Protokoll der Sitzung vom 11.12.2008

Wir sind im Frühjahr davon ausgegangen, dass im Ergebnis unseres Antrages eine Reaktion der Koalitionspartner erfolgt und die Richtwerte endlich angeglichen werden. Wir haben am Dienstag sowohl vom Kultusminister als auch von Herrn Colditz gehört, dass die durchschnittliche Schülerzahl in den einzelnen Schulen gut sei und so bleiben solle.

Wir haben im Grundschulbereich durchschnittlich 19,1 Schüler. Wenn das so bleiben soll, dann ist es für uns nicht nachvollziehbar, wieso ein Richtwert in dieser entsprechenden Verordnung nicht angepasst werden kann und muss. Das macht doch keinen Sinn, was Sie uns hier erzählen.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Jetzt noch einmal zu dem konkreten Beispiel, das Herr Herbst angetippt hat. Ich möchte das vertiefen, um den Landtagsabgeordneten und auch der Öffentlichkeit an einem Beispiel zu zeigen, was im Freistaat Sachsen wirklich passiert.

Die Gemeinde Mülsen ist aus acht Ortsteilen zusammengesetzt. Sie hat drei Grundschulen. Sie ist im Durchmesser 17 Kilometer groß. Eine Schule steht an dem einen Ende, die andere Schule am anderen Ende. Die dritte Grundschule ist in der Mitte. Es gibt noch eine Mittelschule. Früher gab es viel mehr. Es gibt einen Hort.

Jetzt haben wir die Situation, dass eine dieser Grundschulen bereits saniert ist. Der Vertreter des Kultusministeriums erklärt nun den Ortsvertretern, dass die Schule, die bereits 2004 saniert wurde, geschlossen werden soll, damit die Schülerzahlen auf 25 angehoben werden können und sie damit diese Fördermittel bekommen.

(Thomas Colditz, CDU: Das stimmt so nicht!)

So sind die Informationen, die wir haben.

(Thomas Colditz, CDU: Sie sind falsch!)

Ich bitte Sie, sich das noch einmal in Ruhe anzusehen.

Die Anmeldezahlen für die Grundschulen im Ort sind 100 Schüler. Das heißt, wir haben bei fünf Klassen 20 Schüler pro Klasse. Das ist noch weit über dem Wert, den das Schulgesetz überhaupt hergibt, weil im Schulgesetz 15 Schüler pro Klassenstufe stehen, wenn man eine Grundschule eröffnen bzw. führen darf.

Aber die Fördermittel werden nicht nur für die Grundschule nicht ausgereicht, sondern auch für die Mittelschule nicht und auch nicht für das Hortgebäude; denn es wird diskutiert, dass der Hort in Container ausgelagert werden soll, weil eine Grundschule geschlossen werden muss.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Tolle Bildungspolitik!)

Als Bonus gibt es dann noch, wenn diese sanierte Grundschule geschlossen wird, dass die Fördermittel nicht zurückgezahlt werden müssen. Normalerweise wäre das ja zwingend notwendig. Das ist eine klassische Form von Erpressung, und das können wir uns als Landtagsabgeordnete nicht gefallen lassen.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Die Bürger vor Ort verstehen die Politik, die hier betrieben wird, nicht mehr. Sie hören in Sonntagsreden klar und deutlich, was der Freistaat Sachsen alles für die Bildungspolitik tut, wie hervorragend die Ergebnisse sind und was für tolle kleine Klassen wir haben. Diese Kommune hat in ihrem Bereich genau diese Bedingungen in materieller Art geschaffen. Nun muss sie sich entscheiden – das betrifft auch unsere Vertreter in diesem Rat –, weiß aber nicht genau, wie sie sich entscheiden soll. Entweder sie schließt die Grundschule, die sie nicht schließen will, oder sie bekommt die Fördermittel nicht, und zwar für alles, was Schule in diesem Ort bedeutet. Das ist nach unserer

Auffassung nicht tragbar. Übrigens ist das nur ein Beispiel. Es gibt viel mehr.

Wir fordern den Kultusminister heute auf, diese Verfahren, diese Überlegungen, die durch sein Haus geführt werden, die zur klassischen Schulschließung durch das Kultusministerium führen, umgehend einzustellen und in diesem besonderen Fall, den wir heute dargestellt haben, aber auch in den Fällen, die wir heute nicht vorstellen konnten, sofort Veränderungen einzuleiten.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU. Herr Colditz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Szenario ist eigentlich immer das gleiche. Da werden Einzelfälle pauschalisiert. Es wird vom Sanierungsstau im Schulhausbau ausgegangen, wie das Frau Bonk gemacht hat, ohne zu berücksichtigen, was in den letzten Jahren an Sanierungsmaßnahmen im Schulbereich bereits stattgefunden hat. So eine Diskussion ist völlig unredlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Aber es wird noch viel toller. Wenn man die Einzelfälle betrachtet, stellt sich die Situation etwas anders dar, als sie hier glaubhaft gemacht werden sollte.

Sehen wir uns doch einmal die Situation in Mülsen St. Jacob und St. Niclas an.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage. Hier sind genügend dumme Fragen aufgeworfen worden. Da muss man nicht noch eine stellen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! In Mülsen St. Niclas und Mülsen St. Jacob gibt es einen gemeindlichen Verbund. In diesem gemeindlichen Verbund existieren drei Grundschulen. Eine dieser Grundschulen ist voll saniert. Die Empfehlung des Kultusministeriums und des Regionalschulamtes lautet, doch an dieser sanierten Schule festzuhalten. Nur, das Problem ist, dass sie aus der aktuellen Sicht zurzeit die Schülerzahlen nicht erbringt, die notwendig wären, um die Bestandssicherung herzustellen. Es ist doch aber ein Leichtes, wenn man in diesem gemeinsamen Gebiet drei Schulen hat, auf diese zwei Schulen, die schon weitestgehend saniert sind, zurückzugreifen und die unsanierte Schule, über die wir nämlich reden, für die auch der Antrag gestellt worden ist, zu schließen. Das ist doch irgendwo sinnvoll, meine Damen und Herren.

Was Sie hier konstruiert haben, ist eine völlig falsche Darstellung und entspricht nicht dem, was wirklich vor Ort der Fall ist.

Liebe Frau Weihnert, es bedarf auch nicht der Korrektur der Schulnetzplanung durch die Förderrichtlinie Schulhausbau. Sie wissen ganz genau, Frau Weihnert, in Leipzig wird das sicher auch so gewesen sein: Die Schulnetzplanung ist in gemeinsamer Verantwortung der staatlichen und der kommunalen Behörde realisiert worden. Es ist festgelegt worden, welche Schulen aus Sicht der Vorgaben, die existieren, bestandssicher sind und welche nicht. Aber dann durch die Hintertür von der kommunalen Ebene her zu versuchen, das im Nachgang durch die Beantragung von Fördermitteln zu unterlaufen, das ist nicht in Ordnung. Das kann man auch nicht unterstützen, liebe Frau Weihnert. Es geht auch nicht darum, die Werte des § 4a an die Richtwerte anzupassen, die in der Förderrichtlinie stehen.

Meine Damen und Herren! Die Werte, die im Schulgesetz § 4a stehen, sind Mindestvorgaben. Herr Herbst, Sie haben es richtig vermerkt: Diese Mindestvorgaben sind insbesondere als Ausnahmeregelung für den ländlichen Raum gedacht, um dort auch kleinere Schulstandorte erhalten zu können. Es ist doch nicht sinnvoll, beispielsweise im Verdichtungsraum Leipzig und Dresden die gleichen Maßstäbe anzusetzen und auch dort die Mindestschülerzahlen gelten zu lassen. Wir erwarten, dass sich hier an den Zahlen orientiert wird, die in der Förderrichtlinie stehen. Es ist völlig legitim, dass in Ergänzung dessen, was im Schulgesetz steht, auch der Freistaat in der Förderrichtlinie zum Schulhausbau Vorgaben und Richtwerte festlegt, um damit auch die Bestandssicherheit zum Ausdruck zu bringen und die Vergabe von Fördermitteln davon abhängig zu machen. Bei diesen Vorgaben und Richtwerten handelt es sich um Orientierungsmarken für die Schulträger.

Liebe Frau Bonk, die Zahl 28, die Sie angesprochen haben, ist kein Klassenteiler. Im Schulgesetz steht, das ist die oberste Klassengrenze. Der Mittelwert der Klassenbildung liegt bei 25, und das seit acht Jahren in diesem Land. Also können Sie hier nicht davon ausgehen, dass hier völlig neue Sachverhalte eingeführt werden.

Liebe Frau Günther-Schmidt, Sie haben die Förderquote angesprochen. Natürlich kann man die Förderquote auch höher halten, aber dann muss man natürlich berücksichtigen, dass man mit einer höheren Förderquote im Vergleich zu den zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr so viele Maßnahmen erreichen kann, wie das wünschenswert wäre. Wenn wir das nämlich dann tun, sprechen Sie vom Investitionsstau.

Völlig außen vor lassen Sie die Sichtweise darauf, dass sich auch die Kommunen in ihrer Finanzkraft inzwischen so weit entwickelt haben, dass sie durchaus in der Lage sind, ihre Eigenanteile aufzubringen.

(Beifall bei der CDU)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Frau Falken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch der Kreiselternrat Chemnitz, wie ich gerade im Netz gesehen habe, wendet sich noch einmal massiv an uns als Landtagsabgeordnete.

Ich möchte gern im letzten Redebeitrag noch einmal die Gründe benennen, die das Kultusministerium durch seinen Vertreter vor Ort genannt hat, weshalb man eine Grundschule auch schließen muss. Nicht nur die Richtwerte, sondern auch die Anzahl der Grundschullehrer reicht nicht mehr aus, um so viele Klassen bilden und sie entsprechend unterrichten zu können. Sie erinnern sich an die Debatte, die wir am Dienstag hatten, in der wir ausdrücklich und intensiv darum geworben und gekämpft haben, nämlich die Oppositionsfraktionen, im Grundschulbereich zusätzliche Lehrerstellen zu bewilligen.

Wenn es jetzt daran liegt, dass wir große Klassen im Grundschulbereich bilden müssen, weil wir nicht mehr genügend Grundschullehrer haben, dann, muss ich Ihnen sagen, machen Sie in der Politik wirklich etwas falsch.

(Beifall bei der Linksfraktion und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE, und Torsten Herbst, FDP)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht zu erkennen. Dann bitte Herr Staatsminister Prof. Wöller.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird hier ein schwerwiegender Vorwurf erhoben: Nötigung; das Sächsische Staatsministerium für Kultus nötige die Kommunen zur Schulschließung.

Unter Berufung auf die Förderrichtlinie Schulhausbau habe das Ministerium kommunale Anträge zur staatlichen Förderung von Baumaßnahmen abgewiesen oder eine Bewilligung an die Schließung von Schulen geknüpft. Damit stünden die betroffenen Schulen – fast ausschließlich Grundschulen – vor dem Aus. Ein Fall von Nötigung? Sicher nicht.

Ich nehme einmal an, die Damen und Herren der Linksfraktion verwenden den Begriff der Nötigung nicht im streng juristischen Sinne. Falls doch, wäre hier der verkehrte Ort, um die Dinge weiter zu verhandeln.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Vielmehr vermute ich, Sie wollen mit Ihrer ebenso plakativen wie polemischen Begriffswahl die Staatsregierung bzw. das Kultusministerium in ein schulpolitisch schlechtes Licht rücken. Aber das ist weder neu, noch wird Ihnen dies gelingen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Denn die Entscheidungen des von mir geleiteten Hauses für oder gegen einzelne Förderanträge basieren nicht auf Behördenwillkür. Sie beruhen auf den bewährten Grund

lagen, nämlich auf dem Schulgesetz und auf dem Landesentwicklungsplan.

Das Schulgesetz sieht vor, dass in allen Gemeinden Schulen von dem jeweiligen Schulträger einzurichten sind, vorausgesetzt, es besteht ein öffentlicher Bedarf. Ergänzend bestimmt der Landesentwicklungsplan, dass in allen zentralen Orten Sachsens Schulen zur Verfügung stehen, die ein attraktives, breit gefächertes Bildungsangebot für die Kommune und das regionale Umland bieten; wie gesagt, den öffentlichen Bedarf vorausgesetzt.