Protokoll der Sitzung vom 18.03.2015

Danke, Frau Kollegin Kugler. Das Wort hat nun die Abgeordnete Petra Berg, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der GRÜNEN heute bietet Gelegenheit, das sehr wichtige Thema des Umgangs mit den zu uns kommen

(Abg. Heib (CDU) )

den Flüchtlingen zu diskutieren. Das Thema beschäftigt tagtäglich Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, vor allen Dingen die ehrenamtlich Tätigen, die mit enormem Engagement den schutzsuchenden Menschen Hilfe bieten. Dafür einen ganz herzlichen Dank bereits am Anfang dieser Rede.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, 1776 war das letzte Jahr, in dem auf dieser Welt nirgendwo Krieg geherrscht hat. Auch in diesem Jahr kommen Millionen Menschen in andere Länder, einige auch zu uns, die aus ihrer Heimat flüchten, um Leib und Leben zu retten. Jeden Monat kommen über 400 Flüchtlinge auch ins Saarland. Diese Menschen begeben sich auf die Flucht, weil sie um Leib und Leben fürchten müssen, weil sie vor Krieg, Verfolgung und Vertreibung flüchten und unvorstellbares Leid erfahren haben. Sie suchen hier nichts anderes als Zuflucht, Schutz und Sicherheit. Wir haben diese humanitäre Verpflichtung im viertreichsten Land der Erde und wir haben die Möglichkeiten dazu.

Diese Menschen werden vielleicht für lange Zeit oder auch für immer hierbleiben - als Freunde, als Partner, als Kollegen, als Nachbarn. Wie diese Menschen unsere Gesellschaft und damit unser Wertesystem bei ihrer Ankunft kennenlernen und erfahren, hängt entscheidend davon ab, wie wir diese Ankunft und ihre Zukunft gestalten. Ob wir dieser Herausforderung gerecht werden und Verantwortung tragen, werden wir erst in Zukunft erfahren, und zwar genau dann, wenn es gelungen ist, den Reichtum, den unsere Gesellschaft durch Zuwanderung erfährt, erkennbar und erlebbar zu machen, und wenn für die kommenden Generationen Solidarität, Freiheit und Menschlichkeit keine Lippenbekenntnisse mehr sind, sondern Grundpfeiler ihres Lebens geworden sind.

Jeder einzelne Mensch und seine Würde stehen im Mittelpunkt unserer Flüchtlingspolitik, wohl wissend, dass nur stabile, gut funktionierende gesellschaftliche Strukturen auf Dauer hilfesuchenden Menschen Schutz und Perspektiven bieten können. Die Flüchtenden sind in dem Moment, in dem sie einen Fuß auf saarländischen Boden setzen, in unserem Land angekommen. Aber was bedeutet das für Männer, Frauen und Kinder, die monatelang, vielleicht auch jahrelang auf der Flucht sind? Ankommen bedeutet Zuflucht finden, ankommen bedeutet Menschenwürde behalten, ankommen bedeutet Chancen erhalten. Wir müssen die unterschiedlichen existenziellen Bedürfnisse der Ankommenden berücksichtigen.

Die Flüchtenden erfahren ihre erste Unterbringung in der Landesaufnahmestelle Lebach, und darum geht es in dem vorliegenden Antrag, der eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge im Saarland zum Ziel hat beziehungsweise haben will. Dieser Antrag lässt aber die Entwicklungen in den letzten

Monaten völlig außer Acht. Die Antragsteller - es ist nur noch einer da - scheinen nicht mitbekommen zu haben, was in diesem Land insbesondere in den letzten Monaten bei der Aufnahme der Flüchtlinge passiert ist. So zielt der Antrag beispielsweise darauf ab, die Aufenthaltsdauer der Menschen in Lebach zu verkürzen. Das ist bereits Konsens, das muss hier niemand mehr fordern. Das setzen wir bereits um. Wir setzen uns schon seit Langem für eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge ein, und das aus gutem Grund.

Auch die Kommunen im Saarland erbringen seit Monaten eine ganz großartige Leistung. Das Saarland hat über viele Jahre keine Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt und hatte daher eine der niedrigsten Wohnungsquoten für Flüchtlinge bundesweit. Die Koalitionsfraktionen haben die Aufenthaltsdauer in der Landesaufnahmestelle deutlich reduziert und eine dezentrale Unterbringung organisiert. Seither werden Asylsuchende auch bei uns, zumeist nach einer Aufenthaltsdauer zwischen vier und sechs Wochen, auf die Gemeinden verteilt. Im Jahr 2014 waren das rund 1.100 Menschen.

Der Antrag der GRÜNEN ist eine Kopie des Antrags aus dem letzten Jahr und er berücksichtigt die geänderte Situation überhaupt nicht. Wir haben uns intensiv und zielorientiert mit den gestiegenen Anforderungen an eine humanitäre Flüchtlingspolitik befasst und umfassend auch detaillierte Handlungsansätze aufgezeigt. Und die Landesregierung hat schon viele Projekte zum Wohle der schutzsuchenden Menschen initiiert. Meine Herren von den GRÜNEN, Sie sind gut beraten, auch das aktuelle Geschehen zu verfolgen und sich insbesondere in den Prozess einer erfolgreichen Flüchtlingspolitik aktiv einzubringen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sie geben uns hier die Gelegenheit - und dafür bin ich dankbar, Herr Kessler - einmal darzustellen, was die Landesregierung für die Flüchtlinge tatsächlich getan hat. Sie fordern zum wiederholten Male im Plenum eine Umstellung von Sach- auf Geldleistungen. Das hat einzig und allein den Zweck, darauf hat die Kollegin Dagmar Heib schon hingewiesen, die Koalition auseinanderzudividieren. Aber das wird Ihnen nicht gelingen. Man muss grundsätzlich wissen, dass Flüchtlinge, die in den Kommunen untergebracht werden, bereits Geldleistungen erhalten. Es geht also nur um die Forderung, welche Leistungen die Menschen in der Landesaufnahmestelle erhalten. Wir wollen den Aufenthalt dort so kurz wie möglich gestalten und sind deshalb dabei, diesen Zeitraum und damit auch den Zeitraum der unterschiedlichen Leistungsgewährung zu reduzieren.

Es ist richtig - und dazu stehen wir -, die SPD möchte den Umstieg auf Geldleistungen. Das haben wir in

(Abg. Berg (SPD) )

unserem Positionspapier verankert. Zwar kann man trefflich darüber diskutieren, aber wir sagen, die Menschen sollen ihr Leben selbstbestimmt führen können. Die Menschen kommen aus Ländern, in denen sie auch mit Geld umgehen, sie können mit Geld umgehen. Oft wird an dieser Stelle das Argument benutzt, man würde dadurch für Menschen, die aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen, wirtschaftliche Anreize schaffen. Das verneinen wir nicht; das mag so sein. Aber dazu muss ich ganz deutlich sagen, Armut darf keine Schande für den einzelnen Menschen sein, Armut ist immer eine Schande für eine Gesellschaft, die Armut zulässt und verursacht. Das gilt damit auch für die Heimatländer, aus denen diese Menschen zu uns kommen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Die Koalitionsfraktionen haben sich einen Koalitionsvertrag gegeben und eindeutige Regelungen hierzu geschaffen. Wir haben vereinbart, dass in der Landesaufnahmestelle Sachleistungen ausgegeben werden. Und daran hält sich die SPD-Fraktion. Darauf kann sich unser Koalitionspartner verlassen. Hier lassen wir uns auch nicht auseinanderdividieren, nicht durch einen solchen Antrag. - Für die Unterbringung und die Wohnungen von Asylsuchenden und Flüchtlingen in der Landesaufnahmestelle sollen gewisse Standards gelten. Wir begrüßen vor diesem Hintergrund das Programm der Landesregierung, diese 5 Millionen Euro bereitzustellen, die in Wohnungen für Flüchtlinge investiert werden. Mit diesem Geld werden spürbare Verbesserungen für die hilfesuchenden Menschen erreicht. Auch wenn die Standards noch nicht endgültig festgelegt sind, möchte ich doch anmerken: Bei uns im Saarland gibt es keine Wohncontainer, und wir werden alles daran setzen, dass das auch so bleibt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir werden die Menschen so schnell wie möglich dezentral in den Kommunen unterbringen und in Wohnungen vermitteln. Das ist eine gute Lösung für die hier ankommenden Menschen und das ist auch eine gute Lösung für unser Land.

Ganz interessant ist es, dass Sie einen erhöhten Betreuungsschlüssel für Asylsuchende und Flüchtlinge fordern. Natürlich muss man zugestehen, dass ein Mehr an dieser Stelle besser ist. Die Landesregierung hat mit der Einrichtung der Asylbegleitung durchaus den richtigen Weg eingeschlagen. Die Asylbegleitung soll die Flüchtlinge bei ihrer Ankunft mit den erforderlichen Behördengängen vertraut machen, sie begleiten und mit der Gemeindeverwaltung sowie den Ehrenamtlichen zusammenarbeiten. Das ist ein sehr gutes Projekt. Bei Flüchtlingen, die bereits einen Aufenthaltstitel haben, erfolgt die weitere Begleitung durch Integrationslotsen, die zweifelsohne eine hervorragende Arbeit leisten. Selbstver

ständlich haben wir da auch den Betreuungsschlüssel immer im Fokus. Aber wir als Koalitionsfraktionen verstehen unter Chancengerechtigkeit und Teilhabe bei erfolgreicher Integration weitaus mehr.

Um in angemessener Weise am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, muss jede und jeder in der Gesellschaft die Möglichkeit haben, miteinander zu kommunizieren. Und Sprache ist das wichtigste Mittel der Kommunikation. Sie ermöglicht Teilhabe durch Sozialisation. Sprache ist Ressource und Grundlage für Bildungserfolg und Arbeitsmarktzugang. Gute Bildung von Anfang an gilt gerade deshalb auch hier. Das gilt insbesondere für Kinder, die von Anfang an an unserem Bildungssystem teilhaben müssen. Sprachbegleitung und soziale Integration müssen deshalb insbesondere im Schulsystem gefordert und gefördert werden. Das geschieht bereits. Und was für Kinder gilt, muss in besonderem Maße auch für Erwachsene gelten. Denn Sprachförderung, Alphabetisierung und Grundbildung sind wesentlich für eine selbstständige, menschenwürdige und aktive Teilhabe an unserer Gesellschaft; das sind ganz wesentliche Bedingungen.

Das Ministerium für Bildung und Kultur hat das im Dezember 2014 eingeleitete Sofortprogramm zur Bildung und Förderung von Flüchtlingskindern umgesetzt und ist damit einen guten und wichtigen Schritt zu einer erfolgreichen Integration gegangen. Rund ein Drittel der hier ankommenden Flüchtlinge sind nämlich Kinder, die mit und ohne Eltern ins Saarland kommen. Alle diese Kinder sind schulpflichtig, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Für Jugendliche gilt darüber hinaus auch eine Schulpflicht, wenn sie eine Ausbildung wahrnehmen. Um die saarländischen Bildungseinrichtungen besser vorzubereiten, hat das Ministerium zusätzlich 1 Million Euro zur Verfügung gestellt. Diese Mittel werden unter anderem für den Ausbau bestehender Sprachförderprogramme benutzt. Hier geht auch mein ausdrücklicher Dank an Ulrich Commerçon, der sich mit großem Engagement dafür eingesetzt hat, diese schwierigen finanziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Sprachförderung insbesondere für Kinder voranzubringen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Programm Früh Deutsch lernen setzt dabei an der Schwelle zwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschule an und richtet sich an Kinder, die nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen, und zwar unabhängig von ihrer Herkunft. Kinder erlernen in Intensivkursen die deutsche Sprache und nehmen parallel dazu an Fächern wie Musik, Kultur und Sport teil. Weitere 25 Lehrkräfte wurden im laufenden Schuljahr mit dem Ausbildungsschwerpunkt in Fremdsprachen und auch im Fach Deutsch als zweite Fremdsprache eingestellt. Das Landesinstitut für Pädagogik und Medien bereitet alle saar

(Abg. Berg (SPD) )

ländischen Lehrkräfte mit der Modulreihe Bildungsoffensive Sprachförderung für junge Flüchtlinge und Seiteneinsteiger auf ihre Arbeit mit Flüchtlingskindern in der Schule vor.

Meine Damen und Herren, ein angemessener Betreuungsschlüssel ist ohne Frage wichtig und er wird von uns auch umgesetzt, aber gerade für die ersten Gehversuche in unserer Gesellschaft ist das nicht alles. Es gehört viel, viel mehr dazu. Für einen guten Antrag zur Flüchtlingspolitik in diesen Zeiten muss mehr gefordert werden. Der hier vorliegende Antrag greift unseres Erachtens zu kurz. So ein wichtiger Aspekt muss ganzheitlich betrachtet werden, um der Betreuung und Begleitung von Schutzsuchenden gerecht werden zu können.

Lassen Sie mich zum Schluss noch persönlich auf eine Forderung eingehen, die mir ganz besonders am Herzen liegt. Auch Frau Heib ist schon darauf eingegangen. Es geht um die Einführung der Gesundheitskarte nach dem sogenannten Bremer Modell. Es gibt sehr gute Gründe, diese Einführung zu fordern. Ich denke, wir sind uns hier im Hause einig, dass die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge verbessert werden sollte. Denn die Folgen von Flucht und Vertreibung spiegeln sich häufig im Gesundheitszustand Asylsuchender wider. Flucht und Vertreibung hinterlassen körperliche und psychische Verletzungen. Asylsuchende haben in unserem Gesundheitssystem aber keinen vollen Anspruch auf Leistungen, lediglich im Falle akuter Erkrankung und von Schmerzzuständen erhalten sie medizinische Unterstützung. Das ist zu wenig.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Genau das sagen wir auch.)

Da sind wir einer Meinung, Herr Ulrich.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Dann können wir ja auch zusammen Beschlüsse fassen!)

Um diese Leistungen von Beginn an in Anspruch nehmen zu können, benötigen Asylsuchende einen Krankenbehandlungsschein des Landkreises oder des Regionalverbandes. Bei Bedarf an bestimmten Behandlungen oder für die Durchführung bestimmter Untersuchungen durch Fachärzte ist eine Genehmigung des Landkreises erforderlich. Dieses Verfahren verzögert nicht nur die medizinische Betreuung, es ist auch vielen im Medizinbereich Tätigen unbekannt.

In Bremen handelte der Senat im Jahr 2006 eine Vereinbarung mit der Krankenkasse aus: Asylsuchende bekommen dort die Karte. Durch diese Regelung spart das Land Bremen übrigens auch in erheblichem Umfang administrative Kosten. Trotz aller Bemühungen ist es im Saarland nicht gelungen darauf hat Frau Heib schon hingewiesen -, einen Partner zu finden, mit dem die Einführung einer sol

chen Gesundheitskarte umsetzbar wäre. Wir brauchen hierfür die Mitarbeit der Krankenkassen, es ist unsere Aufgabe, sie an Bord zu holen. Daran arbeiten wir gemeinsam, diesbezüglich sind wir auch auf einem guten Weg.

Meine Damen und Herren, wir sind auch insgesamt auf einem guten Weg. Der uns nun vorliegende Antrag geht angesichts dessen nicht weit genug, er verkennt zudem ganz deutlich die verbesserte Situation in der Vergangenheit. Zusammen mit den Ehrenamtlichen, den Wohlfahrtsverbänden, den Kirchen und allen in der Flüchtlingshilfe tätigen Organisationen werden wir eine humanitäre und solidarische Flüchtlingspolitik gestalten. Dies hat die SPD schon auf den Weg gebracht, dies hat aber auch Ministerin Monika Bachmann mit dem Integrationsgipfel auf den Weg gebracht. Für diesen Gipfel möchte ich an dieser Stelle auch ganz herzlich danken, denn das war eine ganz wundervolle Veranstaltung. Er hat auch gezeigt, wie man gemeinsam gut arbeiten kann. Wir werden das fortführen, wir werden das ausbauen, um für die Menschen insgesamt in diesem Land Verbesserungen -

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Das sind ja so viele Blätter! So viele Blätter!)

Ach, Herr Ulrich, immer diese Worthülsen! Diese Arbeit müssen Sie erst einmal leisten. Abgesehen von zwei Anträgen haben Sie hier noch nichts zustande gebracht, während wir Projekte umgesetzt haben. Außer Anträgen ist bei Ihnen hier nichts gewesen!

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Machen Sie erst einmal Ihre Arbeit, dann können wir vielleicht auch einmal gemeinsam etwas auf den Weg bringen. Das wäre gut für unser Land, und es würde diesem Hause hier gut zu Gesicht stehen, wenn jeder hier seine Arbeit leisten würde!

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Wir haben in unseren zweieinhalb Jahren sehr viel mehr auf den Weg gebracht, als Sie als SPD bewegt haben! Abg. Thul (SPD): Wo habt ihr etwas für Flüchtlinge gemacht? Wo?)

Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Anhal- tende Unruhe.)

Danke schön, Frau Abgeordnete. Das Wort hat nun der Kollege Andreas Augustin von der Fraktion der PIRATEN.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir PIRATEN haben auf unserem vorletzten Landesparteitag, Ende vergangenen Jahres, einen

(Abg. Berg (SPD) )

Beschluss gefasst, wonach es das primäre Ziel unserer Flüchtlingspolitik sein sollte, möglichst vielen Flüchtlingen Schutz zu bieten. Dass das das primäre Ziel der Flüchtlingspolitik ist, heißt natürlich nicht, dass die Flüchtlingspolitik über anderen Gesetzen steht. Bevor es jemand in den falschen Hals bekommt: Natürlich ist es nicht Sinn der Sache, Leute auch dann unterzubringen, wenn das menschenunwürdig wäre, und das nur, um noch ein paar mehr unterzubringen. Nein, natürlich: Die Würde des Menschen ist unantastbar, auch die Flüchtlingspolitik steht nicht über diesem Grundsatz. Das sei hier nur gesagt, um den Rahmen abzustecken.

Allerdings ist das durchaus ein Grund, weshalb wir manche der Forderungen, die wir in der Vergangenheit erhoben haben, nun etwas zurückschrauben aber eben nur etwas. Mit dem gestellten Antrag gehen wir, das kann ich vorab sagen, trotzdem d’accord, das ist klar. Entsprechend unserer Zielsetzung bewerten wir aber auch diesen Antrag. Man muss sehen, dass dieser Antrag in fünf Forderungen mündet; ich will sie nun einzeln durchgehen, allerdings nicht unbedingt in der Reihenfolge, in der sie im Antrag aufgeführt sind.

Gefordert werden die Mindeststandards für die Unterbringung und ein angemessener Betreuungsschlüssel. Diesbezüglich bin ich, das muss ich sagen, doch sehr nah bei der Kollegin Berg. Es steht völlig außer Frage, dass das ambitionierte Vorhaben sind, dass das unterstützenswerte Vorhaben sind. Was aber passiert, wenn das nicht zu bewerkstelligen ist? Was ist, wenn wir nicht genügend Betreuer haben? Dürfen wir dann keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen? Was geschieht, wenn eine Wohnung nicht den Mindeststandards entspricht, die Sie fordern? Wer bezahlt dann die Nachbesserung dieser Wohnung? Was geschieht dann? Das sind Fragen, die sich hier stellen. Unser Ziel ist es, wie gesagt, möglichst viele unterzubringen, dies natürlich, das ist vollkommen klar, grundgesetzkonform. Es besteht aber schon, wie ich finde, Bedarf, bezüglich dieser Aspekte Ihren Antrag etwas auszuformulieren.