Deshalb, meine Damen und Herren, sage ich Ihnen heute deutlich: Meine Fraktion geht nicht davon aus, dass die derzeitigen Zustände die Mehrzahl in diesem Haus wirklich interessieren oder gar stören, denn wer wie wir noch einmal die letzten und auch die vorletzten Berichte zur Hand nimmt und mit meinen Ausführungen vergleicht, der kann nur vermuten, dass zumindest den Verantwortlichen in der Staatsregierung dieser Zustand willkommen ist. Dies unterstelle ich deshalb, weil bereits seit mehreren Berichten die Ursachen für die herrschenden Probleme bekannt sind. Unverständlicherweise wurden stets aufs Neue die gleichen Ursachen angeführt, so dass davon ausgegangen werden muss, hier wird bewusst nicht gehandelt oder aus Unvermögen versagt.
Schon lange ist die lahmende Binnenkonjunktur als Problem bekannt, und dennoch wird mit nicht zu überbietender Einseitigkeit der Lobgesang auf den Export angestimmt. Schon lange weiß man um das investitionsfeindliche Klima, das keine Kapazitätserweiterungen, sondern lediglich Rationalisierungs- und Ersatzinvestitionen fördert. Dennoch huldigt man Basel II, anstatt den Zugang zu Investitionskapital zu erleichtern. Schon lange hat die NPD auf das Problem einer viel zu einseitigen Orientierung auf die Auslandsnachfrage hingewiesen. Jetzt bestätigt dies auch die IHK.
Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend feststellen: Ohne eine Abkehr von der unseligen Globalisierung, ohne eine Abkehr von der krampfhaften Jagd nach internationalen Märkten und ohne eine souveräne wirtschaftspolitische Gestaltung, die flächenmäßig verteilt viele kleinräumig orientierte Strukturen schafft, wird den Leuchttürmen Sachsens, die ohnehin nicht bis in die Lausitz oder ins Erzgebirge reichen, in Bälde gänzlich das Licht ausgehen. Dann heißt es: Vielen Dank, CDU und SPD, und gute Nacht, Sachsen!
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Der Konjunkturbericht ist alarmierend und die Debatte, die wir bisher gehört haben, verstärkt eigentlich das Problem. Die CDU, zumindest die CDUFraktion, klopft sich auf die Schultern und sagt: Weiter so! Und die SPD ist tatsächlich der Auffassung, dass in einer schrumpfenden Wirtschaft Arbeitsplätze entstehen. Ich gestehe der Staatsregierung, die von diesen Fraktionen getragen wird, zu, dass sie bisher nicht dieser Auffassung war, und ich hoffe, dass sie sich auch zukünftig dieser Auffassung nicht anschließen wird.
Bis auf das Baugewerbe hat sich die Lage in allen Branchen verbessert. Das ist positiv. Allerdings haben sich die Zukunftserwartungen in allen Branchen verschlechtert, und zwar teilweise dramatisch.
Ich möchte Ihnen das einmal aufzeigen: verarbeitendes Gewerbe minus 10 Punkte; Dienstleistungen minus 7 Punkte; Einzelhandel minus 32 Punkte; Großhandel minus 26 Punkte und Verkehr minus 46 Punkte. Das heißt, fast die Hälfte der Verkehrsbetriebe in Sachsen beurteilt die Zukunft eher schlechter als besser. Da, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen eigentlich bei allen die Alarmglocken läuten.
Denn schlechte Zukunftserwartung heißt keine Investitionen und keine Investitionen heißt keine neuen Arbeitsplätze.
Die Lösung des Problems – und das ist unser Problem – liegt vor allem beim Bund in Berlin, bei Rot-Grün. Wir haben hier in Sachsen gemeinsam nur geringe Möglichkeiten, darauf einzuwirken. Auf der Bundesebene ist dringend die Unternehmensteuerreform anzugehen. Minister Clement hat das ja noch einmal deutlich gesagt: Daran führt kein Weg vorbei.
Es geht nicht darum, Löhne zu senken. Das ist nicht das Thema. Niemand will eine Absenkung der Löhne haben. Die Lohnnebenkosten müssen herunter und wir sollten die Bürokratie abbauen. Wir müssen hier in Sachsen dazu den Beitrag leisten, den wir leisten können, zum Beispiel Bürokratieabbau durch eine neue, eine effizientere Verwaltungsstruktur. Aber wir haben uns auch – das ist gestern schon angesprochen worden – dafür ein
zusetzen, dass wir von den althergebrachten Regelungen der Bundesrepublik in Form einer Sonderwirtschaftsregion abweichen können. Ich will Sie, Herr Ministerpräsident, nur ermutigen, hier weiter voranzugehen, damit wir uns in Sachsen von dem negativen Trend der Gesamtrepublik abkoppeln können. Ich denke, das Wissen, wie man es macht, ist vorhanden. Wir sollten gemeinsam dafür kämpfen, dass man uns in Sachsen auch das umsetzen lässt, was wir als richtig erkennen. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Die sächsische Industrie ist auf Wachstumskurs“, war ein Titel der Dezemberdebatte in diesem Haus. Unbestritten ist Sachsen recht erfolgreich und hat das höchste industrielle Wachstum der neuen Bundesländer. Mit knapp 10 % in diesem Bereich sind wir auch besser als der Bundesdurchschnitt. Bei Betrachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung jedoch sind wir weit weg von optimal. Dem sächsischen Mittelstand geht es nicht gut, meine Damen und Herren. Der gesamte Osten hat im Bundesvergleich Ende 2004 bescheiden abgeschnitten. Dazu einige Schlaglichter aus den sächsischen Regionen vom Ende des letzten Jahres. IHK-Bereich Chemnitz, Plauen, Zwickau: Hier verzeichnen wir eine stärkere Ausrichtung auf Produkt- und Verfahrensinnovationen, aber wenig neue Impulse und eine enorme Kaufzurückhaltung. In der Region Dresden: Hier sind die Erwartungen eher optimistisch, je nach Branche unterschiedlich stark. Der hochwasserbedingte Schub ebbt ab. Industrie, Kreditund Versicherungswirtschaft zeigen sich zuversichtlich. Baugewerbe, Handel, Dienstleistungen und Verkehr sind eher skeptisch. Insgesamt gibt es wenig Hoffnung für den Arbeitsmarkt. Kammerbezirk Leipzig: Wachstumsimpulse kommen im Wesentlichen von der Außenwirtschaft. Industrienahe Branchen profitieren davon. Der Dienstleistungssektor hofft auf Aufschwung. Es gibt wieder eine hohe Investitionsbereitschaft bei Banken, Dienstleistungen, Versicherungen und Industrie. Kritisch bleibt die gewerbliche Wirtschaft und insgesamt werden Personalplanungen eher restriktiv vorgenommen. Meine Damen und Herren, hier besteht enormer Handlungsbedarf. Lassen Sie mich aus Bündnis-Grüner-Sicht dazu drei Anmerkungen machen. Erstens. Durch den von der rot-grünen Koalition bundesweit initiierten ökologischen Strukturwandel sind Tausende neue Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. Im Bereich erneuerbare Energien gibt es in der deutschen Industrie einen weltweit beachteten Boom.
Sachsen dagegen ist bei der eigenen Förderung in diesem Bereich Schlusslicht und gefährdet damit nicht nur
die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Anwendung, sondern auch in der Herstellung. Wir wollen die auch in Sachsen Erfolg versprechenden Ansätze stärken und zu dauerhaftem Wachstum führen.
Zweitens. Nachhaltigkeit ist eine gesellschaftliche Modernisierungsstrategie für eine ökonomische, ökologische und sozialverträgliche Entwicklung und für mehr Beschäftigung. In ihr steckt enormes Wachstumspotenzial für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft. Zeitgemäße, verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik muss Wirtschaft dort fördern, wo sich ökonomischer Erfolg mit ökologischen Erfordernissen verbindet. Nachhaltigkeit als Politikziel muss auch in Sachsen endlich die Köpfe erobern und nicht nur als Füllwort in Politikerreden existieren, um dann schnell wieder vergessen zu werden. Drittens. Die hohe Arbeitslosigkeit ist unser größtes Problem in Sachsen. Deshalb – aber auch aus ökologischen Gründen – ist die Förderung der einheimischen Wirtschaft und die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe das wichtigste Anliegen unserer Wirtschaftspolitik. Dazu gehört die Pflege der Bestandsunternehmen genauso auf die Tagesordnung wie die Förderung von Existenzgründern. Antizyklische Investitionen der öffentlichen Hand und eine an den Möglichkeiten des einheimischen Handwerks orientierte Vergabepolitik sind ganz wichtige Instrumente. Das sage ich hier als Kommunalpolitiker, der mehr als zehn Jahre Vorsitzender des Vergabeausschusses der Stadt Leipzig war. Weitere Möglichkeiten bieten sich, wenn Städte und Regionen mit ihren kleinen und mittleren Unternehmen gemeinsames Standortmarketing betreiben. Nicht zuletzt müssen genau sie für ein lebenswertes Umfeld und für genügend Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten sorgen. Meine Damen und Herren! Zum Schluss wiederhole ich mich gern: Der Sächsische Landtag und die Staatsregierung sollten ihre regionale Nähe und regionale Kompetenz nutzen, um unsere sächsischen Unternehmen zu pflegen, zu schützen und ihnen in besonderer Form zu helfen. Ich fordere noch einmal, eine Task Force für bedrohte Unternehmen im Wirtschaftsministerium einzurichten,
in die auch der Rechnungshof des Freistaates eingebunden ist und die ohne bürokratische Hürden schnell helfen kann. (Andreas Lämmel, CDU: Gibt es schon seit Jahren!)
Dann würden wir nicht nur erfolgreiche Leuchtturmpolitik, sondern auch gute Kirchturmpolitik machen.
nen in der Wirtschaft etwas kennt, der weiß, man macht am liebsten mit Winner-Typen Geschäfte; Loser haben schlechte Karten. Darum will sich auch jeder Marktteilnehmer so erfolgreich wie möglich darstellen. Das Firmenschild muss glänzen. Die Deutschland-AG hat, wie wir wissen, so ihre Probleme. Die Gesamtwirtschaftsleistung im letzten Quartal des vorigen Jahres ist um 0,2 % gesunken. Das Gesamtwachstum betrug nur 1,6 % und in diesem Jahr erwarten die Auguren zwischen 0,8 und 1,8 %. Herr Hähnel wies bereits darauf hin. Arbeitsplätze ergibt ein Wachstum erst, wenn es die magische Marke von 1,9 oder 2 % nach oben durchbricht.
Die wirtschaftliche Gesamtwetterlage scheint also weiterhin angespannt zu bleiben. Gibt es aber trotzdem einen Silberstreif am Horizont? Ich meine, ja. Denn das moderat glänzende Firmenschild der IHK-Umfrage scheint darauf hinzudeuten.
Obwohl im Baugewerbe, im Handel und im Verkehrsgewerbe die Sorgenfalten dominieren, bleibt die produzierende Wirtschaft weiter auf Wachstumskurs. Jeder dritte Betrieb bezeichnet seine Situation, Herr Nolle, als positiv, nur 15 % als schlecht.
Man profitiert insbesondere von der Auslandsnachfrage und von der Einbindung in überregionale Kooperationsnetzwerke. Auch die wirtschaftsnahen Dienstleistungen sind ansteigend. Besonders positiv, meine Damen und Herren: Dieser Befund gilt nicht nur für die urbanen Zentren, sondern auch für die peripheren Räume. Unsere auf produzierende Branchen gerichtete und regional ausgewogene Förderpolitik scheint sich nach wie vor auszuzahlen.
Nur wenn das verarbeitende Gewerbe dauerhaft überdurchschnittlich wächst, erzeugt es die Impulse, die Handel und Bauwirtschaft dringend benötigen, um ihrerseits zuzulegen.
Ich war vor zwei Wochen zu Gast bei einer gut besuchten Veranstaltung des Allgemeinen Unternehmerverbandes Oberlausitz in Eibau, in der in Anwesenheit von Bankenvertretern und Wirtschaftswissenschaftlern auf die beachtlichen Zuwachsraten, insbesondere beim Umsatz, aber auch bei der Beschäftigung und bei der Berufsausbildung, hingewiesen wurde. Für die sächsische Wirtschafts- und Investitionspolitik, Herr Nolle, gab es überwiegend Lob. Die kritischen Worte richteten sich vor allem nach Berlin und nach Brüssel. Neben den vielen kleinen Aufträgen, die man bei solchen Gelegenheiten – Sie wissen das – erhält, gab es auch zwei große Bitten. Die eine ging in Richtung der einzelbetrieblichen Investitionsförderung. Der Landtag möge alles tun, damit die Investitionshilfen auch über den 31.12.2006 hinaus erhalten bleiben. Ohne diese Hilfen ist es deutlich schwieriger, die Banken für eine fortgesetzte Wachstumsfinanzierung zu gewinnen. Ich hätte mir gerade an diesem Punkt von den Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen mehr Zustimmung gewünscht.
Die andere große Bitte bezog sich auf den Umgang mit der NPD. Die Unternehmer betrachten es als unerträglich, wenn eine Partei mit Fremdenfeindlichkeit, Anti
amerikanismus und Abschottung gegen den Weltmarkt wirkt und das Image Sachsens als weltoffenen Standort von Wissenschaft und Hochtechnologie beschädigt.
Wenn wir wirtschaftlich erfolgreich sein und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen wollen, brauchen wir die ganze Welt als gewogenen Wirtschaftspartner. Das gilt insbesondere für die Autoindustrie. Die Welt ist voll von guten Autoproduzenten. Sollten die Amerikaner nun also weniger VW-Autos kaufen, weil ihnen die braunen Sprüche aus Sachsen nicht gefallen, so kostet uns das unsere Arbeitsplätze.
Herr Lehmann, eine Frage: Ist Ihnen bekannt, dass in der vorletzten Ausgabe des „Spiegel“ ein größerer Bericht stand, der vollkommen auf unserer Argumentationslinie liegt, und in diesem „Spiegel“Beitrag mitgeteilt wurde, dass durch die Osterweiterung der Europäischen Union und die Überflutung mit Lohndrückern Zehntausende Arbeitsplätze in Mitteldeutschland bereits jetzt vernichtet worden sind? Ist Ihnen das bekannt?
Herr Kollege, was Sie hier vortragen, hat mit dem, was ich gesagt habe, nichts zu tun. Sie versuchen abzulenken, ich sage, was wir betonen müssen, um wirtschaftlich voranzukommen. Ihre Nebelkerzen zünden hier nicht.
Sollten Dresden weniger Touristen besuchen, weil sie den Anblick längst überwunden geglaubter Nazi-Symbole und -Rituale nicht ertragen können, kostet das unseren Umsatz.
(Beifall bei der CDU – Holger Apfel, NPD: Die Zahlen zeigen doch etwas ganz anderes! – Uwe Leichsenring, NPD: Die Zeitung von gestern lesen, Herr Lehmann!)
Wohin ideologisch links oder rechts begründete und staatlich gesteuerte Abschottung gegen den Weltmarkt führt, brauche ich den Abgeordneten mit DDR-Erfahrung wohl nicht zu erklären.
Herr Delle, mit Ihrem baden-württembergischen Hintergrund können Sie sich das gern in Kuba oder Nordkorea anschauen.
(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Alexander Delle, NPD: Das hat nichts mit Ablenkung zu tun, sondern mit Prioritätensetzung!)
Weil wir weiter nach vorn wollen, brauchen wir ein einladendes, glänzendes Firmenschild: „Wirtschaftsstandort Sachsen – leistungsfähig und weltoffen“. Hässliche braune Roststellen darauf können und wollen wir uns auf Dauer nicht leisten.