Aber mit diesem Polizeigesetz wird in dieser Richtung keine positive Entwicklung vollzogen. Ich möchte Ihnen noch mal vor Augen führen, dass es hier um grundgesetzliche Regelungen geht, über die kann man nicht so einfach hinwegsehen. Man kann nicht einfach sagen, der Gleichheitsgrundsatz interessiert uns nicht. Die Prostitution ist ein legaler Beruf. Wenn in dem Milieu kriminelles Handeln vorkommt - dem ist mit Sicherheit so -, dann ist dem mit bestehender Rechtsgrundlage beizukommen, dazu brauche ich keine Verschärfung des Gesetzes.
Es ist auch kein schönes Erbe für den neuen Innenminister, mit diesem Gesetz umgehen zu müssen, das mit Sicherheit seine Verfassungswidrigkeit noch bescheinigt bekommen wird. Denn was hier passiert, ist, dass Sie mit diesem Gesetz saarländische
Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter diskriminieren und unter dem Vorwand, Schutz für Prostituierte zu bieten, in Wirklichkeit eine Kriminalisierung dieser Tätigkeit vorantreiben. Das kann nicht sein.
Alle Straftaten, die heute im Dunstkreis der Prostitution begangen werden, lassen sich mit bestehendem Recht bekämpfen. Jeder mögliche Schutz der Prostituierten ist bei Durchsetzung des aktuellen Rechts machbar. Völlig unnötig ist es dabei, die Unverletzbarkeit der Wohnung zur Disposition zu stellen. Völlig unnötig ist es dabei, die Identitätsfeststellung an Orten, an denen der Prostitution nachgegangen wird, ohne Anhaltspunkt zu erlauben. Wenn Sie wirklich Frauen und Männern in der Prostitution helfen wollen, dann geht das nur mit dem Dreiklang Information, Präsenz und stringente Verfolgung von Delikten - und nicht mit grundrechtsfeindlicher Symbolpolitik. Alleine wegen dieser beiden Passagen muss man das vorliegende Gesetz ablehnen.
Ich möchte auf zwei weitere Aspekte im Speziellen eingehen, die in diesem Gesetz schlecht geregelt sind, das ist die Videoüberwachung und das ist der Umgang mit Telekommunikationsdaten. Beginnen wir mit den Daten aus der Telekommunikation. Hier besteht mit dem aktuellen Gesetzentwurf eine völlig unzureichende Würdigung des besonderen Schutzbedürfnisses von Daten wie der IP-Adresse und Zugangsdaten zu Telekommunikationsgeräten. Dies sind eben keine einfachen Bestandsdaten, und das ist nicht ausreichend gewürdigt.
Ich möchte das kurz ausführen. Anhand einer IPAdresse kann bei vielen Menschen bereits ein Großteil ihrer sozialen Aktivitäten ermittelt werden: mit wem sie sich wann wo treffen, die politische Gesinnung, die religiöse Orientierung, die Einstellung zur Arbeitsstelle, die Meinung über ihren Chef, wohin man in Urlaub fährt. Die Liste ließe sich nahezu beliebig fortsetzen. Das ist ein besonderes Schutzniveau, das auch besonders gewürdigt werden muss. Deshalb braucht das Polizeigesetz an dieser Stelle eine klare Einschränkung der Datenverwendung, die so expressis verbis nicht in dem Gesetz aufgeführt ist.
Noch gruseliger ist der Umgang mit den Zugangsdaten. Ist Ihnen überhaupt klar, was viele von uns inzwischen auf ihren Smartphones speichern und wohin die Reise geht? Haben Sie schon mal etwas von Anwendungen wie Health Kit oder Google Fit gehört? Wir sprechen hier von höchst sensiblen Daten, die Menschen auf ihren mobilen Endgeräten speichern: Blutzuckerwerte, Gewicht, Körperfettanteil, Körpertemperatur, Kalorienaufnahme, Zahl der
Schritte, die ich am Tag zurücklege, meine Blutwerte, alle möglichen medizinischen Werte. Da braucht es ein besonderes Schutzniveau, gar nicht zu reden von den privaten Fotos, Videos, Nachrichten, Kontakten, Tagebucheinträgen. Auch diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Wir kommen heute nicht mehr ohne eine Gesetzgebung aus, die beim Mobilfunk an mehr denkt als an schnurlose Telefone. Diese neue Qualität der Daten und deren Bedeutung für die Menschen ist in diesem Gesetz nicht hinreichend berücksichtigt.
Kommen wir zum leidigen Thema der Videoüberwachung. Was soll das denn? Videoüberwachung des öffentlichen Raumes - man kann sie immer weiter einschränken, da stehen wir auch voll dahinter. Aber warum überhaupt? Kameras verhindern keine Verbrechen. Im Gegenteil, da kommen wir an eine richtig gefährliche Stelle. Kameras gaukeln eine trügerische Sicherheit vor. Solange hinter der Kamera kein Mensch sitzt, der eingreifen kann, bringt sie auch nichts.
Vor welchen Taten haben die Menschen am meisten Angst? Es sind die spontanen Gewalttaten und Übergriffe. Es ist die klassische Situation, nachts alleine auf dem Bahnsteig unterwegs zu sein. Genau hier versagt die Kameraüberwachung, denn es handelt sich dabei nicht um geplante Verbrechen, sondern um spontane Handlungen, vor denen auch eine Kamera nicht schützt. Eine Kamera verhindert diese Taten nicht. Hier hilft nur Polizeipräsenz. Von daher streichen wir den Passus zur Videoüberwachung mit unserem Änderungsantrag. Wir bitten Sie, unserem Abänderungsantrag an dieser Stelle zuzustimmen.
Ich kann auch nicht über das aktuelle Polizeigesetz sprechen, ohne ein kleines Lob auszusprechen. Das betrifft ganz klar den Bereich Kennzeichenerfassung. Das wurde nie gemacht. Es ist nicht sinnvoll. Es ist verfassungsrechtlich extrem schwierig umzusetzen. Deshalb ist es nur richtig, das aus dem Gesetz zu streichen. Das hat unsere völlige Unterstützung.
Nichtsdestotrotz kann das Gesetz in der vorliegenden Form nicht angenommen werden. Neben der nicht haltbaren Diskriminierung von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern ist der Schutz persönlicher Daten nicht ausreichend gewährleistet und eine nutzlose Videoüberwachung bleibt erlaubt. Von daher kann ich nur empfehlen, das durch die Annahme unseres Änderungsantrages zu heilen. Ansonsten ist dieses Gesetz abzulehnen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beraten mit dem Polizeigesetz heute die zweite große Gesetzesänderung im Bereich innere Sicherheit. Bereits in Erster Lesung vor etwa einem halben Jahr haben wir auf die verfassungsrechtlichen Bedenken, die zu diesem Gesetzentwurf vorhanden sind, hingewiesen. Die durchgeführte Expertenanhörung im zuständigen Innenausschuss hat unsere Bedenken eigentlich in vollem Umfang bestätigt.
Leider hat es die Große Koalition auch nach Auswertung dieser Anhörung nicht geschafft, sich die verfassungsrechtlichen Bedenken zu eigen zu machen und die entsprechenden Paragraphen zu ändern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb haben wir heute wieder einen Abänderungsantrag gestellt.
Ich kann aus Zeitgründen nur auf die wesentlichen Punkte dieses Abänderungsantrags eingehen. Vorab eine Grundsatzbemerkung. Wir als GRÜNE können kein Polizeigesetz mittragen, das nicht verfassungskonform ist und das ebenso wenig datenschutzrechtlichen Vorschriften genügt. Das werden wir nicht tun.
Wir sind der Auffassung, dass die Neuregelungen in den Paragrafen 9 und 19 wieder ersatzlos gestrichen werden müssen. Hier wird der Polizei erlaubt, an Orten, an denen Prostitution stattfindet, ohne besondere Gründe Identitätsfeststellungen durchzuführen. Darüber hinaus wird in § 19 geregelt, dass Wohnungen, die der Prostitution dienen, von der Polizei ohne besonderen Grund betreten werden dürfen. Nach Auffassung aller Rechtsexperten in der Anhörung sind hier wesentliche Verstöße gegen die Grundgesetzartikel 12 und 13 Abs. 1 festzustellen.
Der Ort allein, an dem der Prostitution nachgegangen wird, darf kein Anlass für polizeiliche Kontrollen sein. Hier wird eine Erweiterung der polizeilichen Eingriffsbefugnis vorgenommen, die ohne sachlichen Grund ist, denn neben den Prostituierten können ebenso Kunden, aber auch andere, irgendwie unbeteiligte Personen, die sich zufällig an diesen Orten aufhalten, betroffen sein. Das Gleiche gilt für das Betreten von Wohnungen von Prostituierten. Auch die Wohnungen von Prostituierten sind zunächst einmal durch das Grundgesetz geschützt.
Frau Kollegin Meyer, ich möchte Ihnen den Hinweis geben, bei der bisherigen Regelung haben wir schon hinreichende polizeiliche Eingriffsmöglichkei
ten, um bei Verdacht auf Menschenhandel, sonstige kriminelle Handlungen oder auch zur Abwehr dringender Gefahren einzugreifen. Dies reicht aus. In § 19 ist dies geregelt. Die vorgesehenen weitergehenden Eingriffsbefugnisse der Polizei sind aus unserer Sicht verfassungswidrig, weil sie das Grundrecht auf Unversehrtheit der Wohnung verletzen, weil sie Prostituierte, Kunden und andere, sich im Umfeld der Prostitution aufhaltende Personen einfach unter einen Generalverdacht stellen. Meine Damen und Herren, das geht nicht! Deshalb muss diese Änderung gemäß unserem Abänderungsantrag rückgängig gemacht werden.
Eine weitere Änderung betrifft die Dauer der Observation. Hier halten wir uns an die Stellungnahme des saarländischen Datenschutzzentrums. Drei Monate Observation mit der richterlichen Anordnung einer jeweiligen Verlängerung sind uns zu lange. Hier reicht uns eine Beschränkung auf einen Monat; natürlich auch auf richterlichen Beschluss mit der Möglichkeit einer jeweiligen einmonatlichen Verlängerung.
Die Anhörung hat ebenfalls gezeigt, dass im § 28 bei der Frage der Datennutzung die Bestimmtheitsanforderung unzureichend ist. Uns geht es darum, dass ausschließlich auf die vom Richter zugelassenen Daten zugegriffen werden kann und nicht darüber hinaus. In dieser Hinsicht - das ist keine Erfindung von uns - folgen wir dem Vorschlag des Berliner Verfassungsrichters Starostik. Dazu haben wir einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt. Die Einzelheiten dessen, was betroffen sein kann, hat dankenswerterweise Kollege Hilberer schon im Detail ausgeführt. Wir wollen natürlich auch, dass im Nachhinein die betroffenen Personen über die ergriffenen Maßnahmen informiert werden. Auch hierzu verweise ich auf unseren Abänderungsantrag.
Abschließend beinhaltet unser Antrag noch eine Änderung, die die Fesselung von Personen regelt. Auch darauf hat Kollegin Meyer schon hingewiesen. Hier schlagen wir eine Präzisierung im § 55 vor. Wir wollen nicht, dass es ausreicht, wenn die Notwendigkeit der Fesselung von Anhaltspunkten ausgeht, die die Polizei hat; das ist uns zu unpräzise. Da braucht die Polizei aus unserer Sicht mehr Rechtssicherheit. Hier schlagen wir die Formulierung vor: „Durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte für eine Fesselung“. Das soll im Gesetz vorgeschrieben werden.
Mein heutiger Appell an Sie ist: Setzen Sie sich nicht einfach über die Argumente der Experten und deren Bedenken zu diesem Gesetz hinweg! Stimmen Sie keinem Gesetz zu, bei dem nicht alle verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt sind! Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsan
trag, der in wesentlichen Punkten den Stellungnahmen der Experten in der Anhörung folgt. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie können sich vorstellen, dass ich dafür werbe, dass wir den Gesetzentwurf zur Änderung des Polizeirechts so, wie er Ihnen vorliegt, heute verabschieden. Ich habe heute einen ganz neuen Begriff kennengelernt. Man hat uns hier von Sexarbeitern und Sexarbeiterinnen berichtet. Herr Hilberer, vielleicht können Sie uns nachher noch erklären, was das genau ist und wie Sie das definieren.
Ich will mich, ohne mich zu wiederholen, zwei Dinge ansprechen. Sie stellen immer wieder auf die Verfassungswidrigkeit ab. Es ist richtig, dass das Verfassungsgericht Teile des Polizeigesetzes von Sachsen-Anhalt für verfassungswidrig erklärt hat. Dies betrifft aber nach uns vorliegenden Informationen folgende Inhalte: gegen den Willen der Betroffenen Videoaufnahmen bei Verkehrskontrollen durchzuführen oder das Recht der Polizei, Handynetze abzuschalten. Videoaufnahmen bei Verkehrskontrollen sind bei der saarländischen Vollzugspolizei nur unter den Bedingungen des § 27 erlaubt, also an sogenannten gefährlichen Orten oder an den gefährdeten Orten. Der nie praktizierte Einsatz automatischer Kennzeichenlesegeräte wird künftig nicht mehr zulässig sein. Die saarländische Vollzugspolizei darf auch keine Mobilfunknetze abschalten oder abschalten lassen. Was diese beiden Punkte betrifft, sind keine Auswirkungen auf das saarländische Polizeirecht erkennbar. Insoweit ist viel drumherum geredet und vonseiten der Opposition versucht worden, genau dieses Gesetz schlechtzureden. Das lassen wir an dieser Stelle nicht zu.
Zur ebenfalls beanstandeten Befugnis, Blutproben zu entnehmen: Darüber liegen noch überhaupt keine Kenntnisse vor und deshalb will ich hier auch keine Stellung beziehen, weil wir das durch das Urteil auch nicht begründen können.
Ich komme jetzt zu den besagten Paragrafen 9 und 19. So wie es vorgelegt wird, ist es genau richtig. Ruth Meyer und viele andere Redner haben beschrieben, seit wie vielen Jahren das in Bayern schon durchgeführt wird. Ich habe es Ihnen damals in der Ersten Lesung auch genauso vorgetragen und
darf wiederholen, dass die Regelung und Eindämmung der Prostitution - eine Problematik, die übrigens bis heute jeden Tag in den Medien wiederzufinden ist und in den letzten Wochen auch stark den Fokus der Medienberichterstattung getragen hat - in der öffentlichen Wahrnehmung steht. Wenn wir das verharmlosen und hier in der Debatte Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter als ganz normale Berufstätige darstellen, dann muss ich ein klein wenig innehalten. Die Einwirkungsmöglichkeiten auf Landesebene sind leider sehr eingeschränkt. Dennoch glauben wir, dass wir den Auswüchsen auch auf unserer Ebene begegnen müssen, und zwar nicht gegen Prostituierte, sondern für Prostituierte, um auch sie bei ihrer Arbeit und in ihrem Lebensumfeld zu schützen.
Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf darf, Gott sei Dank, die Vollzugspolizei künftig an allen Orten, an denen Menschen der Prostitution nachgehen, Identitätsprüfungen ohne weiteren Anlass vornehmen, und das ist gut so. Das ist in § 9 Abs. 1 geregelt und dies betrifft sowohl den Straßenstrich als auch die Wohnungsprostitution. Die Regelung zum Betreten von Wohnungen ist in § 19 festgeschrieben und wird auch erweitert. Genauso, wie es seit vielen Jahren in Bayern ebenfalls getan wird. Das ist richtig und gut so und deshalb würde ich Sie herzlich bitten, sich nicht nur ruhig zu halten, wenn davon gesprochen wird, allen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die in diesem Land ihren Dienst verrichten, ein Dankeschön auszusprechen. Nein, Sie hätten an dieser Stelle ruhig mitklatschen können. Zwei Abgeordnete der Opposition haben sich nicht einmal getraut, zu klatschen und der Polizei ein Dankeschön zu sagen.
Ich will es an dieser Stelle wiederholen: Wir sind tagtäglich mit der Polizei unterwegs und erleben alles, von schweren Unfällen bis hin zur Straßenprostitution, bis zu den Fällen, bei denen wir nachweisen können, dass junge Frauen zur Prostitution gezwungen werden. Man ist einfach nicht in der Lage, diesen Frauen zu helfen. An dieser Stelle schafft der Gesetzentwurf ein kleines Stück weiter gehend die Möglichkeit, auch der ein oder anderen Frau, die nicht freiwillig der Prostitution nachgeht, Hilfestellung zu geben. Gerade aus diesem Grund haben wir auch die politische Entscheidung getroffen, dies so im Gesetzesentwurf niederzuschreiben. Ich bitte ganz herzlich, dem Gesetzentwurf, so wie er vorliegt, heute in Zweiter Lesung zuzustimmen.