Ja, sie macht mit. – Das heißt, diese tollen Ziele, die Sie gerade benannt haben, möchte ich auch. Ich möchte keinen Lehrplan, ich möchte einen Rahmenplan, ich möchte eine Gemeinschaftsschule, das längere gemeinsame Lernen usw. Ich möchte vieles in diesem Bereich. Aber wir leben jetzt in der entsprechenden Realität, die wir haben.
Wir haben überlegt, welche Möglichkeiten unter den jetzigen Bedingungen angemessen sind, und zwar nicht nur für einzelne Projek
te, sondern wirklich angemessen, damit alle Schülerinnen und Schüler in Sachsen die Möglichkeit haben, die entsprechenden Bedingungen zu erhalten.
Frau Falken, wenn Sie ansonsten unsere Vorstellungen von moderner Pädagogik teilen – also Freiheit von Schulen, viele Dinge werden vor Ort entschieden –, warum haben Sie dann nicht die Möglichkeit genutzt, das in Ihrem Antrag auch so zu formulieren, sondern sind in so ein enges Korsett eingestiegen?
Ja, weil ich ganz persönlich der Auffassung war, dass damit am deutlichsten klarzumachen ist, und zwar nicht nur den Landtagsabgeordneten, sondern auch darüber hinaus, welche Möglichkeiten wir sehen, hier sehr kurzfristig für das kommende Schuljahr schon einzusteigen. Das war für mich ganz persönlich der Grund, das so zu formulieren. Natürlich hätten wir das anders formulieren können. Das ist gar keine Frage, das wissen wir doch alle. Wir hätten es weicher formulieren können, wir hätten es umschreiben können. Wir hätten noch mehr Formulierungen wählen können hinsichtlich Möglichkeiten usw. Dabei schreibt dieser Antrag aber nicht vor, wer mit wem was machen soll, wie das in der Diskussion auch herausgekommen ist. Das ist doch gar nicht so. Wir möchten nur, dass es einen Anspruch gibt für alle Schüler in Sachsen und nicht nur dort, wo es ein Unternehmen gibt, das das vielleicht tun möchte, wobei aber doch nichts passiert, weil es die Schule nicht will. Hier liegt eine Aufgabe, von der ich denke, dass wir bzw. natürlich der Freistaat Sachsen und die Regierung einsteigen müssen.
Herr Herbst, noch etwas zum polytechnischen Unterricht: Das polytechnische Prinzip ist kein Copyright der DDR. Das polytechnische Prinzip existiert weltweit. Machen Sie das nicht zu einem Copyright aus der DDR. Ich verstehe auch zunehmend nicht, dass wir fast 20 Jahre nach der Wende Begriffe, die in der DDR-Zeit verwendet worden sind, nur weil sie in der DDR-Zeit verwendet worden sind, jetzt nicht mehr benutzen sollen und dafür eine Umschreibung wählen müssen, wie es möglicherweise sein kann.
Und noch einmal für die Redner, die der Auffassung sind, wir wollten den PA-Unterricht oder den UTP-Unterricht aus DDR-Zeiten zurückhaben: ganz eindeutig nein! Den UTP-Unterricht, den ich erlebt habe, möchte ich für die sächsischen Schüler nicht haben. Wir sind auf die LPG gegangen und mussten uns entscheiden, ob wir in den Schweinestall oder in den Kuhstall gehen. Das ist nicht
das Anliegen, das wir mit diesem Antrag verfolgen. Ich glaube auch nicht, dass man das herauslesen kann.
Ich gehe davon aus, dass kein allgemeiner Aussprachebedarf mehr besteht. Somit spricht jetzt Staatsminister Flath.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist, denke ich, auch nach dieser Debatte unbestritten, dass ökonomische Zusammenhänge und systematische Studien- und Berufsorientierung einen festen Platz in unseren allgemeinbildenden Schulen in Sachsen haben müssen. Wir haben das neben den seit 2004 eingeführten neuen Lehrplänen durch eine Vielzahl von Maßnahmen unterstützt. Ich will sie noch einmal einzeln aufzählen.
Da ist zum Ersten die Verpflichtung jeder Schule, ein schuleigenes Konzept zur Berufs- und Studienorientierung zu erstellen. Ich bleibe dabei: In der Zielrichtung ist es richtig, dass sich jede einzelne Schule selbst damit beschäftigt.
Ein zweiter Punkt sind die obligatorischen Schülerbetriebspraktika. Hierzu hat Herr Herbst etwas angemerkt. Ich habe noch einmal die schriftliche Antwort der Staatsregierung durchgelesen. Ich bin nicht so überheblich, dass ich sage: Mit 115 % alles erfüllt!
Selbstverständlich werden die verpflichtenden Schülerbetriebspraktika an der einen Stelle besser funktionieren als an einer anderen. Wie sollen wir denn anders herangehen, um eine Verbesserung zu erreichen? Ich werde den Stil beibehalten, dass ich positive Beispiele dieser Art öffentlich zu verbreiten versuche und die Schulen anhalte, sich daran zu orientieren.
Ein dritter Punkt ist die flächendeckende Einführung des Berufswahlpasses. Ich denke, er hat sich dort, wo er bisher zur Anwendung kommt, bewährt. Ich glaube, es lohnt sich, ihn flächendeckend einzuführen.
Der vierte Punkt ist die Einführung des Qualitätssiegels für Berufs- und Studienorientierung. Natürlich ist es gut, Herr Herbst, dass Sie das noch einmal thematisiert haben. Ich glaube, ich war auch ehrlich genug, in diesem Hohen Haus schon einmal darauf hinzuweisen, dass es Erfahrungen in Thüringen gab und dass wir nicht jedes Rad neu erfinden müssen, sondern so gut gelungene Beispiele auch in Sachsen anwenden sollten.
Ein fünfter Punkt sind die Betriebspraktika für Lehrer. Auch da bleibe ich dabei, dass ich hervorhebe, wo das in Sachsen schon besonders gut funktioniert. Ich weiß – ich habe das auch von Unternehmen gehört –, dass es durchaus Wünsche gibt, das noch mehr zu nutzen. Daran müssen wir arbeiten. Ich habe gar nichts dagegen, Frau Abg. Falken, wenn Sie das unterstützen.
Der sechste Punkt ist die Einführung einer Landesservicestelle Schule/Wirtschaft. Dazu habe ich die Kritik gehört, das würde noch nicht so gut funktionieren. Auch das ist unbestritten. Aber dort haben wir ein ganz neues Problem, über das ich eigentlich froh bin. Wir haben viele Initiativen in Sachsen unterstützt. Die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern und Wirtschaftsverbände waren sehr aktiv, und wir hatten alle Mühe – und wir haben das in einer Kollegiumssitzung sehr fair ausgetragen –, diese vielfältigen Initiativen, die auch mit viel Ehrgeiz verbunden waren, zu bündeln, um das Ganze in Sachsen ein bisschen zu vereinheitlichen.
Ich bin überzeugt, dass uns das im nächsten Jahr gut gelingen wird, unter anderem über diese Einrichtung an der Landesservicestelle Schule/Wirtschaft. Diese Maßnahmen dienen der Erhöhung der Berufswahlkompetenz der Schüler. Dabei orientiert sich die konkrete Umsetzung an den Möglichkeiten der jeweiligen Region, und auch das ist höchst unterschiedlich in Sachsen. Gerade dadurch werden den Jugendlichen Chancen und Perspektiven aufgezeigt. Zugleich wird auf diesem Weg das Bewusstsein der Wirtschaft gestärkt, für den eigenen Fachkräftenachwuchs selbst aktiv zu werden.
Gute Erfahrungen gibt es seit Jahren mit Projekten, bei denen Schulen Kooperationen mit Berufsschulzentren oder freien Trägern bzw. Unternehmen eingehen. Beispielhaft seien hier nur genannt: der Landkreis Stollberg, der Vogtlandkreis oder das Berufsschulzentrum Oelsnitz. – Bei den Vogtländern ist es angekommen, das mal zu würdigen. – Es gibt auch anderenorts gute Beispiele. Ich weiß, Herr Abg. Colditz, dass auch in Ihrer Heimatstadt, in und um Aue, da sehr viel getan wird.
Schüler erhalten die Möglichkeit, sich in den Einrichtungen über verschiedene Berufsfelder zu informieren, ihre Fähigkeiten zu testen und ihre Kompetenzen festzustellen. Diese Maßnahmen sind immer an den Einsatz in einem Unternehmen gekoppelt. So können die Schüler direkt überprüfen, ob ihre Vorstellungen und Fähigkeiten der Realität und den Anforderungen entsprechen. Gleichzeitig bieten sich Möglichkeiten für die Unternehmen, ihren Fachkräftenachwuchs kennenzulernen und Jugendliche bereits frühzeitig an ihr Unternehmen zu binden.
In der Summe geht unser Ansatz also über das von der Fraktion DIE LINKE Geforderte weit hinaus. Die unter den Punkten 1 bis 4 des Antrages genannten Maßnahmen werden zudem bereits von vielen Schulen realisiert. Ich möchte dazu auch noch einmal auf die schriftliche Antwort verweisen.
Bei der Umsetzung prüfen und entscheiden unsere Schulen sehr verantwortungsvoll, wie sie vorgehen und welche Möglichkeiten der Regionen sie einbinden. Gerade diese Eigenständigkeit und Verantwortung sehe ich durch den Antrag der Linken eingeschränkt, ja, sogar verletzt.
Ein weiterer Vorzug unseres Weges gegenüber der vorgeschlagenen Einführung eines eigenen Unterrichtsfaches ist, dass wir ganz bewusst den fächerverbindenden und fachübergreifenden Ansatz stärken wollen. Studien- und
Berufsorientierung sind eben nicht Sache eines einzigen Faches, sondern Aufgabe der Schule insgesamt. Auch diesbezüglich möchte ich die Anregung der Frau Abg. Günther-Schmidt aufgreifen. Mich würde schon interessieren, Frau Falken – gerade weil ich im letzten Jahr einiges an Erfahrung sammeln durfte, als wir die Stundentafeln in der gymnasialen Oberstufe reformiert haben –, dass Sie Ihrem Antrag eine Stundentafel beifügen. Das gerade auch deshalb, weil in diesen Tagen wieder einmal sehr schön über Stundentafeln und darüber, wie viel Stunden für Schülerinnen und Schülern zumutbar sind, gesprochen worden ist. Ich wünsche Ihnen viel Glück bei der Diskussion, wenn Sie das zunächst einmal in den eigenen Reihen versuchen.
Außerdem, meine Damen und Herren, ist es fragwürdig, ob Unternehmen in allen Regionen verpflichtet werden können, regelmäßig alle zwei Wochen einen Tag in der Produktion finanziell und personell abzusichern, weil – auch darauf wurde schon verwiesen – die Zeiten der sozialistischen Planwirtschaft eben vorbei sind. Ich glaube, es war damals so: Der Rat des Kreises konnte die Betriebsleiter einladen und – wie hieß das andere? – die Kreisleitung der SED hat die Parteisekretäre zusammengerufen und hat gesagt: Ab der nächsten Woche habt ihr das in den Betrieben so und so zu machen. – Das ist doch heute, Frau Falken, überhaupt nicht umsetzbar. Ich kann die Unternehmen nicht verpflichten, es sei denn, ich würde es ihnen bezahlen. Aber es ist mittlerweile auch gar nicht mehr notwendig, denn die Unternehmen wissen selbst, dass sie in Zukunft Probleme bekommen werden.
Es gibt mittlerweile auch die Zusage auf Unterstützung von allen Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Wirtschaftsverbänden. Wenn eine Schule noch ein Unternehmen sucht, dann wird sie Hilfe bekommen, damit sie tatsächlich ein Unternehmen findet, und dann wird es dort auch eine Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen geben.
Ich erinnere mich auch noch an die etwas groteske Diskussion in der letzten Ausschusssitzung, bei der es gerade darum ging, dass DIE LINKE eine Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft doch eher kritisch sieht. Insofern passt auch Ihr Antrag nicht vollkommen in das Bild, das Sie ansonsten abgeben.
Also insgesamt – und das ist ja entscheidend – sind unsere Schulen, denke ich, aber auch die Unternehmen, was die Nachwuchsgewinnung betrifft, auf dem richtigen Weg. Unbestritten ist auch, dass wir nach diesem Tag alles auch noch etwas besser machen können.
Danke schön. – Ergibt sich daraufhin noch einmal allgemeiner Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum Schlusswort. Frau Falken, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich habe ich nicht wirklich angenommen, dass ich die CDU heute davon überzeugen könnte, dass sich eine andere Form, eine andere Möglichkeit für den polytechnischen Unterricht, für die Berufsvorbereitung ergibt. Trotzdem möchte ich noch einmal auf einige Punkte eingehen.
Die erste Frage, Herr Staatsminister, ist: Woher nehme ich denn die Stunden? – Selbstverständlich ist das eine Frage, die sehr wichtig und entscheidend ist. Ich hatte gedacht, dass ich Ihnen das in meinem Redebeitrag nahegebracht habe. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich habe erklärt, dass die Neigungsfächer nicht den Erfolg gebracht haben, den wir damit eigentlich erzielen wollten, auch ich. Das heißt, es sind zwei Wochenstunden. Dass das Fach WTH – Wirtschaft, Technik, Hauswirtschaft, Soziales – Möglichkeiten bietet, in diesen Bereich mit einzusteigen, ist doch vollkommen logisch. Wir wollen nicht alles, was bisher erreicht worden ist, wie die Fortbildung von Lehrern und dergleichen, negieren. Das ist doch gar nicht Sinn und Zweck des Ganzen. Aber allein schon mit diesen Stunden haben wir mehr Stunden zur Verfügung, um das zu realisieren, was wir heute vorschlagen. Das ist der erste Punkt.
Fächerverbindend! Ich bin sehr stark am Überlegen, ob wir nicht mit dem Schulausschuss einmal zwingend in solch ein Unternehmen gehen sollten, in dem Jugendliche der 7., 8., 9. Klasse zurzeit in Projekten arbeiten. Noch mehr fächerverbindend, als dass die Jugendlichen in ein Unternehmen gehen, ist doch fast nicht mehr möglich.
Wie viele verschiedene Bereiche der Unterrichtsfächer kann ich gerade hier fächerverbindend umsetzen? Das
wünscht sich eigentlich jeder Lehrer, wenn er in Deutsch, in Mathematik oder in sonstigen Unterrichtsfächern diese Möglichkeit nicht wirklich hat. Da liegt doch eigentlich die Potenz – nicht nur für die Vorbereitung der Berufsausbildung, sondern weit darüber hinaus.
Die zweite und letzte Geschichte, die uns sehr am Herzen liegt: Wir freuen uns, dass im Vogtland oder auch bei Ihnen, Herr Colditz, oder wo auch immer tolle Projekte existieren. Ich habe mir diese auch angeschaut. Aber es reicht uns nicht, wenn wir auf der Ecke, auf dieser Ecke und auf jener etwas haben. „Keinen zurücklassen!“ ist Ihr Motto, Herr Flath. Was machen wir denn mit den Schülern, für die diese Projekte nicht existieren? Wie wollen wir sie nicht zurücklassen? Hier sehen wir eine Verantwortung einzugreifen, wenn Schule und Wirtschaft es nicht schaffen, und das halten wir für notwendig.