Protokoll der Sitzung vom 25.02.2005

Weil wir weiter nach vorn wollen, brauchen wir ein einladendes, glänzendes Firmenschild: „Wirtschaftsstandort Sachsen – leistungsfähig und weltoffen“. Hässliche braune Roststellen darauf können und wollen wir uns auf Dauer nicht leisten.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage zum Schluss?

Herr Lehmann, Sie haben von der Abschottung vom Wirtschaftsraum Welt gesprochen und die DDR mit Recht benannt. Ist Ihnen bekannt, dass sich Kuba nicht selbst vom Wirtschaftsraum Welt abschottet, sondern durch die USA abgeschottet wird?

(Oh-Rufe bei der CDU)

Herr Prof. Porsch, ich habe die Abschottung als Tatbestand genannt und keine Schuld zugewiesen, sondern ich habe gesagt: Abschottung ist schlecht.

Okay, okay.

Den Schlusssatz jetzt.

Auch das muss in einer Wirtschaftsdebatte wie der heutigen gesagt werden. Nur so können wir in Zukunft mit Konjunkturberichten rechnen, die Zuversicht stiften und unseren guten Namen in der Welt erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Herr Nolle, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Lehmann, ich bin ja gern in dieser Koalition – interjection: (Allgemeine Heiterkeit – Frank Kupfer, CDU: Was zu beweisen wäre!)

und unsere Fraktion regiert auch gern in der Form, die geboten ist, mit, aber eines sage ich Ihnen, und ich glaube, ich stehe damit nicht allein: Wir sind der Auffassung, dass diese Koalition weder unsterblich noch unfehlbar ist und nachdenkliche Worte durchaus auch auf die eigene Politik, die wir machen, angemessen sind. Dazu wollte ich vorhin meinen Beitrag leisten und werde ihn jetzt dementsprechend fortsetzen.

Meine Damen und Herren! Ich sprach vorhin von Arm und Reich. Zur Frage des Wohlstands sagte Franz Müntefering vorgestern – ich zitiere: „Wir wollen Wohlstand für alle. Wohlstand ist mehr als materielles Wohlergehen auf hohem Niveau. Er ist Freiheit, Friedfertigkeit, Toleranz, er ist demokratisches Miteinander, und dies gehört zum Wohlstand dazu. Wohlstand für alle heißt für uns Sozialdemokraten: Es soll den Menschen gut gehen, sie sollen menschenwürdig leben können,

und zwar alle.“ Die Bedingungen für Wohlstand für alle sind klar: soziale Marktwirtschaft, das heißt Wettbewerbsfähigkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft, gerechte Verteilungsmechanismen, Sicherheit bei Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit.

Meine Damen und Herren! Eigentum verpflichtet. Das gilt aber nicht nur für die Unternehmer und für unternehmerisches Vermögen. Es gilt auch für die Fähigkeiten und Talente jeder Bürgerin und jedes Bürgers. Wirtschaft ist für die Menschen da und nicht umgekehrt. Viele Unternehmer halten sich auch im Zeitalter der Globalisierung daran – leider aber nicht alle.

Außerdem sagte Franz Müntefering – Zitat: „Die Zähmung des Kapitalismus, der längst international agiert, bleibt unsere Aufgabe weltweit. Diese Aufgabe darf nicht ablenken von konsequenter nationaler Wirtschaftspolitik, aber sie darf auch nicht gering geschätzt werden.“ Wichtig für das Vertrauen in unsere Politik ist, dass wir an der Idee der Wirtschaftsdemokratie festhalten, und sie besagt, dass Menschen nicht dem Markt ausgeliefert sind, sondern ihn mitgestalten können.

(Beifall bei der PDS)

Mitbestimmung und Betriebsverfassung, meine Damen und Herren, sind zentrale Themen für die demokratische Kultur unseres Landes. Jeder Versuch, sie zu beschneiden, ist nicht tolerierbar. Diese demokratische Kultur ist unverzichtbar. Meine Damen und Herren! Auch das sind Gedanken, die einem Sozialdemokraten beim Lesen der IHK-Thesen kommen können, die auf Seite 20 nicht Neutralität versprechen, sondern reine CDU-Parteipolitik sind, und das ist nicht zulässig.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der PDS)

Wird von der PDS noch das Wort gewünscht? – Bitte schön, Herr Dr. Külow.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst Respekt, Herr Nolle, für Ihre von hohem Ethos getragene Vorstellung. Wie Sie diese allerdings mit der Feststellung vereinbaren können, dass Sie gern in dieser Koalition sind, bleibt sicherlich Ihr Geheimnis.

(Vereinzelt Heiterkeit bei der CDU)

Aber trotzdem schönen Dank. Natürlich reizt Ihr kurzer Ausflug in die Geschichte im ersten Diskussionsbeitrag einen Historiker zu einer kleinen Erwiderung. Das Erstgeburtsrecht in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung für die SPD zu reklamieren scheint etwas gewagt. Damit begeben Sie sich, glaube ich, aufs Glatteis. Wenn ich bedenke, wie sich die heutige SPD von den Intentionen der Gründerväter, vom Bund der Gerechten, von Marx und Engels, Lassalle, Liebknecht und Bebel entfernt hat – –

(Beifall bei der PDS – Dr. Fritz Hähle, CDU: Geschichte der deutschen Arbeiterklasse!)

Ich will nicht in Abrede stellen, dass Sie persönlich integer sind, und ich glaube auch, dass Sie diesem Stern noch folgen. Franz Münteferings Zitat halte ich an dieser Stelle allerdings für etwas deplatziert.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Kollege, die PDS ist doch höchstens 15 Jahre alt. Irre ich mich da?

Da irren Sie sich.

Da irre ich mich?

Also ist sie viel älter?

(Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

Über 150 Jahre.

Ich meine damit nicht, dass Sie öfter alt aussehen, Sie sind auch nicht älter. Aber jetzt meine Frage, Herr Kollege: Gab es 1890 die PDS oder die SPD?

Es gab eine Zeit, auf die wir uns beziehen.

Das ist die Zeit, in der mein Großvater illegal Plakate für die SPD geklebt hat und unter dem Kaiser im Zuchthaus saß. So ist das damals mit der SPD gewesen.

Herr Nolle, ich habe großen Respekt vor Ihrer Familiengeschichte. Aber wenn Sie sich einmal die Mühe machen, in das PDS-Programm zu schauen, sehen Sie, dass unsere historischen Wurzeln in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts liegen – übrigens gemeinsam mit der SPD. Damals waren wir noch gewissermaßen zusammen eine Strömung in der deutschen Arbeiterbewegung. Es ist aber interessant, wie schnell und hoch sensibel das Thema offenkundig ist, – –

(Unruhe)

Ich bitte um Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren!

– so dass man vom Konjunkturbericht der sächsischen IHK zurück ins 19. Jahrhundert kommt.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Aber gern.

Bitte schön.

Können Sie sich vorstellen, dass das hier überhaupt niemanden interessiert?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich kann mir vieles vorstellen, das eigentlich nicht. Damit zum 26-seitigen Konjunkturbericht, in den man gewiss viel Positives hineindeuten kann. Allerdings gibt er eines nicht her: irgendeinen Hinweis, dass sich wirklich etwas strategisch verbessert hat in Sachsen.

Herr Präsident, wie viel Minuten habe ich jetzt noch?