Protokoll der Sitzung vom 11.02.2015

Wir bauen auf ein System, das für die Zukunft richtig ist. Sie bauen auf ein System, das die Irrtümer der Vergangenheit wiederholt. Das werden wir nicht mitmachen! - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Anhal- tendes Sprechen bei der LINKEN.)

Vielen Dank. - Das Wort hat Prof. Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich habe gelernt, dass heute CDU und SPD in einem übereinstimmen: Sie warnen vor der kollektivistischen Bürokratie, die wir angeblich einführen wollen.

(Beifall von der LINKEN.)

Die wollen wir aber gar nicht einführen. Herr Kollege Theis, sicherlich wäre es die Frage wert, in einer Grundsatzauseinandersetzung diskutiert zu werden. Das wäre eine Diskussion, für die wir vielleicht auch etwas mehr Zeit brauchen, eine Grundsatzauseinan

dersetzung zur Frage, welche die Charakteristika unseres Wirtschaftssystems sind. Das, was Sie hier noch einmal dargestellt haben, dass sozusagen hinter unserem Antrag die Planwirtschaft lauere, ist nun wirklich völlig übertrieben. In der Tat ist es so, dass wir gewisse Probleme im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftens sehen. Bestimmte Entwicklungen sind - Whitesell ist sicherlich ein Extrembeispiel, es gibt aber auch viele andere Beispiele, bei denen es nicht funktioniert - nicht einfach nur Unfälle, sondern hängen auch damit zusammen, dass wir einen Verwertungszwang des Kapitals haben. Das führt zu gewissen Unternehmenspolitiken und auch zu Krisen, das muss man einfach sehen. Sie singen ja ein Loblied auf die soziale Marktwirtschaft, darauf, dass diese sozusagen krisenfrei sei. Sie sehen die soziale Marktwirtschaft als ein Zwischending. Ich will es abkürzen, ich habe nicht die Zeit, das hier näher zu erläutern: Auch die soziale Marktwirtschaft ist kapitalistische Marktwirtschaft. Sie ist eben nicht ein Zwischending, sie ist nicht der Dritte Weg zwischen den verschiedenen Modellen.

(Beifall von der LINKEN. - Zuruf des Abgeordne- ten Theis (CDU).)

Diese Auseinandersetzung können wir gerne führen. Das zu tun lohnt sich allemal. So weitgehend war aber unser Antrag überhaupt nicht gemeint. Das, was Sie dahinter vermuten, dass wir sozusagen auf leisen Sohlen die Planwirtschaft einführen wollen, ist eine völlig übertriebene Interpretation.

(Heiterkeit bei der LINKEN. - Zuruf von der LIN- KEN: Mindestens den Kommunismus!)

Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, worum es uns geht. Erstens. Von der Wortwahl her ist es naheliegend, dass man dann immer auf das Felber-Konzept kommt. Ich selbst sehe das FelberKonzept eher kritisch. Als richtig erachte ich allerdings den Ansatz, dass man sich am Gemeinwohl orientiert. Daher habe ich bei der Begründung unseres Antrages ausdrücklich formuliert, dass hier eben nicht ein Modell gemeint ist, dass es vielmehr um eine grundsätzliche Orientierung geht. Diese grundsätzliche Orientierung ist der erste Punkt, der für uns wichtig ist: Die Frage der Gemeinwohl-Orientierung sollte zum Maßstab politischen Handelns in wirtschaftlichen Angelegenheiten gemacht werden.

Zweiter Punkt: Wir haben vorgeschlagen, dass wir von den Erfahrungen, die beispielsweise in der Steiermark oder im Vintschgau gemacht werden - und das sind nun wirklich keine sozialistischen Modellregionen, das weiß ich auch -, dass wir von den Erfahrungen, wie wirtschaftliche Leistung möglicherweise anders bewertet werden kann, profitieren sollten. Kollege Neyses hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es auch wissenschaftlich eine ausführliche Diskussion darüber gibt, was der Maßstab wirtschaftli

(Abg. Theis (CDU) )

chen Handelns sein soll, worin die Zielsetzungen bestehen sollten, wie wirtschaftliche Leistung zu messen ist. Er hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es eine Kritik an der Wahl des Bruttoinlandsprodukts als d e m Maßstab für die Leistung der Gesellschaft gibt, dass es eine breite Diskussion über andere Maßstäbe gibt. Das wollen wir konkret aufgreifen. Es gibt doch auch auf der Unternehmensebene Überlegungen, ob nicht andere Maßstäbe, andere Kriterien mit herangezogen werden sollten. Viel mehr wollten wir damit gar nicht sagen.

Wir wollten sagen: Lasst uns das Thema der Gemeinwohl-Ökonomiebilanz praktisch ausprobieren! Dies nicht als erste Stufe, wie von Ihnen befürchtet, einer sozialistischen Planwirtschaft. Es ging einfach darum, einmal auszuprobieren, ob das nicht ein sinnvolles Instrument sein kann, auch in der Debatte, um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen praktisch wirksam werden zu lassen. Dass wir dabei, Kollege Augustin, zunächst einmal bei den Landesbetrieben beginnen, bedeutet nicht, dass das auf die Landesbetriebe beschränkt sein und nicht auch bei Privatbetrieben zum Einsatz kommen soll. Aber dort, wo wir Einfluss haben, könnten wir es zumindest einmal ausprobieren. Das war schlicht und einfach der Vorschlag.

Die Debatte hat nun zum Ende hin einen sehr grundsätzlichen Charakter angenommen, in der ich mich in der Form, wie Sie das dargestellt haben, gar nicht wiederfinden kann, in der Sie allerdings die einer kapitalistischen Wirtschaft immanenten Risiken sträflich unterschätzen.

(Beifall bei der LINKEN.)

Das wäre aber, wie gesagt, eine andere Debatte. Hier geht es einfach darum, einmal eine Diskussion zu führen um diese Frage der Gemeinwohlorientierung. Ich bin ja nun nicht davon ausgegangen, dass unser Antrag eine Mehrheit in diesem Hause findet. Könnte er aber einen Beitrag dazu leisten, dass wir einmal intensiver überlegen, wo die Verantwortung liegt, wo wir einmal praktisch ausprobieren können, wie wir das Thema der Demokratie im Betrieb, auch der stärkeren Beteiligung der Belegschaften intensiver aufgreifen können, hätte er schon einen Fortschritt gebracht. Gelingt es uns, im Rahmen der anstehenden Debatte zur Frage der Weiterentwicklung der Industrie und damit auch der Wirtschaft des Landes diese Dimension einzubeziehen, haben wir durchaus einen Fortschritt erzielt. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Vielen Dank. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 15/1248 ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 15/1248 mit Stimmenmehrheit abgelehnt wurde. Zugestimmt hat die Fraktion DIE LINKE, dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen, sich enthalten haben die Fraktionen der PIRATEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Wir kommen zu den Punkten 13 und 17 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der PIRATEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Saarland muss Vorreiter für autonomes Fahren werden (Drucksache 15/1246)

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Im Saarland die wesentlichen Komponenten für das selbstfahrende Auto produzieren (Drucksache 15/1257)

Zur Begründung des Antrags der PIRATEN-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Michael Hilberer das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte heute im Rahmen dieses Tagesordnungspunktes über eines der Zukunftsthemen der Industrie sprechen, aber auch über eines der Zukunftsthemen, die uns gesellschaftlich in den nächsten Jahren stark bewegen werden. Das Saarland sitzt auf einem industriepolitischen Schatz. Die globale Wirtschaft steht vor einer Revolution und das Saarland hat im Moment die richtigen Karten auf der Hand, die es jetzt auszuspielen gilt, um daran teilzuhaben und vor allen Dingen, um gestalterisch daran mitzuwirken. Ich spreche vom autonomen Fahren, dem fahrerunabhängigen Fahren von Automobilen. Es wird kommen. Alle großen Autohersteller haben angekündigt, ab 2020 zumindest teilweise autonom agierende Fahrzeuge in den Handel zu bringen.

Erste spektakuläre technologische Erfolge wurden bereits gemacht, allerdings im amerikanischen Bundesstaat Kalifornien. Warum dort? Weil die dortige Politik vorausschauend genug war, um schnell eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die es den Firmen und Forschungsinstituten ermöglicht hat, mit diesen Forschungsfahrzeugen am Straßenverkehr teilzunehmen. Der Audi-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg hat in diesem Monat gegenüber der Wirtschaftswoche treffend formuliert: „Da müssen unsere Ministerien handeln, sonst fahren wir hierzu

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

lande hinterher.“ Ich bin sicher, er hat damit nicht nur eine einzelne Teststrecke auf einer Bundesautobahn gemeint.

In Europa kann das Saarland noch Vorreiter werden - wenn wir schnell handeln und Forschung und Industrie ein unschlagbares Angebot machen. Dafür haben wir alle Mittel in der Hand. Wir können sagen: Kommt, testet eure Technologie in unseren Ballungsräumen, aber auch in unseren ländlichen Räumen und auf unseren Autobahnen. Wir haben alles hier auf kleinstem Raum, was den europäischen Verkehr ausmacht, und wir heißen diese Zukunft aktiv willkommen.

(Beifall von den PIRATEN.)

Das autonome Fahren wird ohnehin kommen. Wir können viel diskutieren über die Gefahren und Auswirkungen, die das haben wird, aber wir werden nichts daran ändern, dass diese Technologie kommen wird. Trotzdem möchte ich kurz auf einige Aspekte eingehen, auch auf einige Vorteile. Wir werden mit dem autonomen Fahren weniger Tote und Verletzte im Straßenverkehr haben. 90 Prozent aller Verkehrsunfälle weltweit sind heute noch auf menschliches Versagen zurückzuführen. Ein menschlicher Fahrer gilt ab einer Fahrleistung von 100.000 km als erfahren, dann kann er auch auf unvorhergesehene Verkehrssituationen reagieren. Vor allem junge Fahrer haben oft das Problem, dass sie, bis sie diese Zahl erreicht haben, Verkehrssituationen falsch, gefährlich falsch einschätzen. Ein selbst fahrendes Auto wird bereits ab Werk Millionen Kilometer Fahrerfahrung eingespeichert haben. Wir werden eine bessere Ausnutzung der vorhandenen Infrastruktur erleben. Statt neue Straßen zu bauen, können wir das vorhandene Straßensystem optimal ausnutzen, weil die autonomen Fahrzeuge sich gegenseitig absprechen können. Es wird auch eine geringere Umweltbelastung geben. Die Algorithmen können vorausschauend Wege planen und können ressourcenschonender fahren, als dies ein menschlicher Fahrer vermag.

Wir werden aber auch ganz neue Konzepte haben. Das Konzept des Car Sharing wird endlich auch im ländlichen Raum funktionieren. Man ist dann nicht mehr auf ein städtisches Ballungszentrum angewiesen, damit man das Auto wieder in der Nähe seiner Wohnung abstellen kann, weil da ohnehin sehr viele Menschen wohnen. Das Fahrzeug kann autonom wieder an seinen Standort zurückfahren, nachdem man es benutzt hat. Natürlich ist auch die Gefahr des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholoder Betäubungsmittel-Einfluss gebannt, wenn ich der Maschine das Fahren überlasse.

Es gibt aber auch Risiken und Nebenwirkungen, keine Frage. „Vernetzte Software“ - da klingeln die Alarmglocken. Autos, die sich untereinander unter

halten, die Fahrpläne abgleichen, sich über Verkehrssituationen per Software informieren. Diese Software muss extrem sicher sein. Auch hier sehe ich den großen Vorteil, dass wir die Kompetenz, die wir in diesem Land schon haben, nutzen können. Ich denke nur an die Studenten von der Saar-Universität, vom CISPA, die letzte Woche große Sicherheitslücken im Internet aufgedeckt haben. Mit dieser großen Kompetenz können wir da mitspielen!

Heute sehen wir schon, dass im Automobilbau ein Kampf entbrennt um den Werbeplatz auf dem Armaturenbrett. Konzerne wie Apple und Google preschen momentan in das Car Entertainment hinein, weil sie sehen, dass es hier noch eine Werbepause gibt, die ungenutzt ist. Stellen Sie sich einmal eine Szene vor in 10 oder 15 Jahren. Sie setzen sich in Ihr Auto, das Sie in den Skiurlaub fahren soll. Das ist die perfekte Werbezeit für jemanden, der eine Skischule an Ihrem Urlaubsort hat - das Auto weiß ja, wo Sie hinfahren -, um genau die passende Werbeanzeige einzublenden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie das dann buchen, während Sie unterwegs sind, ist für einen Werbetreibenden extrem hoch, entsprechend hoch werden die Provisionen sein. Es wird ein richtiger Machtkampf um diese Daten entbrennen. Das werden sehr spannende Datenschutzfragen, denen wir uns stellen müssen. Da müssen wir regulatorische Leitplanken setzen. Auch das dürfen wir nicht aus der Hand geben, aber ich glaube, auch da wären wir als Saarländer gut aufgestellt.

(Beifall von den PIRATEN.)

Ich rede noch nicht einmal über Dinge wie Haftungsfragen et cetera, wenn man den Fahrer aus der Gleichung herausnimmt. Das Gute wie das Herausfordernde an dieser neuen Technologie kann im Saarland erforscht werden. Das heißt eben auch: Wir behalten Einfluss auf diese Entwicklung. Wir geben sie nicht aus der Hand, wir erleiden diese Veränderung nicht, sondern wir können sie mitgestalten. Sich bei dieser Entwicklung der Zukunftstechnologie autonomes Fahren an die Spitze der Entwicklung zu setzen, ist eine große Chance für das Saarland. Heute kann dieser Landtag ein lautes Signal in die Welt schicken, dass wir diese Zukunft gestalten wollen ein Signal, dass man auch in Stuttgart, München, Ingolstadt oder wo auch immer die Automobilindustrie sitzt, hören wird.

In diesem Kontext sehe ich auch den Antrag der Koalition, der zu diesem Thema eingegangen ist. Er bildet im Grunde genommen ein perfektes Vorwort für unseren eigenen Antrag.

(Heiterkeit.)

Sie führen noch einmal sehr detailliert die Standortvorteile auf, die das Saarland hat. Das kann ich voll unterschreiben. Vor allem im wissenschaftlichen Bereich haben Sie sich die Mühe gemacht, noch ein

(Abg. Hilberer (PIRATEN) )

mal sehr genau herauszustellen, was für Vorteile wir hier vor Ort schon haben. Lassen Sie uns nachher beide Anträge annehmen und damit ein starkes Signal für den Zukunftswillen unseres Landes setzen, für den Willen, diese Technologie zu meistern und mitzugestalten.

In diesem einmaligen historischen Fenster, das sich hier momentan öffnet, haben wir die Möglichkeit, unsere Stärken auszuspielen und zu beweisen, dass das Saarland wahrhaftig das Land der kurzen Wege ist. Das beziehe ich nicht auf die Straßen, sondern darauf, dass es eben auch von der Bürokratie her möglich ist, Dinge schnell durchzusetzen. Das müssen wir aktiv vermarkten, um unser Land als Vorzeigeland des autonomen Fahrens zu etablieren. Wir müssen zeigen, dass die Landespolitik im Saarland den Mut und auch den unbedingten Willen hat, die notwendigen Schritte zu tun. Wir können hier eine Macher-Mentalität zeigen. Das wird in der Republik nicht ungehört bleiben!

(Beifall von den PIRATEN.)

Heute ist auch Schnelligkeit Trumpf. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu beiden Anträgen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass diese Technologie kommen wird und dass wir damit jetzt die Chance haben, gestalterisch darauf einzuwirken. Diese Chance sollten wir unserem Land und unseren Bürgerinnen und Bürgern gönnen. - Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN.)

Vielen Dank. - Zur Begründung des Antrags der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Abgeordneten Hans Peter Kurtz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Hilberer, Sie haben mich ja schon richtig gut auf meinen Vortrag eingestimmt. Ich sehe das als Kompliment, dass Sie sagen, dass wir die Zeichen der Zeit erkannt haben. So sind wir von der Großen Koalition halt: Wir helfen auch den PIRATEN, wo wir nur können.

(Heiterkeit. - Beifall bei der SPD.)

Es wird oft vom Autoland Saar gesprochen. Die Automobilindustrie ist auch wirklich der industrielle Kern unserer Saarwirtschaft. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns in die aktuelle Diskussion einklinken, weil wir uns nicht nur die Frage stellen müssen, wie es in diesem Wirtschaftsbereich im Saarland weitergeht, sondern weil wir aktiv handeln müssen und die Weichen in die richtige Richtung stellen müssen. Es ist für unser Land von immenser Bedeutung, wie sich die automobile Nutzung in der Zukunft entwickelt. Im Mittelpunkt steht jetzt aktuell die Weiter