Dann kann ein „Weiter so“ nicht die Antwort sein. Aus all diesen Gründen werden wir den Anträgen von PIRATEN und GRÜNEN zustimmen. - Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind traurige Schlagzeilen, die die Polizei dieses Jahr zu vermelden hat. Die Zahl der Drogentoten im Saarland steigt rapide an, vor einem Monat war das 20. Todesopfer zu beklagen. Im Mai dieses Jahres gab es allein in einer Woche drei Todesfälle aufgrund von Drogenkonsum. Bereits im
Sommer war die Zahl der Opfer höher als im letzten Jahr und bereits im Jahr 2015 war die Zahl doppelt so hoch wie noch im Vorjahr. Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Wir dürfen uns bei diesem Thema nicht wegducken und ein „Weiter so“ kommt für mich auch nicht in Frage.
Gerade weil es sich bei diesem Thema um kein sogenanntes Gewinnerthema handelt und auch wenn die Mehrheit der Gesellschaft davon zum Glück nicht betroffen ist: Wir müssen uns mit den Fällen beschäftigen und die Ursachen für die rapide ansteigenden Zahlen analysieren. Deshalb hat sich auch der Sozialausschuss in einer Sitzung schon ausführlich mit diesem Thema beschäftigt, und dies vorbildhaft, wie ich meine.
Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass es sich nicht um ein rein saarländisches Phänomen handelt - das hat der Kollege Scharf schon richtig dargestellt -, die Zahlen reihen sich mehr in eine globale Entwicklung ein. Auch sind es weniger die Umstände oder das Verhalten als die Substanzen, welche die Wurzel des Problems darstellen. Die Risiken des Konsums psychotroper Substanzen haben sich vor allen Dingen aus zwei Gründen erhöht: Zum Ersten sind es die immer wieder veränderten und neuen Zusammensetzungen von synthetischen Drogen, aber auch sogenannten Kräutermischungen, deren genauen Zusammenstellungen dem Konsumenten nicht bekannt sind, die aber leicht erhältlich und - solange der jeweilige Wirkstoff nicht verboten war auch legal erhältlich waren. Der Bundestag hat übrigens hierzu vor Kurzem Beratungen durchgeführt und sich dazu entschieden, ganze Wirkstoffgruppen zukünftig zu verbieten, sodass das erschwert wird.
Zum anderen, so paradox das klingt, ist der Reinhaltsgehalt bestimmter Drogen gestiegen, was leicht zur Überdosis führen kann. Auch das war ein Teil der Berichterstattung im Ausschuss. Man mag es kaum glauben, aber die Konsumenten haben auf einmal zu reinen Stoff, können den nicht richtig dosieren und versterben dann an den Folgen von zu reinen Drogen.
Eine sich verändernde Ausgangslage muss aber auch eine Veränderung der Drogenpolitik nach sich ziehen. Gemein haben die Ursachen des Anstiegs der Zahl der Drogentoten, dass es für die Konsumenten unmöglich ist, die Bestandteile und die Zusammensetzung der konsumierten Substanzen einzuschätzen. Ein verantwortungsvoller Konsum ist damit nicht möglich. Hier besteht meines Erachtens Nachbesserungsbedarf.
Der Antrag der PIRATEN macht einige interessante Vorschläge, die den politischen Diskurs bereichern und offen diskutiert werden sollten. Leider wird jedoch nicht auf die bereits bestehenden Maßnahmen
und Einrichtungen eingegangen. Es sei mir ein Verweis an dieser Stelle gestattet: Lieber Kollege Georgi, ich kann vieles von dem, was Sie eben gesagt haben, unterstützen. Und ja, ich finde es auch paradox, dass wir immer wieder darüber diskutieren, ob der Mensch ein Anrecht auf Rausch hat oder warum er mit der einen Substanz das Recht auf Rausch hat und mit der anderen Substanz nicht. Das ist das Paradoxon, das sich nicht auflösen lässt, wenn man ideologisch in diese Debatte einsteigt. Vor dieses Problem wird man immer gestellt werden. Aber was nicht geht, ist zu sagen: Ja, an Alkohol und Zigaretten sterben viel mehr Menschen als an harten Drogen, und da macht ihr nix. Das ist ja auch nicht richtig, denn diese Beratungsangebote, die wir im Saarland haben, sind auch insbesondere für Menschen, die alkoholabhängig beziehungsweise nikotinabhängig sind, ausgestaltet.
Ich glaube, wir sind im Saarland vorbildhaft aufgestellt. Ich sage an dieser Stelle aber auch: Natürlich ist es paradox, wenn man auf der einen Seite die eine Substanz verteufelt, auf der anderen Seite jedoch von den Produzenten der anderen Substanz, an der viel mehr Menschen sterben, sämtliche Großereignisse in diesem Land sponsoren lässt. Ich nehme es Karlsberg bis heute übel, Bier mit Cola gemischt und so süß gemacht zu haben, dass es jedem Kind schmeckt.
Es ist auch ein Problem, dass man auf der einen Seite sagt, na ja, als Sponsoren nehmen wir diese Firmen gerne, denn auf der anderen Seite sind sie auch Ursache dafür, dass Kinder relativ früh an Alkohol gewöhnt werden. Das ist für mich genauso inakzeptabel wie alles andere, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deshalb sollten wir uns schon sehr viel kritischer mit den legalen Drogen auseinandersetzen und damit, wie wir mit den Produzenten dieser legalen Drogen umgehen. Ich finde, sie sollten auch mit ihrer wirtschaftlichen Kraft einen großen Teil dazu beitragen, dass vernünftige Präventionsarbeit gegen Alkoholmissbrauch stattfindet.
Ja, das ist schwer zu ertragen, wahrscheinlich vor allem für die Homburger unter uns. Nichtsdestotrotz halte ich das für einen Aspekt, den wir in den Fokus stellen sollten. Ich erwähne das Programm „BOB“, das wir am LPH machen und an dem sich Firmen beteiligen, die es sponsoren. Ich finde, das ist noch ausbaubar. Trotz alledem befinden wir uns auf einem guten Weg.
Das Drogenhilfezentrum in Saarbrücken wurde ebenfalls erwähnen. Wir haben es mit dem Sozialausschuss besucht. Es leistet hervorragende Arbeit, könnte aber natürlich noch besser unterstützt werden. Wir könnten die Angebote immer noch weiter ausbauen. Gerade das Drogenhilfezentrum ist ein
über das Saarland hinaus bekanntes Erfolgsprojekt. Es ist gewissermaßen auch Opfer seines Erfolges, weil nämlich Menschen aus der ganzen Republik unser Drogenhilfezentrum wegen seiner guten Prävention und Arbeit aufsuchen. Das ist ein Beleg für die gute Arbeit, auch parteiübergreifend. Da kann man nicht die einen in diese ideologische Ecke stellen und die anderen in jene. Wir haben hier bislang immer parteiübergreifend zusammengearbeitet.
Deshalb möchte auch ich mich den Worten des Dankes für die Menschen anschließen, die dort tätig sind. Ich war früher selbst in der Beratungsstelle „Die Brigg“ in Neunkirchen tätig. Ich weiß, welche Anstrengungen es für die Menschen sind, die in diesen Bereichen arbeiten. Deswegen auch von mir ein herzliches Wort des Dankes.
Lieber Kollege Hilberer, Sie bemängeln in Ihrem Antrag, dass keine Evaluation unserer Drogenpolitik, der Prävention oder Nachsorge erfolge. Aber alle diese Einrichtungen machen jedes Jahr Berichte. Ich weiß nicht, ob Sie diese Jahresberichte nicht bekommen. Ich bekomme sie jedes Jahr von den Einrichtungen. Sie evaluieren ihre Arbeit und tun dies auch selbstkritisch. Deshalb ist es nicht korrekt, davon zu reden, dass wir die Arbeit nicht evaluieren. Das geschieht.
Ich will an dieser Stelle aber ganz deutlich sagen, dass es natürlich schwierig ist, Prävention messbar zu machen, um sagen zu können, ob sie erfolgreich ist oder nicht. Mir greift es wirklich zu kurz, dies vom Thema Drogentote abhängig zu machen. Wenn ich mehr Drogentote habe, heißt das nicht gleich, dass unsere Präventionsarbeit gescheitert ist, weil ich nämlich nicht weiß, wie viele Menschen durch unsere Präventionsarbeit eben nicht in Kontakt zu Drogen kamen. Deswegen greift Ihre Analyse ein wenig zu kurz.
Der folgende Hinweis sei mir gestattet. Wir führten hier schon mehrfach Legalisierungsdebatten. Ein bisschen langweilig finde ich das schon, denn selbst wenn der saarländische Landtag sich für die Legalisierung aussprechen würde, so sind wir doch kein Bundesstaat etwa der Vereinigten Staaten von Amerika, wo wir unsere eigenen Gesetze machen und etwas legalisieren könnten. Das können wir einfach nicht. Deshalb ist es eine Scheindebatte, wenn man nicht gleichzeitig fordert, dass sich das Land in einer Bundesratsinitiative dafür ausspricht. Deshalb werde ich auf Ihre Legalisierungsideen auch nicht weiter eingehen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
serer Gesellschaft. Auch wird nicht jeder zum suchtkranken Junkie. Oft unterscheiden sich Drogenkonsumenten äußerlich und auch hinsichtlich ihrer Leistung nicht von anderen und leben daher oft über einen längeren Zeitraum unerkannt, sodass gezielte Hilfe und eine rechtzeitige Intervention nicht stattfinden können. Natürlich trägt dazu auch die Kriminalisierung bei. Wenn ich jemandem, der abhängig ist, sage, es ist keine Krankheit, sondern du bist ein Junkie, du bist ein gesellschaftliches Problem, dann wird er sich mit seiner Krankheit auch nicht so schnell outen.
Statt eines Abdrängens in die Illegalität und eines Verdrängens innerhalb der Gesellschaft wäre es ehrlicher und besser für alle, wenn Ressourcen in Aufklärung, Prävention und Hilfestellungen für Konsumenten investiert würden, um die bestehenden Probleme und Risiken, die mit dem Drogenkonsum natürlich einhergehen, zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren und das Abgleiten in die Sucht zu verhindern.
Umso verwunderlicher ist es, wenn in Ihrem Antrag gerade die Repression Gegenstand der Forderungen ist. Interessanter ist für mich deshalb der Punkt Drug-Checking. Gerade wenn man sich die bestehende Problematik der Zusammensetzung, der Verunreinigung beziehungsweise des Reinheitsgehaltes vergegenwärtigt, wäre dies die Möglichkeit, das Informationsdefizit von Konsumentinnen und Konsumenten zu verringern. Drug-Checking-Initiativen gab es in Deutschland bereits Ende der Neunzigerjahre in Berlin und Hannover. Innerhalb der Europäischen Union gibt es legale Drug-Checking-Initiativen in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, in der Schweiz, Slowenien, Spanien und in der Tschechischen Republik. Das sind im Übrigen nicht nur rot-grün regierte Länder, die eine sehr liberale Drogenpolitik machen, sondern all diese Länder setzen das Instrument ein.
Drug-Checking ist nicht grundsätzlich verboten, es bedarf jedoch einer Erlaubnis nach § 3 BTMG für die Entgegennahme und Analyse rauschgiftverdächtiger Proben. Insgesamt handelt es sich um eine rechtlich, politisch und finanziell komplexe Thematik, die eingehender Prüfung bedarf. Wir sollten Risiken und Nebenwirkungen etwaiger Maßnahmen genauestens abwägen. Der Schutz der Gesundheit und die Prävention müssen dabei die zentralen Leitlinien sein. Eine meiner Kolleginnen in diesem Hause hat bereits einmal festgestellt: Das Thema ist komplex und die Lösungswege sind schwierig zu finden. Hier müssen gesundheitspolitische Fragen, ökonomische Auswirkungen, sozialpolitische Aspekte und ethische Fragen in einem gesamtgesellschaftlichen Diskurs zusammengestellt werden. Diese Diskussion muss jedoch erst noch geführt werden.
Ich sage für meine Fraktion: Wir sind der Meinung, dass wir uns das Thema Drug-Checking als Einzelaspekt im Sozial- und Gesundheitsausschuss vornehmen und darüber diskutieren sollten. Aufgrund der anderen Teile Ihres Antrags können wir Ihrem Antrag und dem der GRÜNEN leider nicht folgen. Die SPD wird nicht zustimmen. Wir sind aber bereit, uns für eine Diskussion für eine fortschrittliche Drogenpolitik zu öffnen. - Vielen Dank.
Vielen Dank! Kollege Scharf, ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal dafür bedanken, dass Sie die einzelnen Präventionsangebote, die es im Saarland gibt, so prominent genannt haben. Das sollten wir immer mal tun. Sie haben auch genügend Redezeit zur Verfügung, um dies zu tun. Den Luxus kann ich mir nicht unbedingt leisten. Nichtsdestotrotz haben Sie richtige Dinge gesagt. Sie haben die Brauerstraße und „Le Trottoir“ genannt. Diese Beispiele möchte ich einmal herausgreifen. Die Menschen, die dort arbeiten, leisten an der Front - so möchte ich es einmal ausdrücken - richtig harte Arbeit. Natürlich verdient das unseren Dank und selbstverständlich habe ich Ihnen vorhin an dieser Stelle Ihrer Rede applaudiert.
Wenn man allerdings die Menschen, die dort arbeiten, einmal fragt, was die Hemmschuhe in ihrer täglichen Arbeit sind und wo sie Probleme bekommen, die sie nicht haben müssten, dann wird oft die bestehende Gesetzgebung genannt. Es ist eben schwierig, sich als Beratungsstelle mit Suchtkranken auseinanderzusetzen, wenn man in einem solch repressiven gesetzgeberischen Rahmen arbeitet. Das ist ein Problem und das führt im Alltag immer wieder zu Reibungsverlusten und Problemen, die so nicht sein müssten. Deshalb bleibe ich dabei: Auch an dieser Stelle muss man evaluieren, nachbessern und Nachbesserungen fordern.
Im Verlauf der Debatte ist mir aufgefallen, dass Sie vielleicht gewisse Teile unseres Antrages ein bisschen zu negativ reflektieren. Wir schreiben, dass wir die Präventionseinrichtungen des Landes auf deren Zielrichtung und Effektivität hin überprüfen wollen und dass sie gegebenenfalls überarbeitet und angepasst werden sollen. - „Gegebenenfalls“ heißt nicht, dass alles schlecht ist. Ich habe es in der Einführungsrede auch gesagt: Da wird an vielen Stellen richtig gute Arbeit geleistet, es gibt aber auch Stellen, wo die Arbeit besser sein könnte. Beweisen Sie einmal das Gegenteil.
Da ist Luft nach oben, das ist immer so. Ich gebe Ihnen durchaus recht, Kollege Thul, man kann die Bewertung, wie gut Präventionsarbeit ist, nicht verkürzen auf die Zahl der Drogentoten. Ich sage nur: Die Anzahl der Toten, die wir dieses Jahr hatten, muss für uns ein Fanal sein, um uns der Thematik noch einmal anzunehmen. Darauf wollte ich eigentlich hinaus.
Sie haben die Jahresberichte genannt. Schauen wir uns doch einmal an, was in den Jahresberichten steht und was nicht! Es gibt gewisse Sachen, die werden nicht in Jahresberichte hineingeschrieben. Zum einen weil sie in den Rahmen nicht reinpassen, zum anderen weil die Menschen, die dort arbeiten, natürlich auch vom Land abhängig sind. Gewisse unangenehme Dinge werden dort nicht genannt.
Das was ich vorhin genannt habe: Wo es gesetzgeberische Probleme gibt, wo die aktuelle Drogenpolitik und der Duktus des Staates gegenüber den Abhängigen immer wieder zu Problemen führt.
Ich habe es im Jahresbericht bisher nicht gesehen, ich kenne es aber aus privaten Gesprächen mit den Leuten. Sie können das jetzt natürlich abbügeln und sagen, nein, alles ist super, aber ich bleibe dabei: Es ist nicht alles super.
Herr Thul, ich lasse Sie jetzt mal über die schmale Brücke gehen, dass das Schlimmste an unserem Antrag sei, dass wir nicht alles genannt haben, was im Saarland getan wird. Aber dass Sie sagen, Repression sei Teil unseres Antrages - es steht doch gerade drin, an welchen Stellen wir weniger repressive Maßnahmen seitens des Landes wollen! Ich kann in unserem Antrag wirklich nicht entdecken vielleicht habe ich ihn auch falsch gelesen -, wo wir mehr Repression fordern würden.
Erlauben Sie mir zum Abschluss noch eine Bemerkung: Dass hier der gleiche Landtag, der gerade dabei ist - um die Investitionen der saarländischen Spielbanken zu sichern -, das Rauchen in den saarländischen Spielbanken zu legalisieren, sich bei anderen Suchtstoffen immer noch so dranstellt, als würden wir in den 1960ern leben, finde ich wirklich bedenklich, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hilberer, ich muss es noch mal sagen: Wir wollen nichts schönreden. Ich bin öfters im Drogenhilfezentrum, weil ich die Arbeit, die dort geleistet wird, bewundere. Die Menschen, die dorthin kommen - das ist schon nicht einfach! Deswegen muss man sich mit dieser Thematik intensiv wie in kommunizierenden Röhren beschäftigen. Dort gibt es wahnsinnig viele menschliche Schicksale. Wenn Mütter, die drei, vier Kinder haben, der Prostitution nachgehen, weil sie diesen Stoff einfach brauchen, lässt einen das nicht kalt. Deshalb sind wir, glaube ich, gut beraten, uns nicht gegenseitig Vorwürfe zu machen. Ich betone es noch einmal: Wir wollen diese Dinge, die ich genannt habe, verbessern, und wir sind dabei.
Das LPH evaluiert hier auch. Wir befinden uns mit der HTW, mit der eidgenössischen Universität in Zürich über diese Dinge in einem stetigen Austausch, ich habe das doch angesprochen. Da wird versucht, neue Verfahren zu entwickeln. Deswegen habe ich das Drogenhilfezentrum und „Le Trottoir“ etwas näher beleuchtet, weil das etwas ist, was von anderen Bundesländern durchaus positiv betrachtet wird.