Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet Linksfraktion, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der einreichenden Fraktion das Wort; Frau Abg. Bonk, bitte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir könnten auch sofortige Abstimmung beantragen, aber auch bei mäßig gefülltem Haus möchte ich unseren Antrag nicht minder engagiert einbringen und zur Diskussion stellen; denn viele Hörerinnen und Hörer im Lande verfolgen möglicherweise unsere Diskussion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist wieder so, dass Bildung für einige zu teuer wird. Hohe Bildungs
kosten schließen Kinder vom Schulwesen aus oder sorgen für Diskriminierung, wenn zum Beispiel einige Schüler beim Zeichenunterricht keine Farben haben, und das nicht, weil sie sie vergessen haben, sondern weil sich ihre Eltern nicht darum gekümmert haben oder den Zirkel, die Schürze, passende, neue Sportschuhe, den Taschenrechner, die Farben, Arbeitshefte oder das Exkursionsgeld nicht bezahlen können.
Auf der letzten Sitzung des Sächsischen Landtages vor der Sommerpause wollen wir mit unserem Antrag das Problem thematisieren und dem Haus Gelegenheit geben, Abhilfe zu schaffen; denn die Entwicklung ist dramatisch.
Eine kürzlich veröffentlichte Bildungsstudie der Friedrich-Ebert-Stiftung machte deutlich, dass der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg
steigt. Das mag auch mit den Kosten der Bildung zusammenhängen, die ebenfalls im Steigen begriffen sind. Die Fahrtkosten, das wissen Sie, steigen. Materialkosten können aufgrund klammer Schulbudgets immer weniger von den Schulen angeschafft werden und die Kosten werden den Eltern übertragen. Und nicht zu vergessen das Phänomen der allmählich als selbstverständlich verstandenen privaten Nachhilfe.
In einer Anhörung stellte ein Vertreter des Landeselternrates erste Ergebnisse einer Umfrage vor, die sich mit dem Thema Lernmittelfreiheit beschäftigte. Das Ergebnis: Etwa 1 000 Euro pro Schuljahr und Kind wenden Eltern inklusive der Fahrkarten usw. für die Bildung ihrer Kinder auf. Wenn Sie das im Kopf überschlagen, werden Sie feststellen, wie sich das mit einem geringen Einkommen und beim Empfang staatlicher Transferleistungen pro Monat im Familienbudget ausnimmt. Es ist katastrophal; es ist beinahe nicht zu handeln.
Getreu dem Motto „Auf den Anfang kommt es an“ und um allen Kindern einen willkommenen Einstieg ins Schulwesen zu ermöglichen, möchten wir für die Erstausstattung der Kinder von sozial Bedürftigen einen Landesfonds zur Erstattung der Schulbedarfe einrichten. Nach dem Vorbild der Stadt Zwickau soll im ganzen Land den Eltern dieser Kinder eine Beihilfe von 250 Euro für die Grundausstattung bei der Einschulung gezahlt werden. Wir gehen davon aus, dass von den circa 31 000 Schulanfängern circa 12 000 diese Unterstützung brauchen.
Zur Vorstellung des Starterpaketes haben wir die notwendigen Utensilien und deren Kosten zusammengestellt: Ein Schulranzen für 75 Euro, Sportsachen für 47 Euro, eine Zuckertüte mit Füllung für insgesamt 50 Euro und noch einiges mehr sind für Einkommensschwache kaum zu handeln. Für den Freistaat aber ist die Summe von 3 Millionen Euro, die der Landesfonds kosten würde, eine eher bescheidene – sagen wir: leicht zu schulternde – Summe. Ich möchte hinzufügen: Das ist nichts im Vergleich zu dem, was anderswo für Bürgschaften verschleudert oder für Infrastruktur ausgegeben wird.
Ein gleichberechtigter Eintritt ins Schulwesen sollte ein Recht aller Kinder sein, für dessen Umsetzung sich der Freistaat in der Pflicht fühlen muss. Eine Linderung sozialer Not müsste im Interesse aller sein. Längst haben auch andere erkannt, dass bei der Berücksichtigung von Kindern in den Regelsätzen nach SGB II und X etwas verändert werden muss. In unserer Anhörung zu diesem Thema äußerten sich mehrere Sachverständige der Konrad-Adenauer-Stiftung in Richtung der Einführung eines Regelsatzes für Kinder.
Zu unserem Starterpaket und für Sie zum Vergleich: Im Bedarfssatz eines ALG-II-Empfängers sind für die Ausstattung der Kinder zum Unterricht für Broschüren und Bücher monatlich 3,28 Euro, für weitere Gebrauchsgüter 1,40 Euro und für Schreibwaren und Zeichenmaterial 1,63 Euro vorgesehen. Die Ausstattung für den Unterricht
soll also mit 6,31 Euro erfolgen. Dass das kaum, nicht ordnungsgemäß und nicht vollständig zu schultern ist, werden Sie einsehen.
Seitdem die Möglichkeit der Beantragung von Einmalleistungen mit der Einführung von Hartz IV weggefallen ist und damit wirklich alles aus dem Budget der Familie bezahlt werden müsste, ist die Not größer geworden. Menschen, die in Stadtteilzentren oder bei Sozialverbänden aktiv sind, wissen davon. 11 700 gesammelte und dem Landtag übergebene Unterschriften des Vereins „Helfende Hände“ sind ein Zeichen für den Handlungsbedarf bei der Einschulungsbeihilfe.
Das Starterpaket ist auf dem Weg zur Verwirklichung echter Lernmittelfreiheit und für uns ein Schritt zur Absicherung vor größten Härten, so wie es schon das kostenlose Mittagessen für die Kinder sozial Schwacher sein muss.
Diese Probleme dürfen Sie in der Koalition nicht nur bereden, Sie müssen auch handeln. Die SPD zum Beispiel will das kostenlose Mittagessen, die CDU sagt Nein, jeder erzählt irgendetwas, aber gehandelt wird nicht. Um für die Menschen relevant zu sein, muss sich Politik mit den wirklichen Problemen im Land zum richtigen Zeitpunkt beschäftigen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Forderung, die die Linkspartei erhebt, ist nicht neu. Sie hat sie schon in anderen Landesparlamenten eingebracht und mithin ihren Antrag, den sie uns heute vorstellt, nur abgeschrieben.
Während Sie in Sachsen 250 Euro fordern, haben Sie in Mecklenburg-Vorpommern einen Antrag von 150 Euro und in Bremen von 80 Euro gestellt. Spannend ist ja immer, dahin zu schauen, wo die PDS regiert. Was hat sie denn dort gefordert? Sie regiert in Berlin mit. Dort hat sie sich das auch auf die Agenda geschrieben und 50 Euro gefordert. Das ist ein Fünftel von dem, was sie hier in Sachsen fordert.
(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – Caren Lay, Linksfraktion: Das hängt mit der Haushaltspolitik zusammen!)
Wirklich durchgesetzt haben Sie dann 300 000 Euro, und das heißt 24 Euro pro Kind. Wenn Sie sagen, dass das so leicht zu schultern sei, dann frage ich mich, wieso das in Berlin nicht möglich war und Sie noch nicht einmal in Berlin die Forderung aufgemacht haben, das hinzubekommen. Warum fordern Sie dort nur den zehnten Teil
dessen, was Sie bei uns fordern? Dafür sind Sie leider die Erklärung schuldig geblieben: warum es bei uns 250 Euro sind und in Berlin gerade einmal 24 Euro.
Verehrter Herr Kollege, ist Ihnen – erstens – bekannt, dass sich das Land Berlin in extremer Haushaltsnotlage befindet? Stimmen Sie mir – zweitens – darin zu, dass dies zentral auf das Versagen von CDU-Politikern zurückzuführen ist?
Bei der ersten Frage kann ich nur das wiederholen, was Frau Bonk gesagt hat. Das Geld, 300 000 Euro – – Sie haben von 3 Millionen Euro gesprochen – vom Zehnfachen – und dazu gesagt: „Das ist leicht zu schultern.“ – Originalzitat. Wenn das leicht zu schultern ist, dann wird es in Berlin wohl möglich sein, ein Zehntel von dem „leicht zu Schulternden“ aufzubringen.
Die Erklärung liegt also auf der Hand: Sie sind nicht in der Verantwortung und deshalb versprechen Sie soziale Wohltaten, die nicht finanzierbar sind.
Wir wollen auch in der letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause konstruktiv sein. Könnten Sie sich vorstellen, einen Änderungsantrag einzubringen, damit zumindest ein Teil der hier vorgeschlagenen Maßnahmen für die Kinder in Sachsen Wirklichkeit wird?
Ich komme noch dazu, welche Gründe für oder gegen Ihren Antrag sprechen. Mir ging es nur darum, diese Doppelzüngigkeit aufzuzeigen, die Sie bringen. Dort, wo Sie in der Verantwortung stehen, bekommen Sie das nicht zustande. Das fordern Sie hier bei uns in überschwänglichem Maße ein.
Sie stellen sich immer die Frage: Darf es ein bisschen mehr sein? Während man beim Fleischer 200 Gramm Leberwurst bestellt hat und es sich um 20 Gramm handelt, ist es hier so, als wenn man beim Fleischer 200 Gramm Blutwurst bestellt hat und Sie dann mit zwei Kilogramm kommen und fragen: Darf es ein bisschen mehr sein? Denn Sie fordern hier in der Tat das Zehnfache von dem, was Sie dort durchsetzen, wo Sie selbst mitregieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weshalb sind wir aber insgesamt gegen Ihren Antrag? Wir halten den Verwaltungsaufwand, der damit verbunden ist, für viel zu hoch. Bleiben wir einmal bei den 24 Euro. Es ist doch klar, wenn dort 24 Euro ausgezahlt werden, dann ist der Verwaltungsaufwand, um diese 24 Euro auszuzahlen, mindestens genau so hoch; denn ich brauche dafür Leute, die das machen, prüfen usw. Wir wollen keine zusätzliche Bürokratie schaffen.
Einer der großen Vorteile bei Hartz IV ist ja gewesen, dass man Leistungen in einem Topf zusammengetan hat, damit nicht für jede Zuckertüte, für jede Waschmaschine oder für jeden Wäscheschrank ein extra Antrag zu stellen ist, sondern dass man das Geld gebündelt bekommt und selbst entscheidet, wofür man es ausgibt. Ich glaube auch, dass dahinter ein weit besseres Menschenbild steckt, dass der Betroffene nämlich sein Geld selbst einteilt und nicht irgendein Beamter ihm das vorschreibt. Deswegen war diese Regelung richtig, Leistungen zusammenzufassen und damit Bürokratie abzubauen.
Unser Weg ist also ein anderer als der von Ihnen vorgeschlagene. Wir haben gesagt, wir wollen prüfen, ob die Hartz-IV-Sätze für Kinder angemessen sind. Derzeit liegt dieser Satz eher bei 60 % des Satzes für Erwachsene. Wir wollen, wie das bei den Erwachsenen auch geschehen ist, genau nachschauen, was ein Kind braucht, das in einer Familie lebt, in der beide Eltern arbeiten, was dort für Kinderbekleidung und Lebensmittel ausgegeben und wie viel für Schulsachen eingesetzt wird. Danach soll sich dann der Bedarf bemessen, was ein Kind in einem HartzIV-Haushalt bekommt.
Sie haben eben die Stichworte Waschmaschine und Schulbedarf gegeneinander ausgespielt. Ich würde Sie gern fragen, ob es für Sie vorstellbar ist, dass eine Familie, in der die Waschmaschine kaputtgegangen ist, zuerst eine neue kaufen und die Kinder möglicherweise ohne entsprechende Unterrichtsmaterialien in die Schule schicken wird.
Sie haben das etwas falsch verstanden. Ich wollte damit deutlich machen, dass ich nicht möchte, dass jede Leistung einzeln beantragt wird, dass es einen Antrag gibt, den man schreiben muss; dazu kommt ein Bearbeiter, der das prüft, und ein weiterer Bearbeiter, der es auszahlt. Das war die Neuerung, und das hat, so glaube ich, Bündnis 90/DIE GRÜNEN mit unterstützt, sonst wäre die Hartz-IV-Gesetzgebung nicht so gekommen, dass man Leistungen bündeln soll und Bürokratie abbaut. Diesen Grundgedanken, den sowohl die CDU als auch Bündnis 90/DIE GRÜNEN vertreten haben, halte ich auch heute noch für richtig.
Wie gesagt, diesen Antrag haben wir in den Bundesrat eingebracht, dass kindgerecht bzw. kindgenau geprüft wird, was der wirkliche Bedarf ist. Der Bundesrat hat dem in einer Entschließung zugestimmt.