Protokoll der Sitzung vom 12.09.2008

Der Bund bezuschusst jährlich den Schienenverkehr mit rund 20 Milliarden Euro. Hier ist die Frage zu stellen, wofür die Fahrpreiserhöhung Verwendung finden soll. Der in meinem ersten Teil der Rede formulierte Gesichtspunkt zum Unternehmertum bei der Bahn bleibt dennoch gültig. Wenn aber Geld vom Bund eingesetzt wird, dann müssen derartige Fragen schon erlaubt sein, wie die Infrastruktur weiter ausgebaut wird. Von einer Einmischung in unternehmerische Angelegenheiten kann deshalb nach meiner Meinung nicht gesprochen werden. Hier geht es um Steuergeld, und das in nicht geringer Menge. Bei der Vermischung dieser Steuergelder mit der Höhe der Fahrpreise für die Kunden ist deshalb eine stichhaltige Begründung notwendig. Das fordern wir auch.

Wir bitten Sie um Unterstützung unseres Antrages, der in der kommenden Zeit von uns zum Ausbau des Schienensystems eingereicht wird.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war die Vertretung der CDU-Fraktion. Herr Pellmann, Sie haben das Wort für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst habe ich die bisherige Debatte doch etwas sehr akademisch empfunden. Deswegen möchte ich mich hier als jemand zu Wort melden, der im Unterschied zu manchen Debattenrednern bisher fast täglich die Eisenbahn nutzt und dabei auch so manche Erfahrungen sammeln kann. Einige möchte ich Ihnen hier darstellen, weil ich glaube, dass es manchmal sinnvoll ist, wenn man eine Debatte wieder etwas irdisch betreibt.

Ich könnte damit beginnen und fragen: Was ist denn der größte Störfaktor gegenwärtig für die Geschäftsführung der Deutschen Bahn? – Die Reisenden und vornehmlich Ältere und Behinderte. Deshalb möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf ein paar Aspekte lenken, die das dokumentieren. Schauen wir uns die in Rede stehenden Automaten an. Da sage ich Ihnen, viele Ältere und Behinderte, selbst wenn sie intellektuell dazu in der Lage sind – die meisten sind es ja –, können sie gar nicht nutzen, weil sie aufgrund der Schriftgröße das gar nicht lesen können. Das wird völlig ignoriert und interessiert keinen. Ich habe mich in Japan informiert, dort gibt es eine Sprachausgabe. Warum führt man diese nicht ein? Das dürfte technisch überhaupt kein Problem sein.

(Zurufe von den Fraktionen CDU, SPD, FDP und den GRÜNEN: Datenschutz!)

Datenschutz hin, Datenschutz her, ich lache mich kaputt.

Das Nächste: Nicht alle haben Internet, das wissen wir. Also ist es besonders problematisch, wenn wir beispielsweise überhaupt nicht mehr in allen Bahnhöfen die Möglichkeit haben, Fahrkarten am Schalter zu erwerben, unabhängig von der nun hoffentlich gekippten Bedienungsgebühr. Wie kommen also dann Menschen zu ihrem Fahrschein, wenn sie sie im Zug gar nicht mehr erhalten? Hier besteht ein Widerspruch an sich.

Ich rede jetzt über große Bahnhöfe, bei anderen gibt es sie meistens kaum noch. Nehmen Sie die Hinweistafeln. Jeder, der sich einigermaßen in die Materie eingearbeitet hätte, wüsste, was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen. Aber hier geht es in erster Linie um Designer, die nach dem Schönheitspreis streben. Da sage ich Ihnen eines: Was nützt ein schnittiges Auto, wenn es keinen Motor hat. Jeder weiß doch, der beste Kontrast ist schwarz auf weiß. In Leipzig haben wir weiß auf blau oder weiß auf schwarz, je nachdem. Im Neustädter Bahnhof, den ich oft benutze, ist die Darstellung weiß auf blau. Jeder weiß, das mag schön aussehen, ich kann damit auch einen Preis für gutes Design gewinnen, aber es nützt vielen nichts. Ich werde oft von Älteren gefragt: Können Sie mir sagen, was da steht? Leider kann ich Ihnen meistens nicht helfen.

Ein letztes Beispiel, Einstiegshilfen: Weil hier schon oft der Name Grimma fiel, möchte ich eine Gegebenheit am Rande des Tages der Sachsen zum Besten geben. Ich war im Unterschied zu manch anderem mit der Eisenbahn gefahren. Als ich am Abend nach Leipzig zurück wollte, traf ich auf einem vollen Bahnsteig mit vielen Menschen zusammen. Der Tag der Sachsen war eine großartige Sache und wir können uns nur bei den Grimmaern für ihr Engagement bedanken. Aber ich sage Ihnen eines: Der Bahnhof war und ist für Behinderte eine Katastrophe.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Was passierte? Sie können sagen, das ist DDR-Last und DDR-Erbe. Wissen Sie, welches DDR-Erbe ich dort erlebt habe? Glücklicherweise waren genügend Polizisten vor Ort, die verhindert haben, dass die Rollstuhlfahrer

durch die Nachdringenden vielleicht vom Bahnsteig geschoben wurden. Nein, plötzlich – da erinnerte ich mich an die Siebziger- und Achtzigerjahre in der DDR – kamen die Polizisten mit einem großen Einstiegsbrett angerannt, legten es auf die Bahnsteigkante und die Eingangstür des Wagens und dann konnten die Rollstuhlfahrer endlich einsteigen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat mich nicht zu DDR-Nostalgie veranlasst, aber ich denke, manchmal ist es ganz gut, wenn man improvisationsfähig ist. Aber mit technischem Fortschritt hat das nichts zu tun.

Herr Pellmann, kommen Sie zum Ende Ihrer Rede.

Insofern beende ich die Rede mit der Hoffnung, dass künftig nicht nur Preise erhöht werden, sondern auch mehr für Ältere und Behinderte bei der Deutschen Bahn getan wird.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich frage die SPDFraktion, ob es noch Redebedarf gibt. – Nein. Die anderen Fraktionen? – Das kann ich auch nicht erkennen. Für die Staatsregierung Herr Staatsminister Jurk.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man könnte fast meinen, vieles, wenn nicht gar alles ist von den Vorrednern gesagt worden, allerdings facettenreich und mit unterschiedlichsten Wertungen. Ich will das nicht alles wiederholen.

Lassen Sie mich im Folgenden kurz auf drei Aspekte der Thematik eingehen.

Punkt 1 oder nennen wir es an dieser Stelle Vorbemerkung: Es gibt wahrlich eine Menge interessante Themen mit landespolitischem Bezug. Die Fahrpreise der DB AG gehören allerdings nicht dazu. Seit der Rechtsänderung durch das Zweite Gesetz zur Änderung des allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 16. Juli 2007 sind die Bahntarife noch nicht einmal formell genehmigungspflichtig. Das heißt im Klartext, die Politik hat keinen direkten Einfluss auf die Preisbildung der DB AG – nicht die Bundesrepublik und die Landespolitik an dieser Stelle erst recht nicht.

Im eigenen Interesse sollten wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, davor hüten, in der Öffentlichkeit einen anderen Eindruck zu erwecken.

Punkt 2: Mag doch ein ebenso verlässliches wie sich immer wieder selbst erneuerndes Feindbild á la Deutsche Bahn AG manch einem Zeitgenossen Rückhalt und Stabilität geben, bei objektiver Betrachtung stellt sich selbst die Thematik der Tariferhöhung der DB AG differenzierter dar, als einige der Vorredner uns das Glauben machen wollten, denn es kann nicht geleugnet werden, dass sich die Energiepreise im vergangenen Jahr drastisch, im Extremfall bis zu 100 %, erhöht haben. Züge fahren nun einmal mit Diesel oder Strom und dieser Strom kommt noch nicht einmal aus der Steckdose. Nicht

Aha, man hört mir doch noch zu. zu vergessen, ein paar besonders liebenswerte sächsische Unikate fahren sogar noch mit Kohle. Es ist weiterhin nicht zu leugnen, dass die letzten Tarifabschlüsse bei der Deutschen Bahn AG mit durchschnittlich 11 %, je nachdem welcher Gewerkschaft man angehört, weit über dem Bundesdurchschnitt liegen.

Und es ist schlussendlich ein unumstößlicher Fakt, dass die deutschen und so auch die sächsischen kommunalen Verkehrsverbünde bei den Fahrpreisen nicht minder kräftig zugelangt haben. Rhein-Ruhr genehmigte sich beim letzten Mal stolze 5,5 % Aufschlag und bei unserem Dreiländerverbund MDV waren es immerhin noch 3,6 %.

Punkt drei. Obwohl es, wie gerade dargelegt, durchaus eine Reihe objektiver Gründe für die Tariferhöhung der DB AG gibt – als Verkehrsminister des Freistaates Sachsen lehne ich besagte Preiserhöhung dennoch strikt ab, und zwar sowohl aus verkehrspolitischer und ökologischer als auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive. Natürlich kann man versuchen, die eigene Wirtschaftlichkeit über höhere Preise zu steigern. Bei dieser Rechnung wird allerdings vorausgesetzt, dass die Kunden die höheren Preise akzeptieren und weiterhin mit der Bahn fahren. Sicherer, nachhaltiger und klüger ist jedoch der Weg, die Unternehmensbilanz durch mehr Umsatz, sprich mehr Fahrgäste zu verbessern. Noch nie waren übrigens die diesbezüglichen Voraussetzungen so gut wie heute. Vor dem Hintergrund der ungebrochen hohen Preise an den Tanksäulen entdecken viele Menschen die Bahn neu. Diesen Trend gilt es zu verstetigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Nolle! Vor dem Hintergrund dieser großen und vielleicht einmaligen Chance, neue, bisher unerreichte Kundengruppen für die Bahn zu gewinnen, stelle sicher nicht nur ich mir die verzweifelte Frage, welchem ebenso hoch bezahlten wie fehlgeleiteten – kann man noch sagen – Bahnmanager die Sache mit dem Bedienzuschlag eingefallen sein mag, der eigentlich „Vergraulzuschlag“ heißen müsste.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Entlassen!)

Mir ist kein weiteres Unternehmen bekannt, dass seine eigenen Kunden mit so viel Beharrlichkeit und Fantasie immer wieder vor den Kopf stößt. Der skurrile Bedienzuschlag ist nun zunächst einmal weg. Es stellt sich nur die Frage, Frau Abg. Raatz, wie sich Herr Mehdorn jetzt entfaltet, denn irgendwo hat er das Geld in seine Kalkulation eingestellt, entweder, weil er es haben oder weil er Personal loswerden wollte.

(Karl Nolle, SPD: Reinigungszuschlag! – vereinzelt Heiterkeit bei der SPD und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kommen wir zum Kern des Problems. Aus dem besagten Verhalten der DB AG – –

Kommen wir zum Kern des Problems. Aus dem besagten Verhalten der DB AG spricht nämlich das falsche Selbstverständnis eines immer noch Beinahe-Monopolisten. Oder andersherum ausgedrückt: Besagtes Geschäftsgebahren der DB AG dürfte sich erst dann ändern, wenn das Unternehmen befürchten muss, dass die Kunden zur Konkurrenz abwandern. Deshalb setzt sich die Staatsregierung für mehr, aber vor allem für fairen Wettbewerb im Schienenverkehr ein. Nur auf diesem Wege wird es gelingen, die Eisenbahn als Verkehrsmittel weiter zu stärken.

Im Rahmen unserer Möglichkeiten und Zuständigkeiten ist es uns gelungen, die sächsischen SPNVAufgabenträger unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen mit der nötigen Planungssicherheit auszustatten. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten, haben es in der Hand, mit Ihrer Zustimmung zum nächsten Doppelhaushalt die Weichen für den sächsischen Schienenpersonennahverkehr erneut in die richtige Richtung zu stellen. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass wir uns auch über etwas freuen können, nämlich steigende Nutzerzahlen im sächsischen Schienenpersonennahverkehr. Das zeigt auch, dass hier einiges richtig gemacht wurde. Ich hatte bisweilen den Eindruck, dass wir hier eine Komplettattacke auf die Bahn reiten. Da muss man schön differenzieren und sich die Zahlen ganz genau anschauen.

Mit noch attraktiveren Angeboten und natürlich auch mit fairen, bezahlbaren Preisen wollen wir noch mehr Fahrgäste in unsere Bahnen locken. Das ist schließlich gut für unsere Umwelt, gut für die Wirtschaft und natürlich gut für die Menschen bei uns in Sachsen.

Ich möchte meine Ausführungen mit dem Wunsch beenden, dass sich diese Denkart auch bei den Entscheidungsträgern im DB-Konzern endlich durchsetzen möge, auch deshalb, damit wir uns am Ende fruchtlose Debatten ersparen können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Danke schön. – Meine Damen und Herren, das war die Staatsregierung.

Gibt es seitens der Fraktionen noch weiteren Bedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Damit ist die Aktuelle Debatte und auch der Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren! Es ist kein Zufall, dass ich um diese Uhrzeit hier vorn präsidiere. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Wir drehen die Uhr noch einmal zurück und kommen auf den gestrigen Nachmittag zu sprechen.

Erklärung zum Tagesordnungspunkt 4 der 117. Sitzung

In diesem Tagesordnungspunkt behandelten wir einen Antrag der NPD-Fraktion mit dem verkürzten Titel „USTruppentransporte über den Flughafen Leipzig/Halle sofort unterbinden“. Im Rahmen dieser Debatte habe ich einen Ordnungsruf an den Abg. Petzold ausgesprochen.

Ich beabsichtige, diesen Ordnungsruf zurückzunehmen, möchte dies aber noch begründen. Die NPD-Fraktion hat einen förmlichen Einspruch gegen meinen Ordnungsruf eingereicht. Ich werde mich nach der Regel in dubio pro reo verhalten. Aber damit Sie noch einmal die Minuten an sich vorbeiziehen lassen können, möchte ich aus dem nunmehr vorliegenden stenografischen Protokoll zitieren. Ich beginne an der Stelle, wo ich von hier vorn in die Debatte eingriff:

„3. Vizepräsident Gunther Hatzsch: Herr Petzold, habe ich ‚halunkenhaft’ verstanden, oder war das ein Fehler meines Gehörs?

Nein, Sie haben es richtig verstanden.“

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Das ist ja unglaublich!)

„3. Vizepräsident Gunther Hatzsch: Dann gebe ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf.“

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Rausschmeißen!)

Nach beendeter Debatte kam Herr Petzold mit seinem Sprechtext. In dem Sprechtext stand „helotenhaft“.

(Dr. Martin Gillo, CDU: Unerhört!)

Das machen sie auch in Ihrem Widerspruch kenntlich. Ich zitiere aus dem Widerspruch der NPD-Fraktion: „Ich habe

entgegen der Behauptung von Herrn Vizepräsidenten Hatzsch nicht von einer halunkenhaften US-Hörigkeit, sondern von einer helotenhaften US-Hörigkeit gesprochen.“