Protokoll der Sitzung vom 30.05.2008

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Sie haben im Landtag abgelehnt!)

Erwähnen möchte ich, dass Altersarmut zu einem gravierenden Problem besonders für Ostdeutschland werden kann. Grund dafür sind gebrochene Erwerbsbiografien, die hier vorherrschen. Die sächsische SPD und mein Kollege Christoph Matschie aus Thüringen haben dieses Thema schon frühzeitig angesprochen.

(Caren Lay, Linksfraktion: Was folgt daraus?)

Vor allem müssen wir den Langzeitarbeitslosen, die am meisten von Armut betroffen sind, wirksam helfen, nicht mit Almosen, sondern mit gerecht bezahlter Arbeit, die Anerkennung schafft und Perspektiven eröffnet, zu leben.

Der von uns in Sachsen durchgesetzte soziale Arbeitsmarkt mit dem Kommunalkombi ist dafür ein wirkungsvolles Instrument. Von ihm werden in unserem Freistaat zunächst bis zu 6 300 Langzeitarbeitslose in besonders von Arbeitslosigkeit betroffenen Kreisen und Städten profitieren. Bund, Land und Kommunen fördern diese Stellen. Das Geld ist im doppelten Sinne gut angelegt. Einerseits erhalten Langzeitarbeitslose endlich wieder Arbeit, die tariflich bezahlt wird, und andererseits können die Kommunen Projekte auf den Weg bringen, für die bisher keine Mittel zur Verfügung standen.

Armut kann man selbstverständlich nicht nur auf einer Ebene bekämpfen. Wir müssen den gesamten politischen Handlungsspielraum nutzen, der uns zur Verfügung steht. Wir müssen auch Entscheidungen in Berlin beeinflussen. Dabei stellt sich zum Beispiel die Frage, ob wir das Kindergeld erhöhen sollen oder nicht. Über eine Kindergelderhöhung würden sich sicher viele Menschen freuen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wenn es aber dann nur 5 Euro sind, die sie mehr erhalten, wird sich die Freude in Grenzen halten. Aber diese 5 Euro schneiden aus dem Bundeshaushalt 3 Milliarden Euro heraus. Ich bin der Überzeugung, dass diese 3 Milliarden Euro viel besser angelegt sind, wenn sie in Sachleistungen für Kinder gesteckt werden, wie zum Beispiel das kostenlose Mittagessen.

Wir sind ein starkes und wohlhabendes Land. Dass wir trotzdem so viel Armut haben, ist beschämend. Aber nicht

nur das, Armut schwächt letztlich uns alle. Wir werden nur dann stark bleiben und stärker werden, wenn wir möglichst viele Menschen stark machen, damit sie selbstbestimmt und selbstverantwortet leben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Wird von der NPD-Fraktion das Wort gewünscht? – Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Land der sozialen Planierraupe jagt eine Hiobsbotschaft die nächste, lässt man einmal die regierungsamtlichen Schönwettermeldungen beiseite. Wie gestern in bekannter Schönfärbermanier verkündet wurde, sollen die Arbeitslosenzahlen in der Merkel-Republik weiter gesunken sein – auf den angeblich niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Laut Bundesagentur für Arbeit sind angeblich nur noch 3,28 Millionen Menschen in diesem Land ohne Arbeit.

Diese oberflächlichen Erfolgsmeldungen beruhen aber nur auf frisierten Statistiken; denn die Ein-Euro-Jobber, die Frührentner, die Umschüler und alle diejenigen, die sich in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen befinden, werden schon seit Jahren überhaupt nicht mehr als arbeitslos gezählt. Und diejenigen, die in der jüngsten konjunkturellen Scheinblüte Arbeit gefunden haben, können von ihren Niedriglöhnen oft kaum leben und müssen sich mit prekären Beschäftigungsverhältnissen herumplagen, was ihnen jede Lebenssicherheit nimmt und damit die Familiengründung erschwert. Gerade diese Befunde machen den Armutsbericht der Bundesregierung zu einem Dokument des politischen Versagens und der sozialen Ignoranz. Der aktuelle Armutsbericht ist ein politisches Armutszeugnis; denn er zeichnet das erschreckende Bild eines reichen Landes mit armen Menschen. Dabei fällt die zunehmende Verarmung vieler Deutscher nicht in eine wirtschaftliche Rezession oder Depression, sondern in eine ökonomische Wachstumsphase, wie sie zumindest Angela Merkel zu sehen glaubt.

Nach dem Bericht der Bundesregierung gelten 13 % der Bundesbürger als arm, und weitere 13 % werden nur durch Sozialtransfers vor dem Abrutschen in direkte Armut bewahrt. Das heißt selbst nach Angaben der Bundesregierung, dass jeder vierte Deutsche mittlerweile arm oder armutsgefährdet ist. Welch eine Schande für einen Staat, der immer genügend Geld für Ausländer, das Ausland und das internationale Großkapital übrig hat, aber kaum etwas für die sozial Schwachen und Abstiegsbedrohten des eigenen Volkes!

(Beifall bei der NPD – Alexander Delle, NPD: So ist es!)

Dies ist keine „NPD-Hetze“, sondern mit so vielen Zahlen zu belegen, dass einem die Auswahl des Zahlenmaterials fast schwer fällt. Die Einkommen der ärmeren Deutschen sind laut „Spiegel“ gegenüber dem Jahr 1992 preisberei

nigt um 13 % gesunken. Die Bezüge der Spitzenverdiener haben im gleichen Zeitraum aber um fast ein Drittel zugelegt. In diese soziale Abwehrspirale werden angesichts der stark gewachsenen Inflation und der Preissteigerungen für Strom und Gas, Lebensmittel und Sprit auch immer mehr Deutsche geraten, die bisher zur relativ krisenfesten Mittelschicht gehörten. Wie statistisch ermittelt wurde, schrumpft die Mittelschicht in Deutschland dramatisch. Zählten im Jahr 2000 noch 62,3 % der Deutschen zur Mittelschicht, ist dieser Anteil heute – dank der ach so selig machenden Globalisierung – auf 54,1 % gesunken.

Namen wie Siemens und Allianz, Telekom und Nokia stehen für die asozialen Folgen der Globalisierung, in deren Folge die Unternehmensgewinne oft ins Astronomische steigen, gleichzeitig aber Tausende Arbeitsplätze wegrationalisiert oder ins Ausland verlagert werden. Gerade der Fall Nokia bietet trauriges Anschauungsmaterial für die Vernichtung deutscher Arbeitsplätze durch die politisch gewollte EU-Osterweiterung und die Globalisierung.

Vor einigen Monaten gab der Handy-Hersteller Nokia bekannt, sein Traditionswerk in Bochum schließen und in Rumänien neu aufbauen zu wollen. In Deutschland gehen durch diese EU-geförderte Unternehmensabwanderung 2 300 Stellen bei Nokia und 1 700 Stellen bei NokiaZulieferbetrieben verloren, und in Rumänien entsteht ein neues Subventionsparadies – und das mit beträchtlichen deutschen Steuergeldern. Deutschland als größter Nettozahler der Europäischen Union füllt nämlich genau die EU-Fördertöpfe auf, mit denen konkurrierende Volkswirtschaften Kapital und Arbeit aus Deutschland abziehen. Laut „F.A.Z.“ bekommt allein das EU-Neumitgliedsland Rumänien bis zum Jahr 2013 von der EU die Fördersumme von 13 Milliarden Euro zum Aufbau neuer Wirtschaftsstrukturen. Das ist der helle Wahnsinn! Weil es die herrschenden Globalisierungspolitiker so wollen, finanziert Deutschland die Abwanderung seiner eigenen Arbeitsplätze und verliert damit Steuern und Kaufkraft. Die Ergebnisse dieser Politik für die global agierenden großen Konzerne sind im aktuellen Armutsbericht der Bundesregierung nachzulesen.

Nach einer aktuellen Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten 10 % der Bevölkerung fast zwei Drittel des gesamten Volksvermögens, während die unteren Einkommensschichten unseres Volkes oft gar nichts mehr haben – außer Schulden. Die Reichen werden also immer reicher und die Armen immer ärmer. Das ist keine Propaganda, sondern statistisch erhärtet. Verantwortlich für diese soziale Spaltung ist das Kartell der Globalisierungsparteien, egal, in welcher Regierungskonstellation: Schwarz-Gelb unter Helmut Kohl, Rot-Grün unter Gerhard Schröder und Schwarz-Rot unter Angela Merkel, das ist einerlei. Da soll keiner sagen, die Herrschenden wüssten nicht, was sie tun. Nach NPD-Auffassung wissen diese Herrschaften ganz genau, was sie tun. Wer sowieso schon hat, dem

wird gegeben. Das ist steuerpolitische Reichtumspflege, die nachweislich keine Beschäftigungsimpulse hat.

Bei einer solchen Politik gegen Arbeitslose, Geringverdiener und Mittelschicht ist es kein Wunder, dass Angela Merkels angeblich so großer Wirtschaftsaufschwung an vielen Menschen, Berufsgruppen und Landstrichen spurlos vorübergeht.

Bitte zum Schluss kommen.

Es muss endlich Schluss sein mit der Scheckbuchpolitik – –

Bitte zum Schluss kommen!

– Ich komme zum Schluss.

Es muss endlich Schluss sein mit der Scheckbuchpolitik für ausländische Sozialschnorrer, für übernationale Fremdbestimmungsregime wie die Europäische Union und für das internationale Großkapital. Geld ist in diesem reichen Land genügend vorhanden.

Den Schlusssatz jetzt, bitte!

Es muss nur endlich wieder der Mehrheit der Deutschen zur Verfügung stehen, und dafür steht in diesem Land die NPD und nur die NPD.

(Beifall bei der NPD – Caren Lay, Linksfraktion: Na, Gott sei Dank!)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gansel, das war nun reichlich abstrus. Man kann über die Europäische Union schimpfen, wie man will, aber dass wir das in Sachsen tun, wo wir Milliarden für unseren eigenen Aufbau bekommen haben, ist nun wirklich hirnrissig, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Die Umverteilung von deutschen Steuergeldern! – Alexander Delle, NPD: Die kapieren es überhaupt nicht! – Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine FDP-Milchmädchenrechnung!)

Herr Gansel, bitte halten Sie sich zurück!

Herr Pellmann, für Ihre Klassenkampfparolen – Verteilung von oben nach unten – bekommen Sie vielleicht Beifall aus Ihrer Fraktion, aber Sie helfen damit keinem sächsischen Rentner, glauben Sie mir das.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Ihre Vorstellungen von Wachstum und Wohlstand sind nun wirklich recht abstrus. Ihre These ist ja: Man muss

den vorhandenen Kuchen einfach anders aufteilen, jeder sollte möglichst gleiche Stücke erhalten. Die Idealvorstellung ist dann wahrscheinlich: Wir sind zwar bettelarm, aber wenigstens betrifft es uns alle. – Das ist nicht unsere Vorstellung von Sozialpolitik.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Wir meinen, wir müssen Wirtschaftswachstum ankurbeln, damit eben der Kuchen größer wird und wir mehr Menschen helfen können, ein höheres Einkommen zu erzielen. Bei Ihnen rollen sich jetzt wahrscheinlich die Fußnägel hoch, aber Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne sind nun einmal Grundvoraussetzungen, damit ein Land soziale Aufstiegschancen bieten kann.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der Staatsministerin Helma Orosz)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber gern.

Herr Kollege, Sie haben eben eine tolle Aussage getroffen, die ich gern hinterfragen möchte. Sie sprachen davon, dass erst Wirtschaftswachstum mehr Wohlstand für alle garantiere. Dazu frage ich Sie: Wir haben ja gegenwärtig Wirtschaftswachstum, weshalb ist dann die Armut unter dem Blickwinkel von Wirtschaftswachstum weiter gewachsen? Das kann doch mit dem, was Sie hier vortragen, nicht zusammengehen.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Das beantworte ich Ihnen gern. Erstens haben wir im Moment keine aktuellen Zahlen, sondern wir sprechen über den Armutsbericht und eine Datenbasis von 2005. Wer sich die Wirtschaftsentwicklung von damals anschaut, sieht, dass die Wirtschaft damals eben nicht besonders gewachsen ist

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Aber sie ist gewachsen!)

und dass es auch Zeit braucht, bis sich Wirtschaftswachstum im Portemonnaie der Bürger auswirkt, bis neue Arbeitsplätze geschaffen und mehr Steuern gezahlt werden. Das ist eine alte volkswirtschaftliche Weisheit. Dass Ihnen diese nicht so bekannt ist, ist mir schon klar.