heidi Klum für ihre Sendezeit?); manche wollen die Kirchensteuer ganz abschaffen. Kaum ein Statement zeugt von Sachkenntnis. Viel

mehr scheint es, als wolle man gar keine Kenntnis erlangen. Das ist wohl die Basis aller Shitstorms.