Die Konjunkturkurven, die uns die Kammern vermitteln, machen hingegen eines deutlich: Die wieder besser gewordene Einschätzung der Unternehmen hinsichtlich ihrer Geschäftslage hat noch immer nicht einmal das Niveau von Anfang 2000 erreicht. Die Stimmung lag seither stets im Minusbereich gegenüber diesem Höhepunkt. Bis Mitte 2002 waren die Erwartungen für die kommenden Monate immer besser als die Einschätzung der Lage. Seitdem erwarten die Unternehmer bei jeder Umfrage, dass alles noch schlimmer wird. Insofern erweist sich der Konjunkturbericht als Pessimismusbericht. Wir schauen uns einen Satz einmal genauer an. Ich zitiere:
„In der Textilindustrie hat sich die Stimmung gegenüber der Jahresmitte 2004 gebessert.“ Der Verband der nordostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie hat festgestellt, dass von 320 000 Beschäftigten dieser Branche in der DDR innerhalb kürzester Zeit 300 000 freigesetzt wurden.
Wenn also über die noch rund 12 000 sächsischen Beschäftigten der Branche überhaupt ein Urteil möglich ist, dann sprechen wir von deutlich weniger als 4 % vom Ausgangswert. Wahrlich ein bedeutender Aufschwung!
Nun haben die sächsischen Kammern mit dem Bericht auch gleich Begründungen für die insgesamt miese Lage mitgeliefert und anschließend Forderungen aufgestellt, wie der Situation zu begegnen sei.
Die Forderungen der IHK scheinen aus Sicht der PDS nicht nachvollziehbar zu sein. Flexiblere Arbeitszeiten, man hört das allenthalben. Dahinter steckt immer Mehrarbeit. Was das angesichts der Massenarbeitslosigkeit bringen soll, bleibt das Geheimnis der Fordernden.
Durch Lohnergänzungsleistungen den Niedriglohnsektor ausbauen: Auch hierzu ist vom Kollegen Zais schon das Notwendige gesagt worden.
Steuern auf breitere Bemessungsgrundlagen stellen und vor allen Dingen mit einem niedrigen Eingangssteuersatz: Das haben wir seit der Regierung Kohl; dieser fal
Was könnte aber realistischerweise dazu beitragen, dass Sachsens Wirtschaft angekurbelt wird, solange sich die Berliner und die Dresdner Politik nicht ändern? Natürlich geht es zunächst um die Förderung innovativer einheimischer Unternehmen – von mir aus auch eines Nussknackerverkaufsstandes in Chemnitz, wie ihn Herr Hähnel betreibt – statt der Filialen der immer gleichen Giganten. Damit bleiben auch die Steuern hier und entstehen langfristig wirkende Wachstumskerne.
aber die Menschen fähig hält, wieder Fuß zu fassen: Mit Ein-Euro-Jobs und Ich-AGs ist das kaum möglich.
Alternative Wirtschaftsformen nicht nur verbal, sondern wirklich fördern, beispielsweise Genossenschaften: Dort wird die von vielen unnötig im Mund geführte Demokratie am Arbeitsplatz täglich praktiziert. Aber Sachsen hat in dem verständlichen Bemühen, kleine Unternehmen zu schützen, verfügt, dass beispielsweise kommunale Unternehmen nicht mehr als 50 % Leistung an Betriebe vergeben dürfen, die als Generalunternehmer fungieren. Dummerweise trifft das auch Genossenschaften und niemand merkt das. Das zu ändern könnte eine dankbare Aufgabe für den neuen Wirtschaftsminister sein – aber nicht erst kurz vor den nächsten Wahlen, denn dann könnte eine Reihe dieser Genossenschaften nicht mehr existieren.
Unter dem Strich bleibt: Der Konjunkturbericht, der so gern als Ausweis für die gute Entwicklung Sachsens genommen wird, sagt etwas völlig anderes aus. Der Verweis darauf, dass Sachsen neben Bayern den höchsten Wirtschaftszuwachs hatte, ist zumindest blauäugig. Das Bruttoinlandsprodukt je erwerbstätigen Sachsen liegt bei zwei Dritteln eines Bayern, angesichts der Zahl der Erwerbstätigen also deutlich unter 50 % insgesamt. Diese Bezugnahme – damit möchte ich zum Schluss kommen – erinnert an die Geschichte vom Mäuschen und dem Elefanten, die gemeinsam über eine Brücke laufen, in der das Mäuschen zum Dickhäuter sagt: Hörst du unsere Schritte hallen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz auf die Ausführungen von Herrn Lehmann eingehen. Herr Lehmann, ich habe mit keiner Äußerung das Wort „Abschottung“ in den Mund genommen.
Ich habe lediglich von einer anderen Prioritätensetzung gesprochen. Wenn Sie den IHK-Bericht lesen würden,
dann würden Sie auch herauslesen, dass die zunehmende Binnenkonjunktur auch nur auf Zulieferungen exportorientierter Unternehmen zurückzuführen ist, die damit indirekt auch wieder den weltwirtschaftlichen Risiken unterliegen. Wie es mit der Weltentwicklung aussieht, brauche ich Ihnen wahrscheinlich nicht zu sagen.
Noch eines zum Schluss: Wenn ich mich nicht täusche, hat die CDU fast 15 Jahre Alleinherrschaft hinter sich. Sie können uns doch nicht ernsthaft für ihr Versagen in der Arbeitspolitik verantwortlich machen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten hier tatsächlich nicht alles schlechtreden. Die Lagebeurteilung der Unternehmen ist positiv. Das will ich gern zugestehen, und das auch an die Adresse der CDU-Fraktion und an die Adresse der Staatsregierung. Aber ich habe das Gefühl, dass wir bei der Debatte aus dem Auge verlieren, dass es die Erwartungen sind, die so schlecht sind. Die Erwartungen sind die Dinge, die Entscheidungen bei den Unternehmen auslösen. Das ist sehr gefährlich für den Standort Deutschland, insbesondere auch hier in Sachsen. Darauf möchte ich noch einmal mit Nachdruck hinweisen und darauf verweisen, dass offensichtlich bei der SPD tatsächlich der wirtschaftliche Sachverstand, zumindest in der Fraktion im Landesparlament, nicht mehr vorhanden ist.
Wir haben von Herrn Nolle gehört, dass er gern in der Koalition ist, dass er sich in der Koalition wohl fühlt. Ich frage mich angesichts der wirtschaftspolitischen Thesen von Herrn Nolle, ob sich die CDU in der Koalition noch wohl fühlt.
Wird von der Fraktion der GRÜNEN noch das Wort gewünscht? – Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Von der PDS? – Dann bitte ich die Staatsregierung, Herrn Staatsminister Jurk.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin ein großer Freund von Heiterkeit im Parlament, aber ich muss darauf hinweisen, dass wir diese Debatte auch unter dem Eindruck von 432 634 offiziell registrierten Arbeitslosen in unserem Land führen, ja, führen müssen. Wirtschaft ist kein Selbstzweck. Deshalb verstehe ich, dass wir auch die gesamte Bandbreite der Wirtschafts- und Sozialpolitik diskutieren sollten, und das finde ich richtig.
Seit geraumer Zeit sind wir mit widersprüchlichen Signalen der Konjunkturforschungsinstitute konfrontiert. Im Wochentakt werden die Prognosen der unterschiedlichen Institute erst nach unten und dann nach oben korrigiert. In einem Fall wird das Ende des Aufschwungs erklärt, im anderen Fall eine höhere wirtschaftliche Dynamik in Aussicht gestellt.
Ich denke, wir müssen in der gegenwärtigen Situation ganz klar zwischen Stimmungen und harten Fakten unterscheiden, wohl wissend, dass Wirtschaft zu 50 % aus Psychologie besteht. Aber zu den Fakten. Deutschland ist Exportweltmeister und das einzige G-7-Land, das seinen weltweiten Exportanteil in den vergangenen fünf Jahren erhöhen konnte.
Beispiel Unternehmensbesteuerung: Die effektive Steuerbelastung in Deutschland ist im internationalen Vergleich niedrig. Die hohen nominalen Steuersätze vermitteln dagegen eine weitaus höhere gefühlte Steuerlast. Bei internationalen Standortrankings der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft AT Kearny liegt Deutschland weltweit an vierter Stelle, bei Ernst & Young an dritter Stelle. Umso verwunderlicher ist die Art und Weise, in der in Deutschland die Standortdebatte geführt wird. Das ist international einzigartig und schadet letztendlich dem Standort.
Um es klar zu sagen: Es geht nicht darum, Dinge schönzureden. Aber wenn Dinge schlechtgeredet werden, können sie wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung wirken. Die schwache Binnennachfrage ist eine Folge. Ohne Vertrauen in die Zukunft und ohne Selbstvertrauen kann man eine Herausforderung nicht meistern.
Man stelle sich vor, die Deutschen hätten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Standortdebatte geführt! Wir würden heute noch auf das Wirtschaftswunder warten.
Wir müssen Stimmungen und die Psychologie der Wirtschaft für unser Handeln zur Kenntnis nehmen, wir dürfen aber nicht Stimmungen und Stimmungsmache erliegen. Wir dürfen uns weder bequemem Optimismus noch dem süßen Gift des Selbstmitleids ergeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die aktuelle Konjunkturumfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern fügt sich in das große Stimmungsbild ein – ein Stimmungsbild zwischen Hoffen und Bangen, bei dem aber die positiven Elemente überwiegen. Ich habe das Gutachten mit großem Interesse gelesen. Die harten Fakten zeigen, dass gerade die sächsische Wirtschaft durchaus wettbewerbsfähig ist und Sachsen einen erstklassigen Standort mit hohem Potenzial darstellt.
Die positive Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe wird mittlerweile wesentlich durch das Auslandsgeschäft getragen. So stieg zwischen 1995 und 2004 die Exportquote der sächsischen Industrie von rund 13 % auf rund 28 %. Das ist die höchste Quote unter den neuen Bundesländern. Diese Entwicklung zeigt deutlich: Sachsens Industrie ist heute weitgehend international konkurrenz
fähig. In der Industrie sind in Sachsen im vergangenen Jahr 5 000 Arbeitsplätze neu geschaffen worden.
Ich freue mich, dass dabei gerade die mittelgroßen Firmen von der allgemein günstigen Geschäftsentwicklung der letzten Zeit profitieren konnten. Eine jüngst vorgestellte Studie des IWH hat gezeigt, dass entgegen der öffentlichen Wahrnehmung in Ostdeutschland die Anlageninvestitionen in der Industrie deutlich über denen Polens, Tschechiens und Ungarns liegen. Das ist ein Beitrag zur Standortdiskussion, den wir zur Kenntnis nehmen sollten, ja, zur Kenntnis nehmen müssen. Diese Zahlen können sich durchaus sehen lassen.