Protokoll der Sitzung vom 05.03.2008

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich nehme an, wir hören jetzt etwas von der Staatsregierung. Herr Minister Wöller, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin aufgefordert worden, dazu Stellung zu nehmen. Ursprünglich hatte ich vor, weitreichende Erklärungen dazu abzugeben, aber während der ausführlichen Wortmeldungen und Erörterungen, für die ich sehr dankbar bin – Frau Dr. Runge, Herrn Prof. Mannsfeld, Herrn Gerlach –, habe ich mich an einen Ausspruch von Mark Twain erinnert. Mark Twain hat mal gesagt: „Donnern ist gut und eindrucksvoll, aber die eigentliche Arbeit leistet der Blitz.“

Nun wird das Thema, das Sie zum Gegenstand des Antrags gemacht haben, schon seit Wochen und Monaten in der Öffentlichkeit diskutiert. Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass die Sächsische Staatsregierung gehandelt hat. Auch zum zweiten Teil Ihres Antrags kann ich kurz zusammenfassen, dass die wesentlichen Untersuchungen, Gutachten und wissenschaftlichen Meinungsäußerungen auf dem Tisch liegen. Insofern ist eine Diskussion entbehrlich.

Meine Damen und Herren von der FDP, Sie wollen es mit Ihrem Antrag noch einmal so richtig donnern lassen, aber der Blitz hat schon längst eingeschlagen. Insofern kann ich auch von meiner Seite aus sagen: Wir lehnen den Antrag ab.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die FDP-Fraktion hat Gelegenheit zum Schlusswort. Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag hat sich mitnichten erledigt; denn ein Moratorium, wie wir es fordern, wenn man es auf der Bundesebene durchsetzen würde, ist etwas anderes als eine einfache Erklärung eines Bundesministers. Ich

denke, das würden Sie als Parlamentarier auch so erkennen. Von daher ist die Notwendigkeit vorhanden, diesem Antrag – dem Begehren eines Moratoriums – zuzustimmen. Von daher ist der erste Punkt nicht erledigt.

Punkt 2, lieber Herr Kollege Gerlach, könnten wir heute zu später Stunde zum Anlass nehmen, ein großes Bündnis – fraktionsübergreifend – zu schmieden zur Effizienzsteigerung der parlamentarischen Arbeit und zur Entlastung der Staatsregierung.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Stefan Brangs, SPD: Auflöser!)

Wenn wir – – Nein, das möchten vielleicht Sie. Die Frage ist nur, was Sie auflösen wollen, Kollege Brangs. Das Parlament oder die Regierung? Ich würde lieber die Regierung auflösen.

(Peter Schowtka, CDU: Zur Sache!)

Wir haben von Ihnen, Kollege Gerlach, gehört, dass sich unser Antrag erledigt haben könnte, weil es ja im Punkt 2 ein Berichtsantrag ist, die Staatsregierung dazu Stellung nimmt und damit der Bericht gegeben ist. Man kann dieser Überlegung schon eine gewisse Sympathie abgewinnen. Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte es dann einige Folgen für andere in diesem Hause, denn CDU und SPD stellen in diesem Hause ja ausschließlich Berichtsanträge. Mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen haben sie Anträge, die reine Berichtsanträge sind.

(Peter Schowtka, CDU: Zur Sache!)

Wenn wir uns also, wie von Kollegen Gerlach vorgeschlagen, darauf verständigen, einen Antrag, der ein Berichtsantrag ist, immer dann für erledigt zu erklären, wenn der Staatsminister dazu geredet hat, würden sich die meisten Anträge von CDU und SPD von selbst erledigen. Wenn Sie das zukünftig so praktizieren wollen, dann nehme ich das gern auf. Dann hat sich unser Anliegen in dem Punkt auch erledigt, nur dann, bitte, alle anderen Anträge der Koalition in Zukunft auch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Es wurde von zwei Fraktionen beantragt, punktweise abzustimmen. Ich denke, das können wir so tun. Ich stelle die Drucksache 4/11368 zur Abstimmung.

Ich rufe Punkt 1 auf. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist Punkt 1 mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe Punkt 2 auf. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Keine Stimmenthaltung, eine größere Anzahl Stimmen dafür. Dennoch ist Punkt 2 mehrheitlich abgelehnt.

Da beide Punkte abgelehnt sind, erübrigt sich eine Gesamtabstimmung. Damit ist die Drucksache 4/11368 nicht beschlossen, und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 20

Bundesratsinitiative zur Einführung des kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger

Drucksache 4/10318, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion GRÜNE, danach CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile den Einreichern das Wort. Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der undankbare letzte Antrag am heutigen späten Abend. Ich werde Ihnen trotzdem unseren Vorschlag vortragen, weil mir das Anliegen ganz besonders wichtig ist.

Anfang September 2007 brachte das Land RheinlandPfalz – genauer gesagt, Ihre Kollegen von der SPD – einen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein, der durch eine Grundgesetzänderung die Einführung des kommunalen Wahlrechts auch für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger ermöglichen soll. Wir GRÜNE setzen uns schon seit vielen Jahren für kommunales Wahlrecht auch für Drittstaatenangehörige ein. Deshalb nutzen wir diese Diskussion im Bundesrat. Wir wollen auch mit der Stimme aus

Sachsen erreichen, dass das Grundgesetz an dieser Stelle geändert wird. Mittlerweile wird die Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz auch von Berlin unterstützt.

Allerdings haben wir am 29.09. letzten Jahres in der „Berliner Zeitung“ lesen können, dass Sachsen diesen Vorstoß im Bundesrat ablehnen will. Jetzt frage ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, regieren Sie eigentlich mit in Berlin? Etwas mehr Engagement für das Vorhaben Ihres Parteivorsitzenden hätte ich an dieser Stelle schon erwartet. Wir sind auch gern bereit, Ihnen heute die notwendige Unterstützung zu bieten.

Ich möchte in aller Kürze auf zwei Gründe eingehen, die für die Einführung des kommunalen Wahlrechts in Deutschland und in Sachsen auch für Nicht-EU-Bürger sprechen. Zum einen sollen Menschen, die dauerhaft in Sachsen oder in Deutschland leben, mitbestimmen können, was in ihrer Kommune passiert; denn wer von politischen Entscheidungen betroffen ist, sollte auch Einfluss auf diese politischen Entscheidungen nehmen können. So lautet schon ein alter römischer Rechtsgrund

satz. Eine lebendige Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann es sich einfach nicht leisten, einem Teil der Bevölkerung auf Dauer die politische Teilhabe zu verwehren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur wenn die Stimme aller auf kommunaler Ebene zählt, können auch die Belange aller berücksichtigt werden. Das ist gerade in Kommunen besonders wichtig, weil dort die Entscheidungen ja besonders nahe an den Menschen sind und dort das Zusammenleben gestaltet wird. So verstehen wir jedenfalls Demokratie.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Zweiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, reden auch Sie von der CDU gern und viel von Integration. Integration funktioniert aber nur, wenn wir Migrantinnen und Migranten nicht nur Pflichten auferlegen, sondern auch Rechte zugestehen. Eine demokratische Mitbestimmung in den Kommunen vermittelt Migrantinnen und Migranten aus Nicht-EU-Staaten das Gefühl, ernst genommen zu werden. Als Steuerbürger sind Sie Ihnen ja auch willkommen. Zusätzlich kann dieser kommunale Raum, wo Politik gestaltet wird, auch als Begegnungsraum fungieren. Um das zu illustrieren, möchte ich Ihnen ein Beispiel erzählen.

Das Beispiel ist aus Irland. Roucimi Adebari flüchtete im Jahr 2000 aus Nigeria in eine 15 000-Einwohnerstadt im Herzen Irlands. Trotz zehnjähriger Arbeitserfahrung im Einzelhandel bekam er in Irland nicht einmal einen Job als Autowäscher, weil er ein Einwanderer war und man ihm das obendrein auch noch ansah.

(Zuruf von der NPD: Da ist er wieder nach Hause gefahren!)

Also fing er an, sich politisch zu engagieren – im Gegensatz zu Deutschland ist das in Irland nämlich möglich –, auch um seinen Mitbürgern zu zeigen, dass sich die Zeiten geändert haben und Einwanderer in Irland mittlerweile zur Normalität gehören. 2004 wurde er in den Stadtrat gewählt und im Juni 2007 zum Bürgermeister. Er wurde also von Bewohnerinnen und Bewohnern der Stadt gewählt, die ihn einige Jahre zuvor nicht einmal einstellen wollten. Das kommunale Wahlrecht in Irland, das offen für alle Migrantinnen und Migranten ist, hat ein Kennenlernen und eine Auseinandersetzung, und zwar für beide Seiten, ermöglicht. Das wollen wir für Sachsen und für Deutschland auch erreichen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch ein Zitat für die Kollegen der SPD, Ihres Parteifreundes Sebastian Edathy. Er hat im letzten Oktober Folgendes gesagt: „Wenn Menschen sich dazu entscheiden, rechtmäßig länger in Deutschland zu bleiben, sollten sie auch die Möglichkeit bekommen, ihr direktes Lebensumfeld politisch mitzugestalten. Wer Verantwortung tragen darf, fühlt sich auch verantwortlich. Wer es ernst meint mit besseren Rahmenbedingungen für die Integration, sollte eine solche Regelung, nämlich ein kommunales

Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten, unterstützen.“ Das hat Herr Edathy gesagt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wenn Sie es hier in Sachsen mit der Demokratie und der Integration ernst meinen, dann können Sie unserem Antrag an dieser Stelle nur zustimmen.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDUFraktion, bitte. Herr Abg. Bandmann.