Natürlich kann man jetzt zu Recht sagen, viele von diesen Dingen können die Saarländer nicht bestimmen. Das ist richtig. Nichtsdestotrotz, jeder von uns ist einer von 500 Millionen, die genau das zu bestimmen haben und deshalb darf unsere Stimme bei diesen Themen nicht leise bleiben. Im Gegenteil, wenn wir das europäischste aller Bundesländer sein wollen, wenn wir unserer historischen Rolle im Herzen Europas gerecht werden wollen, dann müssen wir, auch mit unseren wenigen Menschen, mit dieser einen Million, eine laute Stimme sein, die genau das fordert, die die Vision formuliert und sagt: Wir wollen ein weiteres Europa, ein stärkeres Europa, ein besseres Europa. Wir werden weiter daran arbeiten, für uns gibt es da keinen Schritt zurück, denn jeder Schritt zurück ist ein unglaublicher Verlust für dieses Saarland, jeder Schritt nach vorne ist ein unglaublicher Gewinn und deshalb werden wir genau so weiterarbeiten. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Viele Menschen leben die Grenzregion und leben in der Großregion, das ist heute Morgen schon mehrfach betont worden. 200.000 Menschen pendeln täglich nach hüben und drüben, essen hüben und drüben und arbeiten, genießen die Kultur und gehen einkaufen. Und dennoch - man will es nicht glauben - haben viele Menschen Angst vor diesem Koloss Europa. Oskar Lafontaine hat es angesprochen, viele Menschen fühlen sich fremdbestimmt. Man muss sich schon die Frage stellen, warum das so ist. Ich will es an einem aktuellen Beispiel festmachen, an der Stahlindustrie. Herr Minister Toscani hat in seiner Regierungserklärung den Ausschuss der Regionen angesprochen, als Schnittstelle zwischen europäischer und landespolitischer Ebene hat er ihn bezeichnet. Der AdR ist die Stimme der Regionen und Städte in der Europäischen Union. Das wurde im Lissabonner Vertrag bewusst festgelegt, um mehr Bürgernähe zu schaffen. Es findet zwar in Ihrer Regierungserklärung keine Erwähnung, Herr Minister Toscani, aber ich durfte als Berichterstatterin für Stahl im Ausschuss der Regionen eine Stellungnahme zu den Herausforderungen des Stahlsektors in der EU einbringen, und dort im Wirtschaftsausschuss - im ECON -, genau wie im Plenum, wurde diese Stellungnahme einstimmig verabschiedet, was keine Selbstverständlichkeit ist bei 28 verschiedenen Ländern.
Die Stahlindustrie ist ein bedeutender Wirtschaftsund Beschäftigungsfaktor und im Saarland hängen immerhin 22.000 Arbeitsplätze unmittelbar oder mittelbar von der Stahlindustrie ab. Viele Probleme, die den Stahlunternehmen und ihren Beschäftigten Sorgen bereiten, müssen auf europäischer Ebene gelöst werden. Diese Probleme entstehen in Europa und der Welt, sie sind nicht hausgemacht. Ich war diesen Montag, also vor zwei Tagen, zum wiederholten Male mit den saarländischen Stahlarbeitern unterwegs. Wir waren in Straßburg, weil am Montag die Reform der Emissionshandelsrichtlinie der vierten Handelsperiode diskutiert wurde. Heute, in einer Stunde, zwischen 12.00 und 13.00 Uhr, wird dazu die Abstimmung in Straßburg stattfinden. Unser Ziel in vielen Gesprächen, Demonstrationen und Stellungnahmen war und ist, deutlich zu machen, dass Stahl und Klimaschutz keine Gegensätze sind, sie müssen vielmehr in Einklang gebracht werden. Wir haben erreicht, dass die deutschen Sozialdemokraten einen Antrag zu Kuppelgasen eingebracht haben, der gerade für das Saarland besonders wichtig ist. Ich hoffe, dass er nachher eine Mehrheit finden wird.
Die Entscheidungen, die in Brüssel und Straßburg fallen zur Außenhandelspolitik, zum Anti-DumpingVerfahren, zu niedrigen Zöllen, zur Marktwirtschaftsfrage bezüglich China, zum Emissionshandel etc. sind auch Entscheidungen über das Schicksal unserer heimischen Stahlindustrie. Europa muss gewährleisten, dass der Wettbewerb fair vonstatten geht. Klar ist: Auch der Beste kann nur Erfolg haben, wenn die Spielregeln eingehalten werden. Wettbewerbsfähige Unternehmen wie die saarländische Stahlindustrie dürfen nicht durch subventionierte und gedumpte Importe vom Markt gedrängt werden. Das ist nicht akzeptabel und das ist auch geradezu absurd. Es hilft auch dem globalen Klima nicht, wenn die Stahlproduktion nach China oder in andere Drittstaaten verlagert wird und die umweltfreundlichsten Stahlwerke aus dem Saarland, Deutschland und Europa kaputt gehen. Es gibt ganz berechtigte Ängste und Zweifel bei den Stahlarbeitern, bei den Menschen im Saarland, ob das, was in Europa geregelt wird, für sie gut ist.
Viele Menschen ängstigen sich vor den Veränderungen einer immer größeren globalisierten Welt. Auch die Stahlarbeiter waren und sind der Meinung, dass die EU sie zu wenig schützt. Da müssen wir etwas tun, um deutlich zu machen, dass es auch anders geht. Aber Globalisierung ist kein Schicksal, in das wir uns ohnmächtig ergeben müssen, sondern Globalisierung lässt sich auch regeln, sozial, demokratisch und nachhaltig. Die Stahlarbeiter im Saarland, in Deutschland und Europa haben sich zur Wehr gesetzt. Sie haben das nicht einfach angenommen, sie haben für ihre Interessen gekämpft und haben einiges erreicht und können stolz darauf sein.
Sie haben erreicht, dass es in Zukunft ein Frühwarnsystem geben wird, schnellere Anti-Dumping-Verfahren, höhere Zölle, dass die „lesser duty rule“ ausgesetzt wird und weniger Klimaschutzabgaben anfallen. Mit solchen Aktionen macht man Europa begreifbar und erfahrbar. Von den Stahlarbeitern hat niemand gewusst, was der Ausschuss der Regionen ist, und heute weiß jeder, der im Stahlbetrieb arbeitet, was dieser Ausschuss bedeutet und was er für sie unternehmen kann. Das ist Politik gemeinsam mit den Menschen in den europäischen Gremien, und das sollten wir weiter wahrnehmen. So stellt man sich gegen den weit verbreiteten Mainstream des Europa-Bashings. Auch gerade aktuell, wo immer mehr Menschen den Glauben in die EU verlieren und einen Rückzug ins nationale Schneckenhaus wünschen, müssen wir das auch alle ernst nehmen. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker, nicht nur davon zu reden - das ist schön heute Morgen, wir klopfen uns untereinander auf die Schulter -, wir müssen deutlich machen, dass die EU kein übermäßiges Gebilde ist, von dem
wir fremdbestimmt werden, sondern dass wir alle Teil dieser Europäischen Union sind, die Garant für Frieden, Freiheit, Sicherheit und Demokratie ist, und dass das keine Selbstverständlichkeit ist.
Es braucht einfach mehr Transparenz, damit die Menschen erkennen, wie das funktioniert, und es braucht mehr Mitwirkungsmöglichkeiten. Das müssen wir den Menschen vermitteln. Viele Menschen fühlen sich abgehängt und fremdbestimmt, der Brexit ist ein Beleg dafür. Ich hoffe, dass das ein einmaliger Beleg bleibt und nicht weitere Kreise zieht. Dabei brauchen wir gerade jetzt, besonders auch im Hinblick auf die Ereignisse in den USA, überzeugte Europäerinnen und Europäer. Es ist leichter, mit in den Chor derer einzustimmen, die über das angebliche Brüsseler Bürokratiemonster schimpfen und die EU zum Sündenbock für jede erdenkliche Fehlentwicklung machen. Wir brauchen Mitmacher statt Mitläufer, wir brauchen Mutmacher statt Miesmacher.
Eines ist mir besonders wichtig, das ist hier auch schon angesprochen worden: Wir dürfen nicht zulassen, dass uns die Populisten und Nationalisten vor sich hertreiben und sich die Verunsicherung der Menschen zunutze machen. Da sind wir als Europäerinnen und Europäer alle gefragt. Das geht nur, indem wir die berechtigten Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen. Das bedeutet, wir müssen sie ernst nehmen in der Flüchtlingspolitik, wenn es um Arbeitsplätze geht, um die Verlagerung von Arbeitsplätzen von einem europäischen Land ins andere, wenn es um die Sicherheit geht, wenn es um die ganz persönlichen Probleme im Grenzbereich geht, aber auch bei der Maut. Das sollte uns umtreiben. Dieser Maut-Murks der CSU zieht nämlich neue Grenzen, das heißt, in Zukunft zahlen alle, die ins Saarland wollen, Eintrittsgeld. Ich freue mich, Herr Minister Toscani, dass Sie das Problem angesprochen haben. Sie sind aber auch Finanzminister, ich hätte mir gewünscht, dass Sie im Bundesrat für Sonderregelungen im Grenzbereich gestimmt hätten. Ich freue mich jedoch über den Sinneswandel und dass Sie jetzt gemeinsam mit uns für Ausnahmen kämpfen, auch wenn es nicht so aussieht, als würden wir obsiegen.
Unsere grenzüberschreitende Politik hat Modellcharakter. Das ist richtig. Arbeiten wir daran, dass die Menschen dies auch so sehen. Deshalb ist das Motto der Gipfelpräsidentschaft Luxemburgs, bei der auf mehr Bürgernähe gesetzt wird, das Richtige. Wir brauchen ein Europa der Bürger, wir brauchen ein Europa, in dem der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht der Markt. - In diesem Sinne Glück auf!
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ein herzliches Dankeschön an den Europaminister für die Abgabe der Regierungserklärung, in der er den Europabericht der Landesregierung vorgelegt hat. Ein herzliches Dankeschön an alle Kolleginnen und Kollegen für diese europapolitische Diskussion und die Art und Weise, wie wir die Diskussion miteinander geführt haben.
Sehr geehrter Herr Kollege Hilberer, Sie haben vollkommen recht: Was im Europabericht vorgelegt worden ist, ist vor allen Dingen das Ergebnis und die Zusammenschau dessen, was viele Menschen in diesem Land gemeinsam im Sinne eines gemeinsamen Europas auf den Weg gebracht haben. Es ist das Ergebnis der gemeinsamen Anstrengungen auch und gerade hier im saarländischen Landtag und dies fraktionsübergreifend, im Ausschuss der Regionen und in der saarländischen Zivilgesellschaft. Dafür ein herzliches Dankeschön.
Es ist heute Morgen in den Redebeiträgen vieles von dem dargelegt worden, was wir aktuell noch an Problemen haben und wie Zukunftsvisionen für unser Europa, insbesondere unsere Region aussehen könnten. Vom Fraktionsvorsitzenden der LINKEN Herrn Lafontaine ist dargestellt worden, aus welchen Wurzeln diese Region entstanden ist, welche Persönlichkeiten der Geschichte dazu beigetragen haben, dass das Saarland, dass die europäische Region, in der wir gemeinsam mit unseren Nachbarn und Freunden leben, das heutige Gesicht hat. Das ist vollkommen richtig so, denn Europa ist nicht auf einen Schlag entstanden, sondern die Idee von Europa war schon sehr lange in unserem Raum greifbar und hat über viele Jahrzehnte und Jahrhunderte - mit Fortschritten, aber auch mit Rückschlägen - der Umsetzung bedurft.
In die Reihen derjenigen, die Sie, Herr Fraktionsvorsitzender, erwähnt haben, möchte ich, wie auch Roland Theis es getan hat, Robert Schuman einbinden. Robert Schuman, ein Kind dieser Region, war wie im Übrigen auch Konrad Adenauer ein überzeugter Christ. Wenn wir in diesen Tagen so viel vom christlichen Abendland reden, dann wäre es für all diejenigen, die das Ganze fälschlich verwenden, wichtig, dass sie sich nicht an denen orientieren, die aktuell das Wort führen, sondern an Männern wie Robert Schuman oder Konrad Adenauer.
Robert Schuman hat in seinem Schuman-Plan Folgendes deutlich gemacht: „Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Taten entstehen.“ - Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sollten wir gerade in der heutigen Zeit in all seinen Facetten beherzigen. Kollege Hilberer hat eben gefragt, was der „European Way of Life“ sei. Es ist genau die Tatsache, dass Europa noch nie in seiner Geschichte, nicht in der Gegenwart und hoffentlich auch nicht in der Zukunft die eine große Einheit war oder werden wird, in der ein Land dem anderen gleicht. Das ist nicht unsere Geschichte. Das ist weder unsere Gegenwart noch unsere Zukunft. Unsere Zukunft muss sein, dass wir diese Besonderheiten, die uns als Nationalstaaten, als Regionen ausmachen, in einem großen Ganzen verbindlich miteinander zusammenbringen. Wir wollen gemeinsame Ziele erreichen, wir wollen aber kein einfältiges Allerlei aus uns machen, in dem ein Land dem anderen gleicht. Sehr geehrter Herr Kollege Hilberer, dies unterscheidet uns von anderen Regionen in der Welt.
Wenn Sie fragen, was der „European Way of Life“ nun sei, dann kann ich nur Folgendes sagen: Es ist noch nicht so lange her, da hieß es aus Amerika, Europa sei „Old Europe“, mit dem man nichts anfangen könne. Ich sage Ihnen ganz offen und mit Blick auf die Entwicklungen in Amerika: Ich glaube, dass Zeiten kommen werden, in denen viele Menschen aus anderen Regionen dieser Welt, auch aus Amerika, froh sind und darauf setzen, dass es „Old Europe“ mit seinen Werten und Überzeugungen gibt. Dafür müssen wir kämpfen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ja, ich will für ein Deutschland und ein Europa kämpfen, die stolz darauf sind, dass sie Mauern niedergerissen haben, und die nicht versuchen, Wahlen zu gewinnen, indem sie ankündigen, neue Mauern zu bauen. Ich will für ein Deutschland und für ein Europa kämpfen, von denen ich sagen kann: Ja, ich bin stolz darauf, dass hier in Frieden gleichberechtigte Menschen leben, egal, woher sie kommen, egal, welches Geschlecht sie haben, und vor allem egal, was sie glauben. Ich will nicht auf einem Kontinent oder in einem Land leben, wo die Frage, ob jemand einreisen darf oder nicht, davon abhängt, ob er oder sie aus einem Land kommt, in dem es mehrheitlich Muslime, Christen oder Juden gibt. Das ist nicht das Europa, das ich mir wünsche. Das ist nicht das Europa, das die Väter und Mütter Europas für uns alle vorgesehen hatten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wurde auch gefragt, wie wir es mit den Partnern um uns herum halten. - Ich will auch kein Europa, in dem diejenigen gleichberechtigte Partner oder Mitglieder sind, die ernsthaft national darüber diskutieren, ob sie die Todesstrafe wieder einführen. Solche Länder haben in der europäischen Gemeinschaft keinen Platz. Ehrlich gesagt fällt es mir auch schwer, einigermaßen unbefangen mit Nachbarn Europas umzugehen - egal, wie groß sie sind -, die sich nicht nur sehr leichtfertig über die Frage der territorialen Unverletzbarkeit von Grenzen hinwegsetzen, dies etwa mit Blick auf die Krim, ich tue mich auch schwer mit Ländern, die zunehmend eine gesellschaftspolitische Entwicklung nehmen, die man nicht anders als reaktionär beschreiben kann. Wenn ich mir anschaue, dass in Russland zurzeit ein Gesetz diskutiert wird, in dem die Themen Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt wieder zu Kavaliersdelikten degradiert werden, dann kann ich nur sagen, das hat mit den Werten Europas, wie ich sie verstehe, nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Ja, ich will ein Europa, das stark ist, das gemeinsam stark ist. Aber dieses Europa, das gemeinsam stark ist, muss dann auch alle in die Lage versetzen, ihre Stärken ausleben zu können. Was wir zurzeit an Krisen zwischen den europäischen Staaten erleben, kommt daher, dass es in den einzelnen Staaten Versäumnisse, Fehlentwicklungen und Probleme gegeben hat. Ich werde und will gar nicht verkennen, dass Griechenland seine schwierige Situation und Probleme wegen seiner Schuldensituation hat. Aber die Schulden drücken im Moment in der Zurückzahlung gar nicht. Was wir in Griechenland erleben, ist das Ergebnis einer politischen Klasse - das muss man so hart sagen -, die sich in den letzten Jahrzehnten vor allen Dingen durch Missmanagement und Korruption ausgezeichnet hat und die nicht in der Lage war, das Land so zu modernisieren, wie es eigentlich sein muss. Deswegen muss daran gearbeitet werden. Die Union und auch die anderen Länder müssen ihren Beitrag liefern, damit dies möglich ist. Das ist die Verantwortung, die wir gemeinsam in Europa haben. Der müssen wir auch gerecht werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das müssen wir gerade hier in der Region durch ganz konkrete Arbeit tun. Isolde Ries hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es in Europa viele gibt, die an Europa vieles kritisieren, die aber oft gar nicht Europa meinen, sondern Entwicklungen im eigenen Nationalstaat. Wir sollten uns alle sehr selbstkritisch vor Augen führen, dass auch wir - und da ist keiner frei von Schuld - in der Vergangenheit häufig Dinge, die schwierig zu erklären waren, auf Brüssel geschoben haben, obwohl die Art und Weise, wie wir
sie umgesetzt haben, nichts mit Brüssel zu tun hatte, sondern mit Impulsen aus Berlin und auch im Bundesrat, nach dem Motto: „Was wir schon immer einmal bürokratisch regeln wollten, regeln wir jetzt, denn jetzt können wir die Schuld auf Brüssel schieben.“ Aber wenn wir das permanent machen - das haben wir beim Brexit erlebt -, wenn man permanent Brüssel zum Sündenbock für alles und jedes macht, kann man nicht am Tag der Abstimmung erwarten, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung voller Begeisterung hinter Brüssel, hinter Europa stellt. Das ist die Verantwortung, der auch wir uns stellen müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deswegen müssen wir hier Beispiele geben, damit die Menschen gerade in grenzüberschreitenden Regionen persönlich die Mehrwerte erleben und zu Botschaftern der gemeinsamen europäischen Zusammenarbeit werden.
Sehr verehrter Herr Kollege Ulrich - er ist im Moment nicht im Raum -, ich will nur eines sagen. Wir haben eine Situation, in der wir eine im Bundesvergleich stark zurückgegangene Jugendarbeitslosigkeit haben, in der wir Lehrstellen haben, die nicht besetzt werden können, weil uns die Bewerberinnen und Bewerber dafür fehlen. Gleichzeitig erleben wir, dass junge Menschen auf der französischen Seite nach einer solchen Ausbildung suchen, dass sie von Arbeitslosigkeit bedroht sind. In einer solchen Situation ist es doch nicht nur unser berechtigtes Interesse hier im Saarland, nein, es ist geradezu eine europäische Verpflichtung, es hier in der Grenzregion möglich zu machen, dass junge Franzosen im Saarland eine Ausbildung durchlaufen können. Wenn es in dem Zusammenhang noch eine Sprachbarriere gibt, ist es eben wichtig, dass diese jungen Menschen die Möglichkeit haben, ihre schulische Ausbildung in Frankreich, in ihrer Muttersprache zu absolvieren, dass wir die bürokratischen Hemmnisse, die sich hier stellen mögen, beseitigen. All das haben wir getan.
Ich bin hier ganz bei Frau Zieder-Ripplinger: Es geht nicht um die Frage, ob wir mit einem Schlag 50, 100 oder 500 in diese Ausbildung bringen. Jeder Einzelne, der diese Ausbildung macht und dadurch Arbeit in dieser Region findet, ist ein Beispiel dafür, dass Europa zusammensteht in der Umsetzung seines Versprechens, dass die jungen Menschen in Europa Zukunft haben, auch in dieser Region. Deswegen ist jeder Einzelne diese Anstrengung wert.
Genau dieser Punkt macht aber auch deutlich - und das hat der Kollege Lafontaine angesprochen -, dass es nicht damit getan ist, Regelungen zu ändern, bürokratische Hindernisse abzubauen. Wir
brauchen auch kulturelles Verständnis und kulturelle Übersetzungen. Solange wir nicht in Frankreich deutlich machen können, welche Qualität und welche Zukunftsperspektive in unserer dualen Ausbildung liegen, solange wir es nicht schaffen, französischen Jugendlichen und ihren Eltern ein Gefühl dafür zu vermitteln, wie sie das ins eigene Bildungssystem, ins eigene Wertesystem übersetzen können, solange werden wir nicht die große Zahl von Auszubildenden haben, die wir gemeinsam haben könnten.
Diese kulturelle Übersetzungsarbeit leisten am besten die jungen Menschen selbst. Jeder, der für seine Ausbildung von Deutschland nach Frankreich geht oder umgekehrt, jeder, der das macht und der anschließend - das sehen wir sowohl bei den Berufsabsolventen als auch bei den Absolventinnen und Absolventen etwa der Deutsch-Französischen Hochschule - mit mehrsprachiger Kompetenz auf den Arbeitsmarkt kommt, wird erleben, dass er wesentlich größere Chancen als diejenigen, die im rein nationalen Kontext ausgebildet werden. Deswegen ist dies eine wichtige Zukunftsperspektive für diese jungen Menschen. Je mehr junge Menschen wir mit dieser Perspektive versehen, desto eher können wir die kulturelle Übersetzungsarbeit leisten. Daran sollten wir arbeiten und wir sollten uns nicht entmutigen lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir wollen, dass das Zusammenleben in unserer Region besser funktioniert. Es ist wie immer im Leben: Was funktioniert, wird als selbstverständlich hingenommen, als vollkommen normal. Was nicht funktioniert, wird natürlich gespürt. Ja, ich will ehrlich sein: Es funktioniert noch vieles nicht. Es gibt vieles, wo ich mir wünschen würde, wir wären schon größere Schritte vorangekommen. Das betrifft zum Beispiel das Thema der öffentlichen Personennahverkehre und der Anbindungen. Wir befinden uns nun einmal in einem Herzstück Europas, wir haben nicht so viele rein deutsche Nachbarn, wir haben vor allen Dingen europäische Nachbarn. Deswegen ist für die Frage, wie wir unsere Verkehre gestalten, nicht nur relevant, was Berlin darüber denkt, es ist auch relevant, was Luxemburg darüber denkt und was Paris in dieser Sache umsetzt. Deswegen müssen wir uns gemeinsam mit den Partnern in der Region aufstellen. Das ist schwieriger, das ist langwieriger.
Vorhin ist die Strecke nach Forbach angesprochen worden. Gerade dort hat der Eurodistrict eine große Studie in Auftrag gegeben, um die Wirtschaftlichkeit zu berechnen. Für europäische Projekte genauso wie für innerdeutsche Verkehrsprojekte gilt: Sie müssen eine gewisse Wirtschaftlichkeit erfüllen. Wenn das der Fall ist, können wir Schritt für Schritt an die Realisierung gehen. Ja, wir leben in einem vielfältigen Gebilde, das auch kompliziert ist, und für
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen in dieser Region wollen die bestmögliche Versorgung, die bestmöglichen Lebensbedingungen, und zwar in ihrer Nähe, vor ihrer Haustür. Da kann es nicht sein, dass die Frage der bestmöglichen gesundheitlichen Versorgung davon abhängt, wo dies im nationalen Kontext möglich ist. Deswegen bin ich sehr dankbar, dass wir die Zusammenarbeit mit der SHG in Völklingen haben, dass klar ist, bei bestimmten Patienten und wenn Not am Mann ist, wird in Völklingen behandelt und nicht in Straßburg. Ich hoffe sehr - wir arbeiten im Moment mit aller Kraft daran und ich darf mich dafür auch noch einmal ganz herzlich bei der Generalkonsulin bedanken -, dass wir dies weiter umsetzen, Schritt für Schritt. Jeder, der schon einmal mit dem deutschen Gesundheitssystem zu tun hatte, weiß, wie schwierig es ist, alle Partner unter einen Hut zu bringen. Man kann sich dann vorstellen, wie zeit- und kraftraubend es ist, wenn man dies zwischen zwei nationalen Systemen bewerkstelligen muss. Wir dürfen aber nicht nachlassen und es gibt gute Beispiele. Wir haben Regionen in Europa, etwa zwischen Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden, wo das sehr viel besser und selbstverständlicher funktioniert als bei uns. Wir sollten deshalb hier als Großregion einmal von anderen Regionen in Europa lernen, weil wir dort Fortschritte sehen können.
Das Gleiche, meine Damen und Herren, gilt auch für das Thema Sicherheit. Terroristen und Kriminelle haben sich noch nie an nationalen Grenzen gestört. Es kann deshalb nicht sein, dass die Sicherheitsarchitektur an Grenzen aufgehalten wird. Das gilt auch für Grenzen zwischen Behörden und Zuständigkeiten. Das gilt für Grenzen zwischen Bundesländern, das gilt für Grenzen zwischen Bundesländern und Bund, das gilt auch für nationale Grenzen. Deswegen müssen wir alles dafür tun, dass in dem Maße, wie Kriminelle sich grenzüberschreitend bewegen, insbesondere die Sicherheitsbehörden ohne Probleme, ohne Hindernisse, ohne Grenzen zusammenarbeiten können. Genau das erwarten die Menschen von uns und genau dafür müssen wir uns einsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren.